Kohomologietheorie
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<strong>Kohomologietheorie</strong><br />
Florian Modler<br />
23. August 2011
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Motivation 4<br />
2 Die Theorie der Kohomologie 7<br />
2.1 Folgerungen aus den <strong>Kohomologietheorie</strong>-Axiomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
3 Produktstruktur 11<br />
4 Beispiele 14<br />
Index 15<br />
Literaturverzeichnis 16<br />
2
Vorwort<br />
Die <strong>Kohomologietheorie</strong> ist durch die Homologietheorie gegeben. Denn die Kohomologie stellt in gewissen<br />
Sinne einfach die duale Theorie zur Homologie dar. Eine mögliche Motivation zur Einführung<br />
ist die Poincare-Dualität, die für eine geschlossene (kompakt und ohne Rand) n-dimensionale Mannigfaltigkeit<br />
aussagt, dass die p-te Homologie isomorph zu ihrer (n − p)-ten Kohomologie ist. Eine andere<br />
Motivation ist die deRham-Kohomologie, die wir auch in Kapitel 1 geben werden.<br />
Das „dual“ bezieht sich hier darauf, dass die Kohomologie ein kontravarianter Funktor ist im Gegensatz<br />
zur Homologie, die ein kovarianter Funktor ist. Dies hat die Konsequenz, dass eine <strong>Kohomologietheorie</strong><br />
eine multiplikative Struktur besitzt, die man auf der Homologie nicht zur Verfügung hat, diese<br />
aber wertvolle zusätzliche Informationen enthält.<br />
In diesem Vortrag wollen wir die Kohomologie und Produkte definieren und diese anhand einer<br />
Berechnung der Produktstruktur verdeutlichen.<br />
Eine <strong>Kohomologietheorie</strong> ist eine Folge von kontravarianten Funktoren H n : Top 2 → R − Mod<br />
zusammen mit einer natürlichen Transformation δ ∗ : H n+1 (A) → H n (X, A), für die die dualen<br />
Axiome der Homologietheorie gelten.<br />
Die Frage, die man sich nun stellen kann, ist, welche Vorteile die <strong>Kohomologietheorie</strong> gegenüber der<br />
Homologietheorie besitzt. Es gibt einige Vorteile, da man zum Beispiel für die singuläre Kohomologie<br />
nicht nur eine R-Modulstruktur auf den Kohomologiegruppen hat, sondern sogar einen (graduierten)<br />
Ring aus der Kohomologie machen kann, was zusätzliche Informationen über den topologischen Raum<br />
kodiert.<br />
3
Kapitel 1<br />
Motivation<br />
Wir geben eine Motivation zur (Ko)Homologie, die wir auf [Goc11] gefunden haben.<br />
Der algebraischen Topologie liegt allgemein der Grundgedanke zu grunde, topologische Objekte und<br />
Eigenschaften auf algebraische Entsprechungen abzubilden. Bei der (Ko)Homologie wird einem topologischen<br />
Raum X bzw. einem Paar (X, A) bestehend aus einem topologischen Raum X und einem<br />
Unterraum A eine Folge von Moduln über einem festen Ring zugeordnet.<br />
Eine Motivation der (Ko)Homologie:<br />
Sei U ⊂ R 3 offen und nichtleer.<br />
Beispiel 1 Weiter sei f : U → R 3 eine genügend oft stetig differenzierbare Funktion. Man kann nun die<br />
Frage stellen, ob f der Gradient einer Funktion F : U → R ist. Hierfür gibt es die notwendige Bedingung,<br />
dass rot(f) = 0 ist. Gilt dies, so kann man wirklich lokal eine Stammfunktion von f finden. Global ist<br />
dies im Allgemeinen nicht möglich. Es sind gerade die „Löcher“, die uns das Leben schwer machen. Dazu<br />
betrachten wir ein konkretes Beispiel. Es sei<br />
U = { x ∈ R 3 : x 2 1 + x 2 2 ≠ 0 } und f(x) =<br />
(<br />
− x 2<br />
x 2 1 + ,<br />
x2 2<br />
x 1<br />
x 2 1 + x2 2<br />
)<br />
, 0 .<br />
Man rechnet nun nach, dass tatsächlich rot(f) = 0 gilt. Jedoch ist f kein Gradient. Dies sieht man so: Es<br />
gelte f = ∇F für ein F : U → R. Dann würden wir für jeden Weg γ : [0, 1] → U<br />
∫<br />
γ<br />
f(x) dx =<br />
∫ 1<br />
0<br />
〈<br />
f(γ(t)), γ ′ (t) 〉 dt =<br />
∫ 1<br />
0<br />
D(F ◦ γ)(t) dt = F (γ(1)) − F (γ(0)).<br />
gelten. Ist γ ein geschlossener Weg, so wäre das Wegintegral Null. Beispielsweise ist dies aber für<br />
γ(t) = (cos(2πt), sin(2πt), 0)<br />
nicht der Fall. Das Wegintegral ist gleich 2π. Dieser Widerspruch zeigt, dass f keine Gradientenfunktion<br />
ist.<br />
Beispiel 2 Ein analoges Problem tritt bei der Problemstellung auf, zu entscheiden, ob eine Funktion U →<br />
R 3 Rotation eines anderen Vektorfeldes U → R 3 ist. Hier gibt es ebenfalls eine notwendige Bedingung,<br />
nämlich, dass div(f) = 0. Die globale Existenz ist an topologische Eigenschaften des Raumes U geknüpft.<br />
Sei<br />
U := R 3 \ {0} und f(x) := ‖x‖ −3<br />
2<br />
· x.<br />
Man rechnet hier nach, dass wirklich div(f) = 0 gilt. Ebenso zeigt man hier wieder, dass f keine Rotation<br />
einer anderen Funktion ist. Dies folgt aus dem Satz von Stokes, denn sonst gelte für jede glatte Fläche<br />
4
Motivation<br />
M ⊂ R 3<br />
∫<br />
∫<br />
〈f, n〉 dx =<br />
〈rot(F ), n〉 dx =<br />
∫<br />
〈F, t〉 dx.<br />
M<br />
M<br />
Hierbei bezeichnet ⃗n den äußeren Einheitsnormalenvektor der Fläche und t das Einheitstangentialfeld der<br />
Randkurve.<br />
Nun überlegt man sich auch hier, dass beispielsweise das Integral über f über die Oberfläche der Einheitskugel<br />
nicht verschwindet, so dass f also nicht als rot(F ) darstellbar ist.<br />
Wir hatten schon angeführt, dass das wesentliche Problem an diesen Gegenbeispielen das „Loch“ in<br />
U ist. Im Beispiel 1 ist U = R\{x = y = 0} und daher wird aus dem R 3 eine Gerade herausgeschnitten.<br />
U hat also ein „eindimensionales Loch“. Der Weg, über den die Funktion f integriert wurde, war genau<br />
ein solcher, der sich um dieses Loch nichttrivial herumwindet.<br />
Im Beispiel 2 wird hingegen der Nullpunkt entfernt. Wir haben hier also ein „nulldimensionales<br />
Loch“. Die Fläche, über die f integriert wurde, hat auch hier die Eigenschaft, dass sie nicht gerade<br />
optimal um das Loch positioniert ist.<br />
Dies wollen wir nun auf Mannigfaltigkeiten verallgemeinern und die deRham-Kohomologie betrachten.<br />
Wir können auf einer glatten Mannigfaltigkeit M fragen, ob eine k-Form ω das Differential einer<br />
(k − 1)-Form α ist. Da d(dα) = d 2 α = 0, gilt dω = 0. Man sagt, dass ω geschlossen ist. Betrachten wir<br />
auch hier die Beispiele 1 und 2, so erkennt man auch hier die Bedingung rot(f) = 0 und div(f) = 0.<br />
Auch hier ist es so, dass dω = 0 die lokale Existenz einer Stammfunktion sichert. Die globale Existenz<br />
unterliegt jedoch der Geometrie der Mannigfaltigkeit M.<br />
Mit Ω k (M) bezeichnen wir den Raum aller k-Formen. Das Differential d liefert eine Folge von linearen<br />
Abbildung zwischen diesen Vektorräumen<br />
Ω 0 (M) d → Ω 1 (M) d → . . .<br />
∂ M<br />
d<br />
→ Ω k−1 (M) d → Ω k (M) d → Ω k+1 (M) d → . . . .<br />
Der Unterraum B k (M) der geschlossenen Formen, also der Kern von d : Ω k (M) → Ω k+1 (M) und<br />
der Unterraum Z k (M) der exakten Formen, also das Bild von d : Ω k−1 (M) → Ω k (M), sind für uns<br />
interessant.<br />
Eine k-Form ω liegt genau dann in B k (M), wenn dω = 0 ist, das heißt wenn sie die notwendige<br />
Bedingung erfüllt. ω liegt genau dann in Z k (M), wenn sie das Differential einer (k − 1)-Form ist. Da<br />
nun aber d 2 = 0 gilt, ist jede exakte Form auch geschlossen, das heißt Z k (M) ⊂ B k (M). Die Frage<br />
nach der globalen Existenz von Stammfunktionen ist also die Frage, ob in der Inklusion Z k (M) ⊂<br />
B k (M) Gleichheit gilt.<br />
Dies kann man auch so formulieren:<br />
Ist H k (M) := B k (M)/Z k (M) der triviale Vektorraum?<br />
Die H k (M) nennen wir die deRham Kohomologie-Gruppen. Es stellt sich heraus, dass diese Homotopieinvarianten<br />
von M sind, insbesondere gar nicht mehr von der differenzierbaren Struktur abhängen.<br />
5
Motivation<br />
Beispiel 3 Es ist H k (R n ) = 0 für alle n, k > 0, da der R n zusammenziehbar, also homotopieäquivalent<br />
zu einem Punkt ist.<br />
Die Kohomologiegruppen einer Mannigfaltigkeit „messen“ recht gut, wie viele und welche „Löcher“<br />
die Mannigfaltigkeit hat. Man kann sich die Dimension dim R H k als formale Präzision der anschaulichen<br />
Anzahl der (k − 1)-dimensionalen Löcher vorstellen.<br />
6
Kapitel 2<br />
Die Theorie der Kohomologie<br />
Die Axiome einer <strong>Kohomologietheorie</strong> erhält man aus denen einer Homologietheorie (siehe Definition<br />
??), indem man einfach alle Pfeile umdreht und in der Notation H ∗ durch H ∗ ersetzt. Wir wollen dies<br />
nochmals formalisieren.<br />
Hierzu sei R ein assoziativer und kommutativer Ring mit Einselement.<br />
Definition 2.1 (<strong>Kohomologietheorie</strong>) Eine <strong>Kohomologietheorie</strong> H ∗ = (H ∗ , δ ∗ ) mit Werten in R-<br />
Moduln ist ein kontravarianter Funktor<br />
H ∗ : Top 2 → R − Mod<br />
zusammen mit einer natürlichen Transformation<br />
δ ∗ : H ∗ ◦ I → H ∗+1 ,<br />
wobei H ∗+1 aus H ∗ durch die offensichtliche Indexverschiebung entsteht und die folgenden Axiome gelten<br />
sollen.<br />
Homotopieinvarianz: Seien f, g : (X, A) → (Y, B) homotope Abbildungen von Paaren. Dann gilt für alle<br />
n ∈ Z<br />
H n (f) = H n (g) : H n (Y, B) → H n (X, A).<br />
Lange exakte Sequenz von Paaren: Für jedes Paar (X, A) ist folgende nach beiden Seiten unendlich lange<br />
Sequenz exakt.<br />
. . . δn−1 (X,A)<br />
−→<br />
. . . δn (X,A)<br />
−→<br />
H n (X, A) Hn (j)<br />
−→ H n (X) Hn (i)<br />
−→ H n (A)<br />
H n+1 (X, A) Hn+1 (j)<br />
−→<br />
H n+1 (X) Hn+1 (i)<br />
−→<br />
H n+1 (A) δn+1 (X,A)<br />
−→ . . . ,<br />
wobei i : A → X und j : X = (X, ∅) → (X, A) die Inklusionen sind.<br />
Ausschneidung: Seien A ⊂ B ⊂ X Unterräume des Raumes X mit A ⊂ Ḃ. Dann induziert die Inklusion<br />
i : (X − A, B − A) → (X, B) für alle n ∈ Z Isomorphismen<br />
H n (i) : H n (X, B) ∼ = → H n (X − A, B − A).<br />
Wir wollen einige Begriffe aus Definition 2.1 erklären.<br />
Kontravarianter Funktor H ∗ : Top 2 → R − Mod bedeutet: Jedem Paar (X, A) wird eine Familie<br />
von R-Moduln H n (X, A) indiziert über n ∈ Z zugeordnet. Jeder Abbildung f : (X, A) →<br />
(Y, B) und jedem n ∈ Z wird ein R-Homomorphismus H n (f) : H n (Y, B) → H n (X, A) assoziiert.<br />
Dabei soll H n (Id) = Id und H n (g ◦ f) = H n (f) ◦ H n (g) gelten.<br />
7
2.1 Folgerungen aus den <strong>Kohomologietheorie</strong>-Axiomen<br />
Ausschneidungsaxiom: Der Name ist mit dieser Beschreibung eigentlich selbsterklärend: Man<br />
kann aus X und A von (X, A) ein Stück, sagen wir U, herausschneiden und ändert dabei nichts<br />
an den (Ko)Homologien, sofern U genügend gutartig in A eingebettet liegt. Eine solche „gutartige“<br />
Einbettung ist im metrischen Fall zum Beispiel dann gegeben, wenn U einen (beliebig<br />
kleinen) positiven Abstand vom Rand von A hat.<br />
Bemerkung Ab und an werden zu den Axiomen aus Definition 2.1 noch zwei weitere Axiome gefordert.<br />
Dimensionsaxiom: Es gilt für alle n ∈ Z<br />
H n ({·}) ∼ = R, falls n = 0 und H n ({·}) ∼ = 0, falls n ≠ 0.<br />
Hierbei bezeichne {·} den einpunktigen topologischen Raum.<br />
Disjunkte Vereinigung: Sei {X i : i ∈ I} eine Familie von topologischen Räumen für eine beliebige Indexmenge<br />
I. Sei j i : X i → ∐ X i die kanonische Inklusion für i ∈ I. Dann ist die Abbildung<br />
für alle n ∈ Z bijektiv.<br />
∏<br />
i∈I<br />
H n (j i ) : H n ( ∐<br />
i∈I<br />
X i<br />
)<br />
∼=<br />
→ ∏ i∈I<br />
H n (X i )<br />
Das Dimensionsaxiom fordert nur eine kleine Einschränkung, die sozusagen zur „Normierung“ der<br />
(Ko)Homologietheorie dient. Das Dimensionsaxiom vereinfacht einiges, ist aber für die wenigsten Anwendungen<br />
tatsächlich notwendig. Die meisten Sätze kann man mit leichten Modifikationen auch ohne<br />
Dimensionsaxiom beweisen. In der Tat gibt es auch viele interessante (Ko)Homologien, wie etwa die K-<br />
Theorie oder (Co)Bordismustheorien, die dieses Axiom nicht erfüllen. Diese werden unter dem Namen<br />
„außergewöhnliche (Ko)Homologietheorien“ (engl. extraordinary coholomogy theories) zusammengefasst.<br />
Die Bordismus- und Kobordismustheorien sowie die K-Theorie verletzen zum Beispiel das Dimensionsaxiom.<br />
Da sie alle anderen Axiome erfüllen, ist das jedoch nur eine kleine Unannehmlichkeit.<br />
Dagegen erfüllt die Čech-Kohomologie das Axiom von der langen, exakten Sequenz nur für bestimmte<br />
Räume, während das Axiom bei anderen Räumen verletzt sein kann. Die Borel-Homologie verletzt<br />
das Axiome von der Homotopie-Invarianz schon bei sehr gutartigen Räumen, so ist etwa die Borel-<br />
Homologie von dem Einpunktraum verschieden, obwohl die beiden Räume homotopieäquivalent sind.<br />
Schließlich gibt es Konzepte wie die Gruppen(ko)homologie, die komplett ohne topologische Räume<br />
definiert werden können, sodass die Axiome in diesem Kontext gar völlig bedeutungslos werden. Es<br />
gibt allerdings eine enge Verbindung zu topologischen Räumen und deren „normaler“ (Ko)Homologie.<br />
2.1 Folgerungen aus den <strong>Kohomologietheorie</strong>-Axiomen<br />
Die Folgerungen aus den Homologie-Axiomen übertragen sich direkt auf die Kohomologie.<br />
8
2.1 Folgerungen aus den <strong>Kohomologietheorie</strong>-Axiomen<br />
Die exakte Sequenz eines Tripels (X, B, A) hat für die Kohomologie die Gestalt<br />
. . . δn−1 (X,B,A)<br />
−→<br />
H n (X, B) Hn (j)<br />
−→ H n (X, A) Hn (i)<br />
−→ H n (B, A)<br />
δ n (X,B,A)<br />
−→<br />
H n+1 (X, B) Hn+1 (j)<br />
−→<br />
H n+1 (X, A) Hn+1 (i)<br />
−→ . . .<br />
Die Mayer-Vietoris-Sequenzen übertragen sich ebenfalls in analoger Weise. Es ergibt sich die<br />
lange exakte Sequenz<br />
. . . Hn−1 (j 1 )×H n−1 (j 2 )<br />
−→ H n−1 (X 1 , A) × H n−1 (X 2 , A) Hn−1 (i 1 )−H n−1 (i 2 )<br />
−→ H n−1 (X 0 , A)<br />
δ<br />
−→ n−1<br />
H n (X, A) Hn (j 1 )×H n (j 2 )<br />
−→ H n (X 1 , A) × H n (X 2 , A) Hn (i 1 )−H n (i 2 )<br />
−→ H n (X 0 , A) −→ δn<br />
. . .<br />
Ein sehr mächtiges Werkzeug ist die Mayer-Vietoris-Sequenz. Sie folgt aus dem Axiom über die<br />
lange exakte Sequenz und dem Ausschneidungsaxiom. Das ist ein sehr nützliches Tool, da es uns<br />
auf eine gewisse Weise erlaubt, den Raum, dessen (Ko)Homologie wir haben wollen, in Teilräume<br />
zu zerlegen. Durch die Mayer-Vietoris-Sequenz werden dann die (Ko)Homologien des großen<br />
und der kleinen Räume miteinander in Verbindung gesetzt.<br />
Der Einhängungsisomorphismus für einen punktierten Raum (X, x) existiert auch für die <strong>Kohomologietheorie</strong><br />
σ n : H n (X, {x}) ∼ = → H n+1 (ΣX, {x}). (2.1)<br />
Beispiel 4<br />
a) Aus (2.1) ergibt sich sofort, dass (H ∗ , δ ∗ ) für m ≥ 1 das Dimensionsaxiom erfüllt mit<br />
H n (S m ) ∼ = H 0 ({·}) ∼ = R, falls n = 0 und H n (S m ) ∼ = 0, sonst..<br />
Bemerkung Die Ergebnisse der zellulären Homologie übertragen sich in natürlicher Weise auf eine <strong>Kohomologietheorie</strong><br />
(H ∗ , δ ∗ ), wenn man mit Kokettenkomplexen arbeitet.<br />
Definition 2.2 (Kokettenkomplex, n-te Kohomologie) Ein R-Kokettenkomplex C ∗ = (C ∗ , c ∗ ) ist ein<br />
Z-graduiertes R-Modul C ∗ mit einer Familie von R-Homomorphismen c n : C n → C n+1 für n ∈ Z mit<br />
c n ◦ c n−1 = 0 für alle n ∈ Z.<br />
Die n-te Kohomologie H n (C ∗ ) ist das R-Modul ker(c n )/im(c n−1 ).<br />
Bemerkung Begriffe wie Kettenabbildung, Kettenhomotopie und die lange exakte Homologiesequenz zu<br />
einer kurzen exakten Sequenz von Kettenkomplexen übertragen sich in natürlicher Weise.<br />
Definition 2.3 (assoziierte zelluläre Kettenkomplex) Der zu H ∗ assoziierte zelluläre Kettenkomplex<br />
CH ∗ ∗(X, A) hat Hn (X n , X n+1 ) als n-ten Kettenmodul und den Randoperator des Tripels (X n+1 , X n , X n−1 )<br />
δ n : H n (X n , X n−1 ) → H n+1 (X n+1 , X n )<br />
als n-tes Differential.<br />
Zur Notation schreiben wir die Kohomologie H n (CH ∗ ∗(X, A)) mit Hn H∗(X, A). Des Weiteren bemerken<br />
wir, dass sich der Satz über Homologie und zelluläre Kettenkomplexe auch auf die Kohomologie<br />
9
2.1 Folgerungen aus den <strong>Kohomologietheorie</strong>-Axiomen<br />
überträgt. Das heißt es existiert in (X, A) für alle n ∈ Z ein natürlicher Isomorphismus<br />
µ n (X, A) : H n (X, A) ∼ = → H<br />
n<br />
H ∗(X, A). (2.2)<br />
Beispiel 5 Wir geben noch zwei Beispiele.<br />
b) Es ist nach Gleichung (2.2)<br />
H n (CP m ) ∼ = H 0 ({·}) ∼ = R, falls 0 ≤ n ≤ 2m, n gerade und H n (CP m ) ∼ = {0}, sonst..<br />
c) Ebenso überlegt man sich, dass<br />
H n (RP m ) ∼ = F 2 , falls 0 ≤ n ≤ m, und H n (RP m ) ∼ = {0}, sonst..<br />
10
Kapitel 3<br />
Produktstruktur<br />
Bis jetzt sieht es so aus, als würde die Kohomologie im Vergleich zur Homologie nichts Neues bringen.<br />
Dies ist aber gar nicht so. Es gibt nämlich eine multiplikative Struktur, die auf der Homologie nicht<br />
existiert und die aber viele Anwendungen besitzt.<br />
Dazu schreiben wir im Folgenden<br />
(X, A) × (Y, B) := (X × Y, X × B ∪ A × Y )<br />
für Paare (X, A) und (Y, B). Die multiplikative Struktur ist nun wie folgt definiert.<br />
Definition 3.1 (multiplikative Struktur) Sei H ∗ = (H ∗ , δ ∗ ) eine Kohomologie mit Werten in R-Moduln.<br />
Eine multiplikative Struktur ordnet jedem topologischen Raum X mit Unterräumen A, B ⊂ X für alle<br />
p, q ∈ Z eine Familie von R-bilinearen Abbildungen<br />
∪ : H p (X, A) × H q (X, B) → H p+q (X, A ∪ B)<br />
und jedem topologischen Raum Y ein Element<br />
1 Y ∈ H 0 (Y )<br />
zu derart, dass folgende Axiome gelten:<br />
Natürlichkeit: Sei X i ein topologischer Raum mit Unterräumen A i , B i ⊂ X i für i = 0, 1. Sei f : X 0 →<br />
X 1 eine Abbildung f(A 0 ) ⊂ A 1 und f(B 0 ) ⊂ B 1 . Dann kommutiert für alle p, q ∈ Z folgendes<br />
Diagramm. Für jede Abbildung g : Y → Z gilt H 0 (g)(1 Z ) = 1 Y .<br />
∪<br />
H p (X 0 ,A 0 )×H q (X 0 ,B 0 ) H p+q (X 0 ,A 0 ∪B 0 )<br />
H p (f)×H q (f)<br />
H p+q (f)<br />
∪<br />
H p (X 1 ,A 1 )×H q (X 1 ,B 1 ) H p+q (X 1 ,A 1 ∪B 1 )<br />
Graduierte Kommutativität: Für u ∈ H p (X, A) und v ∈ H q (X, B) gilt<br />
u ∪ v = (−1) pq v ∪ u.<br />
Assoziativität: Für u ∈ H p (X, A), v ∈ H q (X, B) und w ∈ H r (X, C) gilt<br />
(u ∪ v) ∪ w = u ∪ (v ∪ w).<br />
Einselement: Für u ∈ H p (X, A) gilt<br />
1 X ∪ u = u ∪ 1 X = u.<br />
11
Produktstruktur<br />
Verträglichkeit mit dem verbindenden Homomorphismus: Sei (X, A) ein Paar von topologischen Räumen<br />
und k : A → X die Inklusion. Dann gilt für alle u ∈ H p (A) und v ∈ H q (X)<br />
δ p (u) ∪ v = δ p+q (u ∪ H q (k)(v)).<br />
Bemerkung Wir geben zwei einfache Bemerkungen:<br />
Ist A = ∅, so kann man die multiplikative Struktur auch zu interpretieren: Das ∪-Produkt induziert<br />
auf dem Z-graduierten R-Modul H ∗ (X) die Struktur einer graduiert kommutativen Z-graduierten<br />
R-Algebra mit Einselement und eine Abbildung f : X → Y induziert eine Abbildung vom Z-<br />
graduierten R-Algebren mit Einselement.<br />
Oftmals gilt für zwei topologische Räume X und Y , dass die Z-graduierten R-Algebren H ∗ (X) und<br />
H ∗ (Y ) nach Vergessen der multiplikativen Strukturen, also als Z-graduierten R-Moduln, isomorph<br />
sind, aber nicht als kommutative Z-graduierten R-Algebren isomorph sind. Dies impliziert, dass X<br />
und Y nicht homotopieäquivalent sein können, was man also erst unter Benutzung der multiplikativen<br />
Struktur erkennt.<br />
Beispiel 6 Wir wollen das Beispiel der deRham-Kohomologie aus dem Motivationskapitel (Kapitel 1) wieder<br />
aufgreifen und daran die multiplikative Struktur erklären.<br />
Definition 3.2 (deRham-Kohomologie) Sei M n eine glatte Mannigfaltigkeit.<br />
Der deRham-Kokettenkomplex CdR ∗ (M) ist der R-Kokettenkomplex, dessen p-ter R-Modul der Vektorraum<br />
Ω p (M) der p-Formen ist und dessen Differentiale durch die äußere Ableitung gegeben sind, das<br />
heißt<br />
. . . → 0 → Ω 0 (M) → d0 Ω 1 (M) → d1 . . . dn−1<br />
→ Ω n (M) → 0 → . . . .<br />
Die deRham-Kohomologie ist definiert als die Kohomologie des deRham-Kokettenkomplexes, das heißt<br />
H n dR (M) = H∗ (C ∗ dR (M)).<br />
Sei weiter M eine glatte Mannigfaltigkeit. Dann kann man von einer p-Form ω ∈ Ω p (M) und einer<br />
q-Form η ∈ Ω q (M) ein Dachprodukt ω ∧ η ∈ Ω p+q (M) definieren, welches dann eine (p + q)-Form ist.<br />
Das Dachprodukt ist bilinear und graduiert kommutativ, das heißt ω ∧ η = (−1) pq η ∧ ω. Zudem gilt<br />
d p+q (ω ∧ η) = d p (ω) ∧ η + (−1) p ω ∧ d q (η).<br />
Hieraus ergibt sich, dass man auf der deRham-Kohomologie eine multiplikative Struktur definieren kann.<br />
Für Kohomologieklassen u ∈ H p dR (M) und v ∈ Hq dR<br />
(M) wählt man die repräsentierenden Kozykel<br />
ω ∈ C p dR (M) = Ωp (M) und η ∈ C q dR (M) = Ωq (M) und definiert<br />
u ∧ v = [ω ∧ η] ∈ H p+q<br />
dR (M)<br />
als die vom Kozykel ω ∧ η repräsentierte Kohomologieklasse.<br />
12
Produktstruktur<br />
ω ∧ η ist ein Kozykel und unabhängig von der Wahl der Repräsentanten, wie die beiden Rechnungen<br />
zeigen:<br />
und<br />
d p+q (ω ∧ η) =<br />
}{{}<br />
d p ω ∧η + (−1) p ω ∧ d q η = 0 ∧ η + ω ∧ 0 = 0<br />
}{{}<br />
=0<br />
=0<br />
(ω + d p−1 µ) ∧ η − ω ∧ η = ω ∧ η + d p−1 (µ ∧ η) − ω ∧ η<br />
= d p−1 (µ ∧ η)<br />
= d p−1 µ ∧ η + (−1) p−1 µ ∧ d q−1 η<br />
= d p+q−1 (µ ∧ η).<br />
∧ induziert auf der deRham-Kohomologie HdR ∗ (M) die Struktur einer graduiert kommutativen graduierten<br />
R-Algebra. Weiter gilt<br />
H p+q<br />
dR (f)(u ∧ v) = Hp dR (f)(u) ∧ Hq dR (g)(v).<br />
Die Konstruktion und die wesentlichen Eigenschaften des Dach-Produktes auf der deRham-Kohomologie<br />
sind dann völlig analog des Cup-Produktes<br />
auf der singulären und zellulären Kohomologie.<br />
∪ : H p (M, R) × H q (M, R) → H p+q (M, R)<br />
Das ∪-Produkt nennt man ab und an auch das interne Produkt. Daraus lässt sich das externe Produkt<br />
oder das Kreuz-Produkt konstruieren: Für zwei Paare (X, A) und (Y, B) topologischer Räume<br />
seien pr Y : (X, A) × Y → (X, A) und pr X : X × (Y, B) → (Y, B) die Projektionen. Das Kreuz-<br />
Produkt definieren wir als<br />
× : H p (X, A)×H q (Y, B) Hp (pr Y )×H q (pr X )<br />
−→<br />
H p (X×Y, A×Y )×H q (X×Y, X×B) ∪ → H p+q ((X, A)×(Y, B)).<br />
Bemerkung Wir geben ein paar Bemerkungen:<br />
Das ∪-Produkt kann man wieder aus dem Kreuz-Produkt zurückgewinnen.<br />
Oftmals besitzen auch Homologietheorien ein externes Produkt<br />
×H p (X, A) × H q (Y, B) → H p+q ((X, A) × (Y, B)).<br />
Daraus lässt sich aber nicht, wie bei der Kohomologie, ein internes Produkt herleiten, da die diagonale<br />
Abbildung D : X → X × X auf der Kohomologie eine Abbildung in die gewünschte Richtung<br />
induziert, nämlich H p (D) : H p (X × X) → H p (X), aber auf der Homologie in der falschen,<br />
nämlich H p (D) : H p (X) → H p (X × X). Das interne Produkt ist aber das entscheidende Produkt,<br />
weil es eine wertvolle Ringstruktur auf der Kohomologie induziert.<br />
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Kapitel 4<br />
Beispiele<br />
In diesem Kapitel wollen wir einige Sätze als Beispiele für die <strong>Kohomologietheorie</strong> geben, ohne groß<br />
auf die Beweise einzugehen, die aber in [L¨05] nachgelesen werden können.<br />
Satz 4.1 (Der Kohomologiering komplexer projektiver Räume) Sei H ∗ = (H ∗ , δ ∗ ) eine Kohomologietherie<br />
mit Werten in R-Moduln. Es sei vorausgesetzt, dass sie das Dimensionaxiom erfüllt und eine multiplikative<br />
Struktur besitzt. Dann erhalten wir für alle k, l ≥ 0 mit k + l ≤ d Isomorphismen<br />
∪ : H 2k (CP d ) ⊗ R H 2l (CP d ) ∼ = → H 2(k+l) (CP d ).<br />
Insbesondere ist die graduiert kommutative Z-graduierte R-Algebra H ∗ (CP ∞ ) isomorph zur freien Polynomalgebra<br />
R[x] mit einem Erzeuger x vom Grad 2.<br />
Analog beweist man dann den folgenden Satz.<br />
Satz 4.2 (Der Kohomologiering reeller projektiver Räume) Sei H ∗ = (H ∗ , δ ∗ ) eine Kohomologietherie<br />
mit Werten in F 2 -Moduln. Es sei vorausgesetzt, dass sie das Dimensionaxiom erfüllt und eine multiplikative<br />
Struktur besitzt. Dann erhalten wir für alle k, l ≥ 0 mit k + l ≤ d Isomorphismen<br />
∪ : H 2k (RP d ) ⊗ F2 H 2l (RP d ) ∼ = → H 2(k+l) (RP d ).<br />
Insbesondere ist die graduiert kommutative Z-graduierte F 2 -Algebra H ∗ (RP ∞ ) isomorph zur freien Polynomalgebra<br />
F 2 [x] mit einem Erzeuger x vom Grad 1.<br />
Satz 4.3 Für 1 ≤ k < d ist CP k ⊂ CP d keine Retraktion, das heißt es gibt keine Abbildung r : CP d →<br />
CP k mit r |CP k = Id. Das analoge Resultat gilt für RP k ⊂ RP d .<br />
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Index<br />
assoziierte zelluläre Kettenkomplex, 9<br />
<strong>Kohomologietheorie</strong>, 7<br />
Kokettenkomplex, 9<br />
multiplikative Struktur, 11<br />
n-te Kohomologie, 9<br />
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Literaturverzeichnis<br />
[Boo02]<br />
W. Boothby. An Introduction to Differentiable Manifolds and Riemannian Geometry. Academic<br />
Pr Inc., Sep. 2002.<br />
[Goc11] Gockel. Algebraische Topologie. 1. Aufl. matheplanet.com, Feb. 2011.<br />
[Jos08]<br />
[L¨05]<br />
[Lan02]<br />
Jürgen Jost. Riemannian Geometry and Geometric Analysis (Universitext). 5. Aufl. Springer,<br />
Berlin, Mai 2008.<br />
W. Lück. Algebraische Topologie: Homologie und Mannigfaltigkeiten. 1. Aufl. Vieweg+Teubner,<br />
Jan. 2005.<br />
Serge Lang. Introduction to Differentiable Manifolds (Universitext). 2 Sub. Springer, Berlin, Sep.<br />
2002.<br />
[Mil68] J. Milnor. Morse Theory. 1. Aufl. Princeton University Press, Mai 1968.<br />
[S.H05] S.Hage. Einführung in die Grundlagen der Morse-Theorie. 1. Aufl. Seminarvortrag, Okt. 2005.<br />
[Spi79] Michael Spivak. Comprehensive Introduction To Differential Geometry, 2nd Edition, Volume 5.<br />
PUBLISH OR PERISH INC, Jan. 1979.<br />
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