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Lösung zum Übungsfall

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erlanger examenskurs<br />

Strafrecht SS 2007<br />

Prof. Dr. Hans Kudlich<br />

Einheit 6: Diebstahl und Unterschlagung II<br />

Lösungsskizze <strong>zum</strong> Klausurfall (Gerüstfall) *<br />

A STRAFBARKEIT DES A<br />

I. Das „Geschäft“ in der „Roten Laterne“<br />

1. §§ 242, 25 I 2. Var., 22, 23 (Baugerüst)<br />

VP: keine Vollendung<br />

Strafbarkeit des Versuchs (+), § 242 II<br />

TB: Tatentschluss<br />

• Vorsatz bezüglich<br />

* fremde bewegliche Sache: (+), Baugerüst<br />

* Wegnahme durch B (+)<br />

- nach der Verkehrsanschauung war das Baugerüst<br />

im Gewahrsam des Eigentümers<br />

- A musste <strong>zum</strong>indest damit rechnen, dass B am<br />

nächsten Tag kommen und das Gerüst mitnehmen<br />

wird<br />

* Tatherrschaft: überlegenes Wissen des A, da B unvorsätzlich<br />

handeln würde<br />

• Zueignungsabsicht<br />

* Enteignungsvorsatz<br />

- mindestens dolus eventualis hinsichtlich dauerhafter<br />

Enteignung<br />

- (+), da A <strong>zum</strong>indest nach lebensnaher Auslegung<br />

des Sachverhalts damit rechnete, dass B am nächsten<br />

Tag kommt, das Gerüst mitnimmt und es damit<br />

dem Eigentümer auf Dauer entzieht<br />

* Aneignungsabsicht (dolus directus 1. Grades):<br />

* bereits nach früherer Rechtslage Selbstzueignung<br />

bejaht, wenn Sache verkauft wurde (+)<br />

* §§ ohne Angaben sind solche des StGB<br />

* nach Aufnahme der Drittzueignungsabsicht zwar<br />

weite Auslegung der Selbstzueignung nicht mehr<br />

immer erforderlich; aber wohl kein dolus directus<br />

1. Grades hinsichtlich Einverleibung in Vermögen<br />

des B<br />

* Aber Problem des Absichtszeitpunktes: nachdem A<br />

das Geld von B erhalten hatte, war ihm völlig egal,<br />

was mit dem Gerüst passiert; eine nachfolgende Wegnahme<br />

des Gerüsts wäre daher nicht mehr von der Absicht<br />

getragen gewesen, dieses sich (oder einem Dritten)<br />

zuzueignen<br />

bereits nach Tatplan kam von Anfang an nie eine<br />

von Zueignungsabsicht getragene Wegnahme in Betracht<br />

Daher §§ 242, 25 I 2. Var., 22 (-)<br />

2. § 246<br />

TB: fremde bewegliche Sache: (+), Baugerüst<br />

rechtswidrige Zueignung in Form der Selbstzueignung:<br />

Tathandlung der Zueignung: äußerliche Manifestation des<br />

Zueignungsvorsatzes [bzw. nach a.A.: eines nach objektivem<br />

Anschein vorliegenden Zueignungsvorsatzes, wobei im subjektiven<br />

Tatbestand dann zu prüfen ist, ob entsprechender<br />

Vorsatz tatsächlich vorliegt; <strong>zum</strong> Aufbauproblem Rengier,<br />

BT I, § 5 Rn. 4, 4a)<br />

• (objektiver Anschein eines) Zueignungsvorsatz(es)<br />

* Enteignungsvorsatz (+); s.o.<br />

* Aneignungsabsicht (+); s.o.<br />

• Manifestation des Zueignungswillens:<br />

* e.A.: (+), da für objektiven Dritten ohne weiteres erkennbar,<br />

dass A Gerüst „wie sein eigenes“ behandelt<br />

* wohl h.M.: erforderlich ist (nicht völlig untergeordnete)<br />

Herrschaftsbeziehung des Täters <strong>zum</strong> Tatobjekt<br />

(z.B. unmittelbarer o. mittelbarer Besitz) oder besitzändernde<br />

Verfügung; bloßes verbales Berühmen reicht<br />

nicht; hier (-), da A keinerlei Herrschaftsbeziehung<br />

<strong>zum</strong> Gerüst aufweist<br />

– 2 –


Anmerkung: Zu den Schwierigkeiten der Auslegung des § 246 StGB<br />

nach dem 6. StrRG und vor allem dem Erfordernis einer<br />

Konturierung des Zueignungsbegriffs Duttge/Skotelsek, Jura<br />

2002, 526 ff.; Jäger, JuS 2000, 1167 ff.; Kudlich,<br />

JuS 2001, 767 ff.<br />

Daher § 246 (-) (a.A. vertretbar)<br />

3. § 246, 25 I Alt. 2, 22<br />

VP: Unterschlagung in mittelbarer Täterschaft vorstellbar, wenn B<br />

das Gerüst an sich genommen hätte<br />

hier noch (-)<br />

Strafbarkeit des Versuchs: § 246 III<br />

TB: Tatentschluss: Vorsatz gerichtet auf<br />

• fremde bewegliche Sache (+)<br />

• Manifestation des Zueignungswillens durch B: (+), <strong>zum</strong>indest<br />

bedingter Vorsatz, dass B eigentümergleich mit Gerüst<br />

verfährt<br />

• Begehung in mittelbarer Täterschaft: vertretbar durch überlegenes<br />

Wissen<br />

Anmerkung: Auf den ersten Blick mag das überraschend erscheinen,<br />

wenn man andererseits eine unmittelbar täterschaftliche<br />

Unterschlagung durch ein bloßes Ermöglichen der Selbstzueignung<br />

durch den Dritten und bloßes Berühmen des Eigentums<br />

gerade ablehnt. Andererseits ist die Einschränkung<br />

nach wie vor sinnvoll, da eine (versuchte) Unterschlagung<br />

in mittelbarer Täterschaft nur in Betracht<br />

kommt, wenn der Täter <strong>zum</strong> einen überhaupt damit rechnet,<br />

dass der Tatmittler sich die Sache zueignet und man<br />

eine ausreichende Wissensherrschaft annimmt. Des Weiteren:<br />

Würde man in einem Fall, in dem B die Sache wirklich<br />

an sich bringt und eine Zahlung an A erst später vereinbar<br />

gewesen wäre, einen Diebstahl in mittelbarer Täterschaft<br />

annehmen (da abweichend vom vorliegenden Fall<br />

die zeitliche Koinzidenz von Wegnahme und Zueignungsabsicht<br />

dann noch bestehen würde), ist es kaum inkonse-<br />

quent vorliegend auch eine entsprechende (versuchte) Unterschlagung<br />

zu bejahen.<br />

4. § 263 gegenüber und zu Lasten des B<br />

TB: Täuschung über Erfüllungswillen u. Erfüllungsfähigkeit bzgl.<br />

der Kaufvertragspflichten (§ 433 BGB) (+)<br />

Irrtum (+)<br />

Vermögensverfügung: (+), Zahlung der 6.000 Euro<br />

Vermögensschaden:<br />

• B ist kein gleichwertiger Vermögensvorteil (Besitz und Eigentum<br />

am Gerüst) zugeflossen, da er mangels Eingreifens<br />

eines Gutglaubenstatbestandes (§§ 932 ff. BGB) vom<br />

Nichtberechtigten kein Eigentum erwerben konnte<br />

• eventuelle Ersatzansprüche / Rücktrittsansprüche / Bereicherungsansprüche<br />

<strong>zum</strong> einen gegenüber unbekanntem Täter<br />

schwer durchsetzbar; <strong>zum</strong> anderen wirken Ansprüche,<br />

die gerade aus dem Betrug erwachsen, nicht schadenskompensierend<br />

Vorsatz, Bereicherungsabsicht u. RW der Bereicherung (+)<br />

RW/SCH: (+)<br />

II. Das Verhalten an der Tankstelle<br />

Anmerkung: Beim „Tanken ohne Bezahlen“ handelt es sich um einen<br />

Klassiker, von dem man gehört haben muss, bei dem aber<br />

zu beachten ist, dass die Lösung in unterschiedlichen<br />

Konstellationen verschieden ausfällt (schaut jemand beim<br />

Tanken zu oder nicht; wann fasst der Täter den Entschluss,<br />

den Tankwart „zu prellen“ etc. Zu den verschiedenen Varianten<br />

vgl. den Überblick bei Lange/Trost, JuS 2003,<br />

961 ff. (nicht immer h.M., aber instruktiv, um die Argumente<br />

und die unterschiedlichen Konstellationen zu verinnerlichen),<br />

sowie die kritische Auseinandersetzung mit<br />

– 3 –<br />

– 4 –


einzelnen Überlegungen der h.M. bei Streng, JuS 2002,<br />

454 ff.<br />

1. § 242 durch Einfüllen des Benzins<br />

TB: Benzin ist im Zeitpunkt des Einfüllens für A fremde bewegliche<br />

Sache<br />

Wegnahme: (-)<br />

• ein denkbarer Ansatz: das Einfüllen stellt sich als dem Automatenaufsteller<br />

„zurechenbarer Gebeakt“ dar, daher keine<br />

Wegnahme<br />

• anderer Ansatz (wohl h.L.): Lehre vom (bedingten) Einverständnis;<br />

Tankstellenpächter ist mit (äußerlich ordnungsgemäßem)<br />

Gewahrsamsübergang grds. einverstanden<br />

* Bedingung i.S.d. bedingten Einverständnisses wohl<br />

aus Gründen der Rechtsklarheit nur äußerlich ordnungsgemäße<br />

Bedienung liegt hier vor<br />

* selbst falls „lautere Absicht des Kunden“ als Bedingung<br />

anerkannt würde, vorliegend kein anderes Ergebnis,<br />

da beim Betanken noch keine deliktischen Pläne<br />

2. § 246 durch Einfüllen des Benzins<br />

TB: Benzin ist im Zeitpunkt des Einfüllens für A fremde bewegliche<br />

Sache<br />

rechtswidrige Zueignung:<br />

• Manifestation eines (objektiven Anscheines eines) Zueignungsvorsatzes<br />

fraglich, da bei lebensnaher Sachverhaltsauslegung<br />

Eigentumsvorbehalt bis zur Bezahlung und<br />

damit nach außen schon gar keine Manifestation eines Willens,<br />

schon durch das Tanken allein in eigentümerähnliche<br />

Stellung aufzurücken<br />

• jedenfalls keine Rechtswidrigkeit dieser Form der Zueignung,<br />

da Tanksäulen ja gerade dazu aufgestellt sind<br />

3. § 263 gegenüber und zu Lasten des Tankstellenpächters durch<br />

Einfüllen des Benzins<br />

(-), da es zu diesem Zeitpunkt bereits an einer Täuschungshandlung<br />

(bzw. Täuschungsvorsatz) des A fehlt (laut Sachverhalt<br />

wollte A ursprünglich bezahlen, er handelte daher<br />

nicht „zur Irreführung“)<br />

4. § 263 gegenüber und zu Lasten des Tankstellenpächters durch anschließendes<br />

Nichtbezahlen des Benzins<br />

TB: Täuschung:<br />

• ausdrückliche Täuschung (-)<br />

• konkludente Täuschung (+): durch Vorlage nur der Zeitschrift<br />

erklärt A zugleich (konkludent) mit, keine weiteren<br />

Waren entnommen und insb. auch nicht getankt zu haben<br />

(Sch/Sch-Cramer, § 263 Rn. 58, 63a; a.A. vertretbar)<br />

Irrtum beim Kassierer (+)<br />

Vermögensverfügung (+): Unterlassen der Geltendmachung<br />

der Kaufpreisforderung, Verfügungsbewusstsein – anders als<br />

beim Sachbetrug – nicht notwendig<br />

Vermögensschaden (+): Durchsetzung der Forderung gegen A<br />

wesentlich erschwert, sobald dieser die Tankstelle verlassen<br />

hat<br />

Vorsatz, Bereicherungsabsicht u. RW der Bereicherung (+)<br />

RW/SCH: (+)<br />

5. § 246 durch anschließendes Wegfahren<br />

Vorauss. grds. (+), insb. nach lebensnaher Auslegung (Allein-)<br />

Eigentumserwerb erst mit Bezahlung; aber § 246 tritt als mitbestrafte<br />

Nachtat hinter Betrug zurück (kein Anwendungsfall<br />

der Subsidiaritätsklausel, da unterschiedliche Handlungen sowie<br />

unterschiedliche Tatobjekte Forderung / Sache)<br />

– 5 –<br />

– 6 –


– 7 –

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