GÃrTnerKULTUr FÃr KOMMenDe GeneraTIOnen
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anche<br />
Gärtnerkultur für<br />
kommende<br />
Generationen<br />
Das globale Reservoir an fossilen Energien, insbesondere Erdöl, leert<br />
sich zunehmend. Längst ist bekannt, dass wir auf Kosten der<br />
kommenden Generationen leben. Doch welche Handlungsspielräume<br />
haben wir als Gartenbauer? Was kann jeder Einzelne von uns tun?<br />
Und bedeutet Nachhaltigkeit wirklich nur Energie sparen? Im Rahmen<br />
einer Vortragsreihe an der Hochschule für Technik Rapperswil gingen<br />
die Landschaftsarchitekten Ralf Günter Voss, Felix Naef und Cordula<br />
Loidl-Reisch diesen Fragen nach.<br />
Text: Carmen Hocker; Bilder: Carmen Hocker, Fritz Wassmann<br />
Wer zweimal im Jahr auf die Malediven fliegt, bringt<br />
das «2000-Watt-Konzept» aus dem Gleichgewicht,<br />
auch wenn er in der «Greencity Manegg» in Zürich<br />
wohnt. Bei der ersten Schweizer Überbauung mit der<br />
Auszeichnung «2000-Watt-Areal» wurde viel dafür<br />
getan, die Energiekosten so niedrig wie möglich zu<br />
halten. Und dennoch stösst man schnell an Grenzen.<br />
Ein kosmopolitischer Lebensstil verträgt sich<br />
eben nur schwer mit dem Nachhaltigkeitsprinzip.<br />
Das kam im Vortrag von Ralf Günter Voss von Vogt<br />
Landschaftsarchitekten AG zum Ausdruck. Weniger<br />
ernüchternd war der zweite Vortrag: Felix Naef, Inhaber<br />
der Naef Landschaftsarchitekten GmbH, gab<br />
zu bedenken, dass die Debatte um die 2000-Watt-<br />
Gesellschaft durchaus «eine blumige Seite» habe. Er<br />
machte deutlich, dass Verzicht nicht gleichbedeutend<br />
mit Verlust ist. Im Gegenteil. Felix Naef, der über<br />
zwölf Jahre an der Hochschule Rapperswil als Dozent<br />
für Pflanzenverwendung gearbeitet hat, plädiert für<br />
eine neue Ästhetik, für Gärten «mit Herz und Seele».<br />
Auch Cordula Loidl-Reisch betonte in ihrem Vortrag,<br />
dass nachhaltiges Denken den Planer vor spannende<br />
Aufgaben stellt. Und Ralf Günter Voss hatte sein<br />
Referat mit dem Gedanken abgeschlossen, dass viele<br />
Aspekte vorausschauender Gestaltung schlicht Teil<br />
einer guten Gärtnerkultur sind.<br />
Im Gartenbau ist das Potenzial zum Energiesparen<br />
relativ gering; Vergleichsdaten zu verschiedenen Materialien<br />
fehlen noch weitgehend. Der Tenor aller drei<br />
Referate war, den Begriff der Nachhaltigkeit weiter zu<br />
fassen und darüber nachzudenken, was Landschaftsgestalter<br />
mit ihrer Arbeit bewegen können, wie sie mit<br />
Fachwissen und Engagement lebenswerte Grünräume<br />
schaffen. Dazu einige Impulse:<br />
Freude vermitteln am raschelnden Laub<br />
Betrachten Sie sich als Botschafter der Natur! Begeistern<br />
Sie Ihre Kunden für die Vielfalt der Pflanzenwelt,<br />
zeigen Sie, wie ein lebendiger Garten Erholungsraum<br />
für den Menschen und Lebensraum für Vögel und<br />
Schmetterlinge ist. Kein Kunde sollte raschelndes<br />
Laub im Herbst nur mit Arbeit verbinden, sondern<br />
sich am Wandel der Jahreszeiten erfreuen.<br />
Vielfältige Grünstrukturen schaffen<br />
Wenn es um den ökologischen Wert von Grünraumen<br />
geht, ist die Vielfalt entscheidend. Lassen es<br />
Nutzung und Grösse des Gartens zu, könnte man<br />
einen Teil davon zu einer Wiese aufwachsen lassen.<br />
Bei der Neupflanzung von Bäumen sollte bedacht<br />
werden, dass ein pumpendes Gehölz wie die Weide<br />
eine grössere Verdunstungsleistung als beispielsweise<br />
die kleinblättrige Gleditschie erzielt. Grundsätzlich<br />
ist die Oberfläche und damit die photosynthetische<br />
Leistung einer üppigen Baum-, Strauch- und Krautschicht<br />
um ein Vielfaches grösser als bei Rasen.<br />
Intensive Dachbegrünung fördern<br />
Mit der Aussage «Extensive Dachbegrünung ist eigentlich<br />
zu unsportlich!» löste Cordula Loidl-Reisch<br />
ein Raunen im Publikum aus. Was sie damit zum<br />
Ausdruck bringen wollte ist, dass höhere Substratschichten<br />
eine intensive Begrünung mit Pflanzen<br />
ermöglichen. Gerade gegenüber Sedum können diese<br />
ein Vielfaches an Wasser speichern und sorgen<br />
aufgrund ihrer höheren Verdunstungsleistung für<br />
kühlere Oberflächentemperaturen.<br />
Fassaden mit Gerüstkletterern begrünen<br />
In den letzten Jahren sind fassadengebundene Begrünungen<br />
wie die «murs végétaux» (Pflanzenwände)<br />
des Franzosen Patrick Blanc in Mode gekommen.<br />
Allerdings benötigen diese Systeme, die losgelöst vom<br />
Boden sind, eine erweiterte Bewässerungs- und Nähr-<br />
22 5/2013
stoffversorgungstechnik. Zahlen, die belegen, wie<br />
gross der Energieaufwand im Verhältnis zum Nutzen<br />
ist, gibt es noch keine. Berücksichtigt man allein den<br />
Energieverbrauch für die Herstellung, dann schneiden<br />
Selbstklimmer, allen voran Parthenocissus tricuspidata<br />
’Veitchii’, mit Sicherheit besser ab. Cordula Loidl-<br />
Reisch empfiehlt, sich wieder mehr den klassischen<br />
Gerüstkletterern zuzuwenden.<br />
Materialien sinn- und massvoll einsetzen<br />
Die Vorstellung, im Garten müsse alles penibel sauber<br />
aussehen, ist Felix Naef zuwider. Zur Anschauung<br />
zeigte er Fotos eines öffentlichen Kiesweges, der mit<br />
einem acht Millimeter breiten und zwanzig Zentimeter<br />
tiefen Stahlabschluss eingefasst wurde. Bereits<br />
nach zwei Jahren war die Einfassung unsichtbar,<br />
überzogen mit einer pflanzlichen Patina. Das sei un-<br />
nötiger Energieaufwand, zumal es optisch ansprechender<br />
sei, wenn der Kiesweg im Laufe der Zeit mit<br />
der Bepflanzung verschmilzt. Felix Naef regte an,<br />
mehr mit Holzabschlüssen zu arbeiten. Natürlich<br />
erfordere das manchmal Überzeugungsarbeit beim<br />
Kunden, aber Kommunikation sei Teil der Aufgabe<br />
eines Landschafsarchitekten oder Gärtners. Und mit<br />
plausiblen Argumenten liesse sich mancher Kunde<br />
überzeugen.<br />
Offenen Flächen den Vorzug geben<br />
Versiegelte Flächen aus Asphalt und Unterbauungen<br />
mit Tiefgaragen über die Grenzen der Gebäude hinaus<br />
können zum Problem werden. In manchen Städten<br />
wie beispielsweise Wien führt der Mangel an offenen<br />
Flächen bei starkem Gewitterregen immer wieder zu<br />
Überschwemmungen. Auch bei der Gestaltung pri-<br />
Intensive können<br />
gegenüber extensiven Begrünungen<br />
von Dächern<br />
ein Viel faches an Wasser<br />
speichern.<br />
Die Menschen, die eine Baumpatenschaft (Bild links in Basel)<br />
eingehen, fühlen sich für «ihren» Baum – oder Gemüse und<br />
Blumen – verantwortlich – so entstehen kleine Oasen mitten<br />
in der Stadt.<br />
5/2013 23
Auch mit nachwachsenden Materialien wie Weide lassen sich reizvolle Einfassungen<br />
gestalten. Rechts: Material-Recycling: Diese Stützmauer wurde<br />
mit Schuttsteinen aus der Hausrenovation gefüllt.<br />
vater Gärten sollte überlegt werden, wo offene Flächen<br />
machbar sind. Ein Vor- oder Parkplatz mit Kies<br />
schneidet in der Energiebilanz zudem deutlich besser<br />
ab als ein asphaltierter Belag. Laut Felix Naef ist der<br />
Energiebedarf bei Asphalt rund 40-mal grösser als bei<br />
Kies.<br />
Einheimisches verwenden<br />
Kürzere Transportwege allein sprechen für einheimischen<br />
Naturstein. Doch wie lässt sich der höhere<br />
Preis rechtfertigen? Um die Bauherrschaft zu überzeugen,<br />
ist beim Entwurf Kreativiät gefragt. Anstatt<br />
eine Fläche komplett mit Natursteinen zu belegen,<br />
ist vielleicht eine Kombination mit Kies denkbar. Die<br />
Frage ist auch, wie gross die belegte Fläche tatsächlich<br />
sein muss. Möglicherweise gibt es auch bei anderen<br />
baulichen Elementen Einsparungspotenzial, so dass<br />
der einheimische Naturstein im Gesamtpreis der<br />
Gartengestaltung weniger ins Gewicht fällt.<br />
Sich auf Holz rückbesinnen<br />
Viele Landschaftsarchitekten lieben es, mit Beton<br />
zu gestalten. Doch die Herstellung von Beton ist<br />
energieintensiv.<br />
Holz dagegen ist ein nachwachsender Rohstoff, der<br />
Kohlenstoffdioxid speichert und Sauerstoff erzeugt.<br />
Kurze Wege aus heimischen Wäldern und leichte<br />
Bearbeitung halten die Belastungen gering. Zu bedenken<br />
ist die Lebensdauer des Materials, vor allem bei<br />
der Gestaltung von öffentlichen Grünanlagen. Was<br />
macht man beispielsweise am Ende der Lebenszeit<br />
eines Holzdecks und wer finanziert den Neubau sind<br />
Fragen, die schon in der Planungsphase berücksichtigt<br />
werden sollten.<br />
Jeder Einzelne ist gefragt<br />
Als Student wurde Felix Naef von einem Dozenten<br />
als «naiver Spinner und Träumer» bezeichnet. Doch<br />
davon liess er sich nicht abschrecken. Wann immer<br />
möglich, verfolgt er seine Vorstellungen von einem<br />
anderen, archaischen Grün: mit Wasserspielplätzen,<br />
die zum erdigen, «dreckigen» Gestalten einladen oder<br />
auch mit Baumkapellen, die Raum zum Innehalten<br />
und Meditieren bieten. In der Diskussion um Nachhaltigkeit<br />
sieht Felix Naef eine Chance, wieder andere<br />
Werte zu entdecken und sich Zeit zu nehmen. Mit<br />
sichtlicher Begeisterung sammelt er Beispiele individuellen<br />
Engagements: angefangen bei Baumpatenschaften<br />
in Basel bis hin zu Urban-Gardening-Projekten<br />
in Zürich. So klein diese Gesten sein mögen, sie alle<br />
sind Ausdruck für Respekt und Verbundensein mit der<br />
Natur.<br />
2000-Watt-Gesellschaft<br />
Der Begriff «2000-Watt-Gesellschaft» wurde durch die Fachstelle Novatlantis<br />
der ETH geprägt. Ziel ist es, eine lebenswerte Zukunft für kommende<br />
Generationen zu ermöglichen.<br />
Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Reduzierung des Energieverbrauchs. So<br />
benötigt der Mensch im globalen Mittel 17500 Kilowattstunden pro Jahr.<br />
Dies entspricht einer kontinuierlichen Leistung von 2000 Watt. Während es<br />
in der Schweiz dreimal mehr, also 6000 Watt pro Person sind, benötigen<br />
die Menschen im Durchschnitt in einigen asiatischen und afrikanischen<br />
Ländern nur einen Bruchteil davon.<br />
Die Vision der 2000-Watt-Gesellschaft besteht darin, einen Ausgleich<br />
zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu erreichen und damit allen<br />
Menschen einen guten Lebensstandard zu ermöglichen.<br />
www.novatlantis.ch<br />
24 5/2013
Greencity erhält das erste Energiestadt<br />
Zertifikat «2000-Watt-Areal»<br />
Branche<br />
Nur wenige Bahnminuten vom<br />
Zürcher Zentrum entfernt, im<br />
Sihltal am Fuss des Üetlibergs,<br />
wird eine städtebauliche Vision<br />
zur Wirklichkeit: In Greencity<br />
verschmelzen Wohnen,<br />
Arbeiten und nachhaltiges,<br />
umweltbewusstes Handeln zu<br />
einer neuen Form des urbanen<br />
Lebensstils.<br />
(rp) Zwischen Sihl und Entlisberg gelegen,<br />
entsteht das erste Quartier in Zürich, das<br />
konsequent nach den Zielbestimmungen<br />
der 2000-Watt-Gesellschaft errichtet wird.<br />
Sämtliche Gebäude entsprechen modernsten<br />
Energiestandards. Und ein eigenes<br />
Kleinwasserkraftwerk versorgt Wohn- und<br />
Geschäftsgebäude mit CO 2<br />
-neutralem<br />
Strom. So werden die Nachhaltigkeitsziele<br />
weit über die Erstellungsphase hinaus sichergestellt.<br />
Greencity ist ein Vorzeigeprojekt für die<br />
nachhaltige Entwicklung von Industriearealen<br />
und wurde schweizweit als erste Arealüberbauung<br />
mit dem Label «2000-Watt-<br />
Areal» ausgezeichnet. Das Label steht in<br />
enger Verbindung mit dem vom Bundesamt<br />
für Energie (BFE) und der Stadt Zürich<br />
erarbeiteten Leitfaden «Arealentwicklung<br />
für die 2000-Watt-Gesellschaft». Mit dem<br />
Zertifikat werden verbindliche Rahmenbedingungen<br />
für den Begriff «2000-Watt-<br />
Areal» geschaffen, wobei sich das Label im<br />
Gegensatz zu den Minergie-Standards, die<br />
nur die Erstellung der Gebäude berücksichtigen,<br />
auch auf die Betriebsphase des Areals<br />
bezieht.<br />
Zu den Bewertungskriterien gehört neben<br />
dem Energieverbrauch der Gebäude<br />
sowohl bei der Erstellung wie im Betrieb<br />
unter anderem auch die Mobilität. So ist das<br />
Greencity-Areal gut mit den öffentlichen<br />
Verkehrmitteln erschlossen und die Anzahl<br />
der Parkplätze ist stark reduziert. Zudem<br />
sind zwei Mobility-Standorte geplant. Zehn<br />
Prozent der Parkplätze sind für Elektroautos<br />
reserviert und für e-Bikes gibt es öffentliche<br />
Ladestationen.<br />
Der Strom auf dem Sihl-Manegg-Areal<br />
soll mit Photovoltaik auf den Dachflächen<br />
und dem sich auf dem Gelände befindenden<br />
Kleinwasserkraftwerk Manegg zu<br />
100 Prozent erneuerbar produziert werden.<br />
Die Vernetzung von Stromproduktion und<br />
-verbrauch stellt das Greencity-Grid sicher.<br />
Zudem ist das ganze Areal mit Glasfaserleitungen<br />
vernetzt und verfügt über eine<br />
stromsparende LED-Allgemeinbeleuchtung.<br />
Alle Zielvorgaben der 2000-Watt-Gesellschaft<br />
vom BFE und der Stadt Zürich sind<br />
einem laufenden Controllingprozess unterworfen.<br />
Freiraumkonzept<br />
Verantwortlich für die Freiraumgestaltung<br />
des 67 000 Quadratmeter umfassenden<br />
Greencity-Areals sind Vogt Landschaftsarchitekten.<br />
Sie umschreiben ihr Konzept wie<br />
folgt: «Das Entwicklungsgebiet Manegg am<br />
südlichen Stadtrand von Zürich liegt wie eine<br />
Insel zwischen Sihl und Autobahn. Nach<br />
jahrhundertelanger industrieller Prägung<br />
entsteht hier eine der letzten grossen citynahen<br />
Stadterweiterungen Zürichs. Während<br />
die westliche Manegg hauptsächlich<br />
durch die Flusslandschaft der Sihl geprägt<br />
ist, richtet sich die Entwicklung der östlichen<br />
Manegg nach den prägnanten naturräumlichen<br />
Gegebenheiten wie Wald und<br />
Trockenwiese. So ist der neue, dicht bebaute<br />
und urban genutzte Stadtteil im Sinne einer<br />
‹Stadt im Grünen› in das angrenzende Landschaftsgebilde<br />
eingebettet und verzahnt sich<br />
mit dieser. Zentrale Freiraumelemente sind<br />
der Spinnerei- und der Maneggplatz, die<br />
langgestreckt die beiden erhaltenen Bauten<br />
Spinnerei und Wasserturm und die beiden<br />
Freiraumachsen miteinander verbindet.<br />
Das Landschaftskonzept beschreibt dabei<br />
auf diversen Stufen von grundsätzlichen<br />
Planungsprinzipien bis hin zu detaillierten<br />
Material- und Pflanzvorgaben das Gemeinsame<br />
dieses Stadtteils.»<br />
Quelle: vogt-la.com<br />
5/2013 25