Evangelische Zeitung - Evangelische Hoffnungsgemeinde
Evangelische Zeitung - Evangelische Hoffnungsgemeinde
Evangelische Zeitung - Evangelische Hoffnungsgemeinde
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Alles nur Fassade<br />
Frankfurter Fassaden<br />
Ein schöner Schein im Bahnhofsviertel<br />
und im Rest von Frankfurt am Main<br />
Die Fassade des Gebäudes ist in der öffentlichen<br />
Wahrnehmung das Wesentliche<br />
eines Hauses. Aber was verbirgt<br />
sich dahinter? Diese Frage stellen wir<br />
uns als Passanten schon weniger. Die<br />
optische Wirkung ist zunächst das vordergründig<br />
Wichtigste. Vergessen ist<br />
der Thomas von Aquin zugesprochene<br />
Satz „Nur ein bewohntes Haus ist ein<br />
schönes Haus“, daraus folgen die Fragen:<br />
Wer wohnt hier, wer betreibt ein<br />
Gewerbe - seriös oder anrüchig für bürgerliche<br />
Maßstäbe - hinter den Mauern<br />
im Frankfurter Bahnhofsviertel können<br />
wir all dies mit aufmerksamem Auge auf<br />
vielfältige Weise beobachten. Erhaltene<br />
gründerzeitliche Fassaden zeigen uns<br />
die ganze Bandbreite der abendländischen<br />
Architektur und alle denkbaren<br />
Kombinationen in einer Fülle, wie sie<br />
frühere Epochen niemals hervor brachten.<br />
Materieller Reichtum setzte sich<br />
um in steinerne Häuserfronten, die uns<br />
heute den Eindruck einer vergangenen<br />
Zeit widerspiegeln. Die Nutzer und<br />
Mieter der Epoche vor 1914 sind nicht<br />
mehr präsent, wir können nur noch ahnen,<br />
welche Kontraste sich hinter den<br />
Fassaden verbargen: Die Handwerksbetriebe<br />
und Gewerbe in den hinteren<br />
Höfen, die Neureichen in der Beletage,<br />
Kontore und Durchschnittsbürger in<br />
übrigen Geschossen, die Dienerschaft in<br />
den bescheidenen Mansardenwohnungen.<br />
Arme und Reiche leben auch heute<br />
dicht beieinander im Bahnhofsviertel,<br />
die Fassaden verraten nichts über die<br />
Schicksale der Menschen, die dahinter<br />
wohnen. Die übrig gebliebenen Alteingesessenen,<br />
Migranten, die aus fernen<br />
oder nahen Ländern zu uns gekommen<br />
sind, und die Neubürger, die sich<br />
luxussanierte großflächige<br />
Wohnungen<br />
leisten können - die<br />
Gegensätze bleiben<br />
uns erhalten.<br />
aboupixel.de © walter dannehl<br />
Die Fassadenkultur<br />
hat Tradition<br />
und so fällt es nicht<br />
schwer eine Brücke<br />
zur gegenwärtigen<br />
Stadtplanung<br />
zu schlagen. In der<br />
Diskussion steht die<br />
„Rekonstruktion“<br />
von Gebäuden der<br />
Frankfurter Altstadt,<br />
also in jenem Quartier zwischen Dom<br />
und Römer, das den ältesten Teil der<br />
Stadt markiert.<br />
Die überlieferten Bilder der untergegangenen<br />
Altstadt rufen Trauer hervor und<br />
andererseits auch den Wunsch, das<br />
Vergangene wieder herzustellen. Die<br />
Entwürfe einer Bebauung dieser Fläche<br />
waren in den letzten fünfzig Jahren<br />
unbefriedigend. Eine Sehnsucht nach<br />
dem Verlorenen ist nachvollziehbar.<br />
Wer möchte diesen Wünschen widersprechen?<br />
Wie wird das Ergebnis einer<br />
„neuen Altstadt“ aussehen? Häuser, die<br />
unwiederbringlich verloren sind, lassen<br />
sich nicht mehr originalgetreu nachbauen,<br />
wenn sie bewohnbar sein sollen.<br />
Wie sahen die inneren Strukuren früherer<br />
Altstadthäuser aus? Sie hatten für<br />
heutige Standards unzureichende sanitäre<br />
Einrichtungen, kleinflächige enge<br />
Räume in dunklen Gassen, die dem Tageslicht<br />
nur wenige Stunden gönnten.<br />
Nein, alles dies wollen die Befürworter<br />
von sog. Rekonstruktionen der Altstadthäuser<br />
nicht. Vielmehr sollen moderne<br />
Häuser entstehen, die den heutigen<br />
Maßstäben von Hygiene und Komfort<br />
entsprechen, die Bauvorschriften heutiger<br />
Zeit sind dabei nicht zu vergessen<br />
(Wärmedämmung, Brandschutz etc.).<br />
Aber diese neuen Häuser sollen dann<br />
so aussehen, als wären sie schon 300,<br />
400 oder noch mehr Jahre alt, ein schöner<br />
Schein.<br />
Alles nur Fassade !<br />
Peter Metz<br />
Alles nur Fassade<br />
20 21