Strafrecht BT I

Strafrecht BT I
Brandstiftungs-, Straßenverkehrs- und
Urkundsdelikte WS 2010/2011
Prof. Dr. Hans Kudlich
Fall 1 (aus Klausur Termin 2004/I)
A ist in das Haus des Goldschmieds B eingedrungen und hat diesen mit einer Vase ohnmächtig
geschlagen. Auf dem Rückweg von dem im ersten Stock liegenden Ladengeschäft, in das A aufgrund
einer verschlossenen Tür nicht eingedrungen ist, kommt er wieder an B vorbei und erkennt, dass
dieser lebensgefährlich verletzt ist. Er lässt ihn liegen, weil er eine Aufdeckung der Tat fürchtet, wobei
er in Kauf nimmt, dass B sterben könnte. Als er gerade das Haus verlassen will, fällt ihm ein, im Haus
einen Brand zu legen, um alle Tatspuren zu vernichten. Er eilt zu seinem Pkw und holt den
Reservekanister Benzin, den er immer bei sich führt. Sodann gießt der das Benzin im Treppenhaus
und in der Privatwohnung des B aus und zündet es an. Die Flammen greifen rasch um sich und
erfassen u.a. auch die hölzernen Türrahmen. Schon bald brennt das Haus lichterloh. A, der das ganze
von seinem Auto aus beobachtet, wird plötzlich von Reue erfasst. Er eilt in das brennende Gebäude
und kann B noch heraustragen. B erlebt mit schweren Brandtverletzungen. Vor dem Haus hat sich
bereits eine Menschenmenge versammelt. Auch die Feuerwehr rückt an. Um die Aufmerksamkeit von
sich abzulenken, ruft A, in dem brennenden Haus befänden sich noch weitere Personen, die man
retten müsse. Er ist sich dabei bewusst, dass ein Betreten des Hauses mittlerweile lebensgefährlich
ist. Daraufhin eilen der Privatmann C und der Feuerwehrmann D in das Haus, wo beide durch die
Flammen ums Leben kommen.
Bearbeitervermerk: Wie hat sich A ab dem Moment des erneuten Vorbeilaufens an B nach dem
StGB strafbar gemacht?
Fall 2 (aus Klausur Termin 1996/II)
Ludwig, der ein Altersheim betrieb, ist mit seinen Bemühungen, das Erbe seiner Insassin Wilma zu
bekommen nicht erfolgreich gewesen. Da sich seine wirtschaftlich angespannte Situation infolge
seines aufwendigen Lebensstils immer prekärer gestalten, fehlen ihm insbesondere die Mittel, um
einen Trakt des Altenheimes, ohne dessen vollständige Belegung der ganze Betrieb nicht lukrativ ist,
entsprechend den behördlichen Auflagen zu sanieren. Dieser - feuerversicherte - Trakt wird aufgrund
seiner Baufälligkeit nicht mehr bewohnt; sämtliche Heimbewohner sind bereits seit einiger Zeit in das
Haupthaus verlegt worden. Ludwig entschließt sich daraufhin, die Mittel durch einen „warmen Abbruch“
zu beschaffen. Er zündet den Trakt, der vom Haupthaus durch eine Baulücke getrennt ist, so dass der
Brand bei gewöhnlichen Windverhältnissen nicht auf dieses übergreifen könnte, ohne Wissen seiner
Ehefrau Elisabeth an. Vorher überzeugt er sich auch von der vollständigen Räumung des betreffenden
Traktes. Dieser brennt vollständig nieder. Weil aber gegen Ludwig und Elisabeth sogleich Ermittlungen
wegen Brandstiftung geführt werden, wagt Ludwig nicht mehr, im Namen der Elisabeth eine
Versicherungsmeldung abzugeben.
Fall 3 (aus Klausur Termin 2006/I)
S hatte mit ihrem Mann T eine Straftat geplant, von der sie später dann doch Abstand genommen
hatte. Da T gleichwohl verhaftet worden war, war sie durch die Geschehnisse innerlich so aufgewühlt,
dass sie beschloss, ihre Sorgen in einem heftigen Rausch zu ertränken. Da sie gerne und oft Alkohol
trank und sich seiner Wirkung bewusst war, verzichtete sie darauf, mit dem Auto in die Kneipe zu
fahren, und ging zu Fuß in die gegenüberliegende Gaststätte. Als S bereits eine
Blutalkoholkonzentration von 3,2 Promille erreicht hatte, trat ihre Freundin F an sie heran und bat sie,
sie mit dem Wagen des Theo nach Hause zu fahren. Obwohl S klar war, dass sie in diesem Zustand
unmöglich fahren konnte, ließ sie sich von F überreden. Trotz der – F bekannten – Alkoholisierung
brachte S die F jedoch wohlbehalten und ohne irgendwelche Zwischenfälle nach Hause, ließ F
aussteigen und fuhr selbst sofort nach Hause. Kurz bevor sie zu Hause ankam, kam sie aufgrund
einer alkoholbedingten Unaufmerksamkeit von der Straße ab und wäre beinahe im Straßengraben
gelandet. Sie konnte jedoch das Auto gerade noch „abfangen“ und die letzten Meter bis nach Hause
steuern.
b.w.

Bearbeitervermerk: Wie haben sich die Beteiligten nach dem StGB strafbar gemacht? Eventuell
erforderliche Strafanträge sind gestellt.
Fall 4 (aus Klausur Termin 2010/I)
S besucht mit seiner Freundin V ein Volksfest. Nach dem Genuss einiger Biere treten die beiden mit
dem von S’s Bruder B geliehenen Pkw (Wert 5.000,-- Euro) den Nachhauseweg an, wobei beide der
Meinung sind, S könne das Fahrzeug trotz des vorangegangenen Alkoholkonsums noch sicher
steuern. Weil V einen „sportlichen Fahrstil“ besonders aufregend findet, feuert sie S an, möglichst
schnell zu fahren, weshalb dieser auf gerade und übersichtlicher Strecke einer Bundesstraße das
Fahrzeug auf 150 km/h beschleunigt, wo die zulässige Höchstgeschwindigkeit nur 100 km/h beträgt.
Plötzlich bemerkt S eine Person, T, der auf der rechten Fahrbahnseite zu Fuß unterwegs ist. Aufgrund
seiner erheblichen Alkoholisierung, der damit verbundenen Verringerung der Reaktionszeit sowie der
überhöhten Geschwindigkeit ist S nicht in der Lage, dem Fußgänger rechtzeitig auszuweichen. S
erfasst T mit der Frontseite des Fahrzeugs, so dass dieser auf die Windschutzscheibe und von dort in
eine Böschung, etwa 10 Meter von der Straße entfernt, geschleudert wird. Aufgrund des
Bremsmanövers gerät das Fahrzeug S außer Kontrolle und schleudert mit der Beifahrerseite nur
wenige Zentimeter an einem Baum vorbei. Als das Fahrzeug schließlich unbeschädigt zum Stehen
kommt, hält S einige Minuten innen. Dabei geht ihm sofort durch den Kopf, dass er wohl seinen
Führerschein verlieren würde, wenn er von der Polizei erwischt werden sollte. V ist beim Schleudern
des Fahrzeugs mit dem Kopf gegen das Seitenfenster geschlagen und hat dadurch das Bewusstsein
verloren. Hinsichtlich des in der Böschung geschleuderten T geht S davon aus, dass dieser ohne
ärztliche Hilfe alsbald versterben wird. S meint zwar, dass ein sofortig herbeizurufender Notarzt das
Leben von T sicher noch retten könnte, seine Fahrerlaubnis erscheint S allerdings wichtiger. Er
entschließt sich daher, sogleich nach Hause zu fahren.
Nachdem S seine Fahrt etwa fünf Minuten lang fortgesetzt hat, kommen ihm doch Gewissensbisse. Er
hält daher an und verständigt Notarzt und Polizei von dem Unfall und seiner Beteiligung. Später kann
festgestellt werden, dass bei S während der Fahrt mit dem Pkw eine Blutalkoholkonzentration von
0.9 °% bestand. V erlitt durch den Unfall lediglich eine leichte Gehirnerschütterung und einen
harmlosen Bluterguss. T war jedoch nach dem Zusammenstoß mit dem Pkw – anders als S gedacht
hatte – sofort tot. Ein Freund von S, R, wurde schon oft wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen mit
seinem Porsche „geblitzt“ und mit entsprechenden Bußgeldern belegt. Um solchen Schwierigkeiten
künftig zu entgehen, bringt R auf der Motorhaube und an Teilen der Windschutzscheibe seines
Fahrzeugs Reflektoren an. Ein von R zuvor befragter Jurastudenten hat ihm die Auskunft gegeben,
dies sei nicht strafbar, insbesondere liege keine Sachbeschädigung an der Messanlage vor. Als R bei
der Fahrt auf einer Bundesstraßen wieder einmal die zulässig Höchstgeschwindigkeit überschreitet
und von einer polizeilichen Messanlage „geblitzt“ wird, reflektieren – wie von R beabsichtigt – die von
ihm angebrachten Folie das auftreffende Blitzlicht, so dass das von der Messanlage gefertigte Lichtbild
völlig überbelichtet ist. Hierdurch wird eine Identifizierung von Fahrer und Fahrzeug unmöglich.
Fall 5 (aus Klausur Termin 2005/I)
A arbeitet in einem Kaufhaus in der Münchner Innenstadt. Da sie auswärts wohnt und ihr die Fahrt mit
den öffentlichen Verkehrsmitteln zu umständlich ist, fährt sie mit ihrem Wagen zur Arbeit. Parken ist
dort nur im Bereich eines Parkscheinautomaten möglich. Der Parkschein zeigt Beginn und Ende der
zulässigen Parkzeit mit Datum und Uhrzeit an. Er enthält darüber hinaus die Bezeichnung des
Standorts, nicht aber die Angabe des Betreibers des Automaten, der Stadt München.
Um die Parkgebühren zu sparen und den kontrollierenden kommunalen Verkehrsüberwacher über die
tatsächlich nicht erfolgte Zahlung zu täuschen, verändert A am Abend des 13. Juni 2004 drei
gebrauchte Parkscheine, indem sie die Ziffern der Datumsangaben mit anderen Ziffern so überklebt,
dass als Datum jeweils der 14. Juni 2004 ausgewiesen wird. Die Zeitangaben verändert sie so, dass
sie lückenlos bis zum Feierabend parken kann. Am 14. Juni 2004 legt A morgens und anschließend in
Arbeitspausen nach einander die drei vorbereiteten Parkscheine hinter die Windschutzscheibe. Der
kontrollierende kommunale Verkehrsüberwacher erkennt jedoch die Manipulation, heftet eine
Verwarnung unter den Scheibenwischer und erstattet bei der Polizei Anzeige.
b.w.