Erzieherisch handeln
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Studienseminar Koblenz<br />
Wahlmodul 236<br />
<strong>Erzieherisch</strong> <strong>handeln</strong><br />
Werte - Erziehung<br />
Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch<br />
einmal sei, ist die allererste an Erziehung.<br />
Die einzig wahrhafte Kraft gegen das Prinzip<br />
von Auschwitz wäre Autonomie, wenn ich<br />
den Kantischen Ausdruck verwenden darf;<br />
die Kraft zur Reflexion, zur Selbstbestimmung,<br />
zum Nicht-Mitmachen.<br />
Th. W. Adorno. Erziehung nach Auschwitz. In ders. Erziehung zur<br />
Mündigkeit. Frankfurt a.M.1970<br />
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Werte<br />
(Hartmut von Hentig: Ach, die Werte, S. 67 ff)<br />
• Sind immer alt, sind immer schon „da“<br />
• Werden vom Menschen definiert, aber<br />
nicht erfunden<br />
• Werden durch eine Ethik geklärt,<br />
begründet, bestätigt<br />
• Sie „verfallen“ nicht, sondern das<br />
Bewusstsein von ihrer Geltung lässt nach<br />
• Ihre Rangfolge kann sich ändern<br />
Werte<br />
und Tugenden<br />
• Auch die Mittel zu ihrer Realisierung =<br />
(Verhaltensformen) Tugenden ändern sich<br />
• Die gründlich gewandelten Lebensverhältnisse<br />
bringen keine neuen Werte<br />
hervor, sondern machen nur die<br />
gewohnten Mittel = Tugenden zu ihrer<br />
Erreichung untauglich<br />
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Werte<br />
und Tugenden<br />
• Ein Wert kann untergehen, wenn er als<br />
„tyrannisch“ empfunden wird<br />
• Werte sind um ihrer selbst willen da,<br />
Tugenden sind meist das Ergebnis von<br />
Erfahrung = Konvention<br />
Werte<br />
und Tugenden<br />
• Die Ethik macht die uns<br />
bestimmenden Werte und Tugenden<br />
bewusst<br />
• Innerhalb einer Ethik (und zwischen<br />
verschiedenen Ethiken) kann es<br />
Konflikte (und Zweifel) geben<br />
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Werte<br />
(W. Brezinka. Werterziehung. Problematik und Möglichkeiten in PR 44,<br />
1990, S. 371ff)<br />
• Werte = im alltäglichen Sprachgebrauch:<br />
Normative Kulturgüter/ Normen, Ideale,<br />
Grundsätze<br />
• Philosophisch: ideelle Bedeutungseinheiten –<br />
Idee des „Wahren, Guten..“<br />
• Psychologisch/Soziologisch :<br />
Persönlichkeitseigenschaften als Einstellungen,<br />
Haltungen, Überzeugungen<br />
Formale Bewertungs-Erziehung<br />
• will den Erwerb von formalen Fertigkeiten<br />
fördern, Ziel = Bewertungsfähigkeit<br />
• Merkmale der Bewertungskompetenz:<br />
Klarheit und vernünftige Begründung<br />
• nur Teilideal, denn ihre Ziele der<br />
Emanzipation, Selbstbestimmung,<br />
Kritikfähigkeit führen zur Abwertung<br />
materialer Werte<br />
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Materiale Werteinstellungs-Erziehung<br />
• Erziehung zu besonderen inhaltlichen (materialen)<br />
Zielen = bestimmten Tugenden, Werteinstellungen,<br />
Überzeugungen, Gesinnungen<br />
• Nur im Rahmen der eigenen Gruppe/ Kultur möglich,<br />
aber auch unerlässlich<br />
• Notwendigerweise auf Kosten anderer möglicher<br />
Gesinnungen<br />
• Auf sie können wir - nach Brezinka- nicht verzichten<br />
• Kritik an dieser Forderung wird von Brezinka als<br />
unsachlich bezeichnet und vehement zurückgewiesen<br />
Hartmut von Hentig: Aushalten der<br />
Offenheit statt Zwang zum Wertekonsens<br />
„Der Pädagoge, der diese Welt nicht „macht“ und<br />
nicht „aufhält“, plädiert angesichts des ersten<br />
Merkmals der Zukunft - ihrer konstitutiven Offenheit<br />
- […] : Wir alle, nicht nur die Jungen, müssen<br />
sie [die Offenheit] aushalten lernen.<br />
Er widerspricht dem allgemeinen Ruf nach<br />
“Verbindlichkeit”, nach einem “Grundkonsens”,<br />
nach festen Orientierungspunkten[…].”<br />
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Werte – Konsens durch Diskurs<br />
(Jürgen Habermas)<br />
• Die hinter Werturteilen verborgenen<br />
Interessen, Werte und Emotionen müssen<br />
offengelegt werden<br />
• Diskurs als „herrschaftsfreie“ Prüfung von<br />
Geltungsansprüchen<br />
• Rationalität, Aufrichtigkeit, Gutwilligkeit<br />
und Offenheit als unabdingbare<br />
Voraussetzungen des Diskurses<br />
Bedeutung von Werten/<br />
Normen in der Erziehung<br />
• Kinder und Jugendliche belohnen verlässliches<br />
Verhalten, das sich an die Normen hält, die auch<br />
von ihnen abverlangt werden. Die Normen<br />
gelten nicht einfach aus sich selbst heraus,<br />
sondern müssen ausgehandelt werden,<br />
• Die Verpflichtung auf Normen kann nur<br />
wechselseitig gelten, weshalb Erziehung das<br />
nicht ist, für was sie immer noch viel zu oft<br />
gehalten wird, nämlich eine Variante des<br />
Nürnberger Trichters.<br />
• Auch die Kinder sind für ihre Erziehung<br />
verantwortlich.<br />
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Schulgesetz Rheinland-Pfalz § 1.2<br />
In Erfüllung ihres Auftrags erzieht die Schule zur Selbstbestimmung in<br />
Verantwortung vor Gott und den Mitmenschen, zur Anerkennung<br />
ethischer Normen, zur Achtung vor der Überzeugung anderer, zur<br />
Bereitschaft, die sozialen und politischen Aufgaben eines Bürgers im<br />
freiheitlich-demokratischen und sozialen Rechtsstaats zu übernehmen,<br />
und zur verpflichtenden Idee der Völkergemeinschaft. Sie führt zu<br />
selbständigem Urteil, zu eigenverantwortlichem Handeln und zur<br />
Leistungsbereitschaft; sie vermittelt Kenntnisse und Fertigkeiten mit<br />
dem Ziel, die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Orientierung in<br />
der modernen Welt zu ermöglichen, Verantwortungsbewusstsein für<br />
Natur und Umwelt zu fördern sowie zur Erfüllung der Aufgaben in<br />
Staat, Gesellschaft und Beruf zu befähigen.<br />
Erwerb von Wertorientierungen<br />
(Franz Weinert, Sechs Bildungsziele)<br />
6. Bildungsziel<br />
Erwerb von Wertorientierungen<br />
(soziale, demokratische und persönliche Werte)<br />
durch<br />
Erleben einer Wertgemeinschaft<br />
(Schulkultur, Klassengeist, Lehrervorbild, Gemeinschaftserfahrungen)<br />
wird begünstigt durch<br />
Motivationalen Lerntransfer<br />
Wird nicht gefördert durch spezielle Unterrichtsmethoden, sondern durch<br />
lebendige Schulkultur<br />
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Werteerziehung<br />
(H. von Hentig, S. 81)<br />
• „Wertebewusstsein“ ist nicht nur durch<br />
kognitives Lernen in der Trias : Vorstellung von<br />
.. - Besinnung auf..- Verpflichtung zu .. - zu<br />
erreichen<br />
• Nötig sind auch: erleben, erfahren, erproben,<br />
erfinden, mitmachen, selber machen, zweifeln,<br />
fragen, erörtern, abwägen, entscheiden, urteilen<br />
usw.<br />
- > keine „Abhakliste“ von Werten, sondern ein<br />
verantwortetes Miteinander<br />
Erziehung<br />
(->zum „guten“ Leben, zur Verantwortung<br />
und Menschlichkeit)<br />
• Die „Sache“ muss den Erziehenden/<br />
Lehrenden selber wichtig sein<br />
• Nichts, was bleiben soll, kommt schnell<br />
• Alles Lernen ist mit Erfahrung zu<br />
verbinden<br />
• Die Person des Erziehenden muss ins<br />
Spiel kommen (durch überzeugendes<br />
Handeln)<br />
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12 Werte<br />
(H. von Hentig 1989)<br />
• Das Leben<br />
• Freiheit/ Selbstentfaltung/<br />
Selbstbestimmung/ Autonomie<br />
• Frieden/ Freundlichkeit / Gewaltlosigkeit<br />
• Seelenruhe – zum Beispiel aufgrund der<br />
erfüllten Pflicht oder aus Übereinstimmung mit<br />
dem eigenen Gewissen/ also auch<br />
Schuldlosigkeit<br />
• Gerechtigkeit<br />
12 Werte<br />
(H.von Hentig 1989)<br />
• Solidarität/ Brüderlichkeit/ Gemeinsamkeit (=<br />
Nichteinsamkeit) (Gemeinwohl ist die dies alles<br />
zusammenfassende Idee)<br />
• Wahrheit<br />
• Bildung/ Wissen/ Einsicht / Weisheit<br />
• Lieben können/ Geliebt werden<br />
• Körperliches Wohl/ Gesundheit/ Freiheit von<br />
Schmerz/ Kraft<br />
• Ehre/ Achtung der Menschen/ Ruhm<br />
• Schönheit<br />
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(Werte-)Erziehung und Fachunterricht<br />
Hartmut von Hentig<br />
• Fachunterricht und Erziehung gehören<br />
zusammen.<br />
• Die Vermittlung von „Moral, Werten,<br />
Menschenrechten und Menschenpflichten“<br />
sollte nicht (nur) einem eigenen<br />
Fach zugewiesen werden.<br />
• Die Einübung von Werten sollte durch und<br />
im Fachunterricht geschehen.<br />
Werte-Erziehung im Unterricht<br />
• Förderung der Fähigkeit zum Werturteil<br />
durch diskursive Prüfung von Werturteilen<br />
und Normen<br />
• Moral - (Dilemma-)Diskussionen<br />
• Einübung moralischen Handelns unter<br />
Alltagsbedingungen (Modell der just<br />
community)<br />
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Werte-Erziehung im Unterricht<br />
Fragen zur Rolle des Lehrers<br />
• Wie gehe ich mit meinen eigenen<br />
Werturteilen um?<br />
• Darf/ muss ich Stellung beziehen?<br />
• Wie reagiere ich auf problematische<br />
Werturteile von SchülerInnen?<br />
• Wie vermeide ich eine scheinbare<br />
Anpassung der Lerngruppe?<br />
Welche Werte brauchen/ wollen wir?<br />
Ein Vorschlag<br />
• Toleranz<br />
• Solidarität, Nächstenliebe, Gemeinschaftssinn<br />
und Hilfsbereitschaft<br />
• Praktische Teilhabe an Gesellschaft und Politik<br />
• Verantwortungsbewusstsein<br />
• Achtung vor der Würde des Menschen<br />
• Offenheit gegenüber neuen<br />
Herausforderungen<br />
nach : Ute Erdsiek-Rave, Kultuministerin Schleswig-Holstein. Rede am<br />
13.9.2001 in der Hermann-Ehlers-Akademie<br />
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