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Juni 2012 Juli 2012 ...wie dich selbst - Freisenbruch-Horst-Eiberg

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„Guten Morgen!“, grüßt mich unsere Nachbarin.<br />

Ich schaue genau hin: Nein, sie sieht<br />

wirklich nicht gut aus, müde, blass - <strong>wie</strong> Buttermilch<br />

und Spucke, hätte meine Oma das genannt.<br />

Ich entscheide mich spontan, diese Erinnerung<br />

für mich zu behalten.<br />

Unsere Nachbarin hat es wirklich nicht<br />

leicht. Die fortschreitende<br />

Demenz<br />

ihres Mannes hat inzwischen<br />

ein Stadium<br />

erreicht, das es<br />

unmöglich macht,<br />

ihn allein zu lassen,<br />

und sie lässt ihn<br />

nicht allein. Ab und<br />

zu können die Kinder<br />

aufpassen, aber<br />

selten - sie wohnen<br />

etwas weiter weg,<br />

sind berufstätig und<br />

<strong>selbst</strong> Eltern. Eine<br />

andere Nachbarin,<br />

die sie schon Jahrzehnte<br />

kennt, kauft<br />

für sie ein und hält<br />

manchmal die Stellung, wenn sie zum Arzt<br />

oder zum Friseur muss, schnell hin, schnell<br />

<strong>wie</strong>der nach Hause, man will ja nicht zur Last<br />

fallen.<br />

„Guten Morgen“, grüße ich zurück und frage<br />

vorsichtig, <strong>wie</strong> es geht. „Ach, mir geht es<br />

gut“, sagt sie. Es klingt nicht überzeugt, aber<br />

entschlossen. Ich habe mit dieser Antwort gerechnet,<br />

es ist die gleiche <strong>wie</strong> immer - und ich<br />

kann sie nicht glauben.<br />

„Wie geht es Ihrem Mann?“, frage ich. Sie<br />

erzählt, dass er in der letzten Zeit nachts immer<br />

sehr unruhig sei, im Haus herumwandere<br />

und auch versuche, nach draußen zu gelangen<br />

2 thema<br />

Mit aller Kraft<br />

- sie habe in den letzten Nächten keine Stunde<br />

durchschlafen können.<br />

Jetzt ist die Zeit für ein direktes Wort gekommen.<br />

„Und <strong>wie</strong> lange glauben Sie, das noch<br />

durchhalten zu können?“ Sie antwortet ausweichend.<br />

Es höre sich schlimmer an, als es<br />

sei, es gehe schon...<br />

Zeit für sich <strong>selbst</strong> ­ so wichtig, <strong>wie</strong> sich Zeit für andere zu nehmen<br />

Aber ich lege nach. Ich habe die gleiche Situation<br />

schon einmal erlebt, als mein Onkel<br />

pflegebedürftig wurde und meine Tante kurz<br />

vor dem Zusammenbruch stand, etwas, das ich<br />

nicht noch einmal sehen möchte. Damals war<br />

die Rettung die Entscheidung für eine Heimunterbringung.<br />

Unsere Nachbarin runzelt die Stirn und<br />

schüttelt abwehrend den Kopf. Ich kann das<br />

verstehen. Da ist einerseits das Eheversprechen,<br />

dem sie sich verpflichtet fühlt - dies sind<br />

halt die schlechten Zeiten. Außerdem ist da das<br />

Gebot „Liebe deinen Nächsten“, und das sagt<br />

sie mir auch.<br />

Foto: Nahler

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