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Materialien für Lehrer - Staatstheater Nürnberg

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<strong>Staatstheater</strong> Nürnberg – Materialmappe „Macbeth―<br />

Giuseppe Verdis 1847 in Florenz uraufgeführte Oper „Macbeth― ist die bis dahin<br />

experimentellste Oper des 34-jährigen Komponisten. Immer noch benutzt er formal die<br />

konventionellen Formen der italienischen Oper und hat dafür Shakespeares „Macbeth―-Drama<br />

den dramaturgischen Anforderungen der traditionellen Oper angepasst. Der oben<br />

beschriebene, fast sinfonische Umgang mit inhaltlich aufgeladenen musikalischen Motiven<br />

zeigt jedoch, dass Verdis musikalisches Denken bereits weit über die kurzen, in sich<br />

geschlossenen Formen der Nummernoper hinausweist, hin zu einem mit den Mitteln der Musik<br />

erzählten Drama. In einem Brief an seinen Librettisten Francesco Maria Piave vom 4.<br />

September 1846 hatte er klargemacht, dass er sich für diese Oper etwas Ungewöhnliches<br />

vorstellt. Als Piave ihm nur begrenzt ungewöhnliche Verse liefern konnte, holte Verdi den<br />

befreundeten Literaten Andrea Maffei hinzu, der u.a. die mit ihren betonten Endsilben bewusst<br />

ordinären Verse des ersten Hexenchores beisteuerte. Bereits mit diesem Chor etabliert Verdi<br />

eine Ästhetik des Hässlichen, die in ihrer Radikalität auf der Opernbühne neuartig wirken<br />

musste. Vor diesem Hintergrund ist nicht das durch den „Macbeth―-Stoff vorgegebene Fehlen<br />

einer Liebesgeschichte bemerkenswert, sondern die Tatsache, dass die Beziehung zwischen<br />

Macbeth und der Lady alle Züge einer pervertierten, ins negativ gewendeten Liebesgeschichte<br />

trägt.<br />

Mehr als in allen anderen seiner Opern einschließlich des zehn Jahre jüngeren „Simon<br />

Boccanegra― betont Verdi das Düstere, das Nächtliche im „Macbeth―. Es ist nicht nur ein Stück,<br />

das zu großen Teilen in der Nacht spielt und in dem die Metaphorik der Nacht – Dunkelheit<br />

verschleiert Verbrechen – eine zentrale Rolle spielt, es ist auch ein Stück über die Nachtseiten<br />

des Menschen. Zwar sprechen Macbeth und die Lady unablässig von politischer Macht, nach<br />

der sie gieren und der all ihre Handlungen geschuldet sind. Doch diese Gier nach Macht ist zu<br />

keinem Moment von einem wirklichen politischen Ziel angetrieben, ganz zu schweigen von<br />

einer Utopie. Verdi, der mit seinen früheren Werken in den 40er Jahren politische Opern im<br />

Sinne der italienischen Einigungsbewegung des „Risorgimento― geschaffen hatte, wirft hier<br />

einen ganz anderen, düsteren und illusionslosen Blick auf Politik und Herrschaft. Von Anfang<br />

an, noch vor Macbeths Königsmord, herrschen in der Oper die dunklen Farben und das<br />

Tongeschlecht Moll vor. Die Ordnung, die Macbeth stürzt, wird keineswegs als eine in sich<br />

ruhende, perfekte politische Ordnung vorgestellt. Das Land ist im Krieg, und Macbeth verdankt<br />

seinen ersten Aufstieg zum Than von Cawdor der Hinrichtung eines anderen Adeligen. König<br />

Duncan, der bei Shakespeare immerhin noch in mehreren Szenen aufgetreten war, ist nicht<br />

mehr als ein stummer Statthalter der Macht, für den Verdi die wohl trivialste italienische<br />

Blasmusik vorgesehen hat, die er komponieren konnte. Niemand hat in dieser Oper ein<br />

politisches Ziel, das über Macht hinausgeht. Für die Zeitgenossen Shakespeares verwies die<br />

Verheißung des Königtums für die Nachkommen Banquos noch auf den aktuellen Stuart-König<br />

James I., der seine Ahnenreihe von einem Banquo ableitete. Für das Publikum der Verdi-Zeit<br />

ist dies ebensowenig von Bedeutung wie für den heutigen Zuschauer.<br />

Dass Verdis pessimistisches Weltbild jeden Takt der Musik prägt, macht ein Vergleich<br />

des Schlusses in der Urfassung der Oper und ihrer Neufassung von 1865 eindrucksvoll<br />

deutlich. Die Florentiner Fassung von 1847 endet mit dem Tod des Macbeth auf offener<br />

Bühne. Im Angesicht des Todes reflektiert Macbeth die Sinnlosigkeit seiner Taten zum bloßen<br />

Machterhalt. Mit knappen musikalischen Gesten – Abwärtsbewegungen der Streicher, einer<br />

Andeutung von Trauermarsch der Blechbläser, kurze Orchesterschläge – vollzieht sich der Tod<br />

des Macbeth ohne irgendeine Form der Überhöhung. Nicht einmal eine Höllenfahrt findet statt:<br />

Macbeth „verreckt―. Anders in der Pariser Fassung von 1865, für die sich der dortige<br />

Impresario einen Schlusschor gewünscht hatte. Der Tod des Macbeth findet nun hinter der<br />

Bühne statt, dafür kommen die siegreichen Truppen des Malcolm zu einer „Siegeshymne―<br />

(„Inno di vittoria―) zusammen, die zugleich Malcolm als neuen König feiert. Doch Verdi<br />

komponiert diesen Schlusschor genau nicht als Siegeshymne im Sinne eines positiven<br />

Schlusses. Ein großer Teil des Chores steht im nicht eben sieghaften a-Moll, erst in den<br />

letzten Takten wendet sich die Musik nach Dur. Die Nürnberger Aufführung verzichtet daher<br />

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