Leitlinien Kinder- und Jugendarbeit 2010 - Stadt Reutlingen
Leitlinien Kinder- und Jugendarbeit 2010 - Stadt Reutlingen
Leitlinien Kinder- und Jugendarbeit 2010 - Stadt Reutlingen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Stadt</strong> <strong>Reutlingen</strong> – Amt für Schulen, Jugend <strong>und</strong> Sport <strong>Leitlinien</strong> <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> <strong>2010</strong><br />
erfolgreich mit der belastenden Lebenssituation umzugehen <strong>und</strong> unbeschadet ihre persönliche<br />
Entwicklung zu durchlaufen. 21<br />
Aus den befragten Einrichtungen der Jugend- <strong>und</strong> Jugendsozialarbeit der <strong>Stadt</strong> <strong>Reutlingen</strong><br />
wurde Folgendes zurückgemeldet: Niedrige Einkommen bzw. die Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitssuchende<br />
(SGB II) reichen oft nicht aus, um <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendliche so zu fördern, dass<br />
sie Chancen haben, im Erwachsenenalter dem Armutsrisiko zu entkommen. Dies führt auch<br />
zur Erkenntnis der Mobilen <strong>Jugendarbeit</strong> <strong>Reutlingen</strong>, dass Armut bei jungen Menschen nicht<br />
nur an deren finanziellen Status, sondern auch an ihrem Bildungsniveau gemessen werden<br />
muss. Es gibt allerdings Jugendliche, deren Eltern über finanzielle Mittel verfügen, diese jedoch<br />
nicht in die Bildung ihrer <strong>Kinder</strong> investieren.<br />
Ein anderer Zusammenhang ist zwischen Armut <strong>und</strong> Ernährungsgewohnheiten bei jungen<br />
Menschen zu beobachten. Schlechte Ernährung ist hinsichtlich verschiedenster körperlicher<br />
Erfordernisse im Schul- <strong>und</strong> Ausbildungsalltag ein nicht zu unterschätzender Aspekt. Zudem<br />
konnte in der Mobilen <strong>Jugendarbeit</strong> beobachtet werden, dass das originäre Gr<strong>und</strong>bedürfnis<br />
„Essen“ bei <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen nicht befriedigt ist: Zunehmend mehr <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendliche<br />
kommen hungrig zu den Angeboten <strong>und</strong> sind dann auf der Suche nach etwas<br />
Essbarem.<br />
Häufig steht der Risikofaktor Ges<strong>und</strong>heit in gegenseitiger Abhängigkeit zum Verhältnis der<br />
Armut. Ein chronisch oder vorübergehend schlechter Ges<strong>und</strong>heitszustand erhöht das Armutsrisiko<br />
deutlich <strong>und</strong> umgekehrt. Zwischen den eingeschränkten Möglichkeiten einkommensarmer<br />
Menschen, Ges<strong>und</strong>heitsvorsorge <strong>und</strong> -pflege zu betreiben sowie sich ges<strong>und</strong> zu<br />
ernähren, gibt es einen deutlichen Zusammenhang. Bei jungen Volljährigen aus ärmeren<br />
Milieus zeigt sich dies beispielsweise darin, dass die bereits vor einigen Jahren eingeführte<br />
Praxisgebühr dazu führt, dass notwendige Arztbesuche nicht vereinbart werden oder die<br />
Regelungen der Zuzahlungen bei Zahnersatzleistungen einen Zahnersatz verzögern oder<br />
verhindern.<br />
Als weiteres Thema, welches als präsent von Fachkräften der Jugend- <strong>und</strong> Jugendsozialarbeit<br />
zurückgemeldet wird, ist der Bereich Körper <strong>und</strong> Sexualität. Für Jugendliche sind zu Beginn<br />
<strong>und</strong> während der Pubertät die hormonellen <strong>und</strong> körperlichen Veränderungen nicht einfach<br />
zu bewältigen. Körpererfahrung <strong>und</strong> -erleben werden dabei zum Bezugspunkt des sich<br />
Wohl- oder Unwohlfühlens <strong>und</strong> prägen den Alltag zwischen den Geschlechtern. Schönheitsideale<br />
<strong>und</strong> das Interesse, etwas aus sich zu machen, gewinnen an Bedeutung. Die Muster<br />
der Körperwahrnehmung <strong>und</strong> des Umgangs mit dem Körper unterscheiden sich je nach Geschlecht,<br />
sozialer Lage <strong>und</strong> kulturellem Hintergr<strong>und</strong>.<br />
Bezüglich des Alters hat bereits jede/-r zehnte deutsche Jugendliche mit 14 Jahren intime<br />
sexuelle Erfahrungen gemacht, Mädchen dabei etwas häufiger als Jungen. Im Alter bis (17<br />
Jahre steigt dieser Erfahrungsanteil deutlich an. Jungen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> haben in<br />
der gleichen Altersspanne häufiger als Mädchen sexuelle Erfahrungen. Zudem lässt sich<br />
feststellen, dass Jugendliche mit niedrigem Bildungsstatus in einem früheren Alter erste sexuelle<br />
Erfahrungen als Gleichaltrige mit hohem Bildungsniveau machen <strong>und</strong> dass Mädchen<br />
insgesamt häufiger <strong>und</strong> gründlicher auf Verhütung achten. 22<br />
In der <strong>Jugendarbeit</strong> <strong>und</strong> Jugendsozialarbeit wird beobachtet, dass Körperbilder zunehmend<br />
wichtig werden. Identität <strong>und</strong> das Gefühl, für andere attraktiv zu sein, wird zunehmend aus<br />
der äußeren Erscheinung gezogen. Das Bild des Körpers <strong>und</strong> die „Verpackung“ (Kleidung,<br />
Styling, Kosmetik) wird zunehmend wichtig. Casting-Shows heizen den Trend, den Körper<br />
zur Vermarktung der Person zu nutzen, stark an. Hier wird vielen Jugendlichen eine unrealistische<br />
Perspektive vermittelt.<br />
21<br />
Vgl. BMFSFJ 2008, 82; 85.<br />
Anmerkung: Der Frage, wie die meisten <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendliche diese Aufgabe dennoch bewältigen, widmet sich die Resilienzforschung<br />
auch im Rahmen der Jugend- <strong>und</strong> Jugendsozialarbeit.<br />
22<br />
Vgl. BMFSFJ 2009 b), 118 – 120.<br />
Seite 34<br />
III) 1. Lebenslagen von <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen