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Pragmatische Paradiesgärtner

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Portrait<br />

<strong>Pragmatische</strong> <strong>Paradiesgärtner</strong><br />

Text und Bilder: Carmen Hocker, Winterthur<br />

«Es ist natürlich nicht so, dass wir mit<br />

dem Zahnbürstli in den Gärten unterwegs<br />

sind», sagt Landschaftsarchitekt<br />

Heinz Schrämmli, Mitgründer der Firma<br />

«Himmelgrün» in Winterthur. Sein<br />

Geschäftspartner Florian Egloff unterstreicht<br />

diese Bemerkung und setzt lachend<br />

hinzu: «Motorsägen haben wir<br />

gern!» Letztere kommen fürs Grobe<br />

zum Einsatz. Fingerspitzengefühl verlangt<br />

der Obstbaumschnitt, den alle<br />

Mitarbeiter besonders gerne ausführen.<br />

Schon vor vielen Jahren haben Florian<br />

Egloff und Heinz Schrämmli einen<br />

Schnittkurs an der landwirtschaftlichen<br />

Schule Strickhof besucht. Dort konnten<br />

sie ein Jahr lang das Obst in der Produktion<br />

verfolgen und wertvolle Erfahrungen<br />

sammeln. Um wirklich ein Gespür<br />

für den Obstschnitt zu bekommen,<br />

38 die Gärtner-Fachzeitschrift 21/2011<br />

Himmelgrün GmbH in Winterthur<br />

Florian Egloff und Heinz Schrämmli, Gründer des Gartenbaubetriebes<br />

«Himmelgrün» in Winterthur, interpretieren naturnahes Gärtnern auf ihre<br />

Weise. Sie pflegen einen behutsamen Umgang mit der Umwelt, arbeiten<br />

biologisch aus Überzeugung und möchten einem Garten zur Entfaltung<br />

Zeit geben.<br />

müsse man einen Baum aber über mehrere<br />

Jahre betreuen, ist Florian Egloff<br />

überzeugt.<br />

Unterhaltsarm – ein Armutszeugnis<br />

Das Angebot von «Himmelgrün» umfasst<br />

alle Etappen – von der Planung<br />

über die Realisierung bis hin zur Pflege.<br />

Doch man spürt, dass den beiden Gartengestaltern<br />

die Pflanzen besonders<br />

am Herzen liegen. Vielleicht ein Grund,<br />

weshalb sie bewusst nicht den technischen<br />

Begriff «Gartenunterhalt» verwenden,<br />

sondern von «Gartenpflege»<br />

sprechen. Es graut ihnen vor Gärten, die<br />

als unterhaltsarm gepriesen werden. In<br />

ihren Augen ist ein ausgesprochen pflegeleichter<br />

Garten in der Erscheinung<br />

verarmt. Wer in den 60er- und 70er-<br />

Jahren aus Gründen der Pflegeleichtigkeit<br />

seinen Privatgarten mit Rasen und<br />

Cotoneaster bepflanzte, gehe heute<br />

noch einen Schritt weiter. Heute decke<br />

Der Weg zum Büro führt durch ein Gewächshaus, dem «Gartenlabor».<br />

Hier gedeihen etwa 30 Chili- und 40 Tomatensorten …<br />

man einfach alles mit Stein zu. Auch die<br />

immer beliebteren Granitblöcke sind ihnen<br />

ein «Dorn im Auge», da sie oft ohne<br />

Bezug zur natürlichen Topografie des<br />

Hauses stehen und in ihrer Massstäblichkeit<br />

meistens zu grob sind. Obwohl<br />

sie keine Anhänger der chinesischen<br />

Feng-Shui-Lehre sind, glauben sie an<br />

das Prinzip des Energieflusses. Bei der<br />

räumlichen Gestaltung ist ihnen wichtig,<br />

dass Haus, Garten und Umgebung<br />

eine harmonische Einheit bilden. Beim<br />

Gartenbau selbst vertreten sie eine eher<br />

pragmatische Haltung. Alle baulichen<br />

Elemente sollen möglichst klar sein und<br />

sich wie selbstverständlich einfügen.<br />

Aufgabe der Pflanzen ist es, diese strengen<br />

Formen aufzubrechen.<br />

Offen für wachsende Vielfalt<br />

Während manche Hausbesitzer die<br />

Natur in ihrem Garten unter Stein «begraben»,<br />

entdecken andere die Viel-<br />

… wie Wapsipinion Peach, Ananas,<br />

Mutters Ochsenherz oder Berner Rose.


Florian Egloff und Heinz Schrämmli haben 2007 den Gartenbaubetrieb «Himmelgrün»<br />

in Winterthur gegründet.<br />

falt mehrjähriger Stauden. Auch im<br />

öffentlichen Bereich kämen immer<br />

mehr dynamische Konzepte zum Tragen,<br />

freut sich Heinz Schrämmli. Staudenpflanzungen<br />

wie «Silbersommer»<br />

der Hochschule Wädenswil seien solch<br />

positive Beispiele. Sie vereinen anmutige<br />

Erscheinung mit relativ geringem<br />

Pflegeaufwand. Ausserdem verändere<br />

sich die Pflanzung über die Jahre, was<br />

die «Himmelgrün»-Gärtner begrüssen.<br />

Orte, die stark kontrolliert und statisch<br />

sind, interessieren sie nicht. Für sie zählt<br />

Dynamik. Sie möchten einem Garten<br />

Zeit zum Reifen geben. Bei der Auswahl<br />

der Pflanzen beschränken sie sich nicht<br />

auf einheimische Wildpflanzen. In ihren<br />

Pflanzplänen finden sich auch mediterrane<br />

Gewächse wie Zistrosen oder asiatische<br />

Stauden wie Pfingstrosen und<br />

Herbstanemonen.<br />

Ideale und Freiräume im Alltag<br />

Ein persönliches Steckenpferd von<br />

Heinz Schrämmli ist seine Idee des<br />

«2000-Watt-Gärtners». In seinem Fall<br />

bedeutet das, mit Velo und Anhänger<br />

zu seinen Kunden zu fahren. Sein Geschäftspartner<br />

hält dagegen nichts vom<br />

individuellen Verzicht. Er verändere die<br />

Welt nicht. Hinzu kommt, dass Florian<br />

Egloff beim Obstbaumschnitt nicht auf<br />

einer klapprigen Kundenleiter stehen<br />

möchte.<br />

Obwohl die beiden nicht immer einer<br />

Meinung sind, stimmen sie in ihren<br />

Grundgedanken überein. Dazu zählen<br />

auch kleine Fluchten aus dem Alltag. So<br />

kommt es vor, dass sie kurzentschlossen<br />

die Arbeitskleidung ablegen, um sich in<br />

einem nahegelegenen Museum eine<br />

Ausstellung anzusehen. Ihr gemeinsames<br />

Interesse für Kultur spiegelt sich<br />

auch im poetischen Firmennamen wider.<br />

Bewusst haben sie ihn so gewählt,<br />

dass er verschiedene Assoziationen<br />

weckt. Die Anspielung auf das Paradies,<br />

das himmlische Grün, soll ausdrücken,<br />

dass sie beide die Welt als Garten betrachten.<br />

Der Garten als Spiegel der Seele<br />

Manche Kunden von «Himmelgrün»<br />

gärtnern mit. Dabei geht es ihnen nicht<br />

um Zeitverkürzung, sondern um das<br />

Lernen im Tun. Diese Menschen schätzen<br />

es, ökologische Zusammenhänge<br />

erklärt zu bekommen und freuen sich,<br />

wenn man sie auf Tiere wie den seltenen<br />

Bockkäfer aufmerksam macht. «Wenn<br />

ein Besitzer mit seinem Garten verbunden<br />

ist, sieht man ihm das an», ist Heinz<br />

Schrämmli überzeugt. Bei einem älteren<br />

Menschen, der gebrechlicher wird, verwildert<br />

der Garten, die Ordnung löst sich<br />

auf. Arbeitet man dann zusammen im<br />

Garten, arbeite man unausgesprochen<br />

auch am Menschen. So gesehen pflegt<br />

der Gärtner nicht nur den Garten, sondern<br />

indirekt auch den Menschen, der<br />

mit ihm gärtnert – Streicheleinheiten für<br />

Mensch und Garten. x<br />

Himmelgrün GmbH<br />

Florian Egloff und Heinz Schrämmli<br />

Lagerplatz 13, 8400 Winterthur<br />

Tel. 052 212 65 82<br />

www.himmelgruen.ch<br />

Diese Stützmauer wurde mit Schuttsteinen<br />

aus der Hausrenovation gefüllt.<br />

Durch das aufgefüllte Terrain entstand<br />

eine grosszügige Terrasse mit Pergola.<br />

die Gärtner-Fachzeitschrift 21/2011 39<br />

Portrait

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