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Bulletin der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie Vol. 24 Nr. 4 ...

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<strong>Bulletin</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 IX/2013<br />

12 Harnwegsinfektionen<br />

17 Pertussis<br />

20 Melatonin<br />

<strong>24</strong> Fettstoffwechselstörungen<br />

33+36 Babyfenster


Babies – Schutz durch Pertussis-<br />

Booster impfungen des Umfelds 1,2,3<br />

Boostrix ® – 1 Impfdosis = 3-facher Schutz<br />

Referenz: 1. Schweizerischer Impfplan 2013. 2. Bundesamt für Gesundheit (BAG). Anpassung <strong>der</strong> Impfempfehlung gegen Pertussis: für Jugendliche, Säuglinge<br />

in Betreuungseinrichtungen und schwangere Frauen. Bull BAG 2013; 9: 118-123. 3. Arzneimittelinformation Boostrix ® (www.swissmedicinfo.ch).<br />

Boostrix ® (dTp a): I: Boosterimpfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis von Personen ab dem 4. Geburtstag. Bei früherer Tetanus Grundimmunisierung<br />

auch zur Tetanus-Prophylaxe bei Verletzungen mit Tetanusrisiko anwendbar. Nicht zur Grundimmunisierung verwenden! D: Eine Impfdosis zu 0,5 ml. Anw.: Die<br />

Injektion erfolgt tief intramuskulär. Nicht intravasal anwenden. Nicht mit an<strong>der</strong>en Impfstoffen mischen. KI: Bekannte Überempfindlichkeit gegen einen <strong>der</strong> Bestandteile;<br />

akute, schwerwiegende fieberhafte Erkrankung; Enzephalopathie unbekannter Ätiologie innert 7 Tagen nach einer vorgängigen Impfung mit einem<br />

Pertussis-enthaltenden Impfstoff; vorübergehende Thrombozytopenie o<strong>der</strong> neurologische Komplikationen nach einer vorgängigen Impfung gegen Diphtherie<br />

und/o<strong>der</strong> Tetanus. VM: Wenn nach einer vorherigen Impfung mit einem Pertussis-enthaltenden Impfstoff folgende Ereignisse aufgetreten sind, sollte die Entscheidung<br />

zur Gabe des Impfstoffes sorgfältig abgewogen werden: Temperatur ≥ 40.0°C innerhalb von 48 Stunden nach <strong>der</strong> Impfung ohne sonst erkennbare<br />

Ursache, Kollaps o<strong>der</strong> schockähnlicher Zustand (hypotonisch-hyporesponsive Episode) innerhalb von 48 Stunden nach <strong>der</strong> Impfung, o<strong>der</strong> anhaltendes, untröstliches<br />

Schreien über mehr als 3 Stunden innerhalb von 48 Stunden nach <strong>der</strong> Impfung, o<strong>der</strong> Krampfanfälle mit o<strong>der</strong> ohne Fieber innerhalb <strong>der</strong> ersten 3 Tage nach<br />

<strong>der</strong> Impfung. Bei Thrombozytopenie o<strong>der</strong> Blutgerinnungsstörung, Risiko von Blutung nach i.m.-Injektionen. IA: Wenn als nötig erachtet, kann Boostrix gleichzeitig<br />

mit an<strong>der</strong>en Impfstoffen o<strong>der</strong> Immunglobulinen – jeweils an einer an<strong>der</strong>en Injektionsstelle - angewendet werden. UW: Am häufigsten beobachtet: Lokalreaktionen<br />

(Schmerz, Rötung, Schwellung), Fieber, Müdigkeit, Anorexie, gastrointestinale Störungen, Diarrhöe, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schläfrigkeit,<br />

Schwindel, Reizbarkeit. Lagerung: Fertigspritze bei +2°C bis +8°C lagern. Nicht einfrieren. Packungen: Fertigspritze mit separat beigelegter Nadel. x1 (Liste B)<br />

Ausführliche Angaben finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch<br />

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen melden Sie bitte unter pv.swiss@gsk.com<br />

GlaxoSmithKline AG<br />

Talstrasse 3–5<br />

CH-3053 Münchenbuchsee<br />

Telefon +41 (0)31 862 21 11<br />

Telefax +41 (0)31 862 22 00<br />

www.glaxosmithkline.ch<br />

1006582


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Redaktion<br />

Prof. R. Tabin, Sierre (Schriftleiter)<br />

Dr. M. Diezi, Lausanne<br />

PD Dr. T. Kühne, Basel<br />

Dr. U. Lips, Zürich<br />

Dr. M. Losa, St. Gallen<br />

Prof. M. Mazouni, Lausanne<br />

Dr. M.-A. Panchard, Vevey<br />

Dr. P. Scalfaro, Cully<br />

Dr. R. Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds<br />

Prof. A. Superti-Furga, Lausanne<br />

Dr. R. von Vigier, Bern<br />

Redaktionsadresse<br />

c/o Prof. R. Tabin<br />

Av. du Général Guisan 30<br />

Postfach 942<br />

CH-3960 Sierre<br />

Tel. 027 455 05 05<br />

Fax 027 455 59 55<br />

rene.tabin@swiss-paediatrics.org<br />

Copyright<br />

© Schweizerische <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie<br />

Verlag – Herausgeber<br />

Schweizerische <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie (SGP)<br />

www.swiss-paediatrics.org<br />

Sekretariat / Adressän<strong>der</strong>ungen<br />

Schweizerische <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie<br />

Postfach 1380<br />

1701 Fribourg<br />

Tel. 026 350 33 44<br />

Fax 026 350 33 03<br />

secretariat@swiss-paediatrics.org<br />

Layout und Druck<br />

s+z:gutzumdruck.<br />

Nellenstadel 1<br />

3902 Brig-Glis<br />

Tel. 027 9<strong>24</strong> 30 03<br />

Fax 027 9<strong>24</strong> 30 06<br />

info@sundz.ch<br />

Inserate<br />

Editions Médecine et Hygiène<br />

Michaela Kirschner<br />

Chemin de la mousse 46<br />

1225 Chêne-Bourg<br />

Tel. 022 702 93 41<br />

pub@medhyg.ch<br />

Paediatrica<br />

Erscheint 5 x jährlich für die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> SGP.<br />

Nicht-Mitglie<strong>der</strong> können beim Sekretariat<br />

die Paediatrica gegen den Betrag von Fr. 120.–<br />

jährlich abonnieren.<br />

Auflage<br />

1950 Ex. / ISSN 1421-2277<br />

Bestätigt durch WEMF<br />

Nächste Ausgabe<br />

Redaktionsschluss: 20.9.2013<br />

Erscheinungsdatum: <strong>Nr</strong>. 5: 15.11.2013<br />

Titelbild<br />

«Cirque Enrique»<br />

140 x 140 cm<br />

Acryl und Oilstick auf Leinwand, 2011<br />

Andrea Dora Wolfskämpf<br />

Editorial<br />

3 · Und es lebe die Pädiatrie! … Und es lebe <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>arzt!<br />

N. Pellaud<br />

Standespolitik<br />

4 · Protokoll <strong>der</strong> SGP-Generalversammlung vom 20. Juni 2013, Genf<br />

C. Baeriswyl<br />

8 · Einführung des E-Logbuchs sowie <strong>der</strong> Arbeitsplatz-basierten Assessments (AbA’s)<br />

Ch. Rudin<br />

10 · Tarmed-News<br />

C. Baeriswyl<br />

Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich<br />

11· Jahresbericht <strong>der</strong> Co-Präsidenten Geschäftsjahr 2012–2013<br />

R. Schmid<br />

Empfehlungen<br />

12 · Diagnose und Behandlung von Harnwegsinfektionen beim Kind<br />

Ch. Rudin, G. Laube, E. Girardin, Ch. Berger, A. Nie<strong>der</strong>er, K. Posfay-Barbe, P, Agyeman, R. Gobet<br />

17 · Empfehlungen zur Behandlung von Pertussis und Strategien zur Verhin<strong>der</strong>ung<br />

von Ausbrüchen<br />

K. Posfay-Barbe, U. Heininger<br />

Fortbildung<br />

20 · Melatonin bei kindlichen Schlafstörungen<br />

P. Hunkeler<br />

<strong>24</strong> · Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter<br />

J. Häberle, A. Lämmle, M. R. Baumgartner<br />

28 · Was können wir einem adipösen Kind und seiner Familie anbieten?<br />

Erfahrungen eines spezialisierten Zentrums.<br />

S. Borloz, Ch. Moser, B. Crottet, S. Van Beirs, S. Krayenbuhl, A. Balz, E. Elowe-Gruau,<br />

M. Decarli-Diserens, D. Laufer, J. Pu<strong>der</strong>, M. Hauschild<br />

Hinweise<br />

33 · Das Einsiedler Babyfenster<br />

S. Rupp<br />

36 · Ungewollte Kin<strong>der</strong><br />

Eine ethische Abwägung von Babyfenstern<br />

R. Baumann-Hölzle, A. Abraham<br />

39 · SPSU – Jahresbericht 2012<br />

4 0 · Masern ab Ende Oktober dank nationaler Kampagne im Fokus<br />

41 · Wasserzubereitung und Mineralwasser aus <strong>der</strong> Flasche (ohne Kohlensäure)<br />

zur Herstellung von Säuglingsshoppen<br />

J. Spalinger<br />

42 · Preisverleihungen anlässlich <strong>der</strong> Jahresversammlung 2013 <strong>der</strong> SGP<br />

43 · La Chaux-de-Fonds – eine Stadt begegnet Kin<strong>der</strong>ärzten<br />

N. Schallenberger, S. Latrèche, R. Schlaepfer, E. Tissot<br />

44 · Educational Grant – Pilotprojekt <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für pädiatrische<br />

Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung, ab Herbst 2013 für drei Jahr<br />

A. Nydegger<br />

45 · KHM Forschungspreis Hausarztmedizin 2014<br />

45 · Fanconi-Preis 2014<br />

Zeitschriftenreview<br />

46 · Zeitschriftenreview<br />

M. Mazouni / R. Schlaepfer<br />

50 · FMH-Quiz<br />

Kaktus<br />

52 · Besserer Schutz vor Epidemien dank neuem Gesetz<br />

Für den Inhalt <strong>der</strong> Texte übernimmt die Redaktion<br />

keine Verantwortung.<br />

1


Für Höchstleistungen<br />

ohne Muskelkrämpfe<br />

Einfach 1x täglich 10 mmol<br />

1006760<br />

Gekürzte Fachinformation Magnesiocard ® (Magnesiumpräparat). Indikationen: Magnesiummangel, Herzrhythmus stö rungen, erhöhter Bedarf im Hochleistungssport<br />

und während Schwangerschaft, bei Eklampsie und Präeklampsie, teta nischem Syndrom und Wadenkrämpfen. Dosierung: 10-20 mmol täglich, entsprechend<br />

<strong>der</strong> Darreichungsform (Granulat, Brausetabletten, Tabletten) aufgeteilt in 1-3 orale Einzeldosen. Anwendungseinschränkungen: Eingeschränkte Nierenfunktion.<br />

Die gleichzeitige Verabreichung mit Tetrazyklinen ist zu vermeiden. Unerwünschte Wirkungen: Als Folge hochdosierter oraler Magnesiumtherapie können<br />

weiche Stühle auftreten. Packungen: Tabletten (2.5 mmol) 50, 100; Granulat (5 mmol) Citron und Granulat (5 mmol) Orange 20*, 50, 500; Brausetabletten<br />

(7.5 mmol) 20*, 60; Granulat (10 mmol) Grapefruit und Granulat (10 mmol) Orange 20*, 50*, Ampullen i.v. (10 ml) 10; Verkaufskategorie B. Ausführliche Angaben<br />

siehe www.swissmedicinfo.ch o<strong>der</strong> www.compendium.ch. © 2013 Biomed AG. All rights reserved.<br />

*kassenpflichtig<br />

ergoasw.ch


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Editorial<br />

Und es lebe die Pädiatrie!<br />

… Und es lebe <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>arzt!*<br />

Nicole Pellaud, SGP-Präsidentin, Genf und Sitten<br />

Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds<br />

Seien wir optimistisch, wir sind zwar eine<br />

kleine <strong>Gesellschaft</strong>, aber wie für David gegenüber<br />

Goliath, geht es darum, richtig zu zielen.<br />

Dazu zählen wir auch auf eure Unterstützung.<br />

Es lebe die Pädiatrie, es lebe <strong>der</strong> Pädiater!<br />

Liebe SGP-Mitglie<strong>der</strong><br />

Vorstand und zahlreiche Mitglie<strong>der</strong> – einige<br />

hatten wir das Vergnügen in Genf anzutreffen<br />

– wirken aktiv zum Besten dieser schönen<br />

Aufgabe, <strong>der</strong> wir uns alle widmen.<br />

Christian Kind sei anlässlich dieser Amtsübernahme<br />

herzlich gedankt für seinen Einsatz<br />

während den vier Jahren Präsidentschaft. Mit<br />

Weitsicht und Ausgeglichenheit gewährleistete<br />

er den Zusammenhalt und die Stellung <strong>der</strong><br />

schweizerischen Pädiatrie gegenüber politischen<br />

Wirbeln, wirtschaftlichen Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />

Meinungsverschiedenheiten und verschiedensten,<br />

von allen Seiten kommenden<br />

Zwängen und Verpflichtungen.<br />

Wir freuen uns, im Vorstand weiterhin auf sein<br />

Wissen und seine Sachkenntnis zählen zu<br />

können.<br />

Indem ich das Amt übernehme, wünsche ich<br />

wie Christian, für Kommunikation, Verständigung<br />

und Verhandlungsbereitschaft, aber<br />

auch eindeutige Stellungnahmen und Lobbying<br />

einzutreten und dies, last but not least, mit<br />

Beharrlichkeit.<br />

Gemeinsam mit Vorstand und Sekretariat<br />

wollen wir uns entschieden für den Erhalt, für<br />

Qualität und Finanzierung von Ausbildung<br />

sowie <strong>der</strong> ambulanten und Spitalbetreuung<br />

aller Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen in <strong>der</strong> Schweiz<br />

einsetzen.<br />

In diesem Sinne stehen die zahlreichen anstehenden<br />

Aufgaben im Zeichen <strong>der</strong> Partnerschaft:<br />

• Das BAG kann für die Kampagne zur Eliminierung<br />

<strong>der</strong> Masern in <strong>der</strong> Schweiz und für<br />

das nationale Impfprogramm auf unseren<br />

aktiven Einsatz zählen. Hingegen müssen<br />

wir uns weiterhin für die Kostenübernahme<br />

<strong>der</strong> Behandlung adipöser Kin<strong>der</strong> einsetzen,<br />

da die Vorschläge <strong>der</strong> Arbeitsgruppe Adipositas<br />

beim Eidgenössischen Departement<br />

des Innern ungehört blieben.<br />

• Mit Public Health Schweiz für die, von <strong>der</strong><br />

SGP unterstützte, Revision des Epidemiengesetzes<br />

(Sie haben eine elektronische<br />

Mitteilung dazu erhalten)<br />

• Von <strong>der</strong> Eidgenössischen Impfkommission<br />

geplante Aktionen betreffend Pneumokokken-<br />

und Keuchhustenimpfung<br />

• Mit <strong>der</strong> Stiftung zur För<strong>der</strong>ung des Stillens<br />

um dieses vordringliche gesundheitspolitische<br />

Anliegen weiter zu för<strong>der</strong>n<br />

• Teilnahme an <strong>der</strong> im Rahmen <strong>der</strong> Public-<br />

Health-Jahreskonferenz in Zürich stattfindenden<br />

FMH-Roundtable vom 15. August<br />

zum Thema «Prävention für Kin<strong>der</strong> und Jugendliche<br />

beim Pädiater o<strong>der</strong>/und in <strong>der</strong><br />

Hausarztpraxis?»<br />

• Mit Allgemeinpraktikern und Pflegefachleuten<br />

für eine kohärente und wirksame Arbeitsaufteilung,<br />

die das Fachwissen aller<br />

Beteiligten berücksichtigt:<br />

Unsere Zusammenarbeit mit dem KHM bei<br />

<strong>der</strong> Ausbildung <strong>der</strong> Allgemeinpraktiker<br />

wird fortgeführt. Wir haben Stellung genommen<br />

zum Vorhaben einer Ausbildung<br />

spezialisierter Pflegefachfrauen und Kin<strong>der</strong>pflegerinnen<br />

in Nephrologie, Onkologie<br />

und Diabetologie und wünschen eine klare<br />

Unterscheidung <strong>der</strong> durch Pflegefachfrauen<br />

erbrachten Leistungen von denen des<br />

Kin<strong>der</strong>arztes sowie das Einbringen einer<br />

pädiatrischen Bezugnahme. Eine vorangehende<br />

Ausbildung in Kin<strong>der</strong>pflege ist wichtig.<br />

• Mit dem KHM wird auch die nationale Grippeimpfkampagne<br />

vorbereitet.<br />

• Mit Kin<strong>der</strong>ärzte Schweiz setzen wir uns<br />

gemeinsam mit MFE für wichtige Belange<br />

<strong>der</strong> Haus- und Kin<strong>der</strong>ärzte ein.<br />

• Einführung des E-Logbooks mit dem SIWF<br />

• Vorbereitung des Kongresses im Juni 2014<br />

in Basel gemeinsam mit <strong>der</strong> fPmh<br />

• Mit <strong>der</strong> VSAO vertreten wir SGP und Pädiatrie<br />

an <strong>der</strong> Tagung Medifuture vom 16. November<br />

in Bern.<br />

Das Ziel ist die För<strong>der</strong>ung aktueller und zukünftiger<br />

gesundheitspolitischer Projekte zugunsten<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen sowie<br />

<strong>der</strong> Pädiatrie.<br />

* In diesem Text wird <strong>der</strong> Einfachheit halber nur die<br />

männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist<br />

selbstverständlich immer mit eingeschlossen.<br />

3


Standespolitik<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Protokoll <strong>der</strong> SGP-Generalversammlung<br />

vom 20. Juni 2013, Genf<br />

Claudia Baeriswyl, Sekretariat SGP, Freiburg<br />

Bevor die Generalversammlung eröffnet wird,<br />

erfolgt um 16.45 Uhr die offizielle Preisvergabe<br />

2013. Der diesjährige Fanconipreis geht an<br />

Marianne Caflisch aus Genf in Anerkennung<br />

ihrer Pionierarbeit im Bereich <strong>der</strong> Adoleszentenmedizin.<br />

Jean-Christoph Caubet aus Genf<br />

kann den PIA-CH-Preis in Empfang nehmen.<br />

Der Talentprize wird Caroline Guyer, Zürich,<br />

für ihre Arbeit «Cycled light exposure reduces<br />

fussing and crying in very preterm infants»<br />

verliehen. Sie stellt ihr Werk in einem Kurzreferat<br />

vor.<br />

1. Eröffnung und Wahl<br />

<strong>der</strong> Stimmenzähler<br />

Der Präsident Christian Kind eröffnet die<br />

Generalversammlung um 17.15 Uhr. Im Verlauf<br />

<strong>der</strong> Versammlung tragen sich 61 stimmberechtigte<br />

Mitglie<strong>der</strong> in die Präsenzliste ein.<br />

Die weiteren sechs Anwesenden nehmen als<br />

Gäste ohne Stimmrecht an <strong>der</strong> Versammlung<br />

teil (Assistentenmitglie<strong>der</strong>). Neun Mitglie<strong>der</strong><br />

haben sich entschuldigt.<br />

Felix Sennhauser und Thomas Neuhaus werden<br />

als Stimmenzähler gewählt.<br />

2. Protokoll <strong>der</strong> GV vom 31.5.2012<br />

Das Protokoll <strong>der</strong> letztjährigen Generalversammlung<br />

welches in <strong>der</strong> Paediatrica <strong>Vol</strong>. 23<br />

<strong>Nr</strong>. 4 publiziert wurde, wird einstimmig angenommen<br />

und verdankt.<br />

3. Jahresbericht des Präsidenten<br />

Der scheidende Präsident Christian Kind fasst<br />

seinen letzten Jahresbericht in einigen Stichworten<br />

zusammen. Der Bericht wurde im<br />

vollen Umfang in <strong>der</strong> Paediatrica <strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 3<br />

veröffentlicht.<br />

Weiter- und Fortbildung<br />

Nach langer Vorarbeit und trotz vielen Bedenken<br />

und Wi<strong>der</strong>ständen konnte das Projekt<br />

«Schwerpunkt Kin<strong>der</strong>notfallmedizin» im vergangenen<br />

Herbst mit <strong>der</strong> Genehmigung durch<br />

den Vorstand des SIWF zum Abschluss gebracht<br />

werden. Das Programm wird in Kraft<br />

treten, sobald die Bedingungen für die Umsetzung<br />

(Ernennung <strong>der</strong> Verantwortlichen, Bezeichnung<br />

<strong>der</strong> Weiterbildungsstätten) erfüllt<br />

sind. Das revidierte Fortbildungsprogramm<br />

ist per 1.1.2013 in Kraft getreten. Als wichtigstes<br />

Grundprinzip gilt nach wie vor die<br />

Eigenverantwortung in <strong>der</strong> Erfüllung <strong>der</strong> Fortbildungspflicht.<br />

Daneben sind einige Erleichterungen,<br />

wie z. B. Wegfall <strong>der</strong> zusätzlichen<br />

Fortbildung innerhalb eines Schwerpunkts<br />

eingeführt worden. Wie bisher hat <strong>der</strong> Fortbildungspflichtige<br />

die Möglichkeit, ein Fortbildungsdiplom<br />

auf dem schriftlichen Weg zu<br />

beantragen. Neu steht ihm auch die elektronische<br />

Fortbildungsplattform des SIWF zur<br />

Verfügung.<br />

Nachdem die Weiterbildungskommission unter<br />

<strong>der</strong> Leitung von Christoph Rudin in mühevoller<br />

Detailarbeit das Logbuch sowohl den<br />

allgemeinen offiziellen Vorgaben des SIWF als<br />

auch denjenigen für das E-Logbuch angepasst<br />

und das SIWF dem Datenschutz auf un sere<br />

Auffor<strong>der</strong>ung hin besser Rechnung getragen<br />

hat, ist <strong>der</strong> Startschuss für die elektronische<br />

Version am 1. Juni 2013 gefallen (weitere Informationen<br />

unter Traktandum 12). In diesem<br />

Zusammenhang ist auch die kürzlich vom<br />

Vorstand verabschiedete Mini-Revision des<br />

Weiterbildungsprogramms zu sehen.<br />

Als Neuheit wurde im März 2013 zum ersten<br />

Mal ein Repetitorium <strong>der</strong> SGP für angehende<br />

Fachärztinnen und Fachärzte Kin<strong>der</strong>- und Jugendmedizin<br />

in Aarau organisiert und mit sehr<br />

gutem Erfolg durchgeführt. Weiter war die<br />

SGP im Oktober mit einem Stand an <strong>der</strong> ersten<br />

Karrieremesse für Medizinstudierende in<br />

Zürich vertreten.<br />

Aussenbeziehungen<br />

und interne Organisation<br />

Wichtige Ziele <strong>der</strong> SGP sind nach wie vor die<br />

Pflege von guten und vielfältigen Aussenbeziehungen<br />

sowie die laufende Optimierung <strong>der</strong><br />

internen Organisation, die es erlaubt, mit den<br />

zur Verfügung stehenden finanziellen und<br />

personellen Ressourcen die Geschäfte erfolgreich<br />

zu führen. Als Stichwort zu den Aussenbeziehungen<br />

seien die Kontakte zu Kin<strong>der</strong>ärzte<br />

Schweiz (ehemals Forum für Praxis -<br />

pädiatrie), dem Bundesamt für Gesundheit und<br />

an<strong>der</strong>en Fachgesellschaften wie z. B. <strong>der</strong> SGIM<br />

genannt sowie zu Organisationen in denen die<br />

SGP Mitglied ist wie die fPmh, das Kollegium für<br />

Hausarztmedizin o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Berufsverband <strong>der</strong><br />

Haus- und Kin<strong>der</strong>ärzte Schweiz. Die SGP wird<br />

auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> freundschaftlichen Zusammenarbeit<br />

immer mehr zum anerkannten und<br />

respektierten Partner.<br />

Sicherung <strong>der</strong> Praxis,<br />

Nachwuchs für die Praxis<br />

Mittels Definition und Operationalisierung von<br />

Qualitätsmerkmalen, die die medizinische<br />

Betreuung von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen in<br />

<strong>der</strong> pädiatrischen Praxis einzigartig machen,<br />

und den entsprechenden finanziellen Massnahmen,<br />

soll die Praxis gesichert werden.<br />

Zusätzlich unterstützen wir die Entwicklung<br />

neuer Praxismodelle gezielt weiter, im Hinblick<br />

auf die Steigerung <strong>der</strong> Attraktivität <strong>der</strong><br />

Praxis für junge Berufsleute.<br />

Am Ende seiner Amtszeit ist Christian Kind<br />

überzeugt, dass sich die SGP we<strong>der</strong> ziehen<br />

noch stossen lässt, son<strong>der</strong>n dass das innere<br />

Feuer, die Leidenschaft für die Pädiatrie das<br />

Mass aller Dinge ist. Er blickt auf eine herausfor<strong>der</strong>nde<br />

und erfahrungsreiche Präsidentschaft<br />

zurück, die in ihm den inneren Funken<br />

gezündet hat und ist überzeugt, dass das<br />

Feuer auch unter <strong>der</strong> neuen Präsidentin weiter<br />

brennen wird. In dem Sinn dankt er allen für<br />

das ihm entgegen gebrachte Vertrauen und<br />

die ausgezeichnete Zusammenarbeit.<br />

Der Jahresbericht wird mit Applaus genehmigt<br />

und verdankt.<br />

4. Übrige Berichte<br />

Die übrigen Jahresberichte wurden in <strong>der</strong><br />

Paediatrica <strong>Vol</strong>. 23 <strong>Nr</strong>. 2 veröffentlicht.<br />

Die Berichte werden diskussionslos angenommen.<br />

5. Mitglie<strong>der</strong>wesen<br />

Im vergangenen Jahr konnten erfreulicherweise<br />

67 neue Mitglie<strong>der</strong> (alle Kategorien) verzeichnet<br />

werden, wodurch die Gesamtzahl auf<br />

2198 gestiegen ist. Dank einer konsequenten<br />

4


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Standespolitik<br />

Mitglie<strong>der</strong>bewirtschaftung wurden auch zahlreiche,<br />

zum Teil überfällige Mutationen vom<br />

Assistentenmitglied zum ordentlichen Mitglied<br />

vorgenommen, was sich in <strong>der</strong> Jahresrechnung<br />

nie<strong>der</strong>schlägt. Zwölf Mitglie<strong>der</strong> sind seit <strong>der</strong><br />

letzten Generalversammlung verstorben.<br />

6. Jahresrechnung 2012,<br />

Revisionsbericht<br />

Die Kassiererin Caroline Hefti-Rütsche präsentiert<br />

die Jahresrechnung 2012, welche bei<br />

Ausgaben von CHF 744’299.43 und Einnahmen<br />

von CHF 870’069.84 mit einem Gewinn von<br />

CHF 125’770.41 abschliesst. Budgetiert war ein<br />

Verlust von CHF 7’400.–. Ausschlaggebend war<br />

hauptsächlich das ausgezeichnete Ergebnis des<br />

Kongresses in Luzern (CHF 98’369.–). Die bereits<br />

erwähnte Bewirtschaftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge<br />

sowie eine erhöhte Ausgabendisziplin<br />

haben ihren Teil beigetragen. Die Bilanz <strong>der</strong> SGP<br />

weist nach Verbuchung des Gewinns per Ende<br />

2012 Aktiven von CHF 871‘307.64, ein Fremdkapital<br />

von CHF 197’861.55 und ein Eigenkapital<br />

von CHF 673’446.09 aus.<br />

Die Progressia Société Fiduciaire et de Gestion<br />

SA, Freiburg hat die Rechnung revidiert<br />

und bestätigt, dass die Buchhaltung <strong>der</strong> SGP<br />

gesetzeskonform geführt wird. Sie empfiehlt<br />

<strong>der</strong> Generalversammlung, die Rechnung 2012<br />

anzunehmen.<br />

Die Jahresrechnung 2012 wird einstimmig<br />

genehmigt.<br />

7. Entlastung des Vorstandes<br />

Dem Vorstand wird einstimmig die Entlastung<br />

erteilt.<br />

8. Budget 2014<br />

Caroline Hefti präsentiert das Budget 2014,<br />

das einen voraussichtlichen Gewinn von CHF<br />

1000.00 ausweist. Der Jahreskongress 2014<br />

wird ein fPmh-Kongress sein und ist mit einem<br />

Gewinn von CHF 20’000.00 veranschlagt. Für<br />

Paediatrica ist ein Defizit von CHF 39’000.-<br />

vorgesehen.<br />

Das Budget 2014 wird einstimmig genehmigt.<br />

9. Mitglie<strong>der</strong>beiträge 2014<br />

Der Vorstand schlägt vor, die Mitglie<strong>der</strong>beiträge<br />

unverän<strong>der</strong>t beizubehalten:<br />

Ordentliche Mitglie<strong>der</strong> ohne Mitgliedschaft<br />

Berufsverband MFE<br />

Ordentliche Mitglie<strong>der</strong> mit Mitgliedschaft<br />

Berufsverband MFE<br />

CHF 500.–<br />

CHF 450.–<br />

Ausserordentliche SGP-Mitglie<strong>der</strong> CHF 250.–<br />

Assistenten-Mitglie<strong>der</strong> CHF 150.–<br />

Die Mitglie<strong>der</strong>beiträge 2014 werden einstimmig<br />

genehmigt.<br />

10. Wahlen<br />

Präsidentin und Vizepräsident<br />

Wie eingangs erwähnt, ist für Christian Kind<br />

nach zwei Amtsperioden das Mandat als<br />

Präsident statutengemäss abgelaufen, er<br />

verbleibt aber als Past President im Vorstand.<br />

Die bisherige Vizepräsidentin Nicole<br />

Pellaud hat sich bereit erklärt, die Präsidentschaft<br />

zu übernehmen. Als neuer Vizepräsident<br />

stellt sich Christoph Aebi zur Verfügung,<br />

allerdings ohne Präjudiz, dass er zu<br />

einem späteren Zeitpunkt das Präsidium<br />

übernehmen wird.<br />

Nicole Pellaud wird einstimmig als Präsidentin<br />

und Christoph Aebi – ebenfalls einstimmig<br />

– als Vizepräsident gewählt.<br />

Vorstandsmitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> SGP<br />

Die übrigen Vorstandsmitglie<strong>der</strong> stellen sich<br />

alle zur Wie<strong>der</strong>wahl. Es sind dies:<br />

• Walter Bär<br />

• Valérie Dénervaud<br />

• Sylvia Gschwend-Eigenmann<br />

• Nicole Halbeisen<br />

• Caroline Hefti-Rütsche<br />

• Oskar Jenni<br />

• Philipp Jenny<br />

• Christian Kind<br />

• Andreas Nydegger<br />

• Marc-Alain Panchard<br />

• Pascal Stucki<br />

• Jan Teller<br />

Der gesamte Vorstand wird einstimmig für<br />

eine weitere Amtsperiode von zwei Jahren<br />

wie<strong>der</strong> gewählt.<br />

Ehrenmitglied<br />

Der Vorstand schlägt Michael Hofer aus Lausanne<br />

für die Wahl zum Ehrenmitglied vor. Er<br />

war seinerzeit Leiter <strong>der</strong> Arbeitsgruppe Strukturreform<br />

und quasi <strong>der</strong> Architekt <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>zusammenführung<br />

<strong>der</strong> Sektionen Klinik und<br />

Praxis. Als Präsident <strong>der</strong> vereinten SGP hat er<br />

es dann auch verstanden, die Geschicke <strong>der</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong> in die richtige Bahn zu leiten.<br />

Michael Hofer wird einstimmig zum Ehrenmitglied<br />

ernannt.<br />

Er bedankt sich für diese Wahl und für die gute<br />

Zusammenarbeit während den vergangenen<br />

Jahren. Ein beson<strong>der</strong>er Dank gebührt den<br />

beiden Präsidenten Pierre Klauser und Ueli<br />

Bühlmann, die ihn in seiner Arbeit unterstützt<br />

haben, sowie seinem Nachfolger Christian<br />

Kind, <strong>der</strong> den eingeschlagenen Weg weiter<br />

verfolgt hat.<br />

Wahl Revisionsstelle<br />

Die Progressia, Société Fiduciare et de Gestion<br />

SA in Freiburg wird für ein weiteres Jahr als<br />

Revisionsstelle vorgeschlagen.<br />

Die Wahl <strong>der</strong> Progressia SA erfolgt einstimmig.<br />

Nicole Pellaud, eine neue Präsidentin<br />

für die SGP<br />

Michaël Hofer, Ehrenmitglied <strong>der</strong> SGP<br />

5


Standespolitik<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

11. Information aus dem Berufsverband<br />

<strong>der</strong> Haus- und Kin<strong>der</strong>ärzt-<br />

Innen Schweiz und zur <strong>Vol</strong>ksini tiative<br />

«Ja zur Hausarztmedizin»<br />

Stephan Rupp ist im Frühling als Vorstandsmitglied<br />

im Berufsverband MFE zurückgetreten.<br />

Philipp Jenny würdigt seine Arbeit, die<br />

von <strong>der</strong> Versammlung mit Applaus verdankt<br />

wird. Bei den Ersatzwahlen mussten drei Sitze<br />

neu besetzt werden, wobei in einer Kampfwahl<br />

mit Heidi Zinggeler-Fuhrer und Rolf<br />

Temperli erfreulicherweise zwei Pädiater mit<br />

ausgezeichnetem Resultat gewählt wurden.<br />

Das Institut für Praxisinformatik ist gegründet<br />

worden und mit ersten Projekten gestartet.<br />

Die Initiative «Ja zur Hausarztmedizin» befindet<br />

sich aktuell im Differenzbereinigungsverfahren<br />

für den direkten Gegenvorschlag<br />

zwischen Stän<strong>der</strong>at und Nationalrat. Der<br />

letztmögliche Zeitpunkt für einen Rückzug <strong>der</strong><br />

Initiative ist nach Abschluss dieses Verfahrens,<br />

d. h. voraussichtlich im Herbst 2013.<br />

Wird die Initiative nicht zurückgezogen, gelangt<br />

sie 2014 zur Abstimmung. Philipp Jenny<br />

sieht im Masterplan die Chance, relativ<br />

schnell etwas zu erreichen und den teuren<br />

Abstimmungskampf zu vermeiden. Hingegen<br />

hat man mit dem Masterplan rechtlich nichts<br />

Bindendes in <strong>der</strong> Hand. In den Bereichen<br />

«Bildung und Forschung» sowie «Medizinalberufegesetz»<br />

konnten gute Fortschritte erzielt<br />

werden, dagegen hapert es noch bei «Finanzierung<br />

und Versorgung», wo <strong>der</strong> Handlungsbedarf<br />

am grössten ist. Zusammenfassend<br />

lässt sich sagen, dass Bundesrat und Parlament<br />

die Notlage in <strong>der</strong> Hausarztmedizin zur<br />

Kenntnis genommen, aber <strong>der</strong>en Dringlichkeit<br />

noch nicht im vollen Mass erkannt haben. Es<br />

besteht aktuell noch keine Bereitschaft, mehr<br />

Geld in die Hand zu nehmen.<br />

12. Information <strong>der</strong> Weiterbildungskommission<br />

(E-Logbook)<br />

eingereicht werden. In einem ersten Schritt<br />

muss auf <strong>der</strong> Homepage des SIWF ein Login<br />

beantragt werden, wobei keine Verpflichtung<br />

zur Mitgliedschaft in <strong>der</strong> FMH besteht. Das<br />

E-Logbuch bildet das aktuell gültige Weiterbildungsprogramm<br />

<strong>der</strong> SGP ab und ist in vier<br />

Abschnitte geglie<strong>der</strong>t (Anstellung, Interventionen/Kompetenzen,<br />

SIWF/FMH-Zeugnis,<br />

Übersicht).<br />

Mit <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> arbeitsplatzbasierten<br />

Assessments Mini-CEX und DOPS wird eine<br />

weitere For<strong>der</strong>ung des SIWF erfüllt. Die AbA’s<br />

sind vertrauliche Interaktionen zwischen Weiterbildner<br />

und Weiterzubildenden und werden<br />

im Logbuch lediglich als durchgeführt dokumentiert<br />

(wann, Thema, Weiterbildner). Ende<br />

Mai hat dazu eine Informationsveranstaltung<br />

in Bern stattgefunden, gezielte Schulungen in<br />

Lausanne und Bern folgen im Herbst. Alle<br />

relevanten Dokumente sind in <strong>der</strong> Zwischenzeit<br />

auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> SGP aufgeschaltet.<br />

13. Verschiedenes<br />

Urs Frey, Chefarzt aus Basel und Organisator<br />

des Kongresses 2014 ergreift das Wort. Er<br />

gibt eine kurze Übersicht über den fPmh-Kongress,<br />

<strong>der</strong> am 12./13. Juni 2014 im neuen<br />

Kongresszentrum in Basel zum Thema «Überschreiten<br />

von Grenzen» stattfinden wird.<br />

Die neue Präsidentin Nicole Pellaud bedankt<br />

sich an dieser Stelle für die Wahl und das ihr<br />

entgegengebrachte Vertrauen. Sie wird alles<br />

daran setzen, das SGP-Schiff im Sinn ihres<br />

Vorgängers auf Kurs zu halten und schliesst<br />

mit den Worten: «La pédiatrie se féminise,<br />

mais le feu sacré reste».<br />

Es sind keine weiteren Wortmeldungen zu<br />

verzeichnen. Christian Kind schliesst die Generalversammlung<br />

um 18.20 Uhr.<br />

Der Präsident <strong>der</strong> Weiterbildungskommission,<br />

Christoph Rudin, muss sich lei<strong>der</strong> für die<br />

heutige Versammlung entschuldigen. An seiner<br />

Stelle informiert Christian Kind über die<br />

Neuerungen in Sachen Weiterbildung. Das<br />

E-Logbuch wurde per 1. Juni 2013 eingeführt<br />

und ist für alle obligatorisch, die ihre Weiterbildung<br />

erst nach dem 1. Juli 2015 abschliessen.<br />

Nach diesem Zeitpunkt können Titelgesuche<br />

nur noch über das E-Logbuch<br />

6


Zwischen 50 und 90% <strong>der</strong> Säuglinge weisen<br />

Symptome von Verdauungsproblemen auf *<br />

Die neue Ernährungsalternative:<br />

Aptamil Sensivia<br />

Bei leichten Verdauungsproblemen 2 :<br />

physiologischem Spucken<br />

Gasen<br />

Blähungen<br />

Symptomen von Koliken<br />

Rückgang <strong>der</strong> leichten Verdauungsprobleme mit Aptamil Sensivia<br />

0<br />

Frequenz (%)<br />

Intensität (Durchschnitt)<br />

Aptamil Sensivia<br />

-50<br />

Standardmilchnahrung<br />

-100<br />

-150<br />

-200<br />

p = 0.0565<br />

p = 0.0442*<br />

* signifikant besser (p


Standespolitik<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Einführung des E-Logbuchs sowie <strong>der</strong><br />

Arbeitsplatz-basierten Assessments (AbA’s)<br />

Aktuelle Informationen aus <strong>der</strong> Weiterbildungskommission<br />

<strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie (SGP)<br />

Um ein E-Loguch zu führen, muss in einem<br />

ersten Schritt auf <strong>der</strong> Homepage des SIWF ein<br />

Login für das E-Logbuch beantragt werden<br />

(https://idp.fmh.ch/Registrierungschritt1.<br />

aspx). Eine Mitgliedschaft bei <strong>der</strong> FMH ist<br />

dafür nicht notwendig.<br />

Prof. Ch. Rudin, Präsident <strong>der</strong> WBK <strong>der</strong> SGP<br />

Am ersten Januar 2012 ist das neue revidierte<br />

Weiterbildungsprogramm (WBP) <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie (SGP) in<br />

Kraft getreten. Im Zuge dieser Revision des<br />

WBP hat die Weiterbildungskommission<br />

(WBK) auch das Logbuch revidiert. Damals<br />

verlangte das Schweizerische Institut für<br />

Weiter- und Fortbildung (SIWF) ein Logbuch<br />

in einem interaktiven pdf-Format. Unmittelbar<br />

nach <strong>der</strong> Genehmigung dieses neuen Logbuchs<br />

durch den Vorstand <strong>der</strong> SGP und das<br />

SIWF wurde uns klar, dass dieses Format bereits<br />

zeitnah durch ein E-Logbuch-Format<br />

abgelöst werden würde, weshalb sich die WBK<br />

zusammen mit dem Vorstand <strong>der</strong> SGP entschieden<br />

hat, mit <strong>der</strong> Einführung des pdf-<br />

Logbuchs zuzuwarten und direkt auf das e-<br />

Logbuch umzustellen. Das SIWF hat uns bei<br />

<strong>der</strong> Umsetzung dieser Strategie sodann tatkräftig<br />

unterstützt. Nachdem in den letzten<br />

Monaten nun auch noch die letzten Bedenken<br />

des SGP-Vorstandes im Bereiche des Datenschutzes<br />

vom SIWF ausgeräumt werden konnten,<br />

stand <strong>der</strong> Einführung des neuen e-Logbuches<br />

nichts mehr im Wege.<br />

In <strong>der</strong> Zwischenzeit ist auch das WBP bereits<br />

noch einmal einer kleinen Revision unterzogen<br />

worden. Insbeson<strong>der</strong>e ging es dabei<br />

da rum, den neuen Schwerpunkt <strong>der</strong> Notfall-<br />

Pädiatrie zu integrieren, an<strong>der</strong>erseits wurden<br />

einige neue Anfor<strong>der</strong>ungen des SIWF integriert,<br />

unter an<strong>der</strong>em auch die obligatorische<br />

Durchführung <strong>der</strong> sogenannten Arbeitsplatzbasierten<br />

Assessments (AbA’s) im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Weiterbildung. Dabei handelt es sich um<br />

praktische Übungen im Spitalalltag, bei welchen<br />

<strong>der</strong> weiterzubildende Assistenzarzt von<br />

einem direkten Weiterbildner beobachtet wird<br />

und anschliessend von diesem ein konstruktives<br />

Feedback erhält.<br />

Am 31.5.2013 hat die WBK gemeinsam mit<br />

dem Sekretariat <strong>der</strong> SGP an <strong>der</strong> Universitäts-<br />

Kin<strong>der</strong>klinik des Inselspitals in Bern das E-<br />

Logbuch und die AbA’s vorgestellt und offiziell<br />

eingeführt. Dabei sind das E-Logbuch von Dr.<br />

B. Althaus und Frau N. Gonseth und die AbA’s<br />

unter an<strong>der</strong>em von Dr. J. Biaggi vom SIWF<br />

vorgestellt worden. Eingeladen waren Vertretungen<br />

sämtlicher pädiatrischer Weiterbildungsstätten<br />

sowie <strong>der</strong> AssistentInnen.<br />

Das E-Logbuch<br />

Wer seine Weiterbildung zur Erlangung des<br />

Facharzttitels in Kin<strong>der</strong>- und Jugendmedizin<br />

bis zum 30.6.2015 abschliesst, muss noch<br />

kein E-Logbuch führen. Wer allerdings den<br />

Facharzttitel erst nach dem 1.7.2015 abschliessen<br />

wird, muss obligatorisch ein E-Logbuch<br />

führen, weil ab 1.7.2015 Titelgesuche nur<br />

noch über das E-Logbuch eingereicht werden<br />

können. Wer bereits eine o<strong>der</strong> mehrere Weiterbildungsperioden<br />

absolviert hat und dafür<br />

bereits ein FMH-Zeugnis ausgestellt bekommen<br />

hat, muss für solche Perioden im E-<br />

Logbuch lediglich noch einen pro-forma-Eintrag<br />

machen.<br />

Das E-Logbuch bildet das aktuelle WBP <strong>der</strong><br />

SGP vom 1.1.12 ab und ist in drei Abschnitte<br />

gelie<strong>der</strong>t:<br />

• Anstellung<br />

• Interventionen/Kompetenzen<br />

• SIWF/FMH-Zeugnis<br />

• Übersicht<br />

Das Logbuch wird fortlaufend geführt. Die<br />

Abschnitte «Anstellung» und «Interventionen/<br />

Kompetenzen» dienen in erster Linie <strong>der</strong> übersichtlichen<br />

Selbstkontrolle und als Grundlage<br />

für die Planung <strong>der</strong> Weiterbildung. Es handelt<br />

sich dabei um persönliche Aufzeichnungen,<br />

die nicht ein- resp. weitergereicht werden<br />

müssen. Das «SIWF/FMH-Zeugnis» wird einmal<br />

pro Jahr erstellt, ausgedruckt und vom<br />

Leiter <strong>der</strong> Weiterbildungsstätte unterzeichnet.<br />

Die «Übersicht» schliesslich stellt eine Zusammenfassung<br />

<strong>der</strong> gesamten Weiterbildung dar<br />

und ist dasjenige Dokument, welches mit dem<br />

Titelgesuch eingereicht werden muss.<br />

In Zukunft wird das E-Logbuch den Kantonen<br />

als Grundlage dafür dienen, wie die einzelnen<br />

Weiterbildungsstätten für ihre Weiterbildungstätigkeit<br />

entschädigt werden. Dabei<br />

werden allerdings nicht Inhalte <strong>der</strong> individuellen<br />

E-Logbücher weitergegeben, son<strong>der</strong>n<br />

lediglich die Anzahl <strong>der</strong> an <strong>der</strong> jeweiligen Institution<br />

ein E-Logbuch führenden MitarbeiterInnen.<br />

Die Arbeitsplatz-basierten<br />

Assessments (AbA’s)<br />

Die AbA’s glie<strong>der</strong>n sich in sogenannte Mini-<br />

CEX (mini-clinical evaluation exercises) und<br />

DOPS (direct observation of procedural<br />

skills). Wie ihr Name sagt, liegt bei den Mini-<br />

CEX <strong>der</strong> Fokus auf kommunikativen Aspekten<br />

(Anamnese, Patientengespräche) und <strong>der</strong><br />

klinischen Untersuchung, bei den DOPS auf<br />

manuellen Fertigkeiten und Interventionen.<br />

Die einzelnen Übungen sollen jeweils 15–20<br />

Minuten dauern und vier Mal jährlich stattfinden.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> AbA’s wird <strong>der</strong> Assistenzarzt<br />

von einem direkten Weiterbildner bei <strong>der</strong><br />

Arbeit beobachtet, und anschliessend von<br />

diesem konstruktiv beurteilt. Dabei kann natürlich<br />

jeweils nur ein Teilaspekt <strong>der</strong> kommunikativen<br />

Fähigkeiten resp. eine Intervention<br />

überprüft werden. Um insbeson<strong>der</strong>e die Evaluation<br />

am Ende <strong>der</strong> Übung zu erleichtern und<br />

auch zu standardisieren, hat die WBK auf <strong>der</strong><br />

Grundlage von Vorlagen des Institutes für<br />

Medizinische Lehre (IML) <strong>der</strong> Universität Bern<br />

und des Royal Australasian College of Physicians<br />

einen Kriterienkatalog zur Beurteilung<br />

vorbereitet, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> SGP<br />

resp. des SIWF heruntergeladen werden kann.<br />

Dieses Dokument enthält auch eine (nicht<br />

abschliessend zu verstehende) Liste möglicher<br />

DOPS-Themen. Die Dokumentation erfolgt<br />

ebenfalls einheitlich mittels einem Beurteilungsbogen,<br />

<strong>der</strong> sich ebenfalls auf den<br />

erwähnten Homepages findet. Auf diesem<br />

Beurteilungsbogen sollen die positiven Aspekte<br />

und die Aspekte mit Optimierungspotential<br />

vom Weiterbildner zuhanden des Assistenten<br />

schriftlich festgehalten werden. Dieses Dokument<br />

ist persönlich und wird dem Assistenten<br />

ausgehändigt. Im E-Logbuch und im SIWF/<br />

FMH-Zeugnis wird lediglich das Datum <strong>der</strong><br />

8


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Standespolitik<br />

Durchführung, <strong>der</strong> Weiterbildner und <strong>der</strong> Inhalt<br />

des AbA’s dokumentiert. Im Herbst 2013<br />

werden von <strong>der</strong> SGP an verschiedenen grossen<br />

Kliniken <strong>der</strong> Schweiz Schulungen durch<br />

das IML organisiet werden.<br />

Mit <strong>der</strong> Einführungsveranstaltung in Bern<br />

(siehe oben) gelten E-Logbuch und AbA’s als<br />

in <strong>der</strong> SGP eingeführt und wir hoffen, dass die<br />

flächendeckende Umsetzung rasch erfolgen<br />

kann. Das E-Logbuch deckt die Inhalte des<br />

aktuellen WBP zweifelsfrei viel besser ab, als<br />

das in die Jahre gekommene alte Logbuch und<br />

bezüglich <strong>der</strong> AbA’s hoffen wir, optimale Voraussetzungen<br />

für eine engagierte und konstruktive<br />

Umsetzung dieser «neuen alten» Anfor<strong>der</strong>ung<br />

an die Weiterbildung geschaffen zu<br />

haben.<br />

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Standespolitik<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Tarmed Info<br />

Marco Belve<strong>der</strong>e, Tarifdelegierter <strong>der</strong> SGP, Zürich<br />

Auf allen Kanälen werden unterschiedliche<br />

Informationen zu den laufenden Prozessen zur<br />

Tarifüberarbeitung verbreitet. Selbst uns Mitarbeitenden<br />

fällt es immer wie<strong>der</strong> schwer den<br />

Überblick zu behalten. Schwerpunkt bei <strong>der</strong><br />

Revision Tarmed ist für uns Grundversorger<br />

eine adäquate Darstellung unserer Leistungen<br />

in einem eigenen Kapitel. Nach anfänglich<br />

wohlwollendem Kopfnicken zeigt sich nun<br />

immer deutlicher, dass harte Grabenkämpfe<br />

geführt werden, um die eigenen Interessen zu<br />

verteidigen. Zum Zeitpunkt des Erscheinens<br />

des Artikels wird schon weitgehend entschieden<br />

sein, ob eine Einigung auf ein gemeinsames<br />

Vorgehen möglich ist o<strong>der</strong> ob <strong>der</strong> Bund<br />

mit seiner subsidiären Kompetenz eingreifen<br />

wird. Auch dann ist aber nicht sicher, ob eine<br />

Lösung mit einem Grundversorgerkapitel realisierbar<br />

wird. Haupthin<strong>der</strong>ungsgrund ist <strong>der</strong><br />

primäre Spargedanke, welcher nur auf den<br />

Moment ausgerichtet ist und jede Art von<br />

Langzeitperspektive vermissen lässt. Eine<br />

starke Grundversorgung in den Praxen wird<br />

noch nicht genügend als Sparpotential wahrgenommen.<br />

Kommt es dort aber zu einer<br />

kontinuierlichen Schwächung, so wird dies zu<br />

einer Verschiebung in teurere Versorgungsstrukturen<br />

führen. Gleiche Überlegungen gelten<br />

auch für die Revision <strong>der</strong> Labortarife.<br />

Vorerst sind mal die Übergangszuschläge etwas<br />

angehoben und bis Ende 2013 verlängert<br />

worden, die Zielvorstellungen <strong>der</strong> Endpreise<br />

sind aber gerade für die Pädiatrie so realitätsfremd,<br />

das eine Präsenzdiagnostik bei akuten<br />

Infektionen nicht selbst tragend sein wird.<br />

Einmal mehr muss unser Idealismus und eine<br />

Querfinanzierung für das Wohl <strong>der</strong> kleinen<br />

Patienten herhalten. Wir werden uns aber<br />

nicht verführen lassen, zur besseren Amortisation<br />

<strong>der</strong> Apparate einfach unnötig viele Laboruntersuchungen<br />

zu machen. Eine gezielte<br />

Besserstellung unserer spezifischen Leistung<br />

ist immer noch Hauptaugenmerk all unserer<br />

Bemühungen. Dies mag vielleicht als eine<br />

sture Verhandlungsposition wahrgenommen<br />

werden. Letztlich ist es aber <strong>der</strong> einzige Weg,<br />

einen gut fundierten Ausgleich innerhalb des<br />

Tarifwerkes zu bekommen. Behelfsmässig<br />

konstruierte Übergangszuschläge zeigen nur<br />

zu deutlich, dass man nicht bereit ist, eine<br />

sachgerechte und ausgewogene Lösung für<br />

die Stärkung <strong>der</strong> Grundversorger in <strong>der</strong> Praxis<br />

mitzutragen.<br />

Wichtiges in Kürze<br />

Die neue Liste <strong>der</strong> Mittel und Gegenstände<br />

(MiGel), welche seit dem 01.07.2013 gültig ist,<br />

bestätigt die Leistungspflicht bei <strong>der</strong> Pertussisimpfung<br />

gemäss Schweizerischem Impfplan<br />

2013. Verordnungspapiere hinken auch<br />

hier wie<strong>der</strong>um deutlich <strong>der</strong> gängigen Praxis<br />

hinterher, ist doch <strong>der</strong> neue Impfplan bereits<br />

seit Januar in Anwendung.<br />

Neu wird eine Tarmedposition zur Masernimpfung<br />

vorbereitet, welche für die Pädiatrie aber<br />

eine verschwindend kleine Bedeutung haben<br />

wird, da die Masernimpfung im Schweizer<br />

Impfplan 2013 bis 16-jährig sowieso leistungspflichtig<br />

ist und die Kin<strong>der</strong> in aller Regel<br />

von einer Franchise befreit sind. Die Details<br />

<strong>der</strong> geplanten Position werden in <strong>der</strong> Ärztezeitung<br />

(SAEZ) publiziert werden, sobald eine<br />

Einigung erzielt worden ist.<br />

Eine durchaus erfreuliche Nachricht gibt es<br />

über die personelle Erweiterung in <strong>der</strong> Tarifkommission<br />

<strong>der</strong> Hausärzte zu berichten.<br />

Gleich 2 pädiatrische Vorstandsmitglie<strong>der</strong><br />

haben in <strong>der</strong> Tarifkommission Einsitz genommen<br />

und führen das Co-Präsidium. Es sind<br />

dies Heidi Zinggeler und Rolf Temperli.<br />

Damit wird auch weiterhin die pädiatrische<br />

Sicht in die Verhandlungen eingebracht, was<br />

dringend nötig ist, um unseren Anliegen zum<br />

Durchbruch zu verhelfen.<br />

Ich werde die Arbeit als Tarifdelegierter <strong>der</strong><br />

SGP per Juni 2014 an eine Nachfolgerin/einen<br />

Nachfolger übergeben. Bis dahin werde ich<br />

bemüht sein, den neuen Mitarbeitern mit Rat<br />

und Tat zur Seite zu stehen. Im Sinne eines<br />

Staffellaufes werden wir versuchen genügend<br />

Atem zu behalten, um die lange Strecke <strong>der</strong><br />

Tarifverhandlungen erfolgreich zu meistern.<br />

Es ist enorm wichtig, dass wir uns mit ganzem<br />

Herzen engagieren, sonst droht uns langfristig<br />

das Aus.<br />

Weitere Informationen finden sie auch in<br />

ausgesandten Unterlagen (z.B. SAEZ) und<br />

über folgende Adressen:<br />

www.tarmedsuisse.ch<br />

www.swiss-paediatrics.org<br />

www.hausaerzteschweiz.ch<br />

www.fmh.ch<br />

Korrespondenzadresse<br />

marco.belve<strong>der</strong>e@bluewin.ch<br />

10


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013 Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich<br />

Jahresbericht <strong>der</strong> Co-Präsidenten<br />

Geschäftsjahr 2012–2013<br />

Raoul Schmid, Bernd Erkert<br />

1. Vorstand, gewählt an <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

2012, für 2 Jahre<br />

• Raoul Schmid, Baar<br />

Co-Präsident (Praxis)<br />

• Bernd Erkert, Münsterlingen<br />

Co-Präsident (Klinik)<br />

• Johannes Greisser, Aarberg<br />

Kasse, Homepage<br />

• Thomas Baumann, Solothurn<br />

Gründungsmitglied, Beisitzer<br />

• Magdalena Hürlimann, Allschwil<br />

Beisitzerin<br />

Anlässlich <strong>der</strong> MV 2012 konnte das Amt des<br />

Co-Präsidenten wie<strong>der</strong> besetzt werden.<br />

Erstmals wird das Amt von einem Klinikvertreter<br />

bekleidet. Dies ist ein klares Bekenntnis<br />

in Richtung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>spitäler <strong>der</strong> Schweiz,<br />

denn die SVUPP vertritt als Sektion Pädiatrie<br />

<strong>der</strong> SGUM auch die Interessen <strong>der</strong> an Kliniken<br />

Tätigen!<br />

2. Mitglie<strong>der</strong><br />

Per Ende des Geschäftsjahres betrug <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong>bestand 291 ordentliche und 61<br />

ausserordentliche Mitglie<strong>der</strong>.<br />

3. Kurswesen<br />

Auch im abgelaufenen Jahr fand eine vollständige<br />

Kursreihe für Hüftsonographie statt, auf<br />

Grund <strong>der</strong> grossen Nachfrage zusätzlich ein<br />

Refresherkurs. Auch wenn es sich dabei um<br />

eine Pflichtübung im Rahmen des Rezertifizierungsproce<strong>der</strong>es<br />

handelt, verlaufen diese<br />

Refresherkurse immer sehr lebhaft und es<br />

entstehen interessante Diskussionen. Die po -<br />

sitiven Kursfeedbacks lassen darauf schliessen,<br />

dass für die Meisten eine Teilnahme nicht<br />

verlorene Zeit bedeutet. Die pädiatrische<br />

Sonographie wurde erneut in einem Kombikurs<br />

angeboten, daneben fanden wie<strong>der</strong> die<br />

beliebten themenspezifischen Halbtages-<br />

Workshops statt. Allen Organisatoren und<br />

Ausbildnern sei an dieser Stelle gedankt, ihre<br />

Leistungen verdienen grossen Respekt.<br />

4. Vernetzung <strong>der</strong> SVUPP<br />

Die Beziehungen zu <strong>der</strong> SGUM wurden weiter<br />

gepflegt. Die Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Hüftkommission<br />

und <strong>der</strong> Weiterbildungskommission<br />

mit direkter Einsitznahme von SVUPP-<br />

Vorstandsmitglie<strong>der</strong>n in beiden Gremien<br />

erfuhr ihre Fortsetzung. Mit <strong>der</strong> Hüftkommission<br />

konnte eine Finanzabgeltung für Tätigkeiten<br />

von SVUPP-Tutoren in <strong>der</strong>en Auftrag erzielt<br />

werden – mit positiver Auswirkung auf<br />

die Jahresrechnung.<br />

Die Liste <strong>der</strong> SVUPP-Tutoren wurde aktualisiert<br />

und kann auf <strong>der</strong> Homepage www.svupp.<br />

ch eingesehen werden.<br />

5. Finanzen<br />

Die Zahlen werden an <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

präsentiert und kommentiert. SVUPP<br />

strebte ein ausgeglichenes Budget an; auf<br />

Grund diverser Faktoren dürfte diese Vorgabe<br />

gar leicht übertroffen worden sein.<br />

6. Mongolei-Projekt<br />

Bis 2012 war die SMOPP (Swiss Mongolian<br />

Pediatric Project) logistisch dem Swiss Surgical<br />

Team angeschlossen. Dieses zieht sich<br />

von seinen Aktivitäten in <strong>der</strong> Mongolei zurück<br />

und setzt an<strong>der</strong>e Tätigkeitsschwerpunkte.<br />

Als Konsequenz wurde am 13.4.2013 <strong>der</strong><br />

unabhängige Verein SMOPP gegründet. Die<br />

begonnene Arbeit wird so mit unverän<strong>der</strong>tem<br />

Engagement und neuer Energie weitergeführt.<br />

Im Juli 2013 hat eine Delegation von<br />

5 Gründungsmitglie<strong>der</strong>n die Aufgabe in Angriff<br />

genommen, in den ländlichen Gebieten<br />

<strong>der</strong> Mongolei die Diagnostik und Therapie<br />

<strong>der</strong> DDH zu ermöglichen. Zudem soll die<br />

bereits durchgeführte Inzidenzstudie (kurz<br />

vor Publikation) durch weitere Untersuchungen<br />

untermauert und ergänzt werden. Die<br />

enge Zusammenarbeit zwischen SVUPP und<br />

SMOPP wird natürlich beibehalten. Die finanzielle<br />

und ideelle Unterstützung bleibt unser<br />

Rückgrat! Wir sind auf Ihre Spende o<strong>der</strong> Ihre<br />

Mitgliedschaft angewiesen!<br />

www.smopp.net<br />

Korrespondenzadresse<br />

Sekretariat/Kurswesen<br />

Schweizerische Vereinigung für Ultraschall<br />

in <strong>der</strong> Pädiatrie SVUPP<br />

Badenerstrasse 21<br />

8004 Zürich<br />

info@svupp.ch<br />

11


Empfehlungen<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Diagnose und Behandlung von<br />

Harnwegsinfektionen beim Kind<br />

Empfehlungen <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> Arbeitsgruppe für pädiatrische Nephrologie<br />

(SAPN) 1) , <strong>der</strong> Pädiatrischen Infektiologiegruppe Schweiz (PIGS, www.pigs.ch) 2)<br />

und <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Kin<strong>der</strong>urologie (SwissPU) 3)<br />

Zielsetzung<br />

Formulierung von Empfehlungen zur Diagnostik,<br />

Behandlung, Abklärung und Nachkontrolle<br />

von Harnwegsinfektionen bei Neugeborenen,<br />

Säuglingen, Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen bis<br />

16 Jahre. Die nachstehenden Empfehlungen<br />

sind nicht als absolut gültige Richtlinien zu<br />

verstehen. Individuelle Umstände, insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> klinische Zustand, können beim<br />

einzelnen Patienten Abweichungen vom vorgeschlagenen<br />

Proze<strong>der</strong>e rechtfertigen.<br />

Grundlagen<br />

Der Harntrakt ist bei Kin<strong>der</strong>n jeden Alters,<br />

insbeson<strong>der</strong>e aber bei Säuglingen und Kleinkin<strong>der</strong>n<br />

eine häufige Quelle von Infektionen.<br />

Die Harnwegsinfektionen sind bei Kin<strong>der</strong>n von<br />

beson<strong>der</strong>er Bedeutung, weil sie erstens für<br />

eine erhebliche Morbidität während <strong>der</strong> akuten<br />

Infektion verantwortlich sind, und zweitens<br />

weil sie langfristig Ursache für die Entwicklung<br />

einer arteriellen Hypertonie o<strong>der</strong> für<br />

einen Nierenfunktionsverlust sein können.<br />

Die Betreuung von Kin<strong>der</strong>n mit Harnwegsinfektionen,<br />

welche ärztliche Konsultationen,<br />

Diagnostik, Einsatz von Antibiotika und bildgebende<br />

Untersuchungen einschliesst, konnte<br />

seit den CH-Empfehlungen 2008 1), 2) auf<br />

Grund neuerer Daten und in Anlehnung an<br />

internationale Evidenz basierte Empfehlungen<br />

3), 4) vereinfacht werden. Dies betrifft insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Bildgebung und die Antibiotikaprophylaxe<br />

5)–10) . Die nachfolgenden<br />

Empfehlungen <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> Arbeitsgruppe<br />

für pädiatrische Nephrologie (SAPN)<br />

<strong>der</strong> Pädiatrischen Infektiologiegruppe Schweiz<br />

(PIGS) und <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Kin<strong>der</strong>urologie (SwissPU) basieren auf <strong>der</strong><br />

aktuell vorhandenen Evidenz für die Behandlung<br />

von Harnwegsinfektionen beim Kind.<br />

1) Christoph Rudin, Guido Laube, Eric Girardin<br />

2) Christoph Berger, Christoph Rudin, Anita Nie<strong>der</strong>er,<br />

Klara Posfay Barbe, Philipp Agyeman<br />

3) Rita Gobet<br />

Das optimale Vorgehen bei Kin<strong>der</strong>n mit<br />

Harnwegsinfektionen verfolgt zwei Ziele:<br />

1. Es ermöglicht die Erkennung, die Behandlung<br />

und die Abklärung <strong>der</strong>jenigen Kin<strong>der</strong>,<br />

die für die Komplikationen prädestinieren.<br />

Wichtig ist dabei die rechtzeitige Diagnose<br />

zugrunde liegen<strong>der</strong> urologischer/renaler<br />

Felhbildungen.<br />

2. Es führt zur Vermeidung unnötiger Therapien<br />

und Abklärungen bei Kin<strong>der</strong>n, die kein<br />

Risiko für Komplikationen o<strong>der</strong> Narbenbildung<br />

haben.<br />

Altersabhängigkeit<br />

Weil das Alter des Patienten für das Vorgehen<br />

entscheidend sein kann, wird bei den spezifischen<br />

Empfehlungen, wo relevant, auf altersspezifische<br />

Beson<strong>der</strong>heiten eingegangen.<br />

Empfehlung <strong>Nr</strong>. 1: Klinischer Verdacht<br />

auf eine Harnwegsinfektion:<br />

Eine Harnwegsinfektion muss bei jedem<br />

Säugling und Kind mit unklarem Fieber in<br />

Betracht gezogen werden.<br />

Die systematische Suche nach einer Harnwegsinfektion<br />

ist bei Neugeborenen, Säuglingen<br />

und Kleinkin<strong>der</strong>n unter 2 Jahren mit Fieber<br />

beson<strong>der</strong>s wichtig, weil bei ihnen die typischen<br />

klinischen Zeichen einer Pyelonephritis (siehe<br />

Empfehlung <strong>Nr</strong>. 2) fehlen können. Zudem kann<br />

sich eine Harnwegsinfektion beim Neugeborenen<br />

und Säugling auch durch ungenügendes<br />

Gedeihen, Irritabilität, Apathie, Trinkschwäche<br />

o<strong>der</strong> Schlafstörung ohne Fieber manifestieren.<br />

Beson<strong>der</strong>e Wachsamkeit zur Erkennung und<br />

Behandlung von Harnwegsinfektionen ist angezeigt,<br />

weil das erhöhte Risiko für die Entstehung<br />

von Nierenparenchymnarben bei wie<strong>der</strong>holten<br />

Harnwegsinfektionen durch zahlreiche<br />

klinische Studien und experimentelle Untersuchungen<br />

untermauert wird.<br />

Empfehlung <strong>Nr</strong>. 2: Unterscheidung<br />

zwischen Zystitis und Pyelonephritis:<br />

Für die adäquate Behandlung ist es entscheidend,<br />

zwischen einer Zystitis und<br />

einer Pyelonephritis zu unterscheiden; nur<br />

Pyelonephritiden führen zu Nierenparenchymnarben<br />

und Langzeitfolgen.<br />

Die klassischen Symptome einer Harnwegsinfektion<br />

sind Pollakisurie, Dysurie, Flankenschmerzen<br />

und Fieber. Flankenschmerzen<br />

und Fieber sind Zeichen für eine Pyelonephritis.<br />

Diese Zeichen können beim Kind < 2<br />

Jahre fehlen o<strong>der</strong> durch unspezifische Symptome<br />

wie in Empfehlung <strong>Nr</strong>. 1 beschrieben,<br />

ersetzt sein. Bei Kin<strong>der</strong>n < 2 Jahre muss im<br />

Zweifel vom Vorliegen einer Pyelonephritis<br />

ausgegangen werden. Zystitiden sind vor allem<br />

bei Mädchen nach dem zweiten Lebensjahr<br />

häufig. Die Diagnose einer Zystitis kann<br />

beim Kind > 2 Jahre erwogen werden, wenn<br />

z. B. Dysurie o<strong>der</strong> Pollakisurie, ein entsprechen<strong>der</strong><br />

Urinbefund (siehe Empfehlung <strong>Nr</strong>.<br />

4), aber kein Fieber und keine Flankenschmerzen<br />

vorhanden sind. Ein tiefes CRP<br />

(< 10 mg/l) macht eine Pyelonephritis unwahrscheinlich,<br />

schliesst sie aber nicht aus.<br />

Eine Nieren-Sonographie erlaubt we<strong>der</strong> den<br />

definitiven Nachweis noch den Ausschluss<br />

einer Pyelonephritis.<br />

Empfehlung <strong>Nr</strong>. 3: Methoden <strong>der</strong><br />

Urinsammlung:<br />

Beim Säugling und Kind sind <strong>der</strong> Einmal-<br />

Blasenkatheterismus und die Blasenpunktion<br />

die Methoden <strong>der</strong> ersten Wahl und<br />

gelten als «Gold-Standard» zur Diagnosestellung<br />

einer Harnwegsinfektion.<br />

Der Einmal-Blasenkatheterismus wird häufiger<br />

angewendet als die Blasenpunktion und<br />

ist als Gold-Standard akzeptiert. Die Gefahr,<br />

durch Katheterisierung <strong>der</strong> Blase eine Infektion<br />

zu verursachen, ist gering. Beim Knaben<br />

und Mädchen erfor<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Blasenkatheterismus<br />

die Erfahrung einer Fachperson. Die<br />

Technik <strong>der</strong> Blasenpunktion ist risikoarm,<br />

aber ihre Erfolgsrate zur Uringewinnung ist<br />

abhängig von <strong>der</strong> Erfahrung mit dieser Technik.<br />

Die Sammlung von Mittelstrahlurin kann<br />

bei kooperativen grösseren Kin<strong>der</strong>n und<br />

nach guter Anleitung als Alternative anstelle<br />

des Einmalkatheters zur Sammlung von Urin<br />

in Betracht gezogen werden. Auch bei Säuglingen<br />

(< 12 Monate) kann diese Technik<br />

alternativ angewendet werden, benötigt allerdings<br />

viel Geduld und Zeit und entsprechende<br />

Berücksichtung bei <strong>der</strong> Befundinterpretation.<br />

Mittelstrahlurin gilt<br />

wegen höherer Kontaminationsrate nicht als<br />

«Gold-Standard».<br />

Die Urinsammlung mittels Säckchen führt<br />

insbeson<strong>der</strong>e bei Säuglingen sehr häufig zu<br />

falsch positiven Urinbefunden. Säckchenurin<br />

12


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Empfehlungen<br />

soll nicht zum Anlegen einer Kultur verwendet<br />

werden. Falls ein Säckchen zur Urinsammlung<br />

verwendet wird, ist es unerlässlich, dieses nur<br />

für kurze Zeit (15–30 Minuten) anzukleben,<br />

unmittelbar nach Miktion zu entfernen und<br />

den Urin ohne Verzug zu analysieren (keine<br />

Kultur). Zeigt ein Säckchen-Urin verdächtige<br />

Be funde (Leukozyturie, Nitrit), soll zur endgültigen<br />

Diagnose und vor Beginn einer Antibiotikatherapie<br />

ein Katheter- o<strong>der</strong> Blasenpunktionsurin<br />

gesammelt und daraus eine<br />

Urinkultur angelegt werden.<br />

Therapie<br />

Empfehlung <strong>Nr</strong>. 4: Urinanalyse und<br />

Urinkultur:<br />

Die Diagnose einer Harnwegsinfektion<br />

erfo<strong>der</strong>t eine Urinanalyse und eine Urinkultur.<br />

Die Urinanalyse mittels Streifentests<br />

(Leukozyten-Esterase und Nitrit) wie<br />

auch die mikroskopische Urinuntersuchung<br />

sind nicht genügend sensitiv, um<br />

alleine die Diagnose einer Harnwegsinfektion<br />

zu bestätigen.<br />

Der Nitrit-Test und die Leukozyten-Esterase<br />

haben eine niedrige Sensitivität, insbeson<strong>der</strong>e<br />

bei den jüngsten Kin<strong>der</strong>n. Auf einen auffälligen<br />

Streifentest sollte wo möglich eine mikroskopische<br />

Untersuchung des Urins folgen.<br />

Allerdings haben Leukozyten-Esterase und<br />

standardisierte mikroskopische Quantifizierung<br />

<strong>der</strong> Leukozyten und/o<strong>der</strong> Bakterien im<br />

Urin trotz hohem negativen Voraussagewert<br />

eine nicht ausreichende Sensitivität. Die Untersuchung<br />

des Urinsediments im Kathetero<strong>der</strong><br />

Blasenpunktionsurin durch eine geübte<br />

Person hingegen gibt bei Identifikation von<br />

Leukozytenzylin<strong>der</strong>n ein positives Indiz für<br />

eine Harnwegsinfektion mit Beteiligung des<br />

Nierenparenchyms (Pyelonephritis). Die ungenügende<br />

Sensitivität und Spezifität <strong>der</strong><br />

Urinanalyse (Streifentest und Mikroskopie)<br />

zum Nachweis einer Harnwegsinfektion zeigen,<br />

dass sie die Urinkultur nicht ersetzen<br />

kann. Ein positiver Befund in <strong>der</strong> Urinanalyse<br />

erhärtet den Verdacht auf eine Harnwegsinfektion<br />

und berechtigt nach Abnahme<br />

einer Urinkultur bei entsprechen<strong>der</strong><br />

Klinik zum Beginn empirischen Antibiotika-<br />

Therapie.<br />

Empfehlung <strong>Nr</strong>. 5: Definition einer<br />

positiven Urinkultur:<br />

Im Urin, <strong>der</strong> mittels Blasenpunktion gewonnen<br />

wurde, ist jedes Wachstum von uropathogenen<br />

Bakterien in <strong>der</strong> Urinkultur unabhängig<br />

von <strong>der</strong> Keimzahl diagnostisch für das Vorliegen<br />

einer Harnwegsinfektion.<br />

Im Urin, <strong>der</strong> mittels Einmalkatheter gewonnen<br />

wurde, ist Wachstum eines einzelnen<br />

uropathogenen Keimes in einer Zahl<br />

Amoxicillin i. v.<br />

Gentamicin 1<br />

Amikacin 1<br />

Tobramycin 1<br />

Ceftriaxon 2<br />

Amoxicillin/Clavulansäure<br />

Ceftibuten 3<br />

Cefixim 4<br />

Cefpodoxim 4<br />

Cefuroxim 5<br />

Cotrimoxazol 5<br />

100–150 mg/kg/die i.v. in 3–4 Dosen<br />

Frühgeborene o<strong>der</strong> Neugeborene in 1. Lebenswoche: Dosierung je nach Gestationsalter,<br />

siehe Neonatologie-Empfehlungen; Neugeborene > 1. Lebenswoche und alle älteren Kin<strong>der</strong><br />

6–7,5 mg/kg/die in 1 Dosis<br />

15 mg/kg/die i.v. (o<strong>der</strong> i.m.) in 1 Dosis<br />

4–6 mg/kg/die i.v. (o<strong>der</strong> i.m.) in 1 Dosis<br />

50 mg/kg/die i.v. (o<strong>der</strong> i.m.) in 1 Dosis<br />

80 mg/kg/die p.o. in 2 –3 Dosen<br />

9 mg/kg/die p.o. in 1 Dosis (erste 2 Dosen im Abstand von 12 Stunden)<br />

8 mg/kg/die p.o. in 1 o<strong>der</strong> 2 Dosen<br />

8 mg/kg/die p.o. in 2 Dosen<br />

20–30 mg/kg/die p.o. in 2 Dosen<br />

36–60 mg/kg/die (6-10 mg TMP/kg/die) p.o. in 2 Dosen<br />

Prophylaxe<br />

Amoxicillin 6<br />

Trimethoprim 7<br />

Cotrimoxazol 2<br />

Nitrofurantoin 8<br />

10–20 mg/kg/die p.o. in 1 o<strong>der</strong> 2 Dosen<br />

2–3 mg/kg/die p.o. in 1 o<strong>der</strong> 2 Dosen<br />

9–12 mg/kg/die p.o. (1.5-2 mg TMP/kg/die) in 1 o<strong>der</strong> 2 Dosen<br />

1–2 mg/kg/die in 1 o<strong>der</strong> 2 Dosen<br />

Tabelle: Dosierungsempfehlungen für Antibiotika zur Therapie/Prophylaxe von Harnwegsinfektionen bei Kin<strong>der</strong>n<br />

1) Die Aminoglykoside können gleichwertig eingesetzt werden. Bei allen Aminoglykosiden altersabhängige Dosierungen<br />

für Früh- und Neugeborene beachten<br />

2) Kontraindiziert für Neugeborene < 1 Monat und/o<strong>der</strong> bei Hyperbilirubinämie<br />

3) Ab dem 6. Lebensmonat zugelassen (1 Dosis pro Tag; erste zwei Dosen im Abstand von 12 Stunden, danach Gabe alle <strong>24</strong> Std.)<br />

4) Cefixim (1 Dosis pro Tag) und Cefpodoxim (2 Dosen pro Tag) sind ab dem 2. Lebensmonat zugelassen<br />

5) Dosierung zur Therapie bei Zystitis, nicht 1. Wahl für Pyelonephritis<br />

6) Prophylaxe ausschliesslich im Neugeborenenalter (< 4 Wochen)<br />

7) Kann von je<strong>der</strong> Apotheke besorgt werden (ein Antrag an Swissmedic ist nicht erfor<strong>der</strong>lich):<br />

Infectotrimet® Suspension 50 o<strong>der</strong> 100 (50 o<strong>der</strong> 100 mg/5 ml)<br />

8) Nitrofurantoin = 2. Wahl (unerwünschte Wirkungen), siehe Text<br />

13


Empfehlungen<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

von > 10’000 CFU/ml Urin diagnostisch für<br />

eine Harnwegsinfektion, im Mittelstrahlurin<br />

eine Keimzahl > 100’000 CFU/ml Urin.<br />

Bei jungen Kin<strong>der</strong>n mit häufiger Blasenentleerung<br />

kann bereits eine Urinkultur aus Katheterurin<br />

mit 1’000–10’000 CFU/ml Ausdruck<br />

einer Harnwegsinfektion sein. Diese Beson<strong>der</strong>heit<br />

soll zusammen mit <strong>der</strong> klinischen<br />

Präsentation und den an<strong>der</strong>n Laborbefunden<br />

bei <strong>der</strong> Beurteilung berücksichtigt werden.<br />

Generell weist <strong>der</strong> Nachweis von > 2 verschiedenen<br />

Keimen in <strong>der</strong> Urinkultur auf eine<br />

Kontamination hin. Beson<strong>der</strong>s bei Säuglingen<br />

ist jedoch eine signifikante Bakteriurie mit<br />

Wachstum von zwei Keimen möglich, insbeson<strong>der</strong>e<br />

das gleichzeitige Wachstum von<br />

Escherichia coli und Enterokokken.<br />

Empfehlung <strong>Nr</strong>. 6: Antibiotika –<br />

Therapie <strong>der</strong> Harnwegsinfektionen<br />

abgestuft nach Alter (Antibiotika-<br />

Dosierungen siehe Tabelle):<br />

Alter ≤ 2 Lebensmonate, alle Harnwegsinfektionen<br />

(+/- Fieber)<br />

• Immer intravenöse Therapie, Therapiebeginn<br />

erst nach Abnahme von Blutkulturen<br />

• Empirischer Beginn mit einer Antibiotika-<br />

Kombinationstherapie mit Amoxicillin und<br />

Aminoglykosid. Nach Erhalt des Antibiogramms<br />

ist bei gutem Ansprechen eine<br />

gezielte Monotherapie möglich. (Im 2.<br />

Lebensmonat kann Ceftriaxon optional<br />

Aminoglykoside und nach Ausschluss von<br />

Infektionen mit Enterokokken auch Amoxicillin<br />

ersetzen; Kontraindikation für Ceftriaxon:<br />

Hyperbilirubinämie)<br />

• Therapiedauer: 10–14 Tage i. v., bei positiver<br />

Blutkultur mindestens 14 Tage<br />

Alter > 2 aber < 6 Lebensmonate, alle Harnwegsinfektionen<br />

(+/- Fieber)<br />

• Therapiebeginn parenteral mit Ceftriaxon,<br />

Abnahme von Blutkulturen vor Therapiebeginn<br />

• Bei gutem Ansprechen, negativen Blutkulturen<br />

und erst nach Erhalt <strong>der</strong> Urinkulturen<br />

und des Antibiogramms ist ein Wechsel auf<br />

eine orale Therapie mit Cephalosporinen<br />

<strong>der</strong> dritten Generation (siehe Tabelle) bzw.<br />

gemäss Antibiogramm möglich.<br />

• Keine Umstellung auf perorale Therapie bei<br />

fehlendem/fraglichem Therapieansprechen,<br />

Erbrechen, unsicherer Einnahme <strong>der</strong><br />

oralen Therapie, gemäss Antibiogramm<br />

nicht verfügbarer oraler Therapie, urologischen<br />

Fehlbildungen, neurogener Blase<br />

o<strong>der</strong> Fremdmaterial (Rücksprache mit Kin<strong>der</strong>-Nephrologen/Kin<strong>der</strong>-Urologen)<br />

• Therapiedauer (inklusiv 1–3 Tage i. v./i. m.<br />

Behandlung): 10–14 Tage<br />

Alter > 6 Lebensmonate: Febrile Harnwegsinfektion<br />

(Pyelonephritis):<br />

• Rein perorale Therapie mit Cephalosporinen<br />

<strong>der</strong> dritten Generation, unter folgenden<br />

Voraussetzungen:<br />

• Es liegt kein septisches Zustandsbild vor,<br />

kein Erbrechen, es kann von einer zuverlässigen<br />

oralen Medikamenten-Einnahme<br />

ausgegangen werden, es bestehen keine<br />

urologischen Fehlbildungen, keine neurogene<br />

Blase und es ist kein Fremdmaterial<br />

vorhanden (Rücksprache mit Kin<strong>der</strong>-<br />

Nephrologen/Kin<strong>der</strong>-Urologen)<br />

• Es findet eine klinische Kontrolle und Re-<br />

Evaluation am Tag 3 (vgl. Empfehlung <strong>Nr</strong>.<br />

7) statt: Kontrolle des Therapieansprechens,<br />

Bestätigung <strong>der</strong> Diagnose und<br />

allenfalls Anpassung <strong>der</strong> Therapie nach<br />

Erhalt <strong>der</strong> Urinkulturen und des Antibiogramms<br />

• Therapiedauer 10–14 Tage<br />

Alter > 6 Lebensmonate: Afebrile<br />

Harnwegsinfektion (Zystitis)<br />

• Therapiewahl unter Berücksichtigung <strong>der</strong><br />

lokalen Resistenzlage und den Grundregeln<br />

zur Prävention <strong>der</strong> Resistenzentwicklung:<br />

a. Cotrimoxazol<br />

b. Amoxicillin/Clavulansäure<br />

c. Cephalosporine <strong>der</strong> zweiten Generation,<br />

z. B. Cefuroxim<br />

d. Cephalosporine <strong>der</strong> dritten Generation<br />

• Therapiedauer 3–5 Tage; die Behandlung<br />

mit einer Einmaldosis wird beim Kind nicht<br />

empfohlen.<br />

Empfehlung <strong>Nr</strong>. 7: Kontrollen während<br />

<strong>der</strong> akuten Phase <strong>der</strong> Infektion:<br />

Am 3. Tag nach Diagnosestellung und Beginn<br />

<strong>der</strong> empirischen Antibiotikatherapie<br />

erfolgt eine klinische Kontrolle (im Spital<br />

o<strong>der</strong> beim Kin<strong>der</strong>arzt) zur Überprüfung<br />

des Therapieansprechens sowie zur Bestätigung<br />

<strong>der</strong> Diagnose, und allenfalls Anpassung<br />

<strong>der</strong> Therapie nach Erhalt <strong>der</strong> Urinkulturen<br />

und des Antibiogramms. Bei<br />

negativer Urinkultur soll die empirische<br />

Therapie beendet und die Diagnose überprüft<br />

werden.<br />

• Eine erneute Urinuntersuchung am Tag 3 ist<br />

nur notwendig, wenn das Kind noch nicht<br />

afebril ist.<br />

• Ein Abdomenultraschall am Tag 3 (siehe<br />

Empfehlung <strong>Nr</strong>. 8) nur bei fehlendem Ansprechen<br />

auf die Therapie, persistierendem<br />

Fieber, erhöhtem Kreatinin o<strong>der</strong> bekannter<br />

urologischer Fehlbildung<br />

Empfehlung <strong>Nr</strong>. 8: Bildgebende Untersuchungen<br />

bei erster Pyelonephritis:<br />

Ultraschall: Bei allen Kin<strong>der</strong>n soll einige<br />

Tage nach Therapiebeginn bis 4 Wochen<br />

nach <strong>der</strong> ersten Pyelonephirtis ein Ultraschall<br />

<strong>der</strong> Nieren und ableitenden Harnwege<br />

durchgeführt werden.<br />

Eine Miktions-Cysto-Urethrographie (MCUG)<br />

soll 1–6 Wochen nach Therapiebeginn einer<br />

Harnwegsinfektion nur bei folgenden Kin<strong>der</strong>n<br />

durchgeführt werden:<br />

• Febrile Harnwegsinfektion im Alter < 3<br />

Monate<br />

• Rezidivierende febrile Harnwegsinfektion<br />

(> 1 febrile Harnwegsinfektion)<br />

• Auffälliger Ultraschall <strong>der</strong> Nieren und ableitenden<br />

Harnwege<br />

• Familienanamnese mit Fehlbildungen <strong>der</strong><br />

ableitenden Harnwege, inklusive vesikoureteraler<br />

Reflux (VUR)<br />

Eine Ultraschalluntersuchung <strong>der</strong> Nieren<br />

und ableitenden Harnwege in <strong>der</strong> Akutphase<br />

<strong>der</strong> Pyelonephritis kann we<strong>der</strong> eine Harnwegsinfektion<br />

noch das Vorliegen eines VUR<br />

bestätigen o<strong>der</strong> ausschliessen, noch hat sie<br />

Einfluss auf das Management des Kindes mit<br />

febriler Harnwegsinfektion. Sie kann zur<br />

Erkennung von Fehlbildungen mit Prädisposition<br />

für weitere Harnwegsinfektionen dienen.<br />

Bei auffälligen Befunden im Ultraschall<br />

(z. B. Hydronephrose) sind weitere Abklärungen<br />

wie z. B. ein MCUG zu planen. Ziel des<br />

MCUG ist <strong>der</strong> Ausschluss o<strong>der</strong> Nachweis<br />

eines VUR sowie an<strong>der</strong>er (infra-)vesikaler<br />

Fehlbildungen (wie z. B. posteriore Urethralklappen<br />

beim Knaben). Weitere Untersuchungen<br />

auffälliger Befunde in Ultraschall o<strong>der</strong><br />

MCUG erfolgen gemäss individueller Empfehlung<br />

<strong>der</strong> Nephrologen/Urologen.<br />

Eine DMSA-Szintigraphie stellt den «Gold-<br />

Standard» dar für die Identifikation akuter<br />

pyelonephritischer Läsionen und Narben, wird<br />

aber in <strong>der</strong> Routinediagnostik <strong>der</strong> Pyelonephritis<br />

nicht verwendet. Ihre Indikation soll in Absprache<br />

mit den Nephrologen gestellt werden.<br />

Empfehlung <strong>Nr</strong>. 9: Indikation einer<br />

antibiotischen Dauerprophylaxe:<br />

Die prophylaktische Verabreichung von<br />

Antibiotika (vgl. Empfehlung <strong>Nr</strong>. 6) zur<br />

Reinfektionsprophylaxe wird abgesehen<br />

von folgenden Spezialsituationen generell<br />

nicht empfohlen.<br />

14


Sandoz-Generika in Originalqualität<br />

In unserer breiten<br />

Antibiotika-Palette steckt<br />

die ganze Erfahrung<br />

des grössten<br />

Antibiotika-Herstellers<br />

<strong>der</strong> westlichen Welt.<br />

Seit mehr als 60 Jahren stellen wir Antibiotika her, zunächst als Originalhersteller, später<br />

auch als Generikaproduzent. Die eigentliche Erfolgsstory begann, als unsere damaligen<br />

Wissenschaftler 1951 das säurestabile Penicillin entdeckten. Seither haben wir den<br />

Bereich Antibiotika ständig weiterentwickelt. Dabei setzten wir uns immer höhere Qualitätsstandards.<br />

Nicht von ungefähr sind wir heute <strong>der</strong> grösste Hersteller von Antibiotika und<br />

zugleich <strong>der</strong> einzige bedeutende Produzent von Penicillin in <strong>der</strong> westlichen Welt. Wenn<br />

das nicht viele gute Gründe sind, Generika von Sandoz vollstes Vertrauen zu schenken.<br />

Wer einmal Originalmedikamente hergestellt hat, kann erst recht Generika in Originalqualität<br />

produzieren. www.generika.ch<br />

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1006751


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Eine Antibotika-Dauerprophylaxe ist ausschliesslich<br />

indiziert für:<br />

• Kin<strong>der</strong> im Alter < 3 Monate nach febriler<br />

Harnwegsinfektion bis zum MCUG<br />

• Kin<strong>der</strong> nach febriler Harnwegsinfektion mit<br />

auffälligem Befund im Ultraschall <strong>der</strong> Nieren<br />

und ableitenden Harnwege bis zum<br />

MCUG<br />

• Kin<strong>der</strong> mit VUR Grad III–V<br />

• Kin<strong>der</strong> mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen<br />

bei Blasendysfunktion o<strong>der</strong> bei neurogener<br />

Blase<br />

• Kin<strong>der</strong> mit komplexen urologischen Fehlbildungen<br />

gemäss Absprache zwischen Nephrologen,<br />

Infektiologen und Urologen und<br />

auf <strong>der</strong>en zeitlich begrenzte Verordnung<br />

Für die Dauer <strong>der</strong> antibiotischen Prophylaxe<br />

für die oben genannten Kin<strong>der</strong> gibt es keine<br />

standardisierte Empfehlung. Die Prophylaxe<br />

soll mindestens jährlich zusammen mit den<br />

Nephrologen reevaluiert werden. Sie kann in<br />

vielen Fällen nach 1–2 Jahren beendet werden.<br />

Ein erneutes, zweites MCUG soll nur in<br />

Ausnahmefällen und in Absprache mit dem<br />

Nephrologen durchgeführt werden. Bei Durchbruchsinfektionen<br />

(ohne weitere urologische<br />

Erkrankungen), schwieriger Compliance kann<br />

eine zystoskopische Injektionstherapie anstelle<br />

einer antibiotischen Dauerprophylaxe in<br />

Betracht gezogen werden 11) .<br />

Antibiotika-Prophylaxe<br />

Um Resistenzenentwicklungen vorzubeugen,<br />

sollten grundsätzlich keine Beta-Laktam-Antibiotika<br />

(ausser Amoxicillin bei Neugeborenen)<br />

und kein Ciprofloxacin eingesetzt werden.<br />

Neugeborene<br />

• Amoxicillin<br />

• Trimethoprim<br />

> 1. Lebensmonat<br />

• Cotrimoxazol<br />

(Trimethoprim-Sulfamethoxazol)<br />

• Trimethoprim<br />

• 2. Wahl: Nitrofurantoin (Nitrofurantoin soll<br />

aufgrund möglicher pulmonaler unerwünschter<br />

Wirkungen 12) nur in Spezialfällen<br />

nach Nutzen-Risiko-Abwägung verabreicht<br />

werden, z. B. nach Durchbruchsinfektionen<br />

unter Prophylaxe mit Cotrimoxazol)<br />

Empfehlung <strong>Nr</strong>. 10: Urin-Untersuchung<br />

bei erneutem Status febrilis bzw.<br />

Verdacht auf Harnwegsinfektion:<br />

Erneute Harnwegsinfektionen sollen bei Kin<strong>der</strong>n<br />

mit Status nach Harnwegsinfektion<br />

rasch erkannt und behandelt werden. Bei<br />

Fieber o<strong>der</strong> klinischen Zeichen einer Harnwegsinfektion<br />

sollen umgehend eine Urinanalyse<br />

und eine Urinkultur durchgeführt werden.<br />

Dies gilt ebenso für Kin<strong>der</strong> mit einem bekannten<br />

VUR, bei welchen bei jedem Fieber ohne<br />

Fokus eine Urinuntersuchung mit Urinkulturen<br />

empfohlen wird.<br />

Empfehlung <strong>Nr</strong>. 11: Abklärung<br />

von Miktionsproblemen während<br />

des Tages (Inkontinenz):<br />

Spezielle Aufmerksamkeit muss Miktionsproblemen<br />

geschenkt werden, die tagsüber auftreten<br />

und nach einer Infektion persistieren.<br />

Eine Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination<br />

kann <strong>der</strong> Entstehung rezidivieren<strong>der</strong> Harnwegsinfektionen<br />

Vorschub leisten und zu einem<br />

sekundären vesiko-ureteralen Reflux<br />

führen. Bei diesen Patienten hat die Behandlung<br />

<strong>der</strong> Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination<br />

höchste Priorität, um wie<strong>der</strong>holte Infektionen<br />

zu verhin<strong>der</strong>n. Im Beson<strong>der</strong>en ist bei solchen<br />

Kin<strong>der</strong>n auch auf das Vorliegen i) einer chronischen<br />

Obstipation, ii) eines Miktionsaufschubes<br />

und iii) einer ungenügenden Trinkmenge<br />

zu achten – diesen Faktoren kommt in<br />

Bezug auf Miktionsprobleme eine grosse pathogenetische<br />

Bedeutung zu.<br />

Empfehlung <strong>Nr</strong>. 12: Wann soll die<br />

Operation eines höhergradigen VUR<br />

in Betracht gezogen werden?<br />

Die zystoskopische Injektionstherapie o<strong>der</strong><br />

Operation eines VUR soll mit den Kin<strong>der</strong>urologen<br />

diskutiert werden, wenn die Durchführung<br />

einer antibiotischen Dauerprophylaxe<br />

ungenügend o<strong>der</strong> zweifelhaft ist (Compliance),<br />

o<strong>der</strong> wenn trotz Prophylaxe weitere<br />

Harnwegsinfektionen mit Bildung von Nierenparenchymnarben<br />

auftreten. Liegen keine<br />

weiteren urologische Fehlbildungen vor, sind<br />

zystoskopische Injektionstherapie und Neuimplantation<br />

des Ureters mögliche Therapieoptionen.<br />

Im Falle von assoziierten urologischen/renalen<br />

Fehlbildungen wird die<br />

Indikation im Einzelfall diskutiert und beurteilt.<br />

Referenzen<br />

1. Schweizerische Arbeitsgruppen für pädiatrische Nephrologie<br />

und pädiatrische Infektiologie. Behandlung<br />

<strong>der</strong> Harnwegsinfektionen beim Kind. Paediatrica<br />

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2010; 21: 12–13.<br />

12. Agence française de sécurité sanitaire des produits<br />

de santé. Restriction d’utilisation de la nitrofurantoïne<br />

en raison d’un risque de survenue d’effets indésirables<br />

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http://ansm.sante.fr/S-informer/Informations-desecurite-Lettres-aux-professionnels-de-sante/<br />

Nitrofurantoine-Restriction-d-utilisation-en-raison-dun-risque-de-survenue-d-effets-indesirables-graveshepatiques-et-pulmonaires-Lettre-aux-professionnels-de-sante.<br />

Korrespondenzadresse<br />

Prof. Dr. med. Christoph Berger<br />

Co-Leiter Abteilung Infektiologie und<br />

Spitalhygiene<br />

Universitäts-Kin<strong>der</strong>kliniken<br />

Steinwiesstrasse 75<br />

8032 Zürich<br />

christoph.berger@kispi.uzh.ch<br />

16


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Empfehlungen<br />

Empfehlungen zur Behandlung von<br />

Pertussis und Strategien zur Verhin<strong>der</strong>ung<br />

von Ausbrüchen<br />

Klara M. Posfay-Barbe 1) 2), 3)<br />

und Ulrich Heininger<br />

Behandlung des Keuchhustens<br />

1) Maladies infectieuses pédiatriques,<br />

Département de l’Enfant et de l’Adolescent,<br />

Hôpitaux Universitaires de Genève et Université<br />

de Genève<br />

2) Universitäts-Kin<strong>der</strong>spital bei<strong>der</strong> Basel<br />

3) Universität Basel<br />

Antibiotische Behandlung<br />

Die Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Behandlung eines<br />

Keuchhustens kommen daher, dass Antibiotika<br />

nur während des oft symptomarmen<br />

katarrhalen Stadiums wirksam sind. Treten<br />

erst die typischen Hustenanfälle auf, beeinflusst<br />

die antibiotische Behandlung die<br />

Krankheit selbst kaum mehr. Sie wird aber<br />

dennoch empfohlen, um die Übertragungswahrscheinlichkeit<br />

<strong>der</strong> Bakterien auf gefährdete<br />

Personen zu reduzieren und Keuchhustenausbrüche<br />

einzugrenzen 1) . Im Stadium<br />

decrementi wird die antibiotische Behandlung<br />

nicht mehr empfohlen, auch wenn <strong>der</strong><br />

Patient noch hustet. Ohne antibiotische Behandlung<br />

wird die Dauer <strong>der</strong> Kontagiosität auf<br />

21 Tage ab Hustenbeginn geschätzt, ausser<br />

beim Säugling, wo sie länger dauern kann.<br />

Durch die antibiotische Behandlung kann die<br />

Ansteckungsgefahr auf 5 Tage ab Behandlungsbeginn<br />

reduziert werden 2) . Es kann gelegentlich<br />

unter speziellen Umständen (später,<br />

möglicher Kontakt mit einer gefährdeten<br />

Person o<strong>der</strong> im Spital) notwendig sein, am<br />

Ende <strong>der</strong> antibiotischen Behandlung die Eliminierung<br />

<strong>der</strong> Bakterien aus dem Nasenrachensekret<br />

mittels negativer PCR zu belegen.<br />

Die antibiotische Behandlung wird in <strong>der</strong> Tabelle<br />

zusammengefasst. Zu beachten ist, dass<br />

Clarithromycin in <strong>der</strong> Schweiz gemäss Swissmedic<br />

ab dem Alter von 6 Monaten zugelassen<br />

ist; das Bundesamt für Gesundheit (BAG)<br />

empfiehlt es jedoch im Zusammenhang mit<br />

Keuchhusten ab 1 Monat. Die Behandlungsdauer<br />

wurde ausführlich untersucht und in<br />

einer Metaanalyse durchgesehen 3) . Aktuelle<br />

Empfehlungen ziehen Kurzbehandlungen mit<br />

Azithromyzin während 5 Tagen vor, um Complianceprobleme<br />

und Nebenwirkungen möglichst<br />

gering zu halten. Es werden noch kürzer<br />

dauernde Behandlungen mit Azithromyzin<br />

während 3 Tagen angewandt, jedoch ist die<br />

<strong>der</strong>zeit verfügbare Evidenz zur Wirksamkeit<br />

ungenügend, um diesen verkürzten Behandlungsmodus<br />

in offizielle Empfehlungen aufzunehmen<br />

4) .<br />

Zu beachten ist, dass in den letzten Jahren<br />

immer wie<strong>der</strong> Makrolid-resistente B. pertussis<br />

beschrieben wurden. Ein epidemiologisches<br />

und bakteriologisches Monitoring wird<br />

in den nächsten Jahren deshalb wichtig sein 5) .<br />

Antibiotische Chemoprophylaxe<br />

Die Chemoprophylaxe entspricht betreffend<br />

Antibiotikawahl und Applikationsdauer <strong>der</strong><br />

antibiotischen Behandlung (Tab.). Sie wird für<br />

bestimmte asymptomatische Personen empfohlen,<br />

die engen Kontakt mit einem Keuchhustenpatienten<br />

haben. Die Indikation hängt<br />

von Alter und Impfstatus ab 6) . Fand <strong>der</strong> Kontakt<br />

mit einer Person mit Pertussissymptomen<br />

vor weniger als 21 Tagen statt, erhalten<br />

Säuglinge < 6 Monaten und Personen, die<br />

Kontakt zu einem Säugling < 6 Monaten haben,<br />

sowie Schwangere im 3. Trimenon eine<br />

Chemoprophylaxe – jeweils unabhängig von<br />

Alter und Impfstatus. Die Betroffenen sollten<br />

zudem bei Infektionszeichen im Verlaufe eines<br />

Monats nach dem Kontakt den Arzt aufsuchen.<br />

Die Chemoprophylaxe kann auch für<br />

exponierte Kin<strong>der</strong> älter als 6 Monate erwogen<br />

werden, wenn sie unvollständig geimpft sind.<br />

Für nichtimmune Beschäftigte im Gesundheitswesen<br />

und an<strong>der</strong>e Betreuer, welche<br />

Kontakt mit Risikopersonen haben (Säuglinge<br />

< 6 Monate und Schwangere im 3. Trimenon),<br />

ist eine postexpositionelle Chemoprophylaxe<br />

ebenfalls sinnvoll.<br />

Es ist zu beachten, dass aus <strong>der</strong> Höhe des<br />

Antikörperspiegels im Blut nicht auf Schutz<br />

vor Pertussis geschlossen werden kann. Eine<br />

Pertussis-Antikörperbestimmung bei exponierten<br />

Personen ist deshalb nicht zielführend!<br />

Es kann sinnvoll sein, die Keuchhustenexposition<br />

für eine allfällige Nachholimpfung gegen<br />

Pertussis zu nutzen, wenn auch die postexpositionelle<br />

Impfung den Ausbruch <strong>der</strong> Krankheit<br />

nicht sicher verhin<strong>der</strong>n kann.<br />

Die Pertussisimpfung kann beim exponierten<br />

Säugling in kürzeren Abständen, mit einstatt<br />

zweimonatigem Intervall zwischen den<br />

ersten drei Dosen, durchgeführt werden.<br />

Jugendliche und Erwachsene erhalten ihre<br />

Nachimpfung gemäss den neuen schweizerischen<br />

Empfehlungen 7) . Erwachsene, die vor<br />

< 10 Jahren geimpft wurden (o<strong>der</strong> in den<br />

Medikament Alter Dosierung Max.<br />

Dosierung<br />

Nebenwirkungen<br />

Behandlungsdauer<br />

Kontraindikationen<br />

Azithromycin Ab Geburt 10 mg/kg/d<br />

in 1 Dosis<br />

Clarithromycin Ab 1. Lebensmonat 20 mg/kg/d<br />

in 2 Dosen<br />

500 mg/d 5 Tage Allergische Reaktion,<br />

Lebertoxizität<br />

1g/d 7 Tage Allergische Reaktion,<br />

Lebertoxizität<br />

Makrolidallergie<br />

< 1 Lebensmonat;<br />

Makrolidallergie<br />

Zweite Wahl<br />

Trimethoprim-<br />

Sulfamethoxazol<br />

Ab 2. Lebensmonat<br />

8 mg/kg/d<br />

(TMP) in<br />

2 Dosen<br />

Tabelle: Behandlung und antibiotische Prophylaxe des Keuchhustens<br />

340 mg/d<br />

(TMP)<br />

14 Tage Hautausschläge;<br />

beim Neugeborenen<br />

Kernikterus<br />

< 2 Lebensmonate,<br />

Schwangerschaft,<br />

Stillen, Allergie auf<br />

eine Komponente<br />

17


Empfehlungen<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

letzten 10 Jahren einen mikrobiologisch gesicherten<br />

Keuchhusten durchmachten), werden<br />

als immun betrachtet und benötigen<br />

deshalb keine Chemoprophylaxe, ausser in<br />

speziellen Fällen, z. B. einem aussergewöhnlichen<br />

Pertussisausbruch 8) . Die Dauer des<br />

Impfschutzes ist nicht genau bekannt und<br />

individuell variabel, jedoch wurde eindeutig<br />

ein mit <strong>der</strong> Zeit nachlassen<strong>der</strong> Impfschutz<br />

festgestellt, weshalb weitere Auffrischimpfungen<br />

eingeführt wurden. So wurde kürzlich<br />

nachgewiesen, dass das relative Risiko, 6<br />

Jahre nach <strong>der</strong> 5. Pertussisimpfung fast<br />

neunmal grösser ist (95% Konfidenzintervall<br />

6–13) als im 1. Jahr 9) .<br />

Ergänzende Behandlungen<br />

des Keuchhustens<br />

Zusätzliche Behandlungen werden manchmal<br />

bei Keuchhusten erwogen, um die Symptome<br />

des konvulsiven Stadiums, insbeson<strong>der</strong>e den<br />

hartnäckigen Husten zu lin<strong>der</strong>n. Es handelt<br />

sich dabei um Kortikosteroide, Beta-2-mimetika,<br />

Antihistaminika o<strong>der</strong> Antagonisten des<br />

Leukotrienrezeptors. Eine Metaanalyse hat<br />

2012 diese symptomatischen Therapien anhand<br />

einem Dutzend zwischen 1950 und 2012<br />

durchgeführter Studien evaluiert 10) . Keines<br />

dieser Medikamente vermin<strong>der</strong>t den Husten<br />

o<strong>der</strong> verkürzt den Spitalaufenthalt. Ihre Anwendung<br />

wird deshalb zurzeit nicht empfohlen.<br />

Wie können Pertussis-Ausbrüche<br />

verhin<strong>der</strong>t bzw. bekämpft werden?<br />

Eine Arbeitsgruppe von Experten unterschiedlicher<br />

Fachrichtungen (unter Beteiligung <strong>der</strong><br />

Autoren dieses Beitrags) und Mitarbeiterinnen<br />

des Bundesamtes für Gesundheit (BAG)<br />

hat kürzlich Empfehlungen zum Schutz von<br />

Personen mit erhöhtem Komplikationsrisiko<br />

für Pertussis und zur Verhin<strong>der</strong>ung von nosokomialen<br />

Pertussis-Ausbrüchen erarbeitet<br />

und publiziert 6) . Diese Empfehlungen beziehen<br />

sich explizit auf die Hochrisikogruppe <strong>der</strong><br />

Säuglinge im Alter von < 6 Monaten «in Gesundheits-<br />

und Kin<strong>der</strong>betreuungseinrichtungen<br />

(Spitäler, Arztpraxen, Krippen, Tagesstätten,<br />

Tagesfamilien usw.)» und auf die Ver -<br />

hin<strong>der</strong>ung bzw. Bekämpfung von Ausbrüchen<br />

in Gesundheitseinrichtungen. Viele Pädiater<br />

fragen sich, inwieweit diese Empfehlungen<br />

auch in an<strong>der</strong>en Bereichen ihrer Zuständigkeit<br />

(z. B. Arztpraxis, Kin<strong>der</strong>gärten, Schulen<br />

usw.) Anwendung finden können. Wir präsentieren<br />

im Folgenden hierzu unsere Überlegungen,<br />

die spezifischen Details aus entsprechenden<br />

BAG-Empfehlungen 6), 7), 11) hingegen<br />

sollen hier nicht repetiert werden.<br />

Ausbruchsverhin<strong>der</strong>ung:<br />

Impfprophylaxe<br />

Bordetella pertussis, <strong>der</strong> Erreger <strong>der</strong> Pertussis,<br />

wird ausschliesslich von Mensch zu<br />

Mensch übertragen. Deshalb ist die möglichst<br />

umfassende und zeitgerechte Immunisierung<br />

aller Personen gegen Pertussis im Rahmen<br />

<strong>der</strong> geltenden Eidgenössische Kommission für<br />

Impffragen (EKIF)-Empfehlungen die effizienteste<br />

und sinnvollste Massnahme zur Verhin<strong>der</strong>ung<br />

von Pertussisausbrüchen, weil sie<br />

direkten wie auch indirekten Schutz (Herdenprotektion)<br />

verleiht. Es sei daran erinnert<br />

dass nicht nur alle Säuglinge (mit 2, 4 und 6<br />

bzw. 2, 3 und 4 Monaten) und Kleinkin<strong>der</strong> (mit<br />

15–<strong>24</strong> Monaten und nochmals mit 4–7 Jahren)<br />

gegen Pertussis geimpft werden sollen, son<strong>der</strong>n<br />

dass nun auch alle Jugendlichen im Alter<br />

von 11–15 Jahren und alle Erwachsenen im<br />

Alter von 25–29 Jahren unabhängig von <strong>der</strong><br />

Anzahl früherer Pertussis-Impfdosen jeweils<br />

eine weitere Pertussisimpfdosis (dTPa) erhalten<br />

sollen 7), 11) . Darüber hinaus ist Schwangeren<br />

(2. o<strong>der</strong> 3. Trimenon) und allen Personen<br />

altersunabhängig ebenfalls eine Pertussisimpfdosis<br />

empfohlen, wenn sie «regelmässig»<br />

im privaten o<strong>der</strong> beruflichen Umfeld<br />

Kontakt zu Säuglingen im Alter von < 6 Monaten<br />

haben. Die Definition des Begriffes «regelmässig»<br />

obliegt bewusst <strong>der</strong> Ärztin/dem Arzt<br />

und öffnet einen breiten individuellen Interpretations-<br />

und Beratungsspielraum, <strong>der</strong> im<br />

Interesse <strong>der</strong> Gesundheit <strong>der</strong> Bevölkerung zur<br />

individuellen Pertussis-Impfempfehlung genutzt<br />

werden sollte.<br />

Es ist eine wichtige Aufgabe <strong>der</strong> Ärzteschaft,<br />

die bestehenden Impfempfehlungen möglichst<br />

konsequent umzusetzen, was erfahrungsgemäss<br />

gerade bei Jugendlichen und<br />

Erwachsenen (durchaus auch in <strong>der</strong> pädiatrischen<br />

Praxis!) ein hohes Mass an Bewusstsein<br />

und Aufklärungseinsatz erfor<strong>der</strong>t.<br />

In Gemeinschaftseinrichtungen sind Pertussis-Ausbrüche<br />

umso weniger wahrscheinlich,<br />

je höher die Durchimpfungsrate aller dortigen<br />

Personen einschliesslich des Personals (!) ist.<br />

Da gesetzliche Bestimmungen zur Pertussis-<br />

Impfung zum Schutz <strong>der</strong> Gefährdeten fehlen<br />

o<strong>der</strong> zu kurz greifen, ist auch hier ein hoher<br />

Aufklärungs- und Beratungseinsatz <strong>der</strong> zuständigen<br />

ÄrztInnen erfor<strong>der</strong>lich. Hierbei wird<br />

man bedauerlicherweise häufig mit schwer<br />

nachzuvollziehen<strong>der</strong> Impfskepsis o<strong>der</strong> gar<br />

unqualifizierter Ablehnung von empfohlenen<br />

Impfungen konfrontiert. Die Verantwortung<br />

für <strong>der</strong>en Folgen liegt dann bei den direkt<br />

Betroffenen und auch bei den Betreibern <strong>der</strong><br />

jeweiligen Einrichtung.<br />

Ist es Ihnen gelungen, sich selbst und Ihre<br />

Mitarbeitenden von den neuen EKIF-Empfehlungen<br />

gegen Pertussis zu überzeugen und zu<br />

impfen? Haben Sie in Ihrer Praxis eine Strategie<br />

entwickelt, systematisch allen Eltern und<br />

an<strong>der</strong>en engen Kontaktpersonen von Neugeborenen<br />

und jungen Säuglingen die dringliche<br />

Pertussisimpfung nahezulegen bzw. zu verabreichen?<br />

Der suboptimale Pertussisimpfschutz (bestenfalls<br />

ca. 85–90%, mit <strong>der</strong> Zeit nachlassend<br />

und daher Auffrischimpfungen erfor<strong>der</strong>nd)<br />

darf kein Grund zur Zurückhaltung sein 12) –<br />

etwas Besseres als die verfügbaren azellulären<br />

Pertussis-Impfstoffe haben wir nicht.<br />

Falldefinition: Was ist «Pertussis»?<br />

Die von <strong>der</strong> Expertengruppe vorgeschlagene<br />

Falldefinition ist allgemein gehalten und geeignet,<br />

Pertussisverdachtsfälle zu erkennen. Verdacht<br />

auf Pertussis besteht nämlich immer<br />

dann, wenn eines <strong>der</strong> folgenden Kriterien vorliegt<br />

und nicht an<strong>der</strong>weitig erklärt werden kann:<br />

• anhalten<strong>der</strong> Husten (mindestens 14 Tage)<br />

ohne Besserungstendenz<br />

• Hustenanfälle<br />

• Husten mit keuchendem Einatmen, Apnoen<br />

• bei Säuglingen: Husten mit Atemnot,<br />

Zyanose und/o<strong>der</strong> Bradykardien<br />

Es ist ratsam, bereits beim ersten Verdachtsfall<br />

den mikrobiologischen Erregernachweis<br />

anzustreben, da die klinische Diagnose «Pertussis»<br />

unzuverlässig ist 13) . In <strong>der</strong> Frühphase<br />

<strong>der</strong> Krankheit (erste 2–3 Wochen) ist <strong>der</strong> direkte<br />

Erregernachweis aus dem Nasopharynx<br />

mittels PCR o<strong>der</strong> (allerdings kaum noch verfügbar)<br />

Anzucht <strong>der</strong> Bordetella pertussis<br />

Bakterien ratsam. Die Ergebnisse serologischer<br />

Untersuchungen sind schwierig zu interpretieren<br />

und die serologische Diagnostik<br />

deshalb eher für retrospektive Fragestellungen<br />

geeignet. Bei mehreren Verdachtsfällen<br />

in epidemiologischem Zusammenhang muss<br />

individuell entschieden werden, ob nach Vorliegen<br />

des ersten gesicherten Falles weitere<br />

Laboruntersuchungen indiziert sind o<strong>der</strong><br />

nicht. An<strong>der</strong>e Spezies als B. pertussis (B.<br />

parapertussis, B. holmesii) führen selten zu<br />

Ausbrüchen.<br />

18


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Ausbruchsbekämpfung<br />

Hier ist Fachkenntnis, gepaart mit ärztlichem<br />

Können und Geschick, gefragt. Die so beliebt<br />

gewordenen «Guidelines» o<strong>der</strong> «Standard<br />

Operating Procedures» sind hilfreich. Sie<br />

sollen und können aber den gesunden Menschenverstand<br />

bei <strong>der</strong> Einschätzung <strong>der</strong> Lage<br />

und Festlegung erfor<strong>der</strong>licher Massnahmen<br />

nicht ersetzen, son<strong>der</strong>n sollen ihn unterstützen.<br />

Der Übergang von «Fallhäufung» zu «Ausbrüchen»<br />

ist fliessend und das quantitative Ausmass<br />

wie auch die individuellen Gegebenheiten<br />

müssen deshalb über Intensität <strong>der</strong><br />

geplanten Massnahmen entscheiden:<br />

• Handelt es sich um einen Einzelfall von<br />

Pertussis einer Mutter auf <strong>der</strong> örtlichen<br />

Entbindungsstation? Hier ist Gefahr in Verzug<br />

und rasche Isolierungsmassnahmen<br />

wie auch <strong>der</strong> Einsatz von Antibiotikaprophylaxe<br />

bei den Exponierten (Face-to-face<br />

Kontakt) sind ratsam.<br />

• Sind binnen weniger Tage 2 Fälle in einer<br />

Familie aufgetreten? Dies ist weniger kritisch,<br />

solange keine jungen Säuglinge exponiert<br />

o<strong>der</strong> betroffen sind. Die sofortige<br />

Antibiotikatherapie terminiert die Kontagiosität<br />

<strong>der</strong> Indexfälle binnen 5 Tagen.<br />

• Sind in den letzten 2 Wochen mehrere<br />

Fälle in einem Kin<strong>der</strong>garten o<strong>der</strong> Schulhaus<br />

aufgetreten? Dies ist ein Ausbruch; er ist<br />

meldepflichtig und die sinnvollen Massnahmen<br />

(Informationspolitik, Isolationsmassnahmen<br />

bis hin zum vorübergehenden<br />

Schliessen <strong>der</strong> Einrichtung, Aufdecken und<br />

Schliessen von Impflücken bei allen Personen,<br />

Antibiotikaprophylaxe usw.) sind so<br />

rasch wie möglich von den Verantwortlichen<br />

(kantons- und ggf. schulärztlicher<br />

Dienst) in Abstimmung mit <strong>der</strong> Leitung <strong>der</strong><br />

Einrichtung festzulegen.<br />

• Haben Sie in den vergangenen Monaten<br />

eine Reihe Fälle von gesicherter Pertussis<br />

in Ihrer Praxis diagnostiziert und waren dies<br />

z. B. mehr als im ganzen Jahr davor? Auch<br />

wenn dies nicht unbedingt die Definition<br />

eines «Ausbruchs» (örtlich und zeitlich begrenzt<br />

gehäuftes Auftreten) erfüllt sind Sie<br />

dennoch gut beraten, diese Beobachtung<br />

als «Häufung von Krankheitsfällen» zu melden<br />

und so eine detaillierte Analyse <strong>der</strong><br />

Situation durch den kantonsärztlichen<br />

Dienst zu ermöglichen.<br />

Zum Schluss sei nochmals daran erinnert,<br />

dass die Impfprophylaxe die effizienteste<br />

Massnahme zur Verhin<strong>der</strong>ung von Ausbrüchen<br />

ist. Deshalb sollte die während und kurz<br />

nach einer Krisensituation erfahrungsgemäss<br />

erhöhte Prophylaxe-Bereitschaft <strong>der</strong> zuvor<br />

impfskeptischen Personen genutzt werden,<br />

Pertussis-Impflücken zu schliessen.<br />

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Korrespondenzadresse<br />

PD Dr Klara M. Posfay-Barbe<br />

Hôpital des Enfants (HUG)<br />

6, rue Willy-Donzé<br />

CH-1211 Genève 14<br />

Klara.PosfayBarbe@hcuge.ch<br />

Prof. Ulrich Heininger<br />

Universitäts-Kin<strong>der</strong>spital bei<strong>der</strong> Basel (UKBB)<br />

Spitalstrasse 33, Postfach<br />

CH-4031 Basel<br />

ulrich.heininger@ukbb.ch<br />

Die Autoren haben keine finanzielle Unterstützung<br />

und keine an<strong>der</strong>en Interessenkonflikte<br />

im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.<br />

19


Fortbildung<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Melatonin bei kindlichen Schlafstörungen<br />

Peter Hunkeler, Zürich<br />

Melatonin hat im menschlichen Körper diverse<br />

Funktionen inne. Das Hormon trägt unter<br />

an<strong>der</strong>em zur Regulation <strong>der</strong> inneren Uhr bei,<br />

hat eine schlafinduzierende sowie antioxidantische<br />

Wirkung und scheint den Körper vor<br />

neurodegenerativen Erkrankungen sowie <strong>der</strong><br />

Karzinogenese zu schützen 1) . Dieser Artikel<br />

behandelt die Frage, inwieweit <strong>der</strong> Einsatz von<br />

Melatonin bei Schlafstörungen im Kindes- und<br />

Jugendalter gerechtfertig ist.<br />

Physiologie<br />

Melatonin wird den meisten Leserinnen und<br />

Leser als «Medikament» zur Vorbeugung von<br />

Jetlag-Symptomen bekannt sein. Melatonin ist<br />

ein Hormon, das in <strong>der</strong> Epiphyse (Zirbeldrüse)<br />

aus Serotonin gebildet wird. Aufgrund seiner<br />

Eigenschaft als Regulator <strong>der</strong> inneren Uhr<br />

wird es auch als Chronobiotikum bezeichnet.<br />

Melatonin ist <strong>der</strong> robusteste Marker für das<br />

Signal des zirkadianen Systems und ist weitgehend<br />

unabhängig vom Schlaf. Beim Menschen<br />

und Säugetier wird die Melatonin-<br />

Sekretion durch den suprachiasmatischen<br />

Nucleus (SCN) gesteuert (Abbildung 1). Dieser<br />

wird durch den Einfluss von Licht moduliert,<br />

was bedeutet, dass die Dauer <strong>der</strong> täglichen<br />

Melatonin-Sekretion direkt abhängig<br />

von <strong>der</strong> Dauer <strong>der</strong> Lichtexposition ist. Die<br />

Helligkeit wird über nonvisuelle Photorezeptoren<br />

<strong>der</strong> Netzhaut erfasst. Das Hormon wird<br />

kurz nach Beginn <strong>der</strong> Dunkelheit sezerniert,<br />

erreicht seine maximale Sekretion in <strong>der</strong><br />

Mitte <strong>der</strong> Nacht und sinkt dann in <strong>der</strong> zweiten<br />

Nachthälfte langsam wie<strong>der</strong> ab. Die Melatonin-Produktion<br />

wird durch eine Vielzahl von<br />

Substanzen beeinflusst (unter an<strong>der</strong>em Benzodiazepine,<br />

Koffein und Alkohol). Bezüglich<br />

<strong>der</strong> <strong>24</strong>-Stunden-Melatonin-Sekretion findet<br />

man sehr grosse individuelle Unterschiede.<br />

Das Ausmass <strong>der</strong> Sekretion nimmt mit dem<br />

Alter ab 2) .<br />

Wirkungsweise<br />

von exogenem Melatonin<br />

Exogenes Melatonin scheint spezifisch über<br />

den SCN auf das zirkadiane System zu wirken<br />

und verbessert damit indirekt den nächtlichen<br />

Schlaf. Zusätzlich zeigt Melatonin eine leichte<br />

hypnotische Wirkung, was den positiven Effekt<br />

bei Einschlafstörungen erklärt. Es gibt<br />

zwei verschiedene Arten von Melatonin-Rezeptoren<br />

im SCN: MT1-Rezeptoren und MT2-<br />

Rezeptoren. In <strong>der</strong> Morgen- und Abenddämmerung<br />

sind MT2-Rezeptoren sensitiv für<br />

Melatonin (Phasenverschiebung <strong>der</strong> inneren<br />

Uhr). Zu Beginn <strong>der</strong> Nacht sind MT1-Rezeptoren<br />

empfindlich, welche die Feuerungsrate<br />

von SCN-Neuronen reduzieren (schlafför<strong>der</strong>nde<br />

Wirkung).<br />

Melatonin bei<br />

spezifischen Schlafstörungen<br />

Delayed sleep phase syndrome (verzögertes<br />

Schlafphasen Syndrom): Die meist jugendlichen<br />

Patienten haben grosse Schwierigkeiten<br />

mit dem abendlichen Einschlafen. Ihre Einschlafzeiten<br />

sind deutlich in die Nacht verschoben.<br />

Zudem können sie Probleme beim<br />

morgendlichen Aufstehen haben, was sich<br />

Nucleus suprachiasmaticus<br />

(die «innere» Uhr)<br />

Tractus retinohypothalamicus<br />

Melatonin<br />

Glandula pinealis<br />

Ganglion cervicale superior<br />

Abbildung 1: Steuerung <strong>der</strong> Melatonin-Sekretion<br />

20


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Fortbildung<br />

negativ auf den schulischen und beruflichen<br />

Alltag auswirken kann. Pathophysiologisch<br />

geht man davon aus, dass <strong>der</strong> zirkadiane<br />

Rhythmus länger als <strong>24</strong> Stunden andauert.<br />

Studien zeigen einen positiven Effekt von<br />

Melatonin auf die Einschlafprobleme.<br />

Free-running type (frei laufende innere Uhr):<br />

Bei Patienten mit einer frei laufenden inneren<br />

Uhr verzögert sich <strong>der</strong> Schlaf-Wach-Zyklus<br />

von Tag zu Tag kontinuierlich trotz normalem<br />

Lebensumfeld (soziale Zeitgeber). Diese Störung<br />

wirkt sich beson<strong>der</strong>s auf den sozialen<br />

und beruflichen Alltag <strong>der</strong> Patienten aus. Als<br />

Ursache wird unter an<strong>der</strong>em auch eine abnorme<br />

Regulation (verlängerter Chronotyp)<br />

<strong>der</strong> inneren Uhr vermutet. Pathophysiologisch<br />

gelingt die Abgrenzung zum verzögerten<br />

Schlafphasen-Syndrom nur unscharf. Melatonin<br />

kann bei diesen Patienten zur Einstellung<br />

eines normalen Schlaf-Wach-Rhythmus beitragen.<br />

Schlafstörungen bei Kin<strong>der</strong>n mit Sehbin<strong>der</strong>ungen:<br />

Auch bei blinden Personen kann die<br />

innere Uhr «frei» laufen. Dieser Zustand tritt<br />

zum Beispiel bei Menschen auf, die beide<br />

Augen (Netzhaut) verloren haben. Nicht alle<br />

blinden Menschen haben eine frei laufende<br />

innere Uhr. Bei Patienten, die zwar im visuellen<br />

Sinn erblindet sind (beispielsweise Läsionen<br />

des visuellen Cortex), aber noch eine<br />

funktionierende Netzhaut besitzen, kann die<br />

innere Uhr weiterhin durch Lichteinfluss synchronisiert<br />

werden. Ein Test für die Funktionsfähigkeit<br />

des nicht-visuellen Lichtkanals ist<br />

die Unterdrückung <strong>der</strong> Ausschüttung von<br />

Melatonin in <strong>der</strong> subjektiven Nacht durch<br />

Lichteinfluss.<br />

ADHS und Melatonin<br />

Schlafstörungen beim ADHS werden sehr<br />

häufig beschrieben. Verschiedene Studien<br />

zeigen eine Prävalenz zwischen 50% und 80%,<br />

so dass Schlafstörungen als komorbide<br />

Störung beim ADHS bezeichnet werden können<br />

5) . Von den Eltern werden meist Einschlafund<br />

Durchschlafstörungen beschrieben.<br />

ADHS und Schlafstörungen können demnach<br />

gemeinsam auftreten, wobei sich die Frage<br />

stellt, welche <strong>der</strong> Störung zu den Symptomen<br />

wie Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und<br />

Impulsivität führt. Im Prinzip gibt es drei Möglichkeiten:<br />

1. ADHS o<strong>der</strong> dessen medikamentöse<br />

Therapie führt zu Schlafproblemen, 2.<br />

Eine primäre Schlafstörung führt zu ADHSähnlichen<br />

Symptomen, 3. Beide Störungen<br />

kommen gemeinsam vor.<br />

Es stellt sich die Frage nach dem korrekten<br />

therapeutischen Vorgehen. Der erste und<br />

wichtigste Schritt besteht in schlafhygienischen<br />

Massnahmen (Tabelle 1). Eine Rhythmisierung<br />

des Tagesablaufes mit fixen Bettzeiten<br />

am Abend ist essentiell. Dies betrifft<br />

auch die Wochenenden, an welchen die<br />

Bettzeiten nicht mehr als 1 Stunde differieren<br />

sollten. Zudem sollten die Bettzeiten möglichst<br />

dem Schlafbedarf angepasst werden.<br />

Ein weiterer wichtiger Faktor sind die abendlichen<br />

Aktivitäten. Stimulierende Aktivitäten<br />

wie Computerspiele, Fernsehen o<strong>der</strong> übermässige<br />

körperliche Arbeit sollten vor dem<br />

Einschlafen unterlassen werden. Koffein und<br />

Alkohol können den Schlaf ebenfalls negativ<br />

beeinflussen. Alkohol verkürzt zwar die Einschlafzeit,<br />

kann aber den Schlaf zu einem<br />

späteren Zeitpunkt stören. Das Verbringen<br />

von Zeit im Freien, beson<strong>der</strong>s in den Morgenstunden<br />

mit Sonnenexposition, kann helfen,<br />

den zirkadianen Rhythmus aufrechtzuerhalten.<br />

Schlafmedikamente sind wie bei an<strong>der</strong>en<br />

Schlafstörungen nicht die erste Wahl.<br />

Ist <strong>der</strong> Einsatz von Melatonin bei Kin<strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen mit ADHS als zusätzliche Massnahme<br />

sinnvoll? Kombiniert mit schlafhygienischen<br />

Massnahmen kann sich <strong>der</strong> Einsatz<br />

von Melatonin positiv auf die Einschlafdauer<br />

auswirken. In einer Studie mit ADHS-Kin<strong>der</strong>n<br />

ohne medikamentöse Therapie zeigte sich<br />

eine Abnahme <strong>der</strong> Einschlafdauer und eine<br />

Verlängerung <strong>der</strong> Schlafzeit 5) . Es waren allerdings<br />

keine Effekte auf <strong>der</strong> Verhaltensebene<br />

und bezüglich <strong>der</strong> kognitiven Leistungsfähigkeit<br />

zu erkennen. Lei<strong>der</strong> gibt es praktisch<br />

keine Studien, die den Effekt von Melatonin<br />

über längere Zeit (> 6–9 Monate) dokumentiert<br />

haben. Weiter gibt es noch keinen Konsens<br />

darüber, welches die geeignete therapeutische<br />

Dosis ist. Auch die Frage nach dem<br />

Nebenwirkungsprofil kann nicht schlüssig<br />

beantwortet werden. Melatonin sollte demnach<br />

bei ADHS-Patienten mit Zurückhaltung<br />

eingesetzt werden 5) .<br />

Eigene Erfahrungen aus <strong>der</strong><br />

Zürcher Schlafsprechstunde<br />

Bei funktionellen Schlafproblemen ist man<br />

sich in <strong>der</strong> Fachliteratur einig, dass verhaltensregulatorische<br />

Massnahmen als erste<br />

therapeutische Massnahme im Vor<strong>der</strong>grund<br />

stehen 6) . Der Gebrauch von Schlafmedikamenten<br />

wird nicht empfohlen. Generell ist es<br />

wichtig, dass die Eltern während 2 Wochen<br />

ein Schlafprotokoll ausfüllen. (z. B.: http://<br />

Schlafstörungen bei Kin<strong>der</strong>n mit Entwicklungsstörungen:<br />

Studien weisen auf einen<br />

positiven Effekt von Melatonin bei Autismus-<br />

Spektrum-Störungen hin 3) . Erwähnt werden<br />

besseres Schlafverhalten und weniger Verhaltensprobleme<br />

tagsüber bei minimalen<br />

Nebenwirkungen. Auch bei Patienten mit<br />

fragilem X-Syndrom wurden positive Effekte<br />

auf die Einschlafproblematik beschrieben 4) .<br />

Patienten mit Smith-Magenis-Syndrom leiden<br />

unter an<strong>der</strong>em unter schweren Schlafstörungen<br />

mit einer Umkehr des zirkadianen<br />

Rhythmus. Abendliche Melatonin-Gaben<br />

kombiniert mit Beta-Blocker am Morgen<br />

(Unterdrückung <strong>der</strong> Melatonin-Synthese am<br />

Tag) können bei diesen Patienten zu einer<br />

Normalisierung <strong>der</strong> Tag-Nacht-Umkehr führen.<br />

Was gibt es bei <strong>der</strong> Schlafhygiene zu beachten 6) ?<br />

Bettzeiten: Fixe Bettzeiten inklusive Wochenende, Anpassen <strong>der</strong> Bettzeiten an den mit einem<br />

Schlafprotokoll über 14 Tage ermittelten Schlafbedarf<br />

Einschlafritual<br />

Schlafzimmer: dunkel, ruhig, kühl<br />

Mahlzeiten: keine schwer verdaulichen Speisen 1–2 Stunden vor dem geplanten Einschlafen<br />

Genussmittel: kein Koffein (Kaffee, Tee, Cola, Energy-Drinks) 3–4 Stunden vor dem geplanten<br />

Einschlafen; Vermeiden von Alkohol und Nikotin<br />

Aktivitäten: stimulierende Aktivitäten wie Computerspiele, Fernsehen o<strong>der</strong> übermässige körperliche<br />

Arbeit sollten vor dem Einschlafen unterlassen werden. Tägliche Aktivitäten im Freien<br />

mit Sonnenexposition werden empfohlen.<br />

Elektronische Medien wie Fernseher, Computer o<strong>der</strong> Smartphones sollten aus dem Schlafzimmer<br />

entfernt werden, um übermässigen Konsum vor dem Schlafengehen zu unterbinden.<br />

Schlafzeiten am Tag sollten bei älteren Kin<strong>der</strong>n (ab Schulalter) vermieden werden.<br />

Tabelle 1<br />

21


Fortbildung<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

www.kispi.uzh.ch/Kin<strong>der</strong>spital/Medizin/<br />

Schlafmittel/Downloads/Schlafprotokoll.pdf)<br />

In <strong>der</strong> Schlafsprechstunde an <strong>der</strong> Abteilung<br />

Entwicklungspädiatrie des Kin<strong>der</strong>spitals Zürich<br />

wenden wir erfolgreich ein Dreistufenkonzept<br />

an 7) :<br />

1. Stufe: Rhythmisieren des Tagesablaufes;<br />

2. Stufe: Anpassen <strong>der</strong> Bettzeiten an die errechneten<br />

Schlafzeiten; 3. Stufe: selbstständiges<br />

Einschlafen.<br />

Bei Kin<strong>der</strong>n mit Entwicklungsbehin<strong>der</strong>ungen,<br />

die an akuten o<strong>der</strong> chronischen Schlafproblemen<br />

leiden, setzen wir gelegentlich Melatonin<br />

mit Erfolg ein, so zum Beispiel bei Kin<strong>der</strong>n mit<br />

Autismus-Spektrum-Störung o<strong>der</strong> geistiger<br />

Behin<strong>der</strong>ung. Eher ernüchternd sind unsere<br />

Melatonin-Erfahrungen mit Jugendlichen, die<br />

an grossen Einschlafproblemen leiden und am<br />

Morgen trotz Weckversuchen <strong>der</strong> Eltern nicht<br />

aufstehen können/wollen. Diese Jungendlichen<br />

bleiben deshalb oft <strong>der</strong> Schule fern, was<br />

den Druck auf die Eltern und sie selber noch<br />

erhöht. Unsere Erfahrungen zeigen, dass eine<br />

Melatonin-Therapie alleine mittel- und längerfristig<br />

kaum zu einer Besserung <strong>der</strong> Einschlafproblematik<br />

führt. In Kombination mit schlafhygienischen<br />

Massnahmen sind unsere<br />

Erfahrungen etwas besser, wobei die Umsetzung<br />

dieser Massnahmen oft nicht einfach ist.<br />

Fazit für die Praxis<br />

2) Kunz D. Melatonin und Schlaf-Wach Regulation.<br />

Habilitationsschrift zur Erlangung <strong>der</strong> Lehrbefähigung<br />

für das Fach Psychiatrie vorgelegt <strong>der</strong> Medizinischen<br />

Fakultät <strong>der</strong> Charité – Universitätsmedizin<br />

Berlin. 2006.<br />

3) Rossignol DA. Melatonin in autism spectrum disor<strong>der</strong>s:<br />

a systematic review and meta-analysis. Dev<br />

Med Child Neurol 2011 Sep; 53 (9): 783–92.<br />

4) Wirojanan J. The efficacy of melatonin for sleep<br />

problems in children with autism, fragile X syndrome,<br />

or autism and fragile X syndrome. J Clin Sleep<br />

Med 2009 Apr 15; 5 (2): 145–50.<br />

5) Corkum P. A framework for the assessment and<br />

treatment of sleep problems in children with attention-deficit/hyperactivity<br />

disor<strong>der</strong>. Pediatr Clin N<br />

Am 2011; 58: 667–83.<br />

6) Owens JA. The use of pharmacotherapy in the<br />

treatment of pediatric insomnia in primary care:<br />

rational approaches. A consensus meeting summary.<br />

Journal of Clinical Sleep Medicine 2005; J<strong>Vol</strong> 1,<br />

No 1.<br />

7) Jenni O, Benz C. Schlafstörungen. Pädiatrie up2date<br />

2007; 309–33.<br />

Korrespondenzadresse<br />

Dr. med. Peter Hunkeler<br />

Oberarzt, Abteilung Entwicklungspädiatrie<br />

Kin<strong>der</strong>spital Zürich<br />

Steinwiesstrasse 75<br />

8032 Zürich<br />

Die Autoren haben keine finanzielle Unterstützung<br />

und keine an<strong>der</strong>en Interessenkonflikte<br />

im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.<br />

Bei Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen mit Schlafproblemen<br />

bleibt das Ausfüllen eines Schlafprotokolls<br />

über 2 Wochen die erste und wichtigste<br />

Massnahme. Eine spezifische Beratung <strong>der</strong><br />

Familie und des Kindes ist nur damit möglich.<br />

Bei funktionellen Schlafstörungen ist <strong>der</strong><br />

Gebrauch von Melatonin und Schlafmedikamenten<br />

nicht angebracht. Bei Kin<strong>der</strong>n mit<br />

Entwicklungsstörungen kann ein Einsatz sinnvoll<br />

sein. Eine klassische Indikation für eine<br />

Melatonin-Therapie stellen seltene Erkrankungen<br />

wie «das verzögerte Schlafphasen-Syndrom»<br />

o<strong>der</strong> «die frei laufende innere Uhr» dar.<br />

Auch bei Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen mit ADHS<br />

gibt es in Kombination mit schlafhygienischen<br />

Massnahmen eine gewisse Evidenz für die<br />

Wirksamkeit von Melatonin (beson<strong>der</strong>s bei<br />

Einschlafproblemen), wobei noch kein Konsens<br />

über Dosierung, Therapiedauer und Nebenwirkungsprofil<br />

besteht.<br />

Referenzen<br />

1) Kostoglou-Athanassiou I. Therapeutic applications<br />

of melatonin. Therapeutic advances in endocrinology<br />

and metabolism 2013; 4 (1): 13–<strong>24</strong>.<br />

22


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1006431


Fortbildung<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter<br />

Johannes Häberle 1) , Alexan<strong>der</strong> Lämmle 1) , Matthias R. Baumgartner 1)<br />

Abstract<br />

Fettstoffwechselstörungen sind eine heterogene<br />

Gruppe von meistens vererbten<br />

Krankheiten, welche oftmals aufgrund einer<br />

positiven Familienanamnese bereits im Kindesalter<br />

diagnostiziert werden. Dies ist insbeson<strong>der</strong>e<br />

im Sinne einer Sekundärprävention<br />

eine äusserst wichtige pädiatrische<br />

Aufgabe, stellt doch die frühzeitige Diagnose<br />

und Therapieeinleitung bei bestimmten Fettstoffwechselstörungen<br />

einen entscheidenden<br />

Grundstein für die Gesundheit im Erwachsenenalter<br />

dar. In diesem Artikel sollen<br />

vor allem praktische Aspekte anhand häufig<br />

gestellter Fragen im Zusammenhang mit<br />

Fettstoffwechselstörungen behandelt werden.<br />

Die häufigsten Dyslipidämien sowie<br />

<strong>der</strong>en Diagnostik und Therapie werden kurz<br />

dargestellt. Seltenere Fettstoffwechselstörungen<br />

werden hier zum Teil gezielt mit erwähnt,<br />

auf eine vollständige und systematische<br />

Abhandlung sämtlicher Krankheiten<br />

wird aber verzichtet. Den Autoren dieses<br />

Beitrages erscheint wichtig, in <strong>der</strong> Praxis<br />

den Fokus nicht nur auf die Senkung von<br />

Plasma-Cholesterinwerten zu richten, son<strong>der</strong>n<br />

sämtliche bekannte Risikofaktoren wie<br />

zum Beispiel Ernährung, Bewegung, Gewicht<br />

und Nikotinabusus zu betrachten. Sowohl für<br />

die Primärdiagnostik als auch für die Beurteilung<br />

<strong>der</strong> Gesamtsituation ist eine exakte<br />

Familienanamnese von zentraler Bedeutung.<br />

Die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen<br />

ist komplex und schliesst eine Steigerung<br />

<strong>der</strong> körperlichen Aktivität und die Vermeidung<br />

weiterer Risikofaktoren ebenso mit<br />

ein wie eine Diät und Medikamente.<br />

Einführung<br />

1) Abteilung für Stoffwechselkrankheiten<br />

Forschungszentrum für das Kind<br />

Universitäts-Kin<strong>der</strong>spital Zürich<br />

Steinwiesstrasse 75<br />

CH-8032 Zürich<br />

Fettstoffwechselstörungen zählen zu den<br />

häufigsten vererbten Krankheiten in <strong>der</strong> pädiatrischen<br />

Praxis und besitzen eine grosse<br />

Bedeutung für die spätere Gesundheit im Erwachsenenalter.<br />

Gleichzeitig führen sie in aller<br />

Regel beim Kind nicht zu Symptomen, ein<br />

Umstand, <strong>der</strong> jedoch keinesfalls Anlass zu<br />

diagnostischer o<strong>der</strong> therapeutischer Abstinenz<br />

sein darf. Im Gegenteil hat die Pädiatrie<br />

eine entscheidende Rolle in <strong>der</strong> Weichenstellung<br />

für eine angemessene lebenslange, wenn<br />

immer nötig, strikte Therapie von Fettstoffwechselstörungen.<br />

In diesem Sinn ist die Behandlung<br />

dieses Themas ein Paradebeispiel<br />

für die Sekundärprävention als eine <strong>der</strong><br />

wichtigsten pädiatrischen Aufgaben.<br />

Im Vor<strong>der</strong>grund dieses Beitrages stehen praktische<br />

Aspekte, mit dem Ziel, mögliche «Berührungsängste»<br />

in <strong>der</strong> Praxis abzubauen. Die<br />

folgenden Fragen, zugesandt von einem in <strong>der</strong><br />

Klinik tätigen Kollegen, sollen beantwortet<br />

werden:<br />

• Wann muss <strong>der</strong> (nie<strong>der</strong>gelassene) Pädiater<br />

daran denken, bei Patienten Blutfettwerte<br />

zu bestimmen?<br />

• Wie sind Alter, Klinik, Familienanamnese<br />

und Risikofaktoren zu berücksichtigen?<br />

• Welche Parameter sollen bestimmt werden;<br />

wie ist das praktische Vorgehen?<br />

• Existieren Referenzwerte und wie sind<br />

diese zu bewerten?<br />

• Wie ist das Vorgehen bei pathologischen<br />

Werten? Wann ist eine Kontrolle indiziert,<br />

wann sind Diät o<strong>der</strong> Medikamente notwendig?<br />

Dabei liegt <strong>der</strong> Fokus des Artikels auf den<br />

vergleichsweise häufigen Situationen; seltenere<br />

Krankheiten sind nicht vollständig o<strong>der</strong><br />

systematisch aufgeführt, werden jedoch zur<br />

Illustrierung des klinischen und biochemischen<br />

Spektrums gezielt mit erwähnt.<br />

Definition<br />

Fettstoffwechselstörungen (synonym: Dyslipidämien)<br />

sind eine heterogene Gruppe von<br />

Krankheiten, bei denen Blutfettwerte, vor allem<br />

Cholesterine und/o<strong>der</strong> Triglyceride, verän<strong>der</strong>t<br />

sind. Dies kann primär bei Vorliegen<br />

eines vererbten Stoffwechseldefektes <strong>der</strong> Fall<br />

sein o<strong>der</strong> sekundär im Rahmen an<strong>der</strong>er<br />

Krankheiten von Hormonhaushalt (z. B. Diabetes,<br />

Hypothyreose, Cushing-Syndrom), Nieren<br />

(nephrotisches Syndrom o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e chronische<br />

Nierenkrankheiten) o<strong>der</strong> Leber (Steatosis<br />

hepatis) o<strong>der</strong> bei Anorexia nervosa. Die<br />

meisten Fettstoffwechselstörungen stellen<br />

einen relevanten Risikofaktor für die Entstehung<br />

einer Arteriosklerose dar und müssen<br />

daher auch bei praktisch stets asymptomatischen<br />

Kin<strong>der</strong>n ernst genommen werden 1)–3) .<br />

Epidemiologie<br />

Die häufigste Fettstoffwechselstörung ist <strong>der</strong><br />

heterozygote LDL-Rezeptor-Defekt 4) , dessen<br />

geschätzte Inzidenz bei 1:500 liegen soll.<br />

In ähnlicher Dimension liegt die Inzidenz des<br />

Apolipoprotein B 100 Mangels (1:200–<br />

1:700), welcher zu eingeschränkter LDL-Rezeptoraffinität<br />

führt 5) . Der homozygote LDL-<br />

Rezeptor-Defekt mit de facto Ausfall <strong>der</strong><br />

LDL-Rezeptor-Funktion ist dagegen sehr selten<br />

(Grössenordnung 1:1’000’000). Allerdings<br />

gibt es in <strong>der</strong> Schweiz für diese Defekte<br />

keine zuverlässigen Zahlen. Dies gilt auch für<br />

alle übrigen Fettstoffwechselstörungen, die<br />

als selten bis sehr selten angenommen werden<br />

dürfen. Dies bedeutet, dass für die meisten<br />

dieser Krankheiten (ausser den 2 oben<br />

genannten) nur wenige Patienten, zum Teil nur<br />

Einzelfälle o<strong>der</strong> überhaupt keine Patienten in<br />

<strong>der</strong> Schweiz vorhanden sind.<br />

Biochemie und Pathophysiologie<br />

Lipide müssen aufgrund ihrer hydrophoben<br />

Eigenschaften im Blut an Proteine (sog. Apolipoproteine)<br />

gebunden transportiert werden.<br />

Im resultierenden Lipoprotein sind die hydrophoben<br />

Lipide im Kern «versteckt» und von<br />

Apolipoproteinen umhüllt. Entsprechend ihrer<br />

Dichte werden Lipoproteine in 5 Klassen eingeteilt,<br />

die jeweils charakteristische Zusammensetzungen<br />

besitzen, welche ihre biochemischen<br />

Eigenschaften bedingen 6) :<br />

• High-density Lipoproteine (HDL)<br />

• Low-density Lipoproteine (LDL)<br />

• Intermediate-density Lipoproteine (IDL)<br />

• Very low-density Lipoproteine (VLDL)<br />

• Chylomikronen<br />

Von klinischer Bedeutung ist vor allem LDL-<br />

Lipoprotein, welches für den Transport von<br />

Lipiden, vor allem Cholesterin, in die peripheren<br />

Organe verantwortlich ist 7) . Liegt, wie bei<br />

<strong>der</strong> familiären Hypercholesterinämie, ein<br />

Defekt des LDL-Rezeptors vor, resultiert eine<br />

Erhöhung des LDL-Lipoproteins im Plasma.<br />

Neben Cholesterin enthalten LDL-Lipoprotei-<br />

<strong>24</strong>


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Fortbildung<br />

ne reichlich Apolipoprotein B 100. Dieses<br />

kann in seiner Funktion durch Gen-Mutationen<br />

(häufigste Mutation p.R3500Q) 3), 5) gestört<br />

sein, woraus klinisch wie therapeutisch<br />

die gleiche Situation mit Hypercholesterinämie<br />

resultiert wie bei LDL-Rezeptordefekten.<br />

Bereits im Kindesalter führen konzentrationsabhängig<br />

vor allem erhöhte LDL-Cholesterinwerte<br />

zu arteriosklerotischen Gefässschäden.<br />

Defekte <strong>der</strong> Lipoproteinlipase, welche im<br />

Kapillarendothel die Triglyceride <strong>der</strong> Chylomikronen<br />

und VLDL spaltet und damit <strong>der</strong>en<br />

Aufnahme in die Zellen ermöglicht, führen zu<br />

isolierter, zum Teil massiver Triglyceri<strong>der</strong>höhung<br />

(Werte teilweise > 50 mmol/L, Ref < 2<br />

mmol/L). Phänotypisch identisch sind Defekte<br />

des Cofaktors Apolipoprotein CII. Erhöhte<br />

Triglycerid-Konzentrationen stellen keinen<br />

Risikofaktor für vorzeitige Arteriosklerose dar.<br />

Bei Defekten <strong>der</strong> ABC-Transporter G5 o<strong>der</strong> G8<br />

ist in Dünndarm und Gallenwegen <strong>der</strong> Export<br />

von zuvor resorbierten pflanzlichen Fetten,<br />

sog. Phytosterolen, gestört. Daraus resultiert<br />

die sehr seltene Sitosterolämie, die ähnlich<br />

wie <strong>der</strong> homozygote LDL-Rezeptordefekt ein<br />

relevanter Risikofaktor für Herzinfarkte bereits<br />

im Kindesalter ist 8) .<br />

Klinisches Bild<br />

Die meisten Patienten mit Fettstoffwechselstörungen<br />

sind im Kindesalter asymptomatisch.<br />

Erste Krankheitszeichen können bei<br />

familiärer Hypercholesterinämie Fettablagerungen<br />

in <strong>der</strong> Haut, sogenannte Xanthelasmen,<br />

sein. Bei Vorliegen von Homozygotie für<br />

einen LDL-Rezeptor-Defekt können diese bereits<br />

im Kleinkindesalter als imposante subkutane<br />

Knötchen entlang <strong>der</strong> Hautfalten von<br />

Händen o<strong>der</strong> Füssen und über Gelenken imponieren,<br />

während ansonsten meist im Bereich<br />

des Unterlides erste gelbliche Ablagerungen<br />

zu finden sind 4), 9) (Abb. 1A). Diese sind<br />

gemäss klinischer Erfahrung eindeutig mit <strong>der</strong><br />

Höhe <strong>der</strong> Cholesterin-Konzentrationen im<br />

Plasma korreliert und können unter Behandlung<br />

kleiner werden o<strong>der</strong> verschwinden.<br />

Daneben finden sich bei einzelnen Fettstoffwechselstörungen<br />

(z. B. Sitosterolämie) tiefer<br />

unter <strong>der</strong> Haut gelegene Fettablagerungen,<br />

sogenannte Xanthome. Prädilektionsstellen<br />

für Xanthome sind die Streckseiten <strong>der</strong> Ellenbogen,<br />

die Knie sowie Achillessehnen (Abb.<br />

1B). Oftmals ist die über Xanthomen liegende<br />

Haut bläulich-livide verfärbt, dies auch noch<br />

nach Rückgang o<strong>der</strong> Verschwinden <strong>der</strong> Xanthome<br />

unter Behandlung.<br />

Ein Arcus corneae ist im Kindesalter nur in<br />

Ausnahmefällen bei sehr schlecht eingestellter<br />

familiärer Hypercholesterinämie (o<strong>der</strong> bei<br />

homozygoter Hypercholesterinämie) zu beobachten.<br />

Bei einem kleinen Teil <strong>der</strong> Patienten besteht<br />

als Folge einer vermehrten Einlagerung von<br />

Fett eine Hepatomegalie, die zu Leberkapselspannung<br />

und Bauchschmerzen führen<br />

kann. Dies ist zum Beispiel bei Patienten mit<br />

familiärer Hypertriglyceridämie o<strong>der</strong> familiärer<br />

Chylomikronämie möglich.<br />

Derzeit noch relativ selten dürfte bei Kin<strong>der</strong>n<br />

das metabolische Syndrom mit Adipositas,<br />

Hyperurikämie, arteriellem Hypertonus, peripherer<br />

Insulinresistenz und HDL-Cholesterinerniedrigung<br />

vorliegen.<br />

Komplikationen<br />

Hohe Cholesterinkonzentrationen im Plasma<br />

verursachen keine akuten Komplikationen,<br />

sind jedoch ein Risikofaktor für eine vorzeitige<br />

Arteriosklerose. Die exakte Bedeutung<br />

einer Hypercholesterinämie im Kontext an<strong>der</strong>er<br />

bekannter (Übergewicht, Bewegungsmangel,<br />

arterieller Bluthochdruck, Hyperhomocysteinämie,<br />

Lipoprotein (a) -Erhöhung,<br />

Rauchen) und unbekannter Risikofaktoren ist<br />

keineswegs geklärt 1) . In <strong>der</strong> Literatur beschrieben<br />

und auch in <strong>der</strong> Praxis zu beobachten<br />

sind frühe fatale Verläufe bei vergleichsweise<br />

geringer ebenso wie kaum betroffene<br />

Familien mit gravieren<strong>der</strong> Hypercholesterinämie.<br />

Beson<strong>der</strong>s gefürchtet sind Komplikationen<br />

bei homozygoter familiärer Hypercholesterinämie<br />

sowie bei Sitosterolämie; für<br />

diese Krankheiten sind jeweils akute fatale<br />

Herzinfarkte im Kleinkindesalter beschrieben<br />

3), 8) .<br />

Auch sehr hohe Konzentrationen <strong>der</strong> Triglyceride<br />

(> 10 mmol/L) können durchaus akute<br />

Beschwerden auslösen. Dazu sind akute<br />

Bauchschmerzen, gastrointestinale Blutungen<br />

sowie eine akute Pankreatitis zu zählen, letztere<br />

mit potentiell ernster Prognose. Hypertriglyceridämie<br />

ist jedoch kein Risikofaktor<br />

einer vorzeitigen Arteriosklerose.<br />

Transition und Ausblick<br />

in das Erwachsenenalter<br />

Fettstoffwechselstörungen bleiben die Domäne<br />

<strong>der</strong> Erwachsenenmedizin, weil praktisch<br />

alle Komplikationen erst im Erwachsenenalter<br />

auftreten. Idealerweise bestehen vor Ort enge<br />

Kontakte zwischen Pädiatrie und Erwachsenenmedizin,<br />

um eine optimale Transition und<br />

damit die Vermeidung von Ängsten auf Patientenseite<br />

ebenso wie von Informationsverlust<br />

auf ärztlicher Seite zu gewährleisten. Wie<br />

dargelegt, soll jedoch eine kompetente und<br />

konsequente pädiatrische Betreuung das Auftreten<br />

<strong>der</strong> Komplikationen mindestens verzögern.<br />

Abklärung Familienanamnese<br />

Fraglos kommt einer sorgfältigen und vollständigen<br />

Familienanamnese eine herausragende<br />

Bedeutung für die Bewertung <strong>der</strong><br />

Situation eines Patienten mit Fettstoffwechselstörung<br />

zu. Dabei sind mindestens Verwandte<br />

ersten Grades mit einzubeziehen.<br />

Notwendig erscheint eine gezielte Anamnese<br />

Abbildung 1: Hautverän<strong>der</strong>ungen bei Fettstoffwechselstörungen. A: 9-jährige Patientin mit Xanthelasmen, unter beiden Augenli<strong>der</strong>n als gelbliche<br />

Verfärbungen erkennbar. B: 12-jährige Patientin mit Xanthomen am Knie, welche als Schwellung sichtbar und tastbar sind und als bläuliche<br />

Verfärbung imponieren<br />

A<br />

B<br />

25


Fortbildung<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

mit geschlossenen Fragen («Ist es bei Ihren<br />

Eltern zu frühen Herzinfarkten gekommen?»,<br />

«… und bei <strong>der</strong>en Geschwistern?» etc.), weil<br />

in <strong>der</strong> Praxis an<strong>der</strong>nfalls wichtige Details nicht<br />

erhoben werden. Stichwörter bei <strong>der</strong> Erhebung<br />

<strong>der</strong> Familienanamnese sollten z. B. sein:<br />

Herzinfarkte, Schlaganfälle, Bypassoperationen<br />

10) . Bei positiver Familienanamnese sind<br />

gezielte Untersuchungen des Lipidprofils im<br />

Plasma bereits im Kleinkindesalter indiziert.<br />

Laboruntersuchungen<br />

In <strong>der</strong> initialen Diagnostik einer Fettstoffwechselstörung<br />

sollen die folgenden Plasma-<br />

Parameter bei nüchternem Patienten erhoben<br />

werden 3) :<br />

• Lipidstatus (Gesamt-, HDL-, LDL-Cholesterin<br />

und Triglyceride)<br />

• Lipoprotein (a) (dieser Wert ist genetisch<br />

determiniert und bedarf daher keiner Verlaufskontrolle,<br />

ausser bei versuchter Intervention<br />

mit Niacin) 11)<br />

• Homocystein<br />

Zur Bewertung <strong>der</strong> Lipidwerte sind altersabhängige<br />

Referenzwerte unabdingbar, weil<br />

insbeson<strong>der</strong>e Cholesterin während des Kindesalters<br />

sowie nach <strong>der</strong> Pubertät ansteigt,<br />

wohingegen präpubertär und während <strong>der</strong><br />

Pubertät die Werte spontan abfallen können 3) .<br />

Darüberhinaus können in einzelnen Situationen<br />

Spezialuntersuchungen wie Lipidelektrophorese<br />

o<strong>der</strong> Sterolprofil sinnvoll sein; empfohlen<br />

ist hier stets die Kontaktaufnahme mit<br />

einem Stoffwechselzentrum.<br />

Daneben sind einmalig zum Ausschluss einer<br />

sekundären Fettstoffwechselstörung die folgenden<br />

Werte zu bestimmen:<br />

• TSH, fT4<br />

• Kreatinin<br />

• Cortisol<br />

• Urinstatus<br />

Behandlung – Allgemeines<br />

Grundsätzlich müssen fast alle Kin<strong>der</strong> mit Fettstoffwechselstörung<br />

diätetisch und/o<strong>der</strong> medikamentös<br />

behandelt werden. Schwierig ist<br />

eine Festlegung, ab welcher Verän<strong>der</strong>ung von<br />

Laborparametern eine Ernährungsmodifikation<br />

alleine nicht mehr ausreicht und eine zusätzliche<br />

Medikamentengabe notwendig wird. Dies<br />

lässt sich nur in <strong>der</strong> Gesamtschau von Alter,<br />

klinischer Situation (liegen weitere Risikofaktoren<br />

vor?) und Familienanamnese entscheiden<br />

und basiert nie alleine auf <strong>der</strong> Konzentration<br />

von Laborparametern. Grundsätzlich kann<br />

durch vermehrte körperliche Aktivität, sofern<br />

nicht ohnehin schon bestehend, das Lipidprofil<br />

verbessert werden 3), 4), 12–14) .<br />

Diät<br />

Die Grundlage <strong>der</strong> Behandlung <strong>der</strong> meisten<br />

Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter ist<br />

eine Ernährungsmodifikation. Für die familiäre<br />

Hypercholesterinämie bedeutet dies eine<br />

Reduktion tierischer, gesättigter Fette in <strong>der</strong><br />

Nahrung und die Meidung beson<strong>der</strong>s cholesterinhaltiger<br />

Lebensmittel (v. a. Eigelb, Fleisch<br />

mit sichtbarem Fett, Butter). Die Fettzufuhr<br />

sollte bevorzugt einfach ungesättigte Fettsäuren<br />

(z. B. aus Walnuss-, Raps-, o<strong>der</strong> Olivenöl)<br />

enthalten und auf 30–35% <strong>der</strong> Gesamtkalorien<br />

begrenzt werden. Im Gegensatz dazu muss<br />

die Zufuhr von pflanzenfettreichen Produkten<br />

bei Vorliegen einer Sitosterolämie vermieden<br />

werden, während hier tierische Fette «erlaubt»<br />

sind. Für einzelne Krankheiten, z. B. die<br />

familiäre Hypertriglyceridämie, ist eine Reduktion<br />

des Fettanteils in <strong>der</strong> Nahrung auf<br />

< 25% sowie eine Vermeidung hohen Zuckerkonsums<br />

therapeutisch ausreichend. Hingegen<br />

erzielt die Diät <strong>der</strong> familiären Hypercholesterinämie<br />

auch bei strikter Einhaltung oft<br />

keine befriedigenden Ergebnisse, weil eine<br />

Reduktion <strong>der</strong> Cholesterinwerte im Plasma<br />

nur um 10% bis maximal 20% gelingt und dies<br />

für viele Patienten nicht ausreichend ist 3) .<br />

Der Erfolg einer cholesterinarmen Diät ist zum<br />

Teil genetisch determiniert, wobei insbeson<strong>der</strong>e<br />

Apolipoprotein E-Phänotypen als Prädiktoren<br />

für gutes bzw. schlechtes Ansprechen<br />

dienen 15) .<br />

Medikamente<br />

Mehrere Medikamente mit jeweils unterschiedlichem<br />

Wirkmechanismus stehen zur<br />

Verfügung, in <strong>der</strong> Praxis reduziert sich aus<br />

verschiedenen Gründen die Auswahl auf nur<br />

wenige Wirkstoffe. Grundsätzlich soll eine<br />

medikamentöse Therapie stets begleitend zur<br />

Fortführung <strong>der</strong> Diät erfolgen 3) .<br />

Ionen-Austauscherharze (z. B. Colestyramin)<br />

sind grosse, wasserunlösliche Moleküle,<br />

die nicht resorbiert werden, aber im Darm<br />

Gallensäuren binden und damit die Lipidresorption<br />

vermin<strong>der</strong>n. In <strong>der</strong> Praxis kann dies<br />

jedoch nur gelingen, wenn die Medikamente<br />

zu je<strong>der</strong> fetthaltigen Mahlzeit eingenommen<br />

werden. Daraus, und aus dem unangenehmen<br />

Gefühl bei oraler Einnahme, resultiert jedoch<br />

eine (nachvollziehbare) schlechte Compliance,<br />

welche die ohnehin beschränkte Wirksamkeit<br />

<strong>der</strong> Ionen-Austauscherharze weiter<br />

vermin<strong>der</strong>t. Auch wenn Konsensusempfehlungen<br />

zum Teil noch den Einsatz von Ionen-<br />

Austauscherharzen als Stufe 1 <strong>der</strong> medikamentösen<br />

Therapie vorsehen, ist dies in <strong>der</strong><br />

Praxis <strong>der</strong> Autoren dieses Artikels nur für<br />

einzelne Patienten eine dauerhaft annehmbare<br />

Option.<br />

HMG-CoA-Reduktase-Hemmer (synonym:<br />

Statine) beeinflussen die endogene Cholesterinsynthese<br />

in einem sehr frühen Schritt und<br />

reduzieren damit die intrazelluläre Cholesterinverfügbarkeit.<br />

Gleichzeitig wird die Empfindlichkeit<br />

von LDL-Rezeptoren gesteigert, so<br />

dass vermehrt LDL-gebundenes Cholesterin in<br />

die Zelle aufgenommen wird. Somit sind Statine<br />

wirksame Medikamente zur Senkung von<br />

Gesamt- und LDL-Cholesterin, wobei je nach<br />

Wirkstoff eine Senkung um bis zu 40% gelingt.<br />

In jedem Fall ist eine Kombination mit einer<br />

Diät sinnvoll, weil von einer Addition <strong>der</strong> Wirksamkeit<br />

ausgegangen werden kann 12)–14) . In <strong>der</strong><br />

Schweiz ist Pravastatin (Selipran ® ) als einziges<br />

Statin bereits ab 8 Jahren zugelassen.<br />

Ezetimib ist ein vergleichsweise neuer Wirkstoff,<br />

welcher die Resorption von Cholesterin<br />

am Bürstensaum von Dünndarmzellen durch<br />

Inhibition eines Steroltransporters (NPC1L1)<br />

hemmt. Die Wirksamkeit <strong>der</strong> Cholesterinsenkung<br />

liegt bei ca. 25%. Somit kann <strong>der</strong> Einsatz<br />

vor allem bei familiärer Hypercholesterinämie<br />

durchaus sinnvoll sein. Aufgrund bislang fehlen<strong>der</strong><br />

Langzeitstudien und nur relativ geringer<br />

Erfahrung mit dem Einsatz bei Kin<strong>der</strong>n<br />

kann Ezetimib <strong>der</strong>zeit jedoch nur als Reservemedikament<br />

angesehen werden.<br />

Fibrate sind in ihrem Wirkmechanismus nicht<br />

vollständig aufgeklärt, vermutet wird eine<br />

Steigerung <strong>der</strong> Aktivität <strong>der</strong> Lipoproteinlipase<br />

und damit eine verbesserte Aufnahme von<br />

Triglyceriden. Fibrate spielen jedoch in <strong>der</strong><br />

Behandlung von Kin<strong>der</strong>n keine grosse Rolle.<br />

Lipidapherese, Plasmapherese<br />

Als ultima ratio können bereits im Kindesalter<br />

Lipidapherese o<strong>der</strong> Plasmapherese eingesetzt<br />

werden, sofern durch an<strong>der</strong>e Massnahmen<br />

keine ausreichende Stoffwechseleinstellung<br />

gelingt. In jedem Fall sind diese Verfahren bei<br />

Vorliegen einer homozygoten familiären Hypercholesterinämie<br />

frühzeitig zu diskutieren.<br />

26


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Fortbildung<br />

Verlaufsuntersuchungen<br />

Klinische Verlaufskontrollen sollen zu Beginn<br />

<strong>der</strong> Behandlung das Verständnis von<br />

Eltern und Patienten und damit die Compliance<br />

verbessern. Patienten sollen motiviert<br />

werden, die Diät möglichst konsequent einzuhalten<br />

sowie, falls erfor<strong>der</strong>lich, ihre Medikamente<br />

regelmässig einzunehmen. Dabei mag<br />

es gerade im Kindes- und Jugendalter eine<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung darstellen, die Notwendigkeit<br />

<strong>der</strong> konsequenten Behandlung darzustellen,<br />

ohne übertriebene Ängste zu erzeugen.<br />

Laborchemische Kontrollen sind zu Beginn<br />

im Abstand von 6 Monaten sowie bei Erreichen<br />

einer guten Stoffwechseleinstellung alle<br />

12 Monate sinnvoll. Bei Einnahme von Statinpräparaten<br />

sollen dabei jeweils Transaminasen<br />

und Kreatinkinase im Plasma mit bestimmt<br />

werden. Sinnvoll ist eine Blutabnahme<br />

beim nüchternen Patienten, wobei Cholesterinwerte,<br />

an<strong>der</strong>s als Triglyceride, postprandial<br />

nur gering ansteigen.<br />

Der Stellenwert sonographischer Untersuchungen<br />

<strong>der</strong> Intima-Media-Dicke <strong>der</strong> Arteria<br />

carotis ist stark vom Vorhandensein eines<br />

hochauflösenden Linearschallkopfes sowie<br />

<strong>der</strong> Erfahrung des Untersuchers einschliesslich<br />

seiner konstanten Verfügbarkeit abhängig.<br />

Im klinischen Alltag mag eher Verunsicherung<br />

entstehen, sofern nicht <strong>der</strong> stets selbe<br />

erfahrene Untersucher die Sonographie<br />

durchführt.<br />

Bei sehr hohen Cholesterinwerten und bei<br />

stark belasteter Familienanamnese sind regelmässige<br />

Kontrollen von Echokardiographie<br />

und Belastungs-EKG sinnvoll.<br />

Prognose<br />

Die Prognose von Fettstoffwechselstörungen<br />

hängt, wie dargestellt, von vielen Faktoren ab<br />

und kann nicht alleine von einer Besserung<br />

o<strong>der</strong> Normalisierung einzelner Laborparameter<br />

abgeleitet werden. Betont werden soll<br />

nochmals, dass die Vermeidung zusätzlicher<br />

Risikofaktoren und eine Optimierung <strong>der</strong> Lebensumstände<br />

gemeinsam mit verbesserten<br />

Laborparametern die Prognose günstig beeinflusst<br />

1)–3) .<br />

Zusammenfassung<br />

Fettstoffwechselstörungen stellen einen relevanten<br />

Risikofaktor für die vorzeitige Entwicklung<br />

arteriosklerotischer Gefässläsionen dar<br />

und sollen daher so früh wie möglich diagnostiziert<br />

und behandelt werden. Dabei kommt<br />

einer sorgfältigen Familienanamnese eine<br />

grosse Bedeutung zu, vor allem zur Risikoabschätzung<br />

angesichts <strong>der</strong> multifaktoriellen<br />

Ursachen <strong>der</strong> Arteriosklerose. Bei positiver<br />

Familienanamnese sind gezielte Untersuchungen<br />

des Lipidprofils im Plasma bereits im<br />

Kleinkindesalter indiziert, auch bei Fehlen<br />

einer familiären Belastung ist eine einmalige<br />

Cholesterinbestimmung im Jugendalter sinnvoll.<br />

Bei erhöhten Werten des LDL-Cholesterins<br />

ist ab dem Kleinkindesalter eine fettmodifizierte<br />

Diät indiziert, je nach Verlauf zusätzlich<br />

eine medikamentöse Therapie. Hier sind<br />

Statine, zumindest ab dem Alter von 8 Jahren,<br />

in erster Linie einzusetzen. Medikamente zur<br />

Behandlung einer Fettstoffwechselstörung<br />

ersetzen nicht, son<strong>der</strong>n begleiten eine Diät.<br />

Die Betreuung von Kin<strong>der</strong>n mit Fettstoffwechselstörungen<br />

soll in Zusammenarbeit mit<br />

einem Stoffwechselzentrum erfolgen, dies<br />

mindestens in <strong>der</strong> initialen Phase <strong>der</strong> Diagnosestellung<br />

und während <strong>der</strong> Therapieeinleitung.<br />

Fazit für die Praxis<br />

Den Autoren dieses Beitrages erscheint wichtig,<br />

in <strong>der</strong> Praxis keine Fokussierung betroffener<br />

Familien alleinig auf Plasma-Cholesterinwerte<br />

zu för<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n die Hyper -<br />

cholesterinämie als einen Risikofaktor unter<br />

zahlreichen an<strong>der</strong>en zu betrachten. Neben<br />

<strong>der</strong> Senkung erhöhter Cholesterinwerte ist<br />

eine Beachtung von Lebensumständen, Ernährung,<br />

Bewegung, Gewicht als mindestens<br />

gleichwertige Herausfor<strong>der</strong>ung anzusehen.<br />

Die Familienanamnese ist zentral in <strong>der</strong> Beurteilung<br />

<strong>der</strong> Gesamtsituation. Bei positiver<br />

Familienanamnese sind gezielte Untersuchungen<br />

des Lipidprofils im Plasma bereits im<br />

Kleinkindesalter indiziert.<br />

Die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen<br />

ist komplex und schliesst eine Steigerung<br />

<strong>der</strong> körperlichen Aktivität und die Vermeidung<br />

weiterer Risikofaktoren ebenso mit ein wie<br />

eine Diät und Medikamente.<br />

Referenzen<br />

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cardiovascular health in childhood. Pediatrics<br />

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Wmj 2012; 111 (6): 274–81; quiz 282.<br />

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Hyperlipidämien bei Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen.<br />

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(APS) 2007; http://www.aps-med.<br />

de/documents/hyperlipid-22-12-2007.pdf.<br />

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familial hypercholesterolaemia. Eur Heart J 2013;<br />

34 (13): 962–71.<br />

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apolipoprotein B-100: a mutation emerged in the<br />

mesolithic ancestors of Celtic peoples? Atherosclerosis<br />

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6) Hegele, R.A., Plasma lipoproteins: genetic influences<br />

and clinical implications. Nat Rev Genet 2009;<br />

10 (2): 109–21.<br />

7) Brown, M.S., P.T. Kovanen, and J.L. Goldstein, Regulation<br />

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Science 1981; 212 (4495): 628–35.<br />

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genetic analysis, and treatment of sitosterolemia<br />

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(4): 437–43.<br />

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(9385): 717–31.<br />

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E polymorphism and its association with<br />

serum lipid levels in Brazilian children. Hum Biol<br />

2004; 76 (2): 267–75.<br />

Korrespondenzadresse<br />

Prof. Johannes Häberle<br />

Abteilung für Stoffwechselkrankheiten<br />

Universitäts-Kin<strong>der</strong>spital Zürich<br />

Steinwiesstrasse 75<br />

CH-8032 Zürich<br />

Johannes.Haeberle@kispi.uzh.ch<br />

Die Autoren haben keine finanzielle Unterstützung<br />

und keine an<strong>der</strong>en Interessenkonflikte<br />

im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.<br />

27


Fortbildung<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Was können wir einem adipösen Kind<br />

und seiner Familie anbieten?<br />

Erfahrungen eines spezialisierten Zentrums.<br />

S. Borloz, Ch. Moser, B. Crottet, S. Van Beirs, S. Krayenbuhl, A. Balz, E. Elowe-Gruau,<br />

M. Decarli-Diserens, D. Laufer, J. Pu<strong>der</strong>, M. Hauschild<br />

Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds<br />

Division d’endocrinologie, diabétologie et obésité pédiatrique, Département médico chirurgical de pédiatrie, CHUV,<br />

site Hôpital de l’Enfance, Chemin de Montétan 16, 1004 Lausanne.<br />

Adipositas im Kindesalter,<br />

wer ist Risikopatient?<br />

Der<br />

Im Alltag <strong>der</strong> pädiatrischen Praxis wird die<br />

kindliche Adipositas und ihre Betreuung zu<br />

einem immer häufigeren Problem. Zur Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

werden die Erkennung und Betreuung<br />

des Risikokindes: wer? wann? Das «Risikokind»<br />

adipös zu werden, ist ein Kind:<br />

• Mit Makrosomie o<strong>der</strong> intrauterinem Wachstumsrückstand<br />

• Mit Übergewicht: BMI über P 90 auf <strong>der</strong><br />

WHO- o<strong>der</strong> SGP-Kurve<br />

• Dessen Gewichtskurve die Perzentilenkurve<br />

(durchkreuzt)<br />

• Dessen Lebensgewohnheiten eine Gewichtszunahme<br />

begünstigen (zu reichhaltige<br />

Ernährung, zu wenig Bewegung, zuviel<br />

Zeit vor dem Bildschirm, zuwenig Schlaf)<br />

• Das in einem ungünstigen psychologischen<br />

Umfeld aufwächst<br />

• Mit zumindest einem adipösen Elternteil<br />

• Das zu Risikopopulationen gehört (nichtkaukasisch,<br />

eingewan<strong>der</strong>t, mit bescheidenen<br />

1), 2)<br />

Ausbildungsniveau)<br />

Min<strong>der</strong>wertiges Selbstbild<br />

Ausgelacht werden<br />

Schuldgefühle<br />

Mit sich selbst<br />

unzufrieden<br />

Isst zu viel<br />

Knabbereien<br />

Abbildung 1: Teufelskreis <strong>der</strong> Diäten<br />

Vermehrt Gelüste<br />

günstigste Zeitpunkt, um nach Risikofaktoren<br />

zu suchen und einen angepassten Lebensstil<br />

zu för<strong>der</strong>n, ist das Kleinkindesalter.<br />

Die erfolgversprechendsten therapeutischen<br />

Resultate werden in diesem Alter erzielt.<br />

Ziel von Abklärung und Beratung sind langfristig:<br />

1. Psychisches Wohlbefinden, gestärkte Selbstachtung,<br />

bessere Lebensqualität für Kind<br />

und Familie<br />

2. Stabilisierung des Gewichtes bei Übergewicht,<br />

leichte Senkung bei Adipositas<br />

3. Verhaltensän<strong>der</strong>ung<br />

4. Vorbeugung von Komorbiditäten 3)<br />

Lei<strong>der</strong> genügt eine vorbeugende Beratung<br />

nicht immer. Bestehen eines o<strong>der</strong> mehrere <strong>der</strong><br />

folgenden Kriterien, sollte die Zuweisung an<br />

ein spezialisiertes Zentrum erwogen werden:<br />

• Adipöses Kind: BMI über P 97 auf <strong>der</strong> WHOo<strong>der</strong><br />

SGP-Kurve<br />

• Versagen <strong>der</strong> individuellen Betreuung in <strong>der</strong><br />

Praxis<br />

• Bedarf einer interdisziplinären Betreuung<br />

• Bedarf o<strong>der</strong> Interesse für Gruppentherapie 1)<br />

Wunsch,<br />

Gewicht<br />

zu verlieren<br />

Frustration<br />

Diäten<br />

Verbotene<br />

Nahrungsmittel<br />

Besseres<br />

Befinden !!! Momentan !!!<br />

Unsere Erfahrungen<br />

Die Abteilung für pädiatrische Endokrinologie,<br />

Diabetologie und Adipositas des CHUV in<br />

Lausanne betreut übergewichtige Kin<strong>der</strong> sowohl<br />

in Gruppenprogrammen (Diskussionsgruppen<br />

und angepasste körperliche Betätigung)<br />

als auch individuell. Die Programme<br />

werden dem Alter angepasst (jeweils Gruppen<br />

von 2–6-, 7–12- und 13–18-jährigen Kin<strong>der</strong>n)<br />

und dauern zwei Monate bis ein Jahr.<br />

Die Mehrzahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, für die langfristig ein<br />

Übergewichtrisiko besteht, kann anhand des<br />

Verlaufes <strong>der</strong> BMI-Kurve und einer Abweichung<br />

<strong>der</strong> Perzentilenkurve im Alter von 3–4<br />

bzw. 5–6 Jahren ausgemacht werden. Dies<br />

unterstreicht, wie wichtig es ist, die BMI-<br />

Kurve systematisch mit mindestens drei<br />

Punkten einzutragen 4) . Im Mittelpunkt <strong>der</strong><br />

Betreuung stehen in diesem Alter die Eltern<br />

und die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> familiären Essgewohnheiten<br />

2) .<br />

Seit 1997 wird in einem Kurs für Eltern adipöser,<br />

2–6-jähriger Kin<strong>der</strong> das Schwergewicht<br />

auf die Unterstützung <strong>der</strong> Eltern gelegt um<br />

möglichst früh die Lebensgewohnheiten dieser,<br />

meist an familiärer Adipositas leidenden<br />

Risikofamilien, zu än<strong>der</strong>n 5) . Während den<br />

Gruppendiskussionen für die Eltern haben die<br />

Kin<strong>der</strong> Gelegenheit zu körperlicher Betätigung,<br />

Nahrungsmittel zu kosten o<strong>der</strong> Geschichten<br />

zu hören zum Thema Unterschied<br />

o<strong>der</strong> Auslachen, dem adipöse Kin<strong>der</strong> oft<br />

ausgesetzt sind. Die Kurse finden im Prinzip<br />

einmal monatlich statt, anfangs etwas häufiger,<br />

dann seltener, insgesamt 8 Sitzungen<br />

über 9 Monate verteilt. Es haben ca. 30 Familien<br />

daran teilgenommen. Der BMI hat sich<br />

während dieser Zeitdauer stabilisiert. Die Eltern<br />

zeigten sich nach Ablauf des Programmes<br />

sehr zufrieden. Seitens <strong>der</strong> Therapeuten<br />

nahmen eine Diätassistentin, eine Psychologin,<br />

eine Physiotherapeutin, eine speziell<br />

ausgebildete Sportwissenschaftlerin und ein<br />

Kin<strong>der</strong>arzt am Programm teil. Hauptproblematik<br />

<strong>der</strong> betroffenen Familien in unseren<br />

Gruppen waren die Abneigung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>,<br />

Neues zu essen und das Fehlen von Regeln<br />

betreffend Essen, Zubettgehen, Bildschirmzeit<br />

und körperlicher Betätigung. Die Diskussionsrunden<br />

unter Eltern führen zum Austausch<br />

von Erfahrungen und Lösungsvorschlägen.<br />

Die Freude <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> an Bewegung<br />

kann die Eltern anhalten, für die ganze Familie<br />

aktivere Betätigungen zu planen.<br />

28


1006712


im Zusammenhang mit Aktivitäten des täglichen Lebens o<strong>der</strong> Sport<br />

Fortbildung<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Ausgeglichene Ernährung<br />

o<strong>der</strong> Diät?<br />

Zahlreiche Studien belegen, dass restriktive<br />

Diäten Frustrationen und Unzufriedenheit<br />

hervorrufen. Langfristig führen «Wun<strong>der</strong>diäten»<br />

beim Erwachsenen in 95% <strong>der</strong> Fälle zu<br />

Gewichtszunahme 6) .<br />

Ziel unseres Programmes ist es, die Gewichtszunahme<br />

unter Berücksichtigung des Wachstums<br />

einzuschränken. Körpersignale er kennen<br />

(Hunger, Sättigungsgefühl usw.), das<br />

Be rücksichtigen aller Sinne («mindfulness»)<br />

während <strong>der</strong> Mahlzeiten und das Erkennen<br />

von Zeitpunkten und Ursachen, die das Kind<br />

zum Essen anregen, ohne Hunger zu haben<br />

sind Schlüsselthemen, die mit Kin<strong>der</strong>n und<br />

Eltern besprochen werden. Weitere Punkte<br />

sind das Erstellen von Familienregeln wie:<br />

gemeinsame Mahlzeiten, am Tisch sitzend,<br />

ohne Fernsehen usw. Jede noch so kleine<br />

positive Verhaltensän<strong>der</strong>ung wird ermuntert<br />

mit dem Ziel, die Familienstruktur zu stärken.<br />

Welche körperliche Aktivität?<br />

Inaktives Verhalten beschränken und die Gelegenheiten<br />

zu körperlicher Betätigung mehren,<br />

stellen bei <strong>der</strong> Betreuung dieser Kin<strong>der</strong><br />

und Familien eine Herausfor<strong>der</strong>ung dar. Die<br />

Familie spielt für Motivation und beim Aufteilen<br />

<strong>der</strong> häuslichen Aufgaben eine wesentliche<br />

Rolle:<br />

• Tägliche Aufgaben wie Abfallsack auf die<br />

Strasse stellen, Zimmer aufräumen, Tisch<br />

decken<br />

• Transporte: Zu Fuss o<strong>der</strong> mit dem Fahrrad,<br />

eine Haltestelle früher aus dem Bus steigen<br />

o<strong>der</strong> bis zur nächsten Haltestelle gehen<br />

anstatt zu warten<br />

Abbildung 2: Ernährungsscheibe<br />

• Bei je<strong>der</strong> Gelegenheit die Treppen benutzen<br />

• Draussen spielen, den Hund spazieren<br />

führen usw.<br />

Regelmässiger Bewegung stellen sich jedoch<br />

eine grosse Anzahl körperlicher, psychologischer,<br />

sozialer und wirtschaftlicher Hin<strong>der</strong>nisse<br />

entgegen. Bei <strong>der</strong> Betreuung von adipösen<br />

Kin<strong>der</strong>n und Adoleszenten müssen körperliche<br />

Aktivitäten den Fähigkeiten und Bedürfnissen<br />

angepasst werden, damit sie Freude daran<br />

haben und sich dabei wohl fühlen. Sportliche<br />

und an<strong>der</strong>e körperliche Aktivitäten sind interessante<br />

Integrationsvektoren und sollen den<br />

Kin<strong>der</strong>n erlauben, Erfahrungen in einem nicht<br />

stigmatisierenden Umfeld zu machen.<br />

Welche psychologischen<br />

Gesichtspunkte müssen<br />

berücksichtigt werden?<br />

Bei adipösen Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen sind<br />

bestimmte psychologische Bereiche beson<strong>der</strong>s<br />

betroffen: Selbstachtung und Selbstbild,<br />

emotionale Anpassung, anxio-depressive<br />

Stimmungslage 7) . Das Selbstwertgefühl ist bei<br />

Übergewichtigen meist geschwächt 8) und wird<br />

durch die Interaktion von Selbstbild und sozialem<br />

Urteil, das Adipositas nach Vorurteilen<br />

und Stereotypen einschätzt, bedingt. Zudem<br />

führt das negative Selbstbild mit zunehmendem<br />

BMI zu wachsen<strong>der</strong> Unzufriedenheit und<br />

damit assoziierten depressiven Symptomen 9)<br />

und gestörter emotionaler Anpassungsfähigkeit,<br />

insbeson<strong>der</strong>e Langeweile, Angstgefühl,<br />

Traurigkeit und Ärger. Essen dient dann als<br />

Anästhetikum, das den Zugang zur Identifizierung<br />

und Empfindung von Gefühlsregungen<br />

blockiert. Die oft bestehende soziale Isolierung<br />

kann diese Symptome noch verstärken 8) .<br />

Mindestens eine Stunde pro Tag<br />

flexibel<br />

bleiben<br />

Stärkung<br />

<strong>der</strong> Muskeln<br />

Mehrmals<br />

pro Woche<br />

Stärkung<br />

<strong>der</strong> Knochen<br />

Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Fähigkeit<br />

Stimulieren<br />

desHerz-<br />

Kreislauf-<br />

Systems<br />

Abbildung 3. Aktivitäten des täglichen Lebens<br />

o<strong>der</strong> Sport<br />

Diese psychologischen Aspekte können mit<br />

den Kin<strong>der</strong>n und Eltern angegangen werden,<br />

wenn eine gewisse Motivation zur Verhaltensän<strong>der</strong>ung<br />

besteht. Um eine optimale Betreuung<br />

zu ermöglichen, haben Doutrelugne und<br />

Cottencin 10) ein Raster entwickelt, um die<br />

Patienten bei <strong>der</strong>en Aufnahme in die Gruppe<br />

einzuteilen. Der Patient wird demnach als<br />

Tourist – zugewiesen, sagt, keine Probleme<br />

zu haben –, als Kläger – Opfer aussenstehen<strong>der</strong><br />

Probleme – o<strong>der</strong> als Kunde – erkennt sein<br />

Problem, hat ein Handlungsbedürfnis und<br />

bestimmte Zielvorstellungen – bezeichnet.<br />

Es scheint uns im Rahmen <strong>der</strong> Adipositassprechstunde<br />

wichtig, die «Touristenfamilie»<br />

zu stützen und durch die Kontrollen ein Bündnis<br />

und eine Bindung aufrecht zu erhalten.<br />

Das Bündnis kann durch Zentrierung auf die<br />

«existentiellen Vorstellungen <strong>der</strong> Eltern für ihr<br />

Kind» sowie die bereits unternommenen positiven<br />

Schritte und durch Hervorheben <strong>der</strong><br />

elterlichen Kompetenzen gestärkt werden.<br />

Der therapeutische Approach <strong>der</strong> «Klägerfamilie»<br />

konzentriert sich auf das Aufdecken<br />

beschränken<strong>der</strong> Elemente (mit <strong>der</strong> Problematik<br />

zusammenhängende Elemente, welche die<br />

Familie nicht zu än<strong>der</strong>n vermag) und an<strong>der</strong>erseits<br />

von Problemen, auf welche die Familie<br />

einwirken kann. Ist für die beschränkenden<br />

Elemente das Akzeptieren die einzige Möglichkeit,<br />

erlaubt das Identifizieren von Problemen,<br />

nach Handlungs- und Lösungsmöglichkeiten<br />

zu suchen. Die Familie kann damit ihre<br />

Problematik neu definieren, im Bewusstsein<br />

<strong>der</strong> Hin<strong>der</strong>nisse und <strong>der</strong> verfügbaren Handlungsmöglichkeiten.<br />

Wird die Familie zum «Kunden», dann werden<br />

die Suche nach Interventionsstrategien und<br />

das Festlegen minimaler Verhaltensän<strong>der</strong>ungen<br />

realisierbar. Motivation zur Verän<strong>der</strong>ung<br />

und elterliches Gefühl <strong>der</strong> Effizienz werden<br />

gestärkt. Die Zusammenarbeit des therapeutischen<br />

und des elterlichen Systems erlaubt<br />

es dem Kind, aktiv mitzuarbeiten. Es besteht<br />

somit eine Motivation zur Än<strong>der</strong>ung, was den<br />

Prozess begünstigt.<br />

Und die medizinischen Aspekte?<br />

Adipositas und metabolisches<br />

Syndrom<br />

Das metabolische Syndrom (MS) ist eine <strong>der</strong><br />

möglichen Komplikationen <strong>der</strong> Adipositas und<br />

bezeichnet einen Zustand, <strong>der</strong> die Adipositas<br />

mit einer Reihe Störungen assoziiert: Fett- und<br />

Kohlehydratstoffwechsel-, prothrom botische,<br />

proinflammatorische Störung und arterielle<br />

Hypertonie. Im Kindes- und Adoleszentenalter<br />

30


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Fortbildung<br />

beruhen die Kriterien, die das «metabolische<br />

Syndrom» definieren, auf <strong>der</strong> Publikation von<br />

Zimmer et al. 11) , und schliessen nebst <strong>der</strong><br />

Stammfettsucht, geschätzt durch den Bauchumfang,<br />

zwei <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Tabelle 1 aufgeführten<br />

(altersabhängigen) Kriterien ein. Die in dieser<br />

Definition verwendeten klinischen Kriterien<br />

sollen es erlauben, jene Patienten ausfindig zu<br />

machen, bei denen ein hohes Risiko besteht,<br />

an einer Herzkreislaufkrankheit o<strong>der</strong> an Diabetes<br />

Typ 2 zu erkranken. Die Insulinresistenz<br />

gehört nicht zur Definition des MS, ist jedoch<br />

beim Adipösen oft vorhanden.<br />

Insulinresistenz<br />

Für die zelluläre Dysfunktion mit vermehrter<br />

Apoptose und entzündlicher Reaktion, die zur<br />

Freisetzung von spezifischen Signalmolekülen<br />

führt (Adipokine), ist insbeson<strong>der</strong>e die inadäquate<br />

Lipidspeicherung in den Adipozyten<br />

verantwortlich. Die Insulinresistenz scheint<br />

durch die Wirkung <strong>der</strong> Entzündungsmetabolite<br />

und Adipokine auf den Transduktionsmechanismus<br />

des Insulinrezeptors in den Zielzellen (Endothel-,<br />

Muskelzellen, Adipozyten) bedingt zu<br />

sein. Spezifisch greifen diese Moleküle in die<br />

intrazellulären Mechanismen von ATP/ADP/<br />

Akt-Protein ein, welche die Translokation <strong>der</strong><br />

spezifischen insulinabhängigen Glukosetransporter<br />

GLUT4 regulieren. Dieselben Mechanismen<br />

sind wahrscheinlich für die akute Insulinresistenz<br />

bei Stress o<strong>der</strong> Infekt verantwortlich.<br />

Anfangs passt sich die Insulinsekretion diesem<br />

Prozess an, wird also bei Glukosebelastung<br />

stimuliert um einen normalen Blutglukosespiegel<br />

aufrecht zu erhalten. Die chronische<br />

Aktivierung <strong>der</strong> Insulinausschüttung, verbunden<br />

mit <strong>der</strong> toxischen Wirkung von Lipidmetaboliten<br />

und proinflammatorischen Zytokinen<br />

auf die beta-Pankreaszellen, führen zu einer<br />

zunehmenden relativen Insuffizienz <strong>der</strong> Insulinsekretion,<br />

was den Diabetes Typ 2 kennzeichnet.<br />

Körperliche Tätigkeit stimuliert den Glukoseverbrauch<br />

durch Aktivierung <strong>der</strong> endogenen<br />

intrazellulären Signale in den Muskelzellen 12) .<br />

Irisin, ein 2012 neuentdecktes Hormon (Myokin),<br />

wird durch den Muskel ausgeschieden<br />

und aktiviert offenbar die thermische Funktion<br />

im Fettgewebe, reguliert damit den Stoffwechsel<br />

<strong>der</strong> Adipozyten und steigert den<br />

Energieaufwand 13) . Es ist demnach wahrscheinlich<br />

an <strong>der</strong> Abnahme <strong>der</strong> Insulinresistenz<br />

durch körperliche Tätigkeit beteiligt.<br />

Herzkreislaufstörungen<br />

Der pathophysiologische Mechanismus <strong>der</strong><br />

Schädigung von Herz und Kreislauforganen beginnt<br />

mit einer entzündungsbedingten Endotheldysfunktion<br />

und Verdickung <strong>der</strong> intima media<br />

durch Ablagerung von Lipiden o<strong>der</strong> Zelltrümmern.<br />

Die Folge sind Lumeneinengung durch<br />

Atherome, Behin<strong>der</strong>ung des Blutflusses und<br />

damit <strong>der</strong> Sauerstoffversorgung <strong>der</strong> Organe.<br />

Weitere assoziierte Faktoren<br />

Ein MS kann unter ganz verschiedenen Umständen<br />

angetroffen werden und hängt von<br />

zahlreichen Faktoren ab, u.a. ethnischer Abstammung,<br />

Pubertätsstadium, frühzeitige<br />

Pubarche, Adipositas (v.a. Stamm), genetischer<br />

Faktoren, Schwangerschaftsdiabetes,<br />

intrauteriner Wachstumsrückstand o<strong>der</strong> ausgeprägter<br />

postnataler Gewichtszunahme 14) .<br />

Das adipositasbedingte MS geht mit erhöhter<br />

Morbidität und Mortalität einher, im Wesentlichen<br />

bedingt durch Herzkreislaufstörungen<br />

wie Hypertonie und Atherosklerose. Weitere<br />

potentiell befallene Organe sind Augen, Nieren<br />

und das Nervensystem. Eine Lebersteatose<br />

kann sich ebenfalls entwickeln sowie das<br />

Syndrom <strong>der</strong> polzystischen Ovarien, gekennzeichnet<br />

durch ein gestörtes Gleichgewicht<br />

<strong>der</strong> Sexualhormone, einhergehend mit einer<br />

Hyperandrogenämie.<br />

Abklärung<br />

Die Abklärung umfasst die Suche nach Zeichen<br />

einer spezifischen Ätiologie und nach<br />

einer Komorbidität.<br />

Behandlungsmöglichkeiten<br />

Die therapeutischen Ansätze im Kindesalter<br />

zeichnen sich durch ein möglichst «unmedizinisches»<br />

Vorgehen und pluridisziplinäre Verhaltenstherapie<br />

aus. Verschiedene Studien<br />

haben aufgezeigt, dass eine «Än<strong>der</strong>ung des<br />

Lebensstils» einer medikamentösen Behandlung<br />

überlegen ist. Gezielte Behandlung, gemäss<br />

den entsprechenden Empfehlungen, ist<br />

jedoch bei arterieller Hypertonie, Fett- o<strong>der</strong><br />

Glukosestoffwechselstörung o<strong>der</strong> einer ovariellen<br />

Dysfunktion notwendig.<br />

Zukunftsperspektiven: Noch in <strong>der</strong> Studienphase<br />

befindet sich die Behandlung <strong>der</strong> Adipozytendysfunktion<br />

und des proinflammatorischen<br />

Prozesses.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die kindliche Adipositas stellt in <strong>der</strong> täglichen<br />

Praxis eine grosse Herausfor<strong>der</strong>ung dar. Die<br />

langfristigen Risiken sind zwar gut bekannt,<br />

die Betreuung jedoch langwierig und mühsam,<br />

für die Patienten und die Familie ebenso<br />

wie für die Therapeuten. Der Erfolg hängt von<br />

<strong>der</strong> Motivation des Patienten und dem Willen<br />

<strong>der</strong> Familie ab, Än<strong>der</strong>ungen ihrer Lebensgewohnheiten<br />

zu akzeptieren. Gewisse Fälle<br />

benötigen eine spezialisierte Betreuung sowie<br />

medizinische, psychologische und diätetische<br />

Abklärungen durch ein pluridisziplinäres<br />

Team. Gruppenprogramme können dann angeboten<br />

werden als Ergänzung zur individuellen<br />

Behandlung. Der therapeutische Ansatz<br />

sollte auf Verständnis, Führung und Än<strong>der</strong>ung<br />

des täglichen Verhaltens von Kind und Familie<br />

ausgerichtet sein.<br />

Alter (Jahre) Bauchumfang Triglyceride<br />

(mmol/L)<br />

HDL-Cholesterol<br />

(mmol/L)<br />

Blutdruck<br />

(mmHg)<br />

Nüchternblutzucker<br />

(mmol/L)<br />

6 < 10 ≥ P90 2)<br />

Keine diagnostische Kriterien des MS<br />

10 < 16 ≥ P90 2) ≥ 1.7 ≤ 1.03 BD syst.≥ 130 o<strong>der</strong> BD<br />

dias.≥ 85<br />

≥ 5.6 o<strong>der</strong> Diabetes<br />

Typ 2<br />

≥ 16<br />

≥ 94 cm ♂<br />

≥ 80 cm ♀<br />

≥ 1.7 o<strong>der</strong> spezifische<br />

Behandlung im Gange<br />

≤ 1.03 (Mann)<br />

≤ 1.29 (Frau) o<strong>der</strong><br />

spezi fische Behandlung<br />

im Gange<br />

BD syst.≥ 130 o<strong>der</strong> BD<br />

dias.≥ 85 o<strong>der</strong><br />

spezifische Behandlung<br />

im Gange<br />

≥ 5.6 o<strong>der</strong> Diabetes<br />

Typ 2<br />

Tabelle 1: Kriterien zur Definition des metabolischen Syndroms 11) . Die Diagnose metabolisches Syndrom beruht auf einer Stammadipositas und<br />

2 <strong>der</strong> 4 aufgeführten Kriterien<br />

31


Fortbildung<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Risikofaktoren<br />

Familienanamnese:<br />

familiärer Diabetes Typ 2<br />

Hypercholesterinämie<br />

arterielle Hypertonie<br />

afrikanischer, asiatischer,<br />

mexikanischer Ursprung<br />

Zeichen einer Stoffwechselstörung<br />

Persönliche Anamnese:<br />

intrauteriner Wachstumsrückstand<br />

Störung <strong>der</strong> Pubertätsentwichlung<br />

Medikamente<br />

Schlafstörungen<br />

Zunahme des BMI > 3 kg/m 2 /Jahr<br />

Gezielte klinische Untersuchung<br />

Bauchumfang, Grösse, Spannweite<br />

Wachstumsgeschwindigkeit<br />

Blutdruck, Atem-, Herzfrequenz<br />

Adipositas allgemein/Stamm/proximal<br />

Acanthosis nigricans, Pubertät<br />

Zeichen einer Stoffwechselstörung<br />

Organomegalie<br />

Alarmzeichen. Ätiologie. Komorbidität<br />

rascher Verlauf<br />

Zeichen intrakranialen Druckes<br />

Zeichen von Herz-Lungeninsuffizienz<br />

arterielle Hypertonie<br />

Schlafapnoen<br />

Entwicklungsrückstand, neurologische Störungen,<br />

Muskelhypotonie<br />

Dysmorphie (extreme Adipositas, Augenauffälligkeit, auffällige Facies,<br />

Mikrozephalie, Skeletanomalien, Schwerhörigkeit, Nierenmissbildung)<br />

psychologische Störungen<br />

inadäquater Wachstumsrückstand o<strong>der</strong> Wachstumsgeschwindigkeit<br />

< 4 cm/Jahr<br />

Zeichen von Hypothyreose, Hyperkortizismus, Kalziumphosphatstoffwechselstörung<br />

Hypogonadismus<br />

Polyurie, Polydipsie<br />

verfrühte o<strong>der</strong> verspätete Pubertät<br />

Hirsutismus, Zeichen eines polyzystischen Ovarialsyndroms<br />

Stoffwechselabklärung, nüchtern<br />

Glukose, Gesamt-, LDL- und HDL-Cholesterin,<br />

Triglyzeride, ALT, TSH<br />

OGTT ab 10 Jahren bei positiven Risikofaktoren<br />

Tabelle 2: Im Rahmen einer Adipositasabklärung, also bei einem BMI > P 97 (2 SD) o<strong>der</strong> einem Bauchumfang > 2 SD, o<strong>der</strong> BMI > P 90 < P97 und<br />

positiven Risikofaktoren werden folgende Basisuntersuchungen vorgeschlagen 15) . Bei Vorhandensein bestimmter Alarmzeichen müssen diese<br />

gegebenenfalls erweitert werden.<br />

Referenzen<br />

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child-practical tips for the primary health care<br />

provi<strong>der</strong>: recommendations from the Childhood<br />

Obesity Task Force of the European Association for<br />

the Study of Obesity. Obes Facts 2010. 3 (2): 131–7.<br />

2) Birch LL, Ventura AK. Preventing childhood obesity:<br />

what works? Int J Obes (Lond) 2009; 33 Suppl 1:<br />

S74–81.<br />

3) Reinehr T. Effectiveness of lifestyle intervention in<br />

overweight children. Proc Nutr Soc 2011; 70 (4):<br />

494–505.<br />

4) Thibault H et al. Early screening criteria for children<br />

at risk of overweight. Arch Pediatr 2010; 17 (5): 466–73.<br />

5) Yucel O, Kinik ST, Aka S. Diagnosis of a trend towards<br />

obesity in preschool children: a longitudinal<br />

study. Eur J Pediatr 2011; 170 (6): 751–6.<br />

6) An<strong>der</strong>son JW et al. Long-term weight-loss maintenance:<br />

a meta-analysis of US studies. Am J Clin<br />

Nutr 2001; 74 (5): 579–84.<br />

7) An<strong>der</strong>son SE et al. Adolescent obesity and risk for<br />

subsequent major depressive disor<strong>der</strong> and anxiety<br />

disor<strong>der</strong>: prospective evidence. Psychosom Med<br />

2007; 69 (8): 740–7.<br />

8) Pu<strong>der</strong> JJ, Munsch S. Psychological correlates of<br />

childhood obesity. Int J Obes (Lond) 2010; 34 Suppl<br />

2: S37–43.<br />

9) Chaiton M et al. A structural equation model relating<br />

adiposity, psychosocial indicators of body<br />

image and depressive symptoms among adolescents.<br />

Int J Obes (Lond) 2009; 33 (5): 588–96.<br />

10) Doutrelugne Y, Cottencin O, eds. Thérapies brèves,<br />

principes et outils pratiques. Masson ed. 2008.<br />

11) Zimmet P et al. The metabolic syndrome in children<br />

and adolescents. Lancet 2007; 369 (9579): 2059–61.<br />

12) Bienso RS et al. GLUT4 and glycogen synthase are<br />

key players in bed rest-induced insulin resistance.<br />

Diabetes 2012; 61 (5): 1090–9.<br />

13) Bostrom P et al. A PGC1-alpha-dependent myokine<br />

that drives brown-fat-like development of white fat<br />

and thermogenesis. Nature 2012; 481 (7382): 463–8.<br />

14) Levy-Marchal C et al. Insulin resistance in children:<br />

consensus, perspective, and future directions. J<br />

Clin Endocrinol Metab 2010; 95 (12): 5189–98.<br />

15) Farpour-Lambert N, L’Allemand D, Laimbacher J.<br />

Définition, diagnostic et indications thérapeutiques<br />

de la surcharge pondérale de l’enfant et de<br />

l’adolescent. Paediatrica 2006; 17: 19–<strong>24</strong>.<br />

Nützliche Links<br />

• www.swiss-paediatrics.org<br />

• www.ca-marche.ch<br />

• www.gesundheitsfoer<strong>der</strong>ung.ch<br />

• www.ciao.ch<br />

• www.espace-prevention.ch<br />

• www.allezhop-romandie.ch<br />

• www.vd.ch/autorites/departements/dfjc/<br />

sesaf/unite-psps<br />

• www.hepa.ch<br />

Programme zur Betreuung<br />

adipöser Kin<strong>der</strong>n<br />

• www.akj-ch.ch<br />

• www.a-dispo.ch<br />

• www.contrepoids.hug-ge.ch<br />

• www.sportsmile.ch<br />

• www.eurobesitas.ch<br />

• www.hopitalduvalais.ch/contrepoids<br />

• www.alimentationmouvementvs.ch<br />

• www.fops.ch<br />

• www.eqkilo.ch<br />

Korrespondenzadresse<br />

CHUV Centre Hospitalier<br />

Universitaire Vaudois<br />

Sylvie Borloz<br />

Diététicienne dipl. HES, Chargée de projet<br />

Division d’Endocrinologie, Diabétologie et<br />

Obésité pédiatrique<br />

Département Médico-Chirurgical de<br />

Pédiatrie Hôpital de l’Enfance de Lausanne<br />

Chemin de Montétan 16<br />

1004 Lausanne<br />

Tel . +41 (0)21 314 87 73<br />

Fax +41 (0)21 314 94 96<br />

Sylvie.Borloz@chuv.ch<br />

Die Autoren deklarieren keine Interessenkonflikte.<br />

32


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Hinweise<br />

Das Einsiedler Babyfenster<br />

Stephan Rupp, Einsiedeln<br />

Schon immer gab es Mütter, die aus diversen<br />

Gründen keine Möglichkeiten hatten, ihr Kind<br />

nach einer Schwangerschaft selbst zu betreuen.<br />

Die drastischste Form <strong>der</strong> Problemlösung<br />

ist die Kindstötung. Eine an<strong>der</strong>e Variante ist<br />

die Kindsaussetzung, die auf das Überleben<br />

des Kindes abzielt. So konnte <strong>der</strong> biblische<br />

Moses wohl aus politischen Gründen nicht bei<br />

seinen Eltern aufwachsen. Eine Babyklappe<br />

gab es schon 1198 im Spital des Heiligen<br />

Geistes in Rom. Meist wurden solche Angebote<br />

von klösterlichen Einrichtungen betrieben.<br />

Wegen <strong>der</strong> notwendigen medizinischen Betreuung<br />

sind die mo<strong>der</strong>nen Babyklappen<br />

Spitälern angeschlossen. In <strong>der</strong> Schweiz hat<br />

sich vor allem die Stiftung HMK (Hilfe für<br />

Mutter und Kind) mit dem Ziel engagiert, Abtreibungen<br />

und Kindstötungen zu verhin<strong>der</strong>n.<br />

Ob dies mit einem Babyfenster erreicht wird,<br />

ist unsicher. Statistische Erhebungen in gewissen<br />

Gebieten zeigen eine Zunahme <strong>der</strong><br />

abgegebenen Kin<strong>der</strong>, ohne gleichzeitige Abnahme<br />

<strong>der</strong> Kindstötungen. Möglicherweise<br />

werden eher Abtreibungen verhin<strong>der</strong>t 1) . Provokativ<br />

könnte man sagen, dass Babyfenster<br />

zum Preis des Verlustes <strong>der</strong> Kenntnis von<br />

Abstammung und Herkunft das Überleben<br />

gewisser Kin<strong>der</strong> ermöglichen.<br />

Juristische Überlegungen<br />

Das Babyfenster in Einsiedeln lieferte nach<br />

seiner Einrichtung 2001 viel juristischen Diskussionsstoff.<br />

Macht sich die Mutter strafbar?<br />

Welchem juristischen Risiko setzt sich <strong>der</strong><br />

Betreiber <strong>der</strong> Einrichtung aus? Werden die<br />

Rechte des Vaters und des Kindes, beson<strong>der</strong>s<br />

im Hinblick auf Kenntnis seiner Identität und<br />

Abstammung, angemessen berücksichtigt?<br />

Möglichkeit genommen, sein Kind anzuerkennen,<br />

vor allem dann, wenn er gar keine Kenntnis<br />

vom Nachwuchs hat. Deshalb sind die zuständigen<br />

Behörden gemäss Zivilgesetzbuch verpflichtet,<br />

die leiblichen Eltern zu ermitteln 2) . Wie<br />

aktiv das sein muss, bleibt offen.<br />

Für mich ist ungeklärt, was passiert, wenn ein<br />

Kind durch Geburt, Transport o<strong>der</strong> Abgabe im<br />

Babyfenster bleibende Schäden erleidet o<strong>der</strong><br />

stirbt. Ist dann <strong>der</strong> Betreiber <strong>der</strong> Einrichtung<br />

juristisch (mit-)verantwortlich? Wahrscheinlich<br />

würde diese Frage erst nach Eintreten<br />

eines <strong>der</strong>artigen Ereignisses juristisch entschieden<br />

werden.<br />

Ethische Überlegungen<br />

Es ist klar, dass ein Kind im Babyfenster we<strong>der</strong><br />

Identität noch Herkunft kennen wird.<br />

Dagegen gilt es abzuwägen, welche Nachteile<br />

ihm an<strong>der</strong>nfalls entstanden wären. Hier liegt<br />

es an <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong> zu gewichten, ob dies<br />

ethisch akzeptabel ist o<strong>der</strong> nicht. Ich verweise<br />

auf die diesbezüglichen Diskussionen in<br />

<strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> Ärztezeitung, die in diesem<br />

Frühjahr publiziert wurden 3) .<br />

Organisatorische Massnahmen<br />

Ein Babyfenster hat einen Zugang von aussen,<br />

durch welchen das Neugeborene in ein vorgewärmtes<br />

Bett gelegt wird. Mit kurzer Verzögerung<br />

wird ein Alarm ausgelöst, <strong>der</strong> einen<br />

definierten Personenkreis im Spital via Personensucher<br />

alarmiert. Das Neugeborene wird<br />

vom Hebammen und Pflegefachfrauen abgeholt<br />

und erstbeurteilt. Daraus ergeben sich<br />

mehr o<strong>der</strong> weniger dringliche medizinische<br />

Massnahmen.<br />

Es folgen standardisierte Abläufe. Zuerst<br />

werden <strong>der</strong> zuständige Arzt, <strong>der</strong> Spitaldirektor<br />

und die leitende Schwester informiert. Die<br />

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde und<br />

die Polizei werden via Spitaldirektion involviert.<br />

Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzgesetz<br />

hat die Abläufe leicht verän<strong>der</strong>t,<br />

da nun nicht mehr <strong>der</strong> Bezirk, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Kanton zuständig ist. Die Meldung an die Polizei<br />

erfolgt nicht notfallmässig, ausser es<br />

muss um die Gesundheit <strong>der</strong> Mutter gefürchtet<br />

werden, wie dies beim letzten Kind <strong>der</strong> Fall<br />

war. Die Hebamme ist für die administrative<br />

Anmeldung des Kindes verantwortlich.<br />

Medizinische Massnahmen<br />

Über die Massnahmen bei Eintreffen des<br />

Kindes gibt die Tabelle Auskunft. Babys aus<br />

dem Babyfenster haben keine Anamnese. Wir<br />

erfassen sofort die Vitalparameter, um den<br />

Bedarf an Massnahmen erkennen zu können.<br />

Rasch werden Gestationsalter und chronologisches<br />

Alter des Kindes bestimmt. Die anfängliche<br />

Annahme, dass praktisch nur Neugeborene<br />

von einem Alter bis zu drei Tagen<br />

abgegeben werden, hat sich nicht bewahrheitet.<br />

Mehrere Kin<strong>der</strong> waren älter, eines gemäss<br />

Begleitschreiben sogar 1 ½ Monate alt. Diese<br />

Mutter hat erfolglos versucht, das Kind zu<br />

Die Mutter macht sich strafbar, wenn sie die<br />

Geburt ihres Kindes nicht innert drei Tagen den<br />

Behörden meldet und dem Kind Identität und<br />

Herkunft verschleiert. Die Betreiber des Babyfensters<br />

machen sich <strong>der</strong> Mittäterschaft schuldig.<br />

Einer Klage des Kindes auf Genugtuung<br />

werden aber kaum Erfolgschancen eingeräumt.<br />

Ein strafrechtliches Verschulden von Eltern und<br />

Betreibern wird eher verneint, da das Kind nicht<br />

sich selbst überlassen wird. Dem Vater wird die<br />

33


Fortbildung<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Konzept-Alarm im Babyfenster<br />

• Alle MitarbeiterInnen werden gebeten, ruhig ans Babyfenster zu gehen (nicht rennen)<br />

• Alarm am Tag: Hebamme/Pflegefachfrau 1. Stock gehen ans Babyfenster<br />

• Nachts: Pflegefachfrau 1. Stock und Pflegefachfrau Notfall/Hebamme aufbieten<br />

• Beim Zurückstellen des Bettchens darauf achten, dass das Fenster richtig geschlossen ist (Fehlalarm)<br />

1. Auffindesituation/Erstmassnahme Datum/Visum<br />

• Kind ins Stillzimmer bringen<br />

• Fotografieren <strong>der</strong> Auffindesituation (Digitalkamera)<br />

• Status: Respi, Puls, Kolorit, Tempi, O 2<br />

-Sättigung<br />

Überwachungsblattt beginnen: Kontrollen halbstündlich bis 4 x normal, dann stündlich bis 8 Stunden<br />

Isolettenüberwachung bei Bedarf<br />

Ernährung mit Maltodextrin 10%<br />

1. Konakion – Gabe per os<br />

• Information Pädiater<br />

• wenn nicht erreichbar Anästhesie und/o<strong>der</strong> Gynäkologe, auch in <strong>der</strong> Nacht<br />

• Klei<strong>der</strong> und sonstiges Begleitmaterial des Kindes aufbewahren<br />

• Auffinden eines toten Kindes: nur Dienstarzt Medizin aufbieten, dieser informiert auch die Polizei<br />

2. Blutentnahmen<br />

• nach Erstbeurteilung durch Pflegepersonal<br />

• kapillär: Blutgasanalyse, Hb, Hk, Glucose, Blutgruppe, Coombs, CRP, Quick<br />

• Urin: Drogenscreening, ev. Mekonium auf Drogen<br />

• durch Pädiater/Anästhesie<br />

• venös: Hepatits B und C, HIV, Toxoplasmose, Zytomegalie, Röteln, Herpes, Treponemen (plus Reserveblut)<br />

3. Impfungen<br />

• nach <strong>der</strong> venösen Blutentnahme: aktive und passive Hepatitis B-Impfung maximal 4–6 Stunden nach dem Auffinden des Kindes<br />

4. Untersuchungen<br />

• durch Pädiater/Gynäkologe: Neugeborenen-Status inkl. Dubowitz, weitere Untersuchungen werden nach Bedarf verordnet<br />

5. Informationen (durch Pflegefachfrau o<strong>der</strong> Hebamme)<br />

• Spitaldirektor<br />

• Stv. Spitaldirektorin<br />

KESA (Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Ausserschwyz), alleinzuständige Amtsstelle für alles administrative Handeln<br />

und Informationen an Dritte<br />

Zivilstandsamt<br />

Information an das Zivilstandsamt durch Hebamme am nächsten Werktag (nach Absprache schicken einer Geburtsanmeldung)<br />

Information des Stiftungsrates durch den Direktor<br />

6. Beson<strong>der</strong>es fürs Personal RSE<br />

• Das Recht zur Information nach aussen liegt alleine bei <strong>der</strong> KESA<br />

• Es dürfen keine Interviews an die Presse gegeben werden<br />

• Es dürfen keine Pressefotografen zugelassen werden<br />

7. KESA<br />

• Bestimmung einer Amtsperson, die die Aufgabe hat, alle Rechte und Pflichten des Kindes wahrzunehmen; sie leitet das<br />

Adoptionsverfahren ein (Pflegefamilie, Adoption)<br />

• Namensgebung durch den Bezirksammann (keine Veröffentlichung)<br />

• Bürgerrecht Einsiedeln<br />

• Kind ist konfessionslos<br />

• Information an die Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind<br />

Tabelle: Massnahmen beim Eintreffen des Kindes am Einsiedler Babyfenster<br />

34


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Hinweise<br />

behalten. Über die passive Hepatitis-B-Impfung<br />

muss von Fall zu Fall entschieden werden.<br />

Für die aktive Impfung ist mehr Zeit<br />

vorhanden, je nach Kindsalter warten wir die<br />

Resultate <strong>der</strong> Serologie ab.<br />

Ergeben sich keine beson<strong>der</strong>en Probleme,<br />

geht das Kind nach rund 1 bis 2 Wochen zur<br />

Pflegefamilie. Niemand im Spital Einsiedeln<br />

kennt den weiteren Verbleib <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, welcher<br />

durch den Vormund geregelt wird. Sollte<br />

zu einem späteren Zeitpunkt von Seiten des<br />

Kindes Interesse an einer Kontaktnahme<br />

bestehen, muss die Initiative von ihm ausgehen.<br />

Eine Elternschaft muss genetisch bewiesen<br />

werden. Aus Kostengründen haben wir auf die<br />

routinemässige Entnahme eines Wangenabstriches<br />

verzichtet, allenfalls muss das Kind<br />

zu einem späteren Zeitpunkt damit belastet<br />

werden.<br />

Erfahrungen mit<br />

den bisherigen Kin<strong>der</strong>n<br />

Bis jetzt wurden 8 Neugeborene im Einsiedler<br />

Babyfenster abgegeben, also rund alle 1 ½<br />

Jahre ein Kind. Sie waren zwischen wenige<br />

Stunden und ca. 6 Wochen alt und wurden<br />

nicht, wie erwartet, nur in <strong>der</strong> Nacht abgegeben,<br />

son<strong>der</strong>n über den Tag verteilt.<br />

Einmalig waren sofortige ausserordentliche<br />

Massnahmen nötig. Es betrifft dies ein Kind,<br />

welches an einer Hypothermie mit Bradycardie<br />

und Arrhythmie litt und deshalb in eine<br />

Neonatologie verlegt werden musste. Ein<br />

weiteres Kind wurde sekundär weiterverlegt,<br />

da es ein schlechteres Kolorit, eine grenzwertig<br />

erhöhte Körpertemperatur und ein akut<br />

schlechteres Trinkverhalten bei gleichzeitiger<br />

Chlamydienkonjunktivitis zeigte. Der Sepsisverdacht<br />

wurde glücklicherweise nicht bestätigt,<br />

so dass es nach wenigen Tagen rückverlegt<br />

werden konnte.<br />

Die an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong> boten keine wesentlichen<br />

medizinischen Probleme. Eigentlich überraschend<br />

ist, dass wir nie mit stärkeren Entzugssymptomen<br />

konfrontiert waren. Hauptproblem<br />

bei mehreren Kin<strong>der</strong>n war die tiefe<br />

Körpertemperatur bei Eintritt. Ausser im oben<br />

geschil<strong>der</strong>ten Fall reichten aber die normalen<br />

Aufwärmmassnahmen.<br />

Bis zur Klärung des Gesundheitszustands des<br />

Kindes wird die Betreuung zum Ausschluss<br />

einer Infektgefährdung an<strong>der</strong>er Kin<strong>der</strong> getrennt<br />

von den «normalen» Neugeborenen<br />

durchgeführt, meist unter <strong>der</strong> Verantwortung<br />

einer Hebamme.<br />

Behördliche Massnahmen<br />

und Kosten<br />

Das Kind erhält nach Eintritt jeweils rasch<br />

einen gesetzlichen Vertreter, <strong>der</strong> seine Interessen<br />

wahrnimmt. Ich halte es für wichtig,<br />

dass zwischen den medizinischen und den<br />

vormundschaftlichen Massnahmen eine klare<br />

Trennung vorhanden ist. So ist we<strong>der</strong> mir<br />

noch den betreuenden Personen bekannt,<br />

was aus den Kin<strong>der</strong>n genau geworden ist. Es<br />

ist den Adoptiveltern überlassen, wie sie das<br />

Kind zu einem späteren Zeitpunkt über seine<br />

Herkunft informieren. Die Behörde hat sich im<br />

Interesse <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> entschieden, nicht über<br />

<strong>der</strong>en weiteres Leben zu informieren. Natürlich<br />

wäre es interessant zu wissen, was die<br />

betroffenen Kin<strong>der</strong> später von <strong>der</strong> Einrichtung<br />

denken. Vielleicht wird sich ja irgendwann<br />

eine betroffene Person im Spital melden und<br />

uns ihre Meinung kundtun.<br />

Die Infrastrukturkosten des Babyfensters<br />

werden von <strong>der</strong> HMK übernommen. Die Alarmierung<br />

geht an Personen, die ohnehin im<br />

Dienst sind, so dass formell keine Zusatzkosten<br />

entstehen. Die Kin<strong>der</strong> unterstehen<br />

Schweizer Recht mit entsprechendem Krankenkassenobligatorium.<br />

Sie werden von <strong>der</strong><br />

Bezirkskrankenkasse Einsiedeln grundversichert,<br />

die auch die Kosten <strong>der</strong> medizinischen<br />

Massnahmen übernimmt. Bleiben noch die<br />

Kosten <strong>der</strong> vormundschaftlichen Massnahmen,<br />

inklusive Platzierung in Pflegefamilien,<br />

die von <strong>der</strong> öffentlichen Hand getragen werden<br />

müssen.<br />

Schlussbemerkungen<br />

Die Eröffnung des Babyfensters hat viel Mut<br />

gebraucht, da die juristische Situation unklar<br />

war und ist. Die Initiative ging von unserem<br />

Frauenarzt, Dr. Werner Förster, aus, <strong>der</strong> zusammen<br />

mit <strong>der</strong> Stiftung «Hilfe für Mutter und<br />

Kind» das Babyfenster mit viel Enthusiasmus<br />

realisiert hat. Wohlwissend, dass ich grosse<br />

Bedenken gehabt hätte, wurde ich erst am Tag<br />

vor <strong>der</strong> Pressekonferenz zur Eröffnung in den<br />

«Geheimplan» eingeweiht. So blieb wenig Zeit,<br />

das medizinische Konzept und die genauen<br />

Abläufe zu erarbeiten.<br />

Die Einrichtung kann nur existieren, wenn<br />

sie im Umfeld auf Goodwill stösst. Beson<strong>der</strong>s<br />

dankbar bin ich <strong>der</strong> Vormundschaftsbehörde<br />

Einsiedeln, respektive <strong>der</strong> KESA<br />

(Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />

Ausserschwyz), die die Betreuung <strong>der</strong> Babyfensterkin<strong>der</strong><br />

vorbildlich übernimmt. Dank<br />

gilt auch <strong>der</strong> Kantonspolizei, die ihre Pflichten<br />

mit viel Wohlwollen und Feingefühl erledigt.<br />

Auch die politischen Behörden stehen<br />

hinter dem Babyfenster, nie kam es zu kritischen<br />

Fragen, auch wenn dem Bezirk Kosten<br />

entstehen. Das Babyfenster ist nach nun<br />

rund 12 Jahren eine akzeptierte Einrichtung.<br />

Es ist wichtig, dass alles getan wird, damit<br />

sie möglichst wenig genutzt werden muss,<br />

ebenso wichtig ist, dass die ethischen Diskussionen<br />

weitergeführt werden. Wünschenswert<br />

wäre, dass solche Babyfenster<br />

einem grossen Zentrum angeschlossen sind,<br />

da dort mehr medizinische Massnahmen<br />

verfügbar sind als in einem kleinen Spital<br />

wie Einsiedeln.<br />

Referenzen<br />

1) Joelle Coutinho/Claudia Krell: Anonyme Geburt und<br />

Babyklappen in Deutschland-Fallzahlen, Angebote,<br />

Kontexte, Deutsches Jugendinstitut. http://www.<br />

dji.de/Projekt_Babyklappen/Berichte/Abschlussbericht_Anonyme_Geburt_und_Babyklappen.pdf.<br />

2) Prof. Dr. H. Hausheer/Dr. R. E. Aebi-Müller, Renaissance<br />

einer alten Idee: Das Einsiedler Babyfenster<br />

aus (zivil)rechtlicher Sicht, recht 2002, Heft 1, S.<br />

1–16.<br />

3) Martin J: Sind Babyfenster ethisch akzeptabel?<br />

Schweizerische Aerztezeitung 2013, 94 (11): 446.<br />

Korrespondenzadresse<br />

Dr. Stephan Rupp<br />

FMH Kin<strong>der</strong>arzt<br />

Spitalstrasse 30<br />

8840 Einsiedeln<br />

stephan_rupp@bluewin.ch<br />

35


Hinweise<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Ungewollte Kin<strong>der</strong><br />

Eine ethische Abwägung von Babyfenstern<br />

Ruth Baumann-Hölzle* und Andrea Abraham**<br />

Hintergrund<br />

Die Aussetzung von Neugeborenen reicht weit<br />

in die Geschichte zurück. Früh schon wurde<br />

die Frage aufgeworfen, wer sich diesen Kin<strong>der</strong>n<br />

annehmen soll und wie die Risiken <strong>der</strong><br />

Aussetzungen gemin<strong>der</strong>t werden können. Die<br />

Kirchen sahen es bald als ihre Pflicht, sich um<br />

diese Findelkin<strong>der</strong> zu kümmern. Sie richteten<br />

an Kirchen- und Klosterpforten Wiegen, Drehladen<br />

und Türen ein, an denen die Neugeborenen<br />

anonym abgegeben werden konnten.<br />

Weil in viele dieser Einrichtungen auch ältere<br />

kranke o<strong>der</strong> behin<strong>der</strong>te Kin<strong>der</strong> gelegt wurden,<br />

brachte man an einigen von ihnen Gitterstäbe<br />

an, die so eng beieinan<strong>der</strong> lagen, dass<br />

nur neugeborene Kin<strong>der</strong> hindurchpassten 1) .<br />

Im Kontext dieser Einrichtungen wurde ein<br />

bestimmtes Bild <strong>der</strong> Mütter konstruiert, <strong>der</strong>en<br />

Kind man durch die Drehlade vor einem gewaltsamen<br />

Tod retten wollte. So steht bei <strong>der</strong><br />

Hamburger Drehlade, welche 1709 installiert<br />

wurde, geschrieben:<br />

«Auf dass <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>mord nicht künftig wird<br />

verübet, Der von tyrannischer Hand <strong>der</strong><br />

Mutter oft geschieht, Die gleichsam Molochs<br />

Wuth ihr Kindlein übergiebet, Ist dieser<br />

Torno hier auf ewig aufgericht» 2)<br />

Heute findet die Stigmatisierung <strong>der</strong> Mutter<br />

zumindest im öffentlichen Diskurs nicht mehr<br />

statt, aber die Lebensrettung des Neugeborenen<br />

wird immer noch als gewichtiges Argument<br />

für die Legitimierung <strong>der</strong> Babyfenster<br />

verwendet.<br />

Seit den späten 1990er Jahren wurde die historische<br />

Idee <strong>der</strong> Drehlade wie<strong>der</strong> aufgenommen,<br />

so dass es heute weltweit Babyfenster<br />

gibt, die sowohl von christlichen als auch unabhängigen<br />

Organisationen betrieben werden.<br />

Je nach Land werden für die Babyfenster an<strong>der</strong>e<br />

Begriffe verwendet wie «Babyklappe»,<br />

«angel’s cradle», «babys’ safe haven», «door of<br />

* Leiterin des Instituts Dialog Ethik<br />

** Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts<br />

Dialog Ethik<br />

hope», «mothers‘ Moses basket», «storks’ cradle»<br />

o<strong>der</strong> «la ruota». Obschon die Grundidee <strong>der</strong><br />

verschiedenen Babyfenster dieselbe ist, ist ihr<br />

jeweiliger soziokultureller Kontext und <strong>der</strong><br />

Grund <strong>der</strong> Nutzung oft sehr unterschiedlich.<br />

Beispielhaft seien hier eine restriktive Familienpolitik<br />

(z. B. Einkindpolitik) genannt, <strong>der</strong> tiefe<br />

Status von weiblichen Neugeborenen, die<br />

Stigmatisierung von und fehlende Ressourcen<br />

für behin<strong>der</strong>te Kin<strong>der</strong>, o<strong>der</strong> ein Mangel an Unterstützungsangeboten<br />

für arme Familien und<br />

allein erziehende Mütter.<br />

Im deutschsprachigen Raum wurde das erste<br />

mo<strong>der</strong>ne europäische Babyfenster im Jahre<br />

2000 in Hamburg eingeweiht mit dem Ziel,<br />

damit präventiv gegen Kindestötungen vorzugehen.<br />

In <strong>der</strong> Schweiz wurde 2001 am Spital<br />

Einsiedeln das erste Babyfenster eingerichtet,<br />

mehr als zehn Jahre später folgten Babyfenster<br />

an den Spitälern Davos und Olten. Geplant<br />

sind weitere Fenster in Bellinzona und Bern.<br />

Nach dem Spitalaufenthalt übernehmen die<br />

kantonalen Behörden das Neugeborene und<br />

platzieren es bei Pflegeeltern. Wird es innerhalb<br />

eines Jahres nicht von seiner Mutter bzw.<br />

seinen Eltern zurückgeholt, wächst es bei<br />

Adoptiveltern auf. Alle bisherigen Babyfenster<br />

werden von <strong>der</strong> Organisation «Schweizerische<br />

Hilfe für Mutter und Kind» (SHMK) finanziert.<br />

Die SHMK betreibt die Webseite www.baby<br />

fenster.ch und bietet Bedürftigen kostenlose<br />

telefonische o<strong>der</strong> persönliche Beratung als<br />

auch finanzielle Unterstützung an. Gegründet<br />

wurde die SHMK vom «Verein Mamma», hinter<br />

dem konservativ-christliche Abtreibungsgegner<br />

stehen. Ihr Gedankengut wird auf <strong>der</strong> Informationswebseite<br />

zu den Babyfenstern<br />

nicht explizit angegeben, kommt aber beispielsweise<br />

bei <strong>der</strong> Auflistung «33 Gründe für<br />

ein Baby» zum Ausdruck, zu denen gehören:<br />

«weil Gott will, dass Babys leben» o<strong>der</strong> «weil<br />

Gott in <strong>der</strong> Bibel gesagt hat: ‹Seid fruchtbar<br />

und mehret euch!›».<br />

Die Haltungen gegenüber Babyfenstern gehen<br />

in <strong>der</strong> Schweiz weit auseinan<strong>der</strong>. Sie reichen<br />

von <strong>der</strong> genannten konservativ-christlichen<br />

Ablehnung gegenüber dem Schwangerschaftsabbruch,<br />

über Positionen, welche Babyfenster<br />

als ein notwendiges nie<strong>der</strong>schwelliges<br />

Ergänzungsangebot betrachten, bis hin<br />

zu Gegenpositionen, welche die Babyfenster<br />

insbeson<strong>der</strong>e aufgrund <strong>der</strong> anonymen Abgabe<br />

und <strong>der</strong> damit einhergehenden unklaren Herkunft<br />

des Kindes und <strong>der</strong> verunmöglichten<br />

medizinischen und psychologischen Betreuung<br />

<strong>der</strong> Mutter nicht akzeptieren. Letztere<br />

Position wird mit Bezugnahme auf die UNO<br />

Kin<strong>der</strong>rechtskonvention auch im internationalen<br />

Kin<strong>der</strong>rechtsdiskurs vertreten. In den<br />

vergangenen Jahren wurden auf politischer<br />

Ebene auch an<strong>der</strong>e anonyme Angebote debattiert,<br />

wie die diskrete o<strong>der</strong> anonyme Geburt.<br />

Zwei parlamentarische Vorstösse <strong>der</strong> SVP und<br />

<strong>der</strong> CVP, welche 2008 in diesem Zusammenhang<br />

gemacht wurden, erlitten beide eine<br />

Nie<strong>der</strong>lage. Begründet wurde die Abweisung<br />

<strong>der</strong> Vorstösse mit <strong>der</strong> fehlenden Evidenz: Man<br />

wisse nicht mit Sicherheit, ob die vorgeschlagenen<br />

Angebote tatsächlich Kin<strong>der</strong>leben retten<br />

würden, son<strong>der</strong>n nehme es lediglich an.<br />

Deshalb wurde bei <strong>der</strong> Behandlung dieser<br />

Vorstösse das Recht auf biologische Identität<br />

höher gewertet als die anonyme Geburt. Nach<br />

wie vor ist es so, dass Spitäler, Geburtshäuser<br />

und freischaffende Hebammen rechtlich zur<br />

Meldung eines geborenen Kindes an das Zivilstandesamt<br />

und somit zu einer registrierten<br />

Geburt verpflichtet sind. Aus Gründen <strong>der</strong><br />

Patientensicherheit werden Geburten unter<br />

Codes bzw. Pseudonymen nur sehr selten<br />

durchgeführt, so z. B. bei akut bedrohten o<strong>der</strong><br />

bei sehr berühmten Frauen. Die Anonymisierung<br />

dient dabei aber lediglich administrativen<br />

spitalinternen Zwecken und beeinflusst<br />

die Meldepflicht an die Behörden nicht.<br />

Wer gibt seine Kin<strong>der</strong><br />

in Babyfenstern ab?<br />

Der Diskurs um Babyfenster ist geprägt von<br />

einer hohen Emotionalität, impliziten und<br />

expliziten Werthaltungen gegenüber dem<br />

Schwangerschaftsabbruch und einer schwachen<br />

empirischen Datenlage. Wer aber sind<br />

diese Frauen bzw. Eltern, die ihr Neugeborenes<br />

in Babyfenstern abgeben? Aus welchen<br />

Notlagen rührt ihre Entscheidung zur anonymen<br />

Abgabe? Im Gegensatz zur Schweiz, wo<br />

sich diese Fragen aufgrund <strong>der</strong> niedrigen<br />

Zahlen nicht beantworten lassen, hat man die<br />

Babyfenster Nutzung in Deutschland so weit<br />

wie möglich wissenschaftlich begleitet.<br />

Im Rahmen einer deutschen Studie konnten<br />

sechs Frauen interviewt werden, die ihre<br />

36


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Hinweise<br />

Kin<strong>der</strong> in einem Babyfenster abgegeben hatten<br />

3) . Sie traten aber alle zu einem bestimmten<br />

Zeitpunkt aus <strong>der</strong> Anonymität heraus, da<br />

fünf von ihnen ihr Kind wie<strong>der</strong> zurückgeholt<br />

haben. Die Beweggründe <strong>der</strong> grossen Anzahl<br />

von Frauen, die anonym geblieben ist, konnte<br />

deshalb in <strong>der</strong> Studie nicht erhoben werden.<br />

Auffallend ist, dass bei den interviewten<br />

Frauen keine Typisierung bezüglich Alter, Bildung,<br />

Herkunft o<strong>der</strong> Familienstand vorgenommen<br />

werden kann: sie bilden eine sehr heterogene<br />

Gruppe. Damit relativiert sich die oft<br />

kolportierte Annahme, dass die Benutzerinnen<br />

von Babyfenstern wahrscheinlich jung<br />

und alleinstehend seien. Die befragten Frauen<br />

erzählten, dass sie auf die Schwangerschaft<br />

mit Unverständnis, Schock o<strong>der</strong> Panik reagiert<br />

hätten. Sie konnten die Schwangerschaft<br />

nicht verstehen, nicht annehmen, und<br />

sich nicht mit ihr identifizieren. Einige verdrängten<br />

die Schwangerschaft weitgehend,<br />

interpretierten ihre Gewichtszunahme an<strong>der</strong>weitig,<br />

wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e isolierten sich zunehmend<br />

von ihrem sozialen Umfeld. Die Frauen<br />

schil<strong>der</strong>ten verschiedenartige Gründe für das<br />

Verschweigen bzw. die Unerwünschtheit <strong>der</strong><br />

Schwangerschaft: Dazu gehören die Angst vor<br />

sozialer Ächtung und Unverständnis, Schamgefühle,<br />

fehlende Unterstützung o<strong>der</strong> Abtreibungserwartungen<br />

durch ihr soziales Umfeld,<br />

Gefährdung <strong>der</strong> eigenen Ausbildungs- und<br />

Karrierepläne, eine von <strong>der</strong> Familie nicht akzeptierte<br />

Liebesbeziehung, kein (weiterer)<br />

Kin<strong>der</strong>wunsch des Partners, Schwangerschaft<br />

durch einen One-night-stand o<strong>der</strong> die<br />

hohe Arbeitsbelastung des Partners. Die befragten<br />

Frauen gingen zu keinen gynäkologischen<br />

Vorsorgeuntersuchungen und haben<br />

ihre Kin<strong>der</strong> heimlich und geräuscharm zuhause<br />

geboren, teilweise trotz Anwesenheit an<strong>der</strong>er<br />

Personen im selben Haushalt. Das soziale<br />

Umfeld jener Frauen, die das Kind wie<strong>der</strong><br />

zurückholten, reagierte geschockt und enttäuscht<br />

darüber, nicht schon während <strong>der</strong><br />

Schwangerschaft ins Vertrauen gezogen worden<br />

zu sein. Rückblickend schätzten die<br />

Frauen, dass sie nach <strong>der</strong> Rücknahme ihrer<br />

Kin<strong>der</strong> eine engmaschige professionelle Betreuung<br />

erfuhren. Sie hätten sich gewünscht,<br />

diese Unterstützung bereits im Zuge <strong>der</strong><br />

Schwangerschaft erhalten zu haben.<br />

Kindesaussetzung<br />

und Kindestötung<br />

Die Hoffnung, dass die Einrichtung von Babyfenstern<br />

die Anzahl <strong>der</strong> Tötung von Neugeborenen<br />

(Neonatizid) verringern kann, lässt sich<br />

nicht bestätigen. Dies ist ein Hinweis darauf,<br />

dass es sich bei <strong>der</strong> Kindesaussetzung und<br />

dem Neonatizid um zwei unterschiedliche<br />

Phänomene handelt. Obwohl sowohl Mütter,<br />

die ihr Kind töten als auch jene, die ihr Kind in<br />

ein Babyfenster ablegen, ihre Schwangerschaft<br />

verdrängen o<strong>der</strong> bewusst verheimlichen,<br />

sich dadurch sozial isolieren und deshalb<br />

anonym bleiben wollen und kaum über<br />

Vertrauensbeziehungen verfügen, scheinen<br />

sie sich in ihrer Haltung dem Kind gegenüber<br />

stark zu unterscheiden. Mütter, die ihre Neugeborenen<br />

in ein Babyfenster legen, begründen<br />

ihre Motivation für diesen Schritt mit<br />

Fürsorglichkeit und Verantwortungsbewusstsein<br />

3) . Sie wollen ihnen eine Chance geben,<br />

indem sie wissen, dass ihre Kin<strong>der</strong> gefunden<br />

werden und hoffen, dass sie in einem besseren<br />

Elternhaus aufwachsen. Neben Handlungen<br />

aus Verantwortlichkeit ist aber davon<br />

auszugehen, dass Frauen ihre Neugeborenen<br />

manchmal auch irrational aus einer Panik und<br />

Überfor<strong>der</strong>ung heraus abgeben. Mütter, die<br />

ihre neugeborenen Kin<strong>der</strong> töten, löschen das<br />

Leben ihrer Kin<strong>der</strong> hingegen aus und nehmen<br />

ihnen damit die Option für ein gutes Leben.<br />

Die von Krüger 4) analysierten Fälle von Neonatiziden<br />

in <strong>der</strong> Schweiz bringen denn auch<br />

eine starke Passivität <strong>der</strong> Mütter ihren Neugeborenen<br />

gegenüber zum Ausdruck, die in<br />

<strong>der</strong> Studie mitunter in einen biographischen<br />

und psychologischen Kontext gesetzt wird.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> bisherigen Erfahrungen und Erkenntnisse<br />

ist anzunehmen, dass die Alternative<br />

zum Babyfenster in den meisten Fällen<br />

nicht <strong>der</strong> Neonatizid, son<strong>der</strong>n die Kindesaussetzung<br />

an einem vergleichsweise ungeschützten<br />

Ort ist. Es ist daher fraglich und<br />

empirisch nicht belegt, dass Babyfenster<br />

Neonatizide vermeiden helfen und somit zur<br />

«Rettung» von Kin<strong>der</strong>leben führen, auch wenn<br />

von den Anbietern <strong>der</strong> Babyfenster mit diesem<br />

Argument dafür geworben wird.<br />

Ethische Abwägung<br />

Bei allen drei Phänomen – <strong>der</strong> Kindesaussetzung<br />

in ein Babyfenster, <strong>der</strong> ungeschützten<br />

Aussetzung und dem Neonatizid – stellt sich<br />

die Frage, aus welcher Motivation heraus und<br />

mit welchem Ziel die urteilsfähige* Frau handelt.<br />

Ethisch relevant ist, ob sie aus eigener<br />

Einschätzung zum Wohle des Kindes handelt,<br />

weil sie nicht Mutter des Kindes sein möchte,<br />

o<strong>der</strong> ob sie sich überfor<strong>der</strong>t fühlt, diese Rolle<br />

einzunehmen. Bei einem Neonatizid erachtet<br />

die Mutter das Leben des Kindes als nicht<br />

lebenswert. Es kann durchaus sein, dass sie<br />

die Tötung mit dem Kindeswohl begründet,<br />

weil sie es mit dem Überleben des Kindes als<br />

nicht vereinbar erachtet. Trotzdem handelt es<br />

sich dabei rechtlich betrachtet aber nicht um<br />

aktive Sterbehilfe, son<strong>der</strong>n um eine Tötung,<br />

auch wenn dieser ein altruistisches Motiv<br />

zugrunde liegen kann. O<strong>der</strong> aber sie betrachtet<br />

das Kind als Schaden für ihr eigenes<br />

Leben, was sich in den «wrongful life»-Diskurs<br />

einbetten liesse.<br />

Auch die Kindesaussetzung in einem Babyfenster<br />

o<strong>der</strong> an einem ungeschützten Ort<br />

kann durch das Kindeswohl motiviert sein.<br />

Geschieht sie an einem ungeschützten Ort, ist<br />

das Kindeswohl grundsätzlich gefährdet: Die<br />

Frau delegiert das Kindeswohl an ein namenloses<br />

Schicksal und nimmt unter Umständen<br />

Missbrauch und/o<strong>der</strong> Tod des Kindes in Kauf,<br />

sodass <strong>der</strong> Tod des Kindes als mögliche Folge<br />

<strong>der</strong> Aussetzung zwar nicht als aktive Tötung,<br />

aber als fahrlässige Tötung gewertet werden<br />

muss.<br />

Die Kindesaussetzung in Obhut im Rahmen<br />

eines Babyfensters kann unter Umständen<br />

allein durch das Kindeswohl motiviert und<br />

begründet sein. Die Frau delegiert die Sorge<br />

um das Kind und sein Wohl an eine dafür zuständige<br />

Organisation. Während die Frau beim<br />

Neonatizid das Grundrecht des Kindes auf<br />

Leben nicht respektiert und im Falle <strong>der</strong> ungeschützten<br />

Aussetzung sein Leben gefährdet,<br />

kann sie durch das Babyfenster dem<br />

Anspruch des Kindes auf Überleben gerecht<br />

werden. Das Kindeswohl wird hinsichtlich des<br />

Anspruchs des Kindes, seine Herkunft zu<br />

kennen, jedoch eingeschränkt respektiert.<br />

Dieser Aspekt stellt so auch einen <strong>der</strong> Hauptkritikpunkte<br />

an den Babyfenstern dar. In seiner<br />

Stellungnahme betont <strong>der</strong> Deutsche Ethikrat<br />

5) , dass die Entwicklung <strong>der</strong> Identität<br />

gebunden ist an eine bekannte Herkunft und<br />

eine Zukunft und setzt Anonymität mit Verlust<br />

und Verlusterfahrung gleich. Er erachtet es als<br />

Aufgabe des Rechtsstaates, seinen Bürgern<br />

Zugang zu diesem Wissen über ihre Existenz<br />

zu ermöglichen. So kritisiert <strong>der</strong> Deutsche<br />

* Die Urteilsfähigkeit aber auch die Willensfreiheit<br />

sind gerade bei einer Kindesaussetzung o<strong>der</strong> Kindestötung<br />

schwierig zu bestimmen, weil sie neben<br />

den Persönlichkeitsstrukturen <strong>der</strong> Frau auch von<br />

den politischen, sozialen und gesellschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen, von Handlungsalternativen<br />

und Unterstützungsangeboten abhängig sind. Zudem<br />

geht es um ultima-ratio-Handlungen und oft<br />

Verzweiflungstaten.<br />

37


Fortbildung<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Ethikrat denn auch, dass die Anonymitätszusicherung<br />

an die Mutter (und den Vater) höher<br />

gewichtet wird als die Verletzung des Kin<strong>der</strong>rechts<br />

auf Kennen <strong>der</strong> Herkunft. Trotz dieser<br />

kritischen Sicht kann man aber davon ausgehen,<br />

dass diese Kin<strong>der</strong> als spätere Adoptivund<br />

damit Wunschkin<strong>der</strong> die Chance für eine<br />

gute Lebensqualität haben.<br />

Die Anonymität <strong>der</strong> Babyfenster geht nicht<br />

nur mit Fragen zum Kindeswohl, son<strong>der</strong>n auch<br />

mit Fragen zum Wohl <strong>der</strong> Mütter einher. Die<br />

Anonymität <strong>der</strong> Babyfenster ist deshalb<br />

ethisch nur dann vertretbar, wenn sie mit einem<br />

Beratungsangebot verknüpft sind. Ziel<br />

einer humanen <strong>Gesellschaft</strong> kann nicht die<br />

Stärkung von Anonymität sein, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Ausbau sozialer Fürsorge, persönlicher Beziehungen<br />

und Solidarität. Obwohl die Mütter mit<br />

dem Angebot <strong>der</strong> Babyfenster Unterstützung<br />

für ihre als schwierig empfundene Lebenssituation<br />

erhalten, ist damit das Problem nämlich<br />

nicht gelöst. So betonen Coutinho & Krell<br />

(2011: 291): «Tatsächlich kommt ein neuer<br />

belasten<strong>der</strong> Faktor, nämlich die anonyme<br />

Trennung vom Kind, hinzu.»<br />

Nichtsdestotrotz bleibt es Interpretationssache<br />

und an die individuelle Situation gekoppelt,<br />

wie man die Babyfenster sieht: Als Entsorgungsklappe,<br />

als sicherer Zwischenhalt<br />

des Neugeborenen vor seiner anstehenden<br />

Lebensreise o<strong>der</strong> als Zwischenhalt für die<br />

Mutter, während dem sie sich Gedanken über<br />

das «wie weiter» machen kann.<br />

Literaturverzeichnis<br />

1) Lehmann, V. 2008: Drehlade, Findelkind, Babyklappe.<br />

Verlassen von Mutter und Vater. Frauenarzt 48<br />

(3): 250–255.<br />

2) Baxmann, M. 2009: Drehladen und Findelhäuser.<br />

Die Geschichte <strong>der</strong> Kindesaussetzungen. Online<br />

unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/<br />

Zeitreisen/925203/<br />

3) Coutinho, J. und C. Krell 2011: Anonyme Geburt und<br />

Babyklappen in Deutschland. Fallzahlen, Angebote,<br />

Kontexte. München: Deutsches Jugendinstitut e. V.<br />

4) Krüger, P. 2013: Prevalence and phenomenology of<br />

neonaticide in Switzerland 1980–2010: a retrospective<br />

study. Un<strong>der</strong> review.<br />

5) Deutscher Ethikrat 2009: Das Problem <strong>der</strong> anonymen<br />

Kindesabgabe. Stellungnahme. Berlin: Deutscher<br />

Ethikrat.<br />

Korrespondenzadresse<br />

rbaumann@dialog-ethik.ch<br />

Bei den Beratungsangeboten sollte darauf geachtet<br />

werden, dass sie entwe<strong>der</strong> von «neutraler»<br />

Seite betrieben werden bzw. dass die<br />

Haltung <strong>der</strong> Betreiber transparent ausgewiesen<br />

wird. Es ist nicht egal, wer o<strong>der</strong> welche<br />

ideologische Haltung hinter den Babyfenstern<br />

und den damit verbundenen Beratungsangeboten<br />

steht, weil sich die hilfesuchenden Frauen<br />

in einer speziell vulnerablen und abhängigen<br />

Situation befinden. Die Schweizer Babyfenster<br />

sollten deshalb aus dem christlich-konservativen<br />

Hintergrund herausgelöst und unabhängig<br />

betrieben werden. Die <strong>Gesellschaft</strong> ist dazu<br />

verpflichtet dafür zu sorgen, dass ungewollt<br />

schwangere Frauen die in dieser Situation<br />

notwendige nie<strong>der</strong>schwellige Unterstützung<br />

bekommen um sich frei für ihr Kind o<strong>der</strong> auch<br />

gegen eine Schwangerschaft entscheiden zu<br />

können. Bedeutsam ist aber nicht nur <strong>der</strong><br />

strukturelle Rahmen. Gerade in <strong>der</strong> Schweiz<br />

besteht ein relativ breites Angebot an nie<strong>der</strong>schwelligen<br />

Strukturen und Angeboten für<br />

(werdende) Mütter und ihre Kin<strong>der</strong>. Die bisher<br />

erhobenen Daten zeigen, dass es den Frauen,<br />

die ihre Schwangerschaft verheimlicht und/<br />

o<strong>der</strong> verdrängt haben, insbeson<strong>der</strong>e an familieninterner<br />

Unterstützung und nahen Vertrauensbeziehungen<br />

gefehlt hat.<br />

38


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Hinweise<br />

SPSU – Jahresbericht 2012<br />

Die Swiss Paediatric Surveillance Unit (SPSU)<br />

ist ein seit 1995 bestehendes nationales<br />

Erhebungssystem, das gemeinsam von <strong>der</strong><br />

<strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie und<br />

dem Bundesamt für Gesundheit betrieben<br />

wird. Im Rahmen <strong>der</strong> SPSU wurden 2012 von<br />

20 <strong>der</strong> 33 beteiligten pädiatrischen Weiterbildungskliniken<br />

insgesamt 73 sichere Krankheitsfälle<br />

gemeldet: 62 Fälle von Extended-<br />

Spectrum-Beta-Lactamase (ESBL) pro duzierendem<br />

gramnegativem Erreger, acht Fälle<br />

von akuter schlaffer Lähmung als Indikator <strong>der</strong><br />

Poliomyelitisüberwachung, zwei Fälle von<br />

Harnstoffzyklusdefekten und ein Fall von kongenitaler<br />

Toxoplasmose. Es sind keine Fälle von<br />

kongenitalen Rötelninfektionen aufgetreten.<br />

Dank<br />

Wir danken allen Verantwortlichen in den<br />

Kliniken für die wertvolle Mitarbeit, die für das<br />

Funktionieren und den Erfolg des SPSU-Meldesystems<br />

entscheidend ist.<br />

Für das SPSU-Komitee:<br />

C. Rudin, Basel (Präsident)<br />

V. Bernet-Büttiker, Zürich<br />

K. Posfay Barbe, Genf<br />

B. Laubscher, Neuchâtel<br />

G. Simonetti, Bern<br />

M. Mäusezahl, Bern<br />

D. Beeli, Bern<br />

Die Anzahl Fälle <strong>der</strong> abgeschlossenen und<br />

laufenden Studien sind in <strong>der</strong> Tabelle wie<strong>der</strong>gegeben.<br />

Der vollständige Jahresbericht erscheint<br />

im <strong>Bulletin</strong> des BAG <strong>Nr</strong>. 38 vom 16.9.<br />

2013 und ist auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> SGP einzusehen:<br />

www.swiss-paediatrics.org.<br />

SPSU-Studien Dauer sichere Fälle<br />

Kongenitale Toxoplasmose 1/1995 bis 12/1998 und 6/2009 bis 5/2014 21<br />

Vitamin-K-Mangelblutung 1/1995 bis 12/2000 und 7/2005 bis 6/2011 27<br />

Zyst. periventrikuläre Leukomalazie 1/1996 bis 12/1997 48<br />

Hämolytisch-urämisches Syndrom 4/1997 bis 3/2003 und 4/2004 bis 3/2010 <strong>24</strong>9<br />

Frühsommer-Meningoenzephalitis 1/2000 bis 2/2003 23<br />

Varizellen-Zoster 1/2000 bis 3/2003 235<br />

Akutes rheumatisches Fieber 6/2000 bis 5/2010 <strong>24</strong><br />

Neuralrohrdefekt 1/2001 bis 12/2007 258<br />

Schwere RSV-Infektionen 10/2001 bis 9/2005 462<br />

Schütteltrauma 7/2002 bis 6/2007 50<br />

Neonataler Herpes 7/2002 bis 6/2008 5<br />

Invagination 4/2003 bis 3/2006 <strong>24</strong>3<br />

Pertussis 4/2006 bis 3/2010 127<br />

Anaphylaxie 5/2007 bis 4/2010 58<br />

Akute schlaffe Lähmung 1/1995 laufend 188<br />

Kongenitale Röteln 1/1995 laufend 2<br />

Schwere Hyperbillirubinämie 10/2006 bis 12/2011 172<br />

Extended-spectrum β-lactamase (ESBL)-<br />

produzieren<strong>der</strong> gramnegativer Erreger<br />

7/2008 bis 6/2012 403<br />

Harnstoffzyklusdefekt 1/2012 bis 12/2013 2<br />

39


Hinweise<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Masern ab Ende Oktober dank nationaler<br />

Kampagne im Fokus<br />

Die Schweiz hat beschlossen, gemeinsam mit<br />

<strong>der</strong> Region Europa <strong>der</strong> Weltgesundheitsorganisation<br />

WHO bis 2015 masernfrei zu werden.<br />

Dank <strong>der</strong> sich stetig verbessernden Masern-<br />

Durchimpfung in <strong>der</strong> Schweiz erkranken heute<br />

nur noch wenige Personen an Masern. Die<br />

rar gewordenen persönlichen Erfahrungen mit<br />

Masernerkrankungen bei <strong>der</strong> Schweizer<br />

Bevölkerung führen dazu, dass das für die<br />

Zielerreichung <strong>der</strong> Masernelimination nötige<br />

Bewusstsein für die Masern und <strong>der</strong>en Gefährlichkeit<br />

nicht mehr vorhanden ist. Mit einer<br />

gemeinsamen Kampagne zur Masernelimination<br />

wollen Bund und Kantone das Thema<br />

Masernelimination ins Bewusstsein <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

zurückholen und ein Verständnis für<br />

die Notwendigkeit <strong>der</strong> Masernimpfung schaffen.<br />

Die Kampagne mit dem Slogan «Gegen<br />

Masern impfen und nichts verpassen» wird in<br />

<strong>der</strong> letzten Oktoberwoche 2013 mit dem<br />

Aushang von Plakaten und einem Fernsehspot<br />

national lanciert. Ab diesem Zeitpunkt werden<br />

Ärztinnen und Ärzte wohl häufiger mit Fragen<br />

zu Masern, Masernimpfung und Masernelimination<br />

konfrontiert sein. Zur Information <strong>der</strong><br />

Patientinnen und Patienten stehen <strong>der</strong> Ärzteschaft<br />

Begleitmaterialien zur nationalen Maserneliminations-Kampagne<br />

zur Verfügung,<br />

die ab Mitte Oktober 2013 kostenlos beim<br />

Bundesamt für Bauten und Logistik BBL bezogen<br />

werden können (Bestellinformationen vgl.<br />

Box). Ab Kampagnenstart ist auch die Internetseite<br />

www.stopmasern.ch online. Weitere<br />

Informationen zur Kampagne können Sie dem<br />

Heft 43 <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> Ärztezeitung<br />

vom 23. Oktober 2013 entnehmen.<br />

Bestellinformationen Begleitmaterialien Maserneliminationskampagne<br />

Bestelladresse<br />

Bundesamt für Bauten und Logistik BBL, Verkauf Bundespublikationen, 3003 Bern<br />

Fax: 031 325 50 58, E-Mail: verkauf@zivil@bbl.admin.ch<br />

Verfügbare Materialien<br />

• Broschüre «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» ohne FMH-Logo,<br />

Bestellnummer: 311.289<br />

• Broschüre «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» mit FMH-Logo,<br />

Bestellnummer: 311.289.1<br />

• Flyer «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» (Kurzversion <strong>der</strong> Broschüre)<br />

ohne FMH-Logo, Bestellnummer 311.290<br />

• Flyer «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» (Kurzversion <strong>der</strong> Broschüre)<br />

mit FMH-Logo, Bestellnummer 311.290.1<br />

• Factsheet zur MMR-Impfung <strong>der</strong> Eidg. Kommission für Impffragen EKIF<br />

(Blöcke von 50 Papierexemplaren), Bestellnummer: 311.276<br />

Sprachen<br />

Alle Materialien sind deutsch-, französisch- und italienischsprachig verfügbar<br />

Korrespondenzadresse<br />

Eidgenössisches Departement des Innern EDI<br />

Bundesamt für Gesundheit BAG<br />

Direktionsbereich Öffentliche Gesundheit<br />

Schwarztorstrasse 96<br />

CH-3003 Bern<br />

Judith.Hanhart@bag.admin.ch<br />

40


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Hinweise<br />

Wasserzubereitung und Mineralwasser<br />

aus <strong>der</strong> Flasche (ohne Kohlensäure) zur<br />

Herstellung von Säuglingsschoppen<br />

Update zur Information <strong>der</strong> Ernährungskommission <strong>der</strong><br />

<strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie aus dem Jahr 2001<br />

Johannes Spalinger, Luzern<br />

In <strong>der</strong> Schweiz ist das Hahnenwasser (Leitungswasser)<br />

von sehr hoher Qualität sowohl<br />

in Bezug auf die chemische Zusammensetzung<br />

wie auch auf dessen mikrobiologischen<br />

Gehalt. Es kann daher bedenkenlos für die<br />

Herstellung <strong>der</strong> Säuglingsschoppen verwendet<br />

werden.<br />

Es gibt keine wissenschaftlichen Grundlagen,<br />

das Hahnenwasser nicht für die Herstellung<br />

von Säuglingsschoppen zu verwenden.<br />

Für den Säuglingsschoppen wird empfohlen<br />

(WHO), das Wasser auf > 70 ° C abzukochen,<br />

für die Zubereitung des Schoppens abzukühlen<br />

und danach bei Körpertemperatur anzubieten.<br />

Damit kann das Risiko einer Infektion<br />

mit dem Bakterium Enterobacter sakazakii<br />

(eine seltene Ursache einer schwer verlaufenden<br />

bakteriellen Infektion bei Früh- und<br />

Neugeborenen) reduziert werden. Der Säuglingsschoppen<br />

sollte immer frisch vor je<strong>der</strong><br />

Mahlzeit zubereitet werden, nicht getrunkener<br />

Schoppen soll verworfen werden und nicht für<br />

die nächste Mahlzeit aufbewahrt werden.<br />

Wünschen die Eltern Mineralwasser aus <strong>der</strong><br />

Flasche zu verwenden, was nicht empfohlen<br />

wird, muss dieses ebenfalls abgekocht<br />

werden. Einmal geöffnet, ist die Mineralwasserflasche<br />

im Kühlschrank aufzubewahren,<br />

nicht länger als <strong>24</strong> Stunden.<br />

Zur Herstellung des Säuglingsschoppens eignen<br />

sich nur Mineralwasser, welche wenig<br />

Mineralsalze enthalten. Das Risiko einer Salzüberladung<br />

(hypertonen Dehydratation) beim<br />

Gebrauch von mineralienreichen Mineralwassern<br />

ohne Kohlensäure ist nicht zu vernachlässigen.<br />

In <strong>der</strong> Schweiz bestehen keine Empfehlungen<br />

betreffend Höchstgehalt an Natrium, Nitraten<br />

und Sulfaten für Mineralwasser zur Zubereitung<br />

von Säuglingsschoppen. In Deutschland,<br />

Grossbritannien (NHS) und <strong>der</strong> USA (FDA)<br />

wurden Höchstwerte definiert. Diese liegen in<br />

folgenden Bereichen:<br />

Natriumgehalt < 20 mg/L bis < 200 mg/L<br />

Nitratgehalt


Hinweise<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Preisverleihungen anlässlich <strong>der</strong> Jahresversammlung 2013 <strong>der</strong> SGP:<br />

Guido Fanconi Preis 2013<br />

Marianne Caflisch<br />

gogiques et pluriculturelles au service de la<br />

médecine de l’adolescence.<br />

Après une formation en France en médecine<br />

de l’adolescence, Marianne Caflisch met en<br />

route dès son retour à Genève, en 1997, la<br />

consultation de médecine de l’adolescent,<br />

suivie en 2002 de la consultation Santé<br />

Jeunes.<br />

En reconnaissance pour son engagement de<br />

pionnière dans le développement de la médecine<br />

de l’adolescence en Suisse. La Société<br />

Suisse de Pédiatrie remet le Prix 2013 Guido<br />

Fanconi à la Doctoresse Marianne Caflisch.<br />

Nous avons la grande chance de compter<br />

parmi nos membres une pédiatre visionnaire,<br />

innovatrice, nous entraînant avec conviction<br />

dans un domaine pédiatrique resté trop longtemps<br />

inexploré. Le prix Guido Fanconi de<br />

cette année revient à cette pédiatre haute en<br />

couleur et au caractère bien trempé, qui a su<br />

nous montrer que les aléas de la vie peuvent<br />

être des opportunités, elle qui a mis sans<br />

compter ses compétences cliniques, péda-<br />

Grâce à elle, la médecine de l’adolescence a<br />

trouvé sa place au sein de la pédiatrie suisse;<br />

elle a participé à l’introduction de cette spécialité<br />

dans les divers départements de pédiatrie<br />

en Suisse et a été présidente de l’Association<br />

suisse pour la santé des adolescents.<br />

Qu’elle soit en consultation auprès des ados,<br />

présidente de l’ASSA ou en tournée pour former<br />

les multiples milieux professionnels<br />

concernés, Marianne Caflisch mérite la reconnaissance<br />

pour son travail de pionnière et le<br />

soutien pour la poursuite de son engagement<br />

que nous souhaitons lui manifester par ce prix<br />

Guido Fanconi 2013.<br />

Bammatter Preis 2013<br />

Matthias Roth<br />

Preis PIA-CH 2013<br />

Jean-Christoph Caubet<br />

Talent-Preis 2013<br />

Caroline Guyer<br />

for her work: Cycled light exposure reduces<br />

fussing and crying in very preterm infants<br />

.<br />

The jury decided to give to Dr Matthias Roth<br />

the Bammatter Prize 2013 for the scientific<br />

value of his research. He succeeded to draw<br />

a link between epidemiology of neonatal respiratory<br />

distress, lung morphology, surfactant<br />

alterarations and prevention of bronchopulmonary<br />

dysplasia.<br />

42


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Hinweise<br />

La Chaux-de-Fonds – eine Stadt<br />

begegnet Kin<strong>der</strong>ärzten<br />

Nathalie Schallenberger 1) , Souhaïl Latrèche 2) , Rudolf Schlaepfer 3) , Eric Tissot 4) ,<br />

La Chaux-de-Fonds<br />

Unter den vielen Ständen pharmazeutischer<br />

Firmen fand sich am diesjährigen Kongress<br />

<strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie<br />

in Genf ein Stand <strong>der</strong> Stadt La Chaux-de-<br />

Fonds. Wozu ein solcher Stand? Warum stellt<br />

sich eine Stadt an einem Ärztekongress vor?<br />

In Sorge um die Gesundheit und das Wohlergehen<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung haben die Stadtbehörden<br />

nach Möglichkeiten gesucht, dem Mangel<br />

an Grundversorgern, Allgemein- und Kin<strong>der</strong>ärzten<br />

vorzubeugen, <strong>der</strong> La Chaux-de-Fonds<br />

wie auch an<strong>der</strong>en Städten und Regionen <strong>der</strong><br />

Schweiz droht.<br />

Städte und Län<strong>der</strong> aufsuchen, Handelskontore<br />

eröffnen, an die Menschen herantreten, die<br />

Nachfrage und die Bedürfnisse des Kunden<br />

«spüren» und zu verstehen versuchen, und<br />

schliesslich pragmatische und effiziente Lösungen<br />

suchen und finden, ist eine tief im<br />

Geist <strong>der</strong> Uhrmacher verankerte Tradition. An<br />

die Ärzten herantreten, um ihre Bedürfnisse<br />

und Wünsche besser zu verstehen, war für die<br />

Stadtbehörden deshalb ein selbstverständlicher<br />

Schritt.<br />

Der atypische Marktstand <strong>der</strong> Stadt La Chauxde-Fonds<br />

überraschte vorerst. Nachdem aber<br />

die Befürchtung, es könnte sich um Tourismuswerbung<br />

handeln, zerstreut war, haben die<br />

Besucher schnell die ins UNESCO-Welterbe<br />

aufgenommene Uhrenmetropole erkannt und<br />

reges Interesse gezeigt. Unter <strong>der</strong> Überschrift<br />

«La Chaux-de-Fonds c’est bon pour la santé»<br />

wurden Äpfel verteilt und die Gelegenheit genutzt,<br />

über Zukunftspläne zu sprechen.<br />

Mehrere junge (und ältere) Kollegen sind <strong>der</strong><br />

Einladung <strong>der</strong> Stadtbehörden gefolgt und<br />

werden mit Lebenspartner o<strong>der</strong> Familie ein<br />

Wochenende in La Chaux-de-Fonds verbringen,<br />

um die vielseitigen Facetten dieser Stadt<br />

und ihrer Umgebung kennen zu lernen. Das<br />

1) Stadträtin, Direktion Schul-, Gesundheits-, Sozialwesen<br />

und Aussendienst <strong>der</strong> Stadt La Chaux-de-<br />

Fonds<br />

2) Leiter des Dienstes für Gesundheit und Gesundheitsför<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Stadt La Chaux-de-Fonds<br />

3) Mitglied <strong>der</strong> Kommission für Gesundheit und Gesundheitsför<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Stadt La Chaux-de-Fonds<br />

4) Koordinator für Kommunikation und För<strong>der</strong>ung von<br />

Kultur, Sport und Wirtschaft <strong>der</strong> Stadt La Chauxde-Fonds<br />

reichhaltige Programm bietet nebst einem<br />

kulturellen Teil mit Besuch <strong>der</strong> Stadt, ihrer<br />

Umgebung o<strong>der</strong> von Museen, ein Zusammentreffen<br />

mit den Stadtbehörden, den hiesigen<br />

Kin<strong>der</strong>ärzten und den Besuch von Praxen. Es<br />

soll auch Gelegenheit geben, Anliegen und<br />

Erwartungen <strong>der</strong> zukünftigen Kin<strong>der</strong>ärzte zu<br />

erfahren.<br />

Falls dieses Angebot Kolleginnen und Kollegen<br />

interessiert, die nicht die Gelegenheit<br />

hatten, den Stand <strong>der</strong> Stadt La Chaux-de-<br />

Fonds anlässlich des Kongresses in Genf zu<br />

besuchen, können sie sich an untenstehende<br />

Adresse wenden.<br />

Wir hoffen fest, dass diese Initiative ein erfolgreiches<br />

Nachspiel haben und bei jenen ein<br />

positives Echo finden wird, die ausgetretene<br />

Pfade und das vertraute Umfeld <strong>der</strong> Grossund<br />

Universitätsstädte verlassen und nach<br />

Lösungen suchen wollen, die sich auf den<br />

ersten Blick nicht aufdrängen, sich langfristig<br />

aber als aussichtsreich und Erfolg versprechend<br />

erweisen.<br />

Die Stadt La Chaux-de-Fonds setzt ihre Aktion<br />

fort und wird an <strong>der</strong> Fortbildungsveranstaltung<br />

des Kollegiums für Hausarztmedizin<br />

KHM, am 26. September 2013 im Centre de<br />

Congrès Beaulieu in Lausanne, präsent sein.<br />

Korrespondenzadresse<br />

Service de la santé et promotion de la santé<br />

de la Ville de La Chaux-de-Fonds<br />

Dr Souhaïl Latrèche
<br />

Rue de la Serre 14
<br />

Case postale 2286
<br />

2300 La Chaux-de-Fonds
<br />

Tél. +41 32 967 61 92
<br />

Fax +41 32 722 07 90<br />

centre.sante.vch@ne.ch
<br />

Der Kin<strong>der</strong>notfalldienst wird im Kanton Neuenburg seit 1997 im Spital Pourtalès und seit<br />

2008 in beiden Spitälern, Neuenburg und La Chaux-de-Fonds, von Kin<strong>der</strong>ärzten und Kin<strong>der</strong>klinik<br />

gemeinsam bestritten.<br />

Während <strong>der</strong> Wochentage übernimmt die Kin<strong>der</strong>poliklinik des Spitals Pourtalès den pädiatrischen<br />

Notfalldienst <strong>24</strong> Stunden im Tag. In La Chaux-de-Fonds steht den Patienten eine<br />

Hotline von 08 Uhr bis 18 Uhr zur Verfügung.<br />

Während den Wochenenden und an Feiertagen wird <strong>der</strong> Notfalldienst in beiden Spitälern<br />

von 10 Uhr bis 17–18 Uhr von den im Kanton praktizierenden Kin<strong>der</strong>ärzten übernommen,<br />

über Nacht wie<strong>der</strong>um von <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>poliklinik.<br />

Dieses System war in <strong>der</strong> Schweiz eine Pionierleistung, es ist effizient und funktioniert zur<br />

Zufriedenheit aller Beteiligten: Patienten und <strong>der</strong>en Familien, praktizierenden und Spitalärzten.<br />

Den Assistenzärzten gibt es Gelegenheit, Notfallkonsultationen gemeinsam mit den<br />

praktizierenden Ärzten durchzuführen und den praktizierenden Ärzten, berufliche und<br />

persönliche Kontakte zu «ihrem» Spital zu wahren, wo übrigens jeweils am Mittwoch Morgen<br />

Weiter- und Fortbildungen stattfinden.<br />

43


Hinweise<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Educational Grant<br />

Pilotprojekt <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für pädiatrische Gastroenterologie,<br />

Hepatologie und Ernährung, ab Herbst 2013 für drei Jahre<br />

Andreas Nydegger, Präsident SGPGHE, Lausanne<br />

Die Schweizerische <strong>Gesellschaft</strong> für pädiatrische<br />

Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung<br />

(SGPGHE) stellt ab Herbst 2013 einen<br />

«Educational Grant» zur Verfügung. Dieser<br />

beinhaltet eine finanzielle Beteiligung für folgende<br />

Bereiche:<br />

• Wissenschaftliche Kongresse im Bereich<br />

<strong>der</strong> Gastroenterologie, Hepatologie und<br />

Ernährung (GPGE, SFGHNP, ESPGHAN,<br />

AGA, UEGW), falls ein Poster vorgestellt<br />

o<strong>der</strong> eine Präsentation gehalten wird<br />

• Besuchen einer Summer-School (organisiert<br />

durch ESPGHAN) o<strong>der</strong> eines Endoskopiekurses<br />

• Kurse zur Verbesserung von Forschungs-<br />

Skills.<br />

Für eine provisorische Dauer von 3 Jahren<br />

können sich alle Ärzte in Weiterbildung, sowie<br />

ausgebildete Kin<strong>der</strong>ärzte, welche im Bereich<br />

<strong>der</strong> pädiatrischen Gastroenterologie tätig<br />

sind, bewerben. Die Bewerbung muss durch<br />

ein Mitglied <strong>der</strong> SGPGHE unterstützt werden<br />

und muss folgende Dokumente enthalten:<br />

• Motivationsschreiben<br />

• Lebenslauf<br />

• Wissenschaftliche Arbeit, die vorgestellt<br />

wird (Poster o<strong>der</strong> Präsentation)<br />

Der Maximalbetrag beläuft sich auf CHF<br />

2000.– pro 6 Monate und kann unter mehreren<br />

Bewerbern aufgeteilt werden, wobei <strong>der</strong><br />

Betrag nicht für Reisekosten aufgewendet<br />

werden darf. Anlässlich <strong>der</strong> 2 Einreichungsfristen<br />

(Ende März, beziehungs weise Ende<br />

September des jeweiligen Kalen<strong>der</strong>jahres)<br />

wird das Komitee, bestehend aus 3 Mitglie<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> SGPGHE, die jeweils beste(n)<br />

Arbeit(en) auswählen. Die Gewinner müssen<br />

ihre Arbeit anlässlich <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

im November vorstellen. Die Mitglie<strong>der</strong><br />

des aktuellen Komitees sind: Dr. Raoul Furlano<br />

(Basel), Dr. Susanne Schibli (Bern) und Dr.<br />

Andreas Nydegger (Lausanne). Bewerbungen<br />

sollen an folgende Adresse geschickt werden:<br />

Korrespondenzadresse<br />

Dr. Raoul Furlano<br />

(Komitee-Verantwortlicher)<br />

Abteilungsleiter für pädiatrische Gastroenterologie,<br />

Hepatologie und Ernährung<br />

Universitäts-Kin<strong>der</strong>spital bei<strong>der</strong> Basel<br />

Spitalstrasse 33<br />

Postfach<br />

4031 Basel<br />

raoul.furlano@ukbb.ch<br />

44


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Hinweise<br />

Kollegium für Hausarztmedizin KHM<br />

KHM Forschungspreis Hausarztmedizin 2014<br />

Gestiftet von MEPHA<br />

Fachgebiet<br />

Arbeiten/Kriterien<br />

Hausarztmedizin<br />

Abgeschlossene wissenschaftliche Arbeiten aus <strong>der</strong> Schweiz o<strong>der</strong> von im Ausland tätigen Schweizer Innen,<br />

die wichtige Aspekte hausärztlicher Grundversorgung thematisieren, insbeson<strong>der</strong>e:<br />

• Die Qualität <strong>der</strong> Behandlung und <strong>der</strong> Betreuung hausärztlicher PatientInnen<br />

• Die praktische Arbeit des hausärztlichen Grundversorgers (valid, relevant, umsetzbar im Rahmen <strong>der</strong><br />

Praxis)<br />

• Die Sicherstellung <strong>der</strong> hausärztlichen Grundversorgung (Erforschung <strong>der</strong> Grundlagen, Arbeitsbedingungen,<br />

Ressourcenlage und Versorgungssituation)<br />

Preissumme CHF 30 000.–<br />

Es können eine o<strong>der</strong> mehrere Arbeiten ausgezeichnet werden. Bei <strong>der</strong> Preisvergabe an mehrere Arbeiten<br />

wird die Preissumme aufgeteilt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

TeilnehmerInnen<br />

Eingabetermin<br />

Preisverleihung<br />

Preiskomitee<br />

Teilnahmebedingungen<br />

Auskunft<br />

Autorinnen und Autoren aus <strong>der</strong> Schweiz o<strong>der</strong> von im Ausland tätigen SchweizerInnen, die in den vergangenen<br />

drei Jahren eine bedeutende hausärztliche Arbeit abgeschlossen haben<br />

1. Dezember 2013 (bitte den Termin beachten)<br />

KHM Fortbildungstagung vom 26./27. Juni 2014 in Luzern<br />

und vom 4. September 2014 in Lausanne<br />

Eine unabhängige Jury, eingesetzt vom Stiftungsrat KHM<br />

Einzureichen sind in elektronischer Form per E-Mail o<strong>der</strong> CD (keine Disketten) und auf Papier:<br />

• Anmeldeformular (www.kollegium.ch/rd/d.html)<br />

• Curriculum vitae des Hauptautors<br />

• Manuskript<br />

• Begleitschreiben «Bedeutung <strong>der</strong> eingereichten Arbeit für die Hausarztmedizin». Schon einmal unterbreitete<br />

Arbeiten können nicht berücksichtigt werden und über die Preisnominierung wird keine Korrespondenz<br />

geführt.<br />

Kollegium für Hausarztmedizin KHM<br />

Sekretariat Forschung Hausarztmedizin, Landhausweg 26, 3007 Bern<br />

foham@kollegium.ch; www.kollegium.ch/rd/d.html<br />

Fanconi-Preis 2014<br />

Schweizerische <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie<br />

Die Schweizerische <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie (SGP) verleiht jährlich anlässlich <strong>der</strong> Jahrestagung<br />

den Fanconi-Preis im Wert von CHF 10'000.–.<br />

Mit dem Preis werden bedeutende Arbeiten zugunsten <strong>der</strong> Pädiatrie ausgezeichnet. Dabei kann es sich um ausgezeichnete wissenschaftliche<br />

Beiträge, bedeutende gesellschaftliche Leistungen zugunsten <strong>der</strong> Gesundheit von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen o<strong>der</strong> um hervorragende Verdienste<br />

im Rahmen <strong>der</strong> SGP handeln. Der Preis kann sowohl für eine herausragende Einzelleistung wie für ein Lebenswerk verliehen werden.<br />

Preisträger können eine Person o<strong>der</strong> mehrere Personen <strong>der</strong>selben Arbeitsgruppe sein. Sie müssen mit <strong>der</strong> schweizerischen Pädiatrie in<br />

enger Beziehung stehen. Die Preisverleihung erfolgt durch den Vorstand <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong>, <strong>der</strong> sich von Experten seiner Wahl beraten lässt.<br />

Kandidaturen mit ausführlichem Lebenslauf und Begründung <strong>der</strong> preiswürdigen Leistung können von jedem ordentlichen Mitglied, einschliesslich<br />

<strong>der</strong> Kandidatin o<strong>der</strong> dem Kandidaten selbst, bis zum 31. Januar 2014 beim Sekretariat <strong>der</strong> SGP eingereicht werden.<br />

Schweizerische <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie, Postfach 1380, 1701 Freiburg, secretariat@swiss-paediatrics.org<br />

45


Zeitschriftenreview<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Zeitschriftenreview<br />

Kommentare: Mustapha Mazouni, Lausanne / Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds<br />

Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds<br />

Die jetzt effizientere Spitalbetreuung <strong>der</strong> AHI<br />

im Vergleich zu an<strong>der</strong>en medizinischen Strukturen<br />

(privat o<strong>der</strong> staatlich) kann die kurzen<br />

Spitalaufenthalte erklären.<br />

Koshy E., Murray J., Bottle A.,<br />

et al.<br />

Significantly increasing hospital admissions<br />

for acute throat infections among<br />

children in England: is this related to<br />

tonsillectomy rates? Arch Dis Child 2012;<br />

97: 1064–1068.<br />

Abstract<br />

Objective<br />

To examine trends in hospital admissions for<br />

acute throat infection (ATI) and peritonsillar<br />

abscess (PTA) alongside tonsillectomy<br />

trends in children.<br />

Design<br />

We analysed Hospital Episode Statistics data<br />

to calculate annual age-standardised and<br />

age-sex specific rates for ATI, PTA and tonsillectomies<br />

in children aged 0–17 years who<br />

were admitted to hospital in England between<br />

1 April 1999 and 31 March 2010.<br />

Results<br />

Age-standardised admission rates for ATI<br />

increased by 76% from 107.3 (95% CI 105.3<br />

to 109.2) to 188.4 (95% CI 185.9 to 191.0)<br />

admissions per 100’000 children. Median<br />

length of stay for ATI admissions decreased<br />

from 1 to 0 days. Admission rates for PTA<br />

remained stable at between 9.6 (95% CI 9.0<br />

to 10.2) and 8.7 (95% CI 8.1 to 9.2) per<br />

100’000 children in 1999/2000 and<br />

2009/2010, respectively. Age standardised<br />

tonsillectomy rates declined from 367.4<br />

(95% CI 363.8 to 371.0) to 278.0 (95% CI<br />

274.9 to 281.1) per 100’000 children between<br />

1999/2000 and 2000/2001, respectively,<br />

increased to 322.4 (95% CI 319.0 to<br />

325.7) in 2002/2003 and then gradually<br />

declined again to 293.6 (95% CI 290.4 to<br />

296.8) in 2009/2010.<br />

Conclusions<br />

ATI admission rates have increased substantially<br />

in the past decade, but the majority of<br />

children are discharged after a short stay.<br />

PTA admission rates have remained stable.<br />

This suggests the severity of throat infection<br />

has not increased. Tonsillectomy rates in<br />

England have been declining overall but do<br />

not appear to be associated with this increasing<br />

trend in ATI admissions. The increase<br />

most likely reflects changes in primary care<br />

and hospital service provision.<br />

Kommentar (Mustapha Mazouni)<br />

Diese über 10 Jahre laufende Studie gründet<br />

auf Daten <strong>der</strong> Hospital Episode Statistics und<br />

des National Health Service. Untersucht<br />

wurde die Häufigkeit <strong>der</strong> Spitalaufnahmen<br />

unter <strong>der</strong> Diagnose «akute Pharyngitis» (AHI)<br />

bzw. Peritonsillarabszess (PTA) und <strong>der</strong>en<br />

Auswirkung auf die Häufigkeit <strong>der</strong> im Kindesalter<br />

durchgeführten Tonsillektomien. Es ist<br />

die erste Studie dieser Art in Grossbritannien<br />

und ihre Bedeutung liegt darin, dass sie eine<br />

breite, repräsentative Stichprobe <strong>der</strong> englischen<br />

Bevölkerung umfasst.<br />

Die Ergebnisse regen zu folgenden Überlegungen<br />

an:<br />

Die Zunahme <strong>der</strong> AHI um 76% ist eindrücklich.<br />

Die Autoren haben keine eindeutige Erklärung<br />

dafür, interpretieren aber folgen<strong>der</strong>massen:<br />

• Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> ärztlichen Versorgung Englands,<br />

die zu einer Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Aufnahmekriterien<br />

und damit Zunahme <strong>der</strong> Spitalaufnahmen<br />

ganz allgemein geführt haben.<br />

• Die weitaus grösste Zahl Spitalaufnahmen<br />

wegen AHI betrafen schwere Formen ohne<br />

Komplikationen, was in <strong>der</strong> Überzahl kurzer<br />

Aufnahmen (≤1 Tag) zum Ausdruck kommt<br />

und auch die absolute Zunahme an AHI erklärt.<br />

Die Häufigkeit <strong>der</strong> Peritonsillarabszesse verblieb<br />

über diesen Zeitabschnitt konstant.<br />

Die Häufigkeit <strong>der</strong> Tonsillektomien o<strong>der</strong> Adeno-Tonsillektomien<br />

hat während dieser zehn<br />

Jahre gesamthaft abgenommen, wurde also<br />

we<strong>der</strong> durch die Häufigkeit an AHI noch die<br />

Schwere <strong>der</strong> PTA beeinflusst. Die Autoren bringen<br />

diese Tatsache vielmehr mit <strong>der</strong> Publikation<br />

und Anwendung durch die Hals-Nasen-Ohrenärzte<br />

von nationalen Guidelines zur Behandlung<br />

<strong>der</strong> AHI und zur Indikation <strong>der</strong> Tonsillektomie in<br />

Zusammenhang. Dies, obwohl die Gründe, eine<br />

Tonsillektomie durchzuführen, multifaktoriell<br />

sind.<br />

Jang H.-J., Kim AS., Hwang J.-B.<br />

The etiology of small and fresh rectal<br />

bleeding in not-sick neonates: should<br />

we initially suspect food protein-induced<br />

proctocolitis? Eur J Pediatr 2012; DOI<br />

10.1007/s00431-012-1825-2.<br />

Abstract<br />

This study was performed to identify the cause<br />

and frequency of food protein-induced proctocolitis<br />

(FPIPC) in not-sick neonates with small<br />

and fresh rectal bleeding and to verify the effectiveness<br />

of oral food elimination and challenge<br />

test (ECT) as a diagnostic method of<br />

FPIPC. We prospectively analyzed neonates<br />

with small and fresh rectal bleeding who were<br />

clinically normal. We investigated age at symptom<br />

onset, feeding at onset of bleeding, the<br />

time of bleeding disappearance, stool smear<br />

and culture, endoscopic findings, and histopathologies<br />

in the biopsy specimens of 16 notsick<br />

neonates. We performed food ECT in cases<br />

with over 4 days of persistent rectal<br />

bleeding in the absence of any other etiology.<br />

In 16 not-sick neonates with rectal bleeding,<br />

the median age at symptom onset was 8.5<br />

(1–43) days. Endoscopic abnormalities were<br />

observed in all 16 patients, and in 10 cases<br />

satisfying the pathological guidelines for<br />

FPIPC, two (12.5 %) were confirmed as FPIPC<br />

by food ECT. In the other 14 (87.5 %) cases,<br />

rectal bleeding spontaneously disappeared<br />

after on average at 4 (1–8) days and thus was<br />

diagnosed as idiopathic neonatal transient<br />

colitis (INTC).<br />

Conclusions<br />

FPIPC is rare as a cause of small and fresh<br />

rectal bleeding in not-sick newborns and most<br />

of cases proved to be INTC. Although clinical<br />

findings are suspected as its symptoms and<br />

histological results satisfy its diagnostic criteria,<br />

FPIPC should be carefully confirmed<br />

through food ECT.<br />

Kommentar (Mustapha Mazouni)<br />

Diese sorgfältige Studie zum Auftreten kleiner<br />

Mengen frischen Blutes im Stuhl gesun<strong>der</strong><br />

Neugeborener (n=13) und Säuglinge (n=3)<br />

wurde durch eine Gruppe <strong>der</strong> Universität<br />

Daegu (Republik Korea) durchgeführt. Mit<br />

strenger Methodik wurden weitreichende<br />

hämatologische und mikrobiologische sowie<br />

46


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Zeitschriftenreview<br />

invasive Abklärungen (Endoskopie und Rektalbiopsien)<br />

durchgeführt.<br />

Die Autoren kommen zu folgenden Schlussfolgerungen:<br />

Die «durch Nahrungsmittelintoleranz bedingte<br />

Neugeborenenkolitis» (NINK) (Kuhmilch, Eier,<br />

Haselnuss, Soja, Fisch, Schalentiere, Weizen)<br />

ist beim gesunden Neugeborenen selten. Nur<br />

zwei <strong>der</strong> 16 untersuchten Patienten entsprachen<br />

den Kriterien einer NINK: Eine Kuhmilchund<br />

eine Fisch- und Hühnereiintoleranz. Bei<br />

den übrigen 14 Fällen handelte es sich um<br />

eine «transitorische idiopathische Neugeborenenkolitis»,<br />

wovon acht Fälle von «transitorischer<br />

eosinophiler Neugeborenenkolitis».<br />

Zusammenfassend kann festgehalten werden,<br />

dass eine Darmblutung beim Neugeborenen<br />

im Allgemeinen gutartig und befristet ist<br />

(klingt im Mittel innerhalb vier Tagen ab). Die<br />

NINK, durch die Autoren nach strengen Kriterien<br />

definiert, ist ungewöhnlich und wenig<br />

bekannt.<br />

Auf Grund ihrer Studie empfehlen sie bei<br />

Auftreten einer Darmblutung beim Neugeborenen<br />

folgendes Vorgehen:<br />

• Beobachtung ohne Abklärungen während<br />

vier Tagen.<br />

• Bei Darmblutung > vier Tagen: Sistieren <strong>der</strong><br />

Ernährung p. o. und Nahrungsmittel einzeln<br />

testen zum Ausschluss o<strong>der</strong> Bestätigung<br />

einer NINK.<br />

• Nahrungsmittelausschluss und anschliessende<br />

-tests sollten als diagnostisches Vorgehen<br />

bei NINK in Betracht gezogen werden.<br />

De Schutter I., Dreesman A.,<br />

Soetens O., et al.<br />

In young children, persistent wheezing<br />

is associated with bronchial bacterial<br />

infection: a retrospective analysis.<br />

BMC Pediatrics 2012; 12: 83<br />

Abstract<br />

Background<br />

Young children with persistent wheezing<br />

pose a diagnostic and therapeutical challenge<br />

to the pediatrician. We aimed to evaluate<br />

bacterial bronchial infection as a possible<br />

reason for non response to conventional<br />

asthma therapy, and to identify and characterise<br />

the predominant pathogens involved.<br />

Methods<br />

We retrospectively analysed microbiological<br />

and cytological findings in a selected population<br />

of young wheezers with symptoms<br />

unresponsive to inhaled corticosteroid (ICS)<br />

therapy, who un<strong>der</strong>went flexible bronchoscopy<br />

with bronchoalveolar lavage (BAL).<br />

Procedural measures were taken to limit<br />

contamination risk and quantitative bacterial<br />

culture of BAL fluid (significance cut-off ≥<br />

104 colony-forming units/ml) was used.<br />

Mo<strong>der</strong>n microbiological methods were used<br />

for detection of a wide panel of pathogens<br />

and for characterisation of the bacterial<br />

isolates.<br />

Results<br />

33 children aged between 4 and 38 months,<br />

without structural anomalies of the conductive<br />

airways were evaluated. Significant<br />

bacterial BAL cultures were found in 48,5%<br />

of patients. Haemophilus influenzae was<br />

isolated in 30,3%, Streptococcus pneumoniae<br />

in 12,1% and Moraxella catarrhalis in<br />

12,1%. All H. influenzae isolates were nonencapsulated<br />

strains and definitely distinguished<br />

from non-haemolytic H. haemolyticus.<br />

Respiratory viruses were detected in 21,9%<br />

of cases with mixed bacterial-viral infection<br />

in 12,1%. Cytology revealed a marked neutrophilic<br />

inflammation.<br />

Conclusions<br />

Bacterial infection of the bronchial tree is<br />

common in persistent preschool wheezers<br />

and provides a possible explanation for non<br />

response to ICS therapy. Non-typeable H.<br />

influenzae seems to be the predominant<br />

pathogen involved, followed by S. pneumoniae<br />

and M. catarrhalis.<br />

Kommentar (Mustapha Mazouni)<br />

Das Fortbestehen einer pfeifenden Atmung<br />

(Wheezing) trotz adäquater Behandlung mit<br />

inhalierten Kortikosteroiden, bei Kin<strong>der</strong>n im<br />

Vorschulalter, stellt für den Kin<strong>der</strong>arzt sowohl<br />

eine diagnostische als auch therapeutische<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung dar. Mehrere Studien haben<br />

kürzlich darauf hingewiesen, dass bakterielle<br />

Infekte für anhaltendes Wheezing verantwortlich<br />

sein könnten. Diese Beobachtungen veranlassten<br />

die Autoren, eine Studie bei asthmakranken<br />

Kin<strong>der</strong>n im Vorschulalter, die<br />

keine anatomischen Verän<strong>der</strong>ungen des Bronchialbaumes<br />

aufweisen, durchzuführen, ausgehend<br />

von <strong>der</strong> Hypothese, dass die bakterielle<br />

Infektion eine unabhängige Ursache <strong>der</strong><br />

Entzündung und andauernden Wheezings<br />

sein könnte. Obwohl die Studie eine nur kleine<br />

Anzahl Kin<strong>der</strong> (n=33) und keine Kontrollgruppe<br />

umfasst, verdienen folgende Ergebnisse<br />

Beachtung:<br />

• Das Vorhandensein durch BAL von nicht<br />

typisierbarem H. influenzae (NTHi) in den<br />

Atemwegen verursacht einen chronischen<br />

Infekt. Dieser stellt die hauptsächliche Ursache<br />

<strong>der</strong> Entzündung dar, die bei <strong>der</strong> zytologischen<br />

Untersuchung <strong>der</strong> alveolären<br />

Spülflüssigkeit festgestellt wurde.<br />

• Die antibiotische Behandlung (Amoxicillin<br />

o<strong>der</strong> Amoxicillin/Clavulansäure, nach Erhalten<br />

des Antibiogrammes) während zehn<br />

Tagen führte zum Abklingen des Wheezings<br />

bei sieben <strong>der</strong> 16 Kin<strong>der</strong>n, bei denen<br />

in <strong>der</strong> alveolären Spülflüssigkeit ein signifikantes<br />

bakterielles Wachstum nachgewiesen<br />

wurde.<br />

Diese Befunde wurden kürzlich durch weitere<br />

Studien bestätigt.<br />

Taillefer A., Casasoprana A.,<br />

Cascarigny F., et al.<br />

Infants wearing teething necklaces.<br />

Arch Pediatr 2012; 19: 1058–64.<br />

Abstract<br />

Numerous infants wear teething necklaces,<br />

a quack remedy with a real risk of strangulation<br />

or aspiration of small beads.<br />

Aims<br />

Evaluate parental perceptions and beliefs<br />

about the use of teething necklaces and<br />

analyze parental knowledge about the associated<br />

dangers.<br />

Material and methods<br />

Between March and July 2011, in three different<br />

pediatric units of a tertiary children’s<br />

hospital and a general hospital in Toulouse<br />

and Montauban (southwest France), voluntary<br />

parents were invited to be interviewed<br />

about their child wearing a teething necklace.<br />

The interviews were conducted following<br />

an anthropological approach: they were<br />

recorded and then fully transcribed and<br />

analyzed. Parents were informed that the<br />

conversation was recorded.<br />

Results<br />

During the study period, 48 children were<br />

eligible. Eleven families refused to participate,<br />

29 parents were interviewed face to face.<br />

The children’s mean age was 14 years ± 7<br />

months, the male: female ratio was equal to<br />

0.8 (12 boys, 15 girls). The mean age of<br />

children when necklace wearing was started<br />

was equal to 4 ± 2 months. The mean<br />

mother’s age was 31 ± 5 years and 33 ± 4<br />

years for fathers. The parents’ religion was<br />

mostly Catholic (60%). Teething necklaces<br />

were mainly made of amber (n=23). Sales<br />

information about the risks associated with<br />

47


Zeitschriftenreview<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

the necklaces was for the most part absent<br />

(92%). The most frequent positive parental<br />

perceptions were analgesic properties and<br />

a soothing remedy (73%); a birth accessory<br />

and memory (64%); an esthetic accessory<br />

(60%); a protective amulet (60%); and an alternative<br />

or additional element to other traditional<br />

therapeutics (55%). The negative<br />

parental perceptions (n=4) were an unnecessary<br />

accessory, costume jewelry, a pure<br />

commercial abuse of a popular belief, a<br />

dangerous item with a risk of strangulation,<br />

and the absence of proof of its efficacy.<br />

Comments<br />

Although parents concede that teeth eruption<br />

is benign, they fear its related symptoms.<br />

To a natural phenomenon a natural response:<br />

they use a necklace to satisfy the analogy.<br />

The parental approach of this usage is<br />

consistent with accessorizing the child to<br />

protect and help them during a difficult stage.<br />

When informed of the danger of strangulation,<br />

numerous families preferred to continue<br />

this practice; their irrational fear of<br />

seeing their child suffer surpassed their fear<br />

of the risk of strangulation.<br />

Conclusion<br />

Putting necklaces on young children is dangerous.<br />

This risk must be diffused by all<br />

professionals working with small children in<br />

or<strong>der</strong> to stop any publicity or sale of this<br />

ineffective product implicated in infant<br />

deaths by strangulation<br />

Kommentar (Mustapha Mazouni)<br />

Es handelt sich um kein neues Thema, aber<br />

einer <strong>der</strong> Autoren ist es in seiner Doktorarbeit<br />

vom anthropologischen Gesichtspunkt aus<br />

angegangen, indem er die elterlichen Vorstellungen<br />

zum Tragen von Halsketten bei Säuglingen<br />

und die Wahrnehmung <strong>der</strong> damit verbundenen<br />

Gefahren durch diese Familien<br />

untersuchte.<br />

Die Gefahren dieser Halsketten wurden in <strong>der</strong><br />

pädiatrischen Literatur ausgiebig beschrieben<br />

(200 Todesfälle zwischen 1975 und 1978 in<br />

den USA und 30 Todesfälle in Frankreich im<br />

Jahr 2003).<br />

Nach einer kurzen historischen Übersicht zum<br />

Tragen von Halsketten im Verlaufe <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>te,<br />

betonen die Autoren folgende vier<br />

wesentliche Punkte ihrer Untersuchung:<br />

• Zahlreiche Familien beharren auf dem Tragen<br />

<strong>der</strong> Halsketten, obwohl sie über <strong>der</strong>en<br />

Gefahren informiert sind.<br />

• In ihren Vorstellungen mischen heutige Eltern<br />

Analogismus (nach Philippe Descola),<br />

Paradoxie, Familientradition und <strong>Vol</strong>ksglauben.<br />

• Die Halskette wirkt beruhigend auf die Eltern.<br />

• Kein Verkäufer hat die Eltern auf die Strangulierungs-<br />

o<strong>der</strong> Inhalationsgefahr (Perlen)<br />

aufmerksam gemacht.<br />

Hesselmar B. , Sjöberg F. , Saalman<br />

R. , et al.<br />

Pacifier cleaning practices and risk<br />

of allergy development. Pediatrics<br />

2013; 131 (6): e1829<br />

What’s known on this subject: Infants with<br />

a diverse gut microbial flora are less likely<br />

to develop eczema and allergy.<br />

What this study adds: Parental sucking of<br />

their infant’s pacifier is associated with a<br />

reduced risk of allergy development and an<br />

altered oral flora in their child. Transfer of<br />

oral microbes from parent to infant via the<br />

pacifier might be used in primary prevention.<br />

Abstract<br />

Objective<br />

Immune stimulation through exposure to<br />

commensal microbes may protect against<br />

allergy development. Oral microbes may be<br />

transferred from parents to infants via pacifiers.<br />

We investigated whether pacifier cleaning<br />

practices affected the risk of allergy<br />

development.<br />

Methods<br />

A birth-cohort of 184 infants was examined<br />

for clinical allergy and sensitization to airborne<br />

and food allergens at 18 and 36 months<br />

of age and, in addition, promptly on occurrence<br />

of symptoms. Pacifier use and<br />

pacifier cleaning practices were recorded<br />

during interviews with the parents when the<br />

children were 6 months old. The oral microbiota<br />

of the infants was characterized by<br />

analysis of saliva samples collected at 4<br />

months of age.<br />

Results<br />

Children whose parents «cleaned» their pacifier<br />

by sucking it (n=65) were less likely to<br />

have asthma (odds ratio [OR] 0.12; 95%<br />

confidence interval [CI] 0.01–0.99), eczema<br />

(OR 0.37; 95% CI 0.15–0.91), and sensitization<br />

(OR 0.37; 95% CI 0.10–1.27) at 18 months<br />

of age than children whose parents did not<br />

use this cleaning technique (n=58). Protection<br />

against eczema remained at age 36<br />

months (hazard ratio 0.51; P=.04). Vaginal<br />

delivery and parental pacifier sucking yielded<br />

independent and additive protective<br />

effects against eczema development. The<br />

salivary microbiota differed between children<br />

whose parents cleaned their pacifier by<br />

sucking it and children whose parents did<br />

not use this practice.<br />

Conclusions<br />

Parental sucking of their infant’s pacifier<br />

may reduce the risk of allergy development,<br />

possibly via immune stimulation by microbes<br />

transferred to the infant via the parent’s<br />

saliva.<br />

Kommentar (Rudolf Schlaepfer)<br />

Die Autoren führen am Ende ihres ausführlich<br />

dokumentierten Artikels eine in vieler Hinsicht<br />

interessante Diskussion.<br />

Der frühzeitige Erwerb einer komplexen<br />

Darmflora schützt vor dem Auftreten von<br />

Allergien, was vermuten lässt, dass die in<br />

symbioseähnlicher Verbindung lebenden Keime<br />

die Reifung des Immunsystems positiv<br />

beeinflussen. Hygienistische Hypothesen<br />

assoziieren ein geringeres Allergierisiko mit<br />

Armut, kin<strong>der</strong>reichen o<strong>der</strong> in engen Verhältnissen<br />

lebenden Familien, frühzeitigem Kontakt<br />

mit Haustieren o<strong>der</strong> Tieren auf einem<br />

Bauernhof sowie mit durch Nahrungsmittel<br />

eingenommenen Keimen. Der erste Kontakt<br />

findet im Munde statt, die Mundschleimhaut<br />

beherbergt eine komplexe Flora, bestehend<br />

aus mehreren hun<strong>der</strong>t weit verbreiteten<br />

Keimarten, die durch Kontakt, durch Küssen,<br />

Berühren und Ernähren des Kindes übertragen<br />

werden.<br />

In <strong>der</strong> vorliegenden Studie wurde die Entwicklung<br />

von 174 Kin<strong>der</strong>n bis ins Alter von 36<br />

Monaten verfolgt (längerfristige Nachkontrollen<br />

sind im Gange). Es wurden − noch während<br />

<strong>der</strong> Schwangerschaft − vorwiegend Kin<strong>der</strong> aus<br />

Familien mit mindestens einem an Allergien<br />

leidenden Familienmitglied in die Studie eingeschlossen<br />

(80% <strong>der</strong> Familien). Die geringe<br />

Anzahl Kin<strong>der</strong> wird durch die sehr minutiöse<br />

Untersuchung, einschliesslich zwei Blutentnahmen<br />

im Alter von 18 bzw. 36 Monaten,<br />

aufgewogen. Ausser Fragen zu möglichen<br />

confounding factors wurden den Eltern Fragen<br />

zu den Nuggigewohnheiten gestellt.<br />

Das Benutzen per se eines Nuggi korreliert<br />

nicht mit einer klinisch manifesten Allergie<br />

o<strong>der</strong> einer Sensibilisierung (erhöhte Anzahl<br />

Eosinophile und totales IgE sowie Vorhandensein<br />

spezifischer IgE für Nahrungsmittel- und<br />

Atemwegsallergene im Blut), das Steri li sieren<br />

des Nuggi erhöht die Asthma prävalenz (jedoch<br />

nicht signifikant), das Reinigen des<br />

48


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Zeitschriftenreview<br />

Nuggi durch in den Mund nehmen korreliert<br />

hingegen ganz eindeutig mit einer Abnahme<br />

des Asthmarisikos: Die Prävalenz von Asthma<br />

wie auch von Ekzem ist bei Kin<strong>der</strong>n, <strong>der</strong>en<br />

Eltern diese Gewohnheit haben, deutlich<br />

niedriger als bei Kin<strong>der</strong>n von Eltern, die dies<br />

nicht tun; in ge ringerem Masse gilt dies auch<br />

für die Sensibilisierung. Die Häufigkeit respiratorischer<br />

Infekte unterscheidet sich nicht.<br />

Die Gewohnheit <strong>der</strong> Eltern, den Nuggi durch<br />

Lutschen zu säubern ist nicht mit confounding<br />

factors wie Allergien <strong>der</strong> Eltern, Rauchen,<br />

Stilldauer, Einführen von fester Nahrung,<br />

Krankheiten und <strong>der</strong>en Behandlung o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Gegenwart von Haustieren assoziiert. Hingegen<br />

korreliert diese Gewohnheit sehr stark<br />

mit <strong>der</strong> Tatsache, dass das Kind vaginal entbunden<br />

wurde: Diese Eltern reinigen den<br />

Nuggi signifikant häufiger durch Lutschen als<br />

Eltern, <strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong> durch Kaiserschnitt geboren<br />

wurden (in dieser Serie 14%!).<br />

Die vaginale Geburt und das Lutschen des<br />

Nuggi durch die Eltern verleihen dem Kind<br />

einen kumulierten und voneinan<strong>der</strong> unabhängigen<br />

Schutz vor Allergien. So ist die Prävalenz<br />

des Ekzems im Alter von 18 Monaten bei<br />

vaginal geborenen Kin<strong>der</strong>n, <strong>der</strong>en Eltern am<br />

Nuggi lutschen, ca. 2.5-mal niedriger als bei<br />

Sectiokin<strong>der</strong>n, <strong>der</strong>en Eltern dies nicht tun<br />

(20% vs. 54%).<br />

Die Autoren erwähnen schliesslich das Kariesrisiko<br />

1) , eine in einer früheren Nummer von<br />

Paediatrica 2) auch behandelte Problematik.<br />

Sie zitieren dazu jedoch eine Studie gemäss<br />

welcher Karies nicht mit dem Benutzen eines<br />

Nuggi assoziiert ist 3) , und eine zweite, in welcher<br />

sogar eine eher negative Korrelation<br />

zwischen Karies und «engem» Kontakt durch<br />

Speichel zwischen Eltern und Kind vermutet<br />

wird 4) .<br />

Der grosse, damit verbundene Aufwand hin<strong>der</strong>t<br />

die Autoren zurzeit daran, genaue Angaben<br />

zu den Keimarten zu machen, die im<br />

Speichel <strong>der</strong> beiden Gruppen Kin<strong>der</strong> mehr<br />

o<strong>der</strong> weniger prävalent sind.<br />

Sie schliessen mit <strong>der</strong> Hypothese, dass die<br />

Übertragung von Keimen aus dem Mund <strong>der</strong><br />

Eltern zum Kind durch den Nuggi ein Mittel<br />

primärer Prävention sein könnte, die insbeson<strong>der</strong>e<br />

Sectiokin<strong>der</strong>n zugute kommen würde.<br />

Persönliche Schlussfolgerung<br />

Während meiner langjährigen Praxistätigkeit<br />

habe ich oft zu Boden gefallene Nuggis aufgehoben<br />

und unter den Wasserhahn gehalten,<br />

und oft erntete ich einen dankbaren Blick <strong>der</strong><br />

Eltern. Und doch war es total falsch … die<br />

wissenschaftliche, wie auch die historische<br />

Wahrheit ist jene, die uns anhand <strong>der</strong> verfügbaren<br />

Kenntnisse plausibel erscheint.<br />

Referenzen<br />

1) Parisotto TM, Steiner-Oliveira C, Silva CM, Rodrigues<br />

LK, Nobre-dos-Santos M. Early childhood caries and<br />

mutans streptococci: a systematic review. Oral Health<br />

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les dents des tout petits. Paediatrica 2010; 21 (1): 14–20.<br />

3) Peressini S. Pacifier use and early childhood caries:<br />

an evidence-based study of the literature. J Can Dent<br />

Assoc. 2003; 69 (1): 16–19.<br />

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Strabismus und Amblyopie<br />

erkennen, bevor sie irreversibel<br />

geworden sind …<br />

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FMH-Quiz<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

FMH Quiz 55<br />

Fallvorstellung<br />

Ein 10-jähriger afro-amerikanischer Junge<br />

kommt zu Ihnen in die Praxis mit einer Geschichte<br />

von Magenschmerzen, Übelkeit, Blähungen<br />

und Durchfällen, die seit einem Jahr<br />

bestehen und etwa 45 bis 60 Minuten nach<br />

Genuss von Milchprodukten auftreten. Er<br />

sagt, dass diese Symptome erst auftreten,<br />

wenn er «zu viel» gegessen hat. Er zeigt kein<br />

Erbrechen, keinen Pruritus und hat nie Blut<br />

erbrochen o<strong>der</strong> ausgehustet. Die klinische<br />

Untersuchung zeigt einen Jungen in gutem<br />

Allgemeinzustand mit normalen Vitalparametern.<br />

Der Bauch ist weich mit normalen Darmgeräuschen,<br />

die Suche nach okkultem Blut im<br />

Stuhl ist negativ.<br />

Frage<br />

Welches ist die wahrscheinlichste Ursache für<br />

die beschriebene Symptomatik?<br />

Antworten<br />

A. Allergische eosinophile Gastro-Enteritis<br />

B. Laktoseintoleranz<br />

C. Kuhmilchproteinallergie<br />

D. Kuhmilchproteinbedingte Enterokolitis<br />

E. Orales Allergiesyndrom<br />

Kommentar<br />

1. Welches ist die wahrscheinlichste<br />

Diagnose?<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Anamnese kann eine rasch<br />

(aber nicht unmittelbar) nach Einnahme milchhaltiger<br />

Produkte eintretende Diagnose vermutet<br />

werden. Die beschriebene klinische<br />

Präsentation mit<br />

• Schmerzen, Blähungen und Durchfall, jedoch<br />

• ohne Erbrechen, Hämatemesis, Blutabgang<br />

ab ano, chronische Diarrhö o<strong>der</strong> Fettstühle<br />

lässt vermuten, dass es sich we<strong>der</strong> um Protein<br />

noch Fett, son<strong>der</strong>n um Laktose als Auslöser<br />

handelt.<br />

Aufgrund des Alters (> 5 Jahre), <strong>der</strong> Herkunft,<br />

<strong>der</strong> sonst guten Gesundheit und <strong>der</strong> unauffälligen<br />

körperlichen Untersuchungsbefunde kann<br />

mit genügen<strong>der</strong> Sicherheit die klinische Diagnose<br />

einer Laktoseintoleranz gestellt werden.<br />

Innerhalb <strong>der</strong> Differentialdiagnose <strong>der</strong> Laktoseintoleranz<br />

kann ein kongenitaler Laktasemangel,<br />

<strong>der</strong> ohne Behandlung innerhalb weniger<br />

Tage tödlich verliefe, selbstverständlich<br />

ausgeschlossen werden. In <strong>der</strong> Gruppe sekundärer<br />

Laktoseintoleranz können eine Cystische<br />

Fibrose, ein Morbus Crohn o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

chronisch-entzündliche Darmerkrankungen,<br />

eine Parasitose (Lamblien) sowie die übermässige<br />

Verabreichung von Antibiotika o<strong>der</strong><br />

Protonenpumpenhemmer ausgeschlossen<br />

werden. Eine Zöliakie muss (je nach Resultat<br />

einer probatorischen Therapie – siehe unten)<br />

in einer Population mit erhöhter Prävalenz<br />

(zum Beispiel Italien mit 1:200 Kin<strong>der</strong>) vermutet<br />

werden, erscheint dagegen bei einem Kind<br />

afrikanischer Herkunft wenig wahrscheinlich.<br />

Zudem wäre die beschriebene Manifestation<br />

sehr atypisch, trotz <strong>der</strong> bekanntermassen mannigfaltigen<br />

Manifestationen einer Zöliakie.<br />

Klinisch handelt es sich somit um eine primäre<br />

Laktoseintoleranz, die im englischen<br />

Sprachgebrauch auch als «ethnisch bedingt»<br />

bezeichnet wird – <strong>der</strong> Begriff weist auf die<br />

erhöhte Prävalenz in bestimmten Bevölkerungen<br />

hin: Afrika 65–75% und gewisse asiatische<br />

Regionen sowie amerikanische Ureinwohner<br />

> 90%.<br />

2. Weitere vorgeschlagene<br />

Differentialdiagnosen:<br />

E. Orales Allergiesyndrom, auch als gekreuzte<br />

Allergie bezeichnet. Es wird davon<br />

ausgegangen, dass es sich um eine Kontaktallergie<br />

bei Patienten mit allergischer Rhinitis<br />

handelt. Die Symptome sind auf den Oropharynx<br />

beschränkt; dazu gehören das praktisch<br />

unmittelbare Auftreten von Juckreiz, Irritation<br />

und Schwellung <strong>der</strong> Lippen, Zunge, Gaumen<br />

und Rachen nach Einnahme von Früchten<br />

o<strong>der</strong> frischem, beziehungsweise ungekochtem<br />

Gemüse. Die klinische Beschreibung bei<br />

diesem Patienten stimmt damit nicht überein.<br />

C. Kuhmilchproteinallergie<br />

D. Kuhmilchproteinbedingte Enterokolitis<br />

Eine Kuhmilproteinallergie manifestiert sich<br />

meist bereits während <strong>der</strong> ersten Lebensmonate,<br />

wobei IgE-vermittelte und nicht-IgEvermittelte<br />

Formen vorkommen:<br />

IgE-vermittelte Reaktionen treten in <strong>der</strong><br />

Regel innerhalb von wenigen Minuten bis 2<br />

Stunden nach Einnahme auf. Zu den Symptomen<br />

gehören Hautmanifestationen (Juckreiz,<br />

Urtikaria), Beschwerden im Oropharynx (Juckreiz,<br />

Schwellung <strong>der</strong> Lippen),Stridor, respiratorische<br />

(Husten, Asthmaanfall) und kardiovaskuläre<br />

(bis zum anaphylaktischen Schock)<br />

Symptome sowie gastro-intestinale Beschwerden,<br />

zumeist mit Erbrechen.<br />

Die durch Nahrungsmittel, beziehungsweise<br />

spezifisch durch Kuhmilchproteine bedingte,<br />

Enterokolitis (food protein-induced enterocolitis<br />

syndrome, FPIES) kann sich auf zwei<br />

verschiedene Arten manifestieren: Typischerweise<br />

2–4 Stunden nach dem ersten Kontakt,<br />

o<strong>der</strong> nach einer (unbeabsichtigten) Re-Exposition<br />

treten Erbrechen und massive Durchfälle<br />

auf, welche zu Dehydratation und Lethargie<br />

sowie bis zum Schock führen können.<br />

Die chronische Exposition mit dem verantwortlichen<br />

Agens führt zu Erbrechen, Durchfällen,<br />

Gedeihstörung und bisweilen zu einer<br />

Hypalbuminämie.<br />

Nicht-IgE-vermittelte Reaktionen treten in<br />

<strong>der</strong> Regel nach einer längeren Latenzzeit (> 2<br />

Stunden) auf.<br />

Die Symptomatik beim beschriebenen Patienten<br />

ist we<strong>der</strong> mit einer IgE-vermittelten noch<br />

mit einer nicht-IgE-vermittelten Reaktion vereinbar.<br />

A. allergische eosinophile<br />

Gastro-Enteritis<br />

Die allergische eosinophile Gastro-Enteritis<br />

kann in jedem Alter auftreten. Sie manifestiert<br />

sich durch Übelkeit, Abdominalschmerzen,<br />

Durchfall, Malabsorption und Gewichtsverlust,<br />

wobei die Symptome abhängig von<br />

<strong>der</strong> Ausdehnung <strong>der</strong> betroffenen Darmabschnitte<br />

sind. Rund die Hälfte <strong>der</strong> Betroffenen<br />

haben zusätzlich eine atopische Diathese;<br />

Nahrungsmittelallergien, Asthma, Ekzeme<br />

und Rhinitis.<br />

Im Gegensatz zur eosinophilen Oesophagitis<br />

bewirkt das Vermeiden von Nahrungsmittelallergenen<br />

jedoch keine o<strong>der</strong> keine wesentliche<br />

klinische Besserung bei den betroffenen Patienten.<br />

Teilweise vermag die beim Patienten beschriebene<br />

akute Symptomatik mit dieser Diagnose<br />

übereinzustimmen; die fehlende Angabe einer<br />

Atopie und insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> sehr gute Allgemeinzustand<br />

ein Jahr nach Beginn <strong>der</strong> Symptomatik<br />

sprechen jedoch dagegen.<br />

50


<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

FMH-Quiz<br />

3. Vorgeschlagenes Vorgehen in <strong>der</strong><br />

kin<strong>der</strong>ärztlichen Praxis<br />

Klinisch handelt es sich somit um eine primäre<br />

Laktoseintoleranz. Das schrittweise Vorgehen<br />

beginnt mit einer strikten Eliminationsdiät,<br />

wobei sichergestellt werden muss, dass<br />

ansonsten eine unverän<strong>der</strong>t normale Ernährung<br />

fortgesetzt wird. Insbeson<strong>der</strong>e soll darauf<br />

geachtet werden, dass nicht gleichzeitig<br />

eine glutenfreie Ernährung eingeführt wird –<br />

zunehmend wird durch Laien, ohne wissenschaftliche<br />

Begründung, eine glutenfreie Diät<br />

empfohlen. Konkret wird somit empfohlen,<br />

ausschliesslich laktosefreie Milchprodukte zu<br />

konsumieren und sonst eine normale Ernährung,<br />

aber ohne Michzusätze. Nach 2–3 Wochen<br />

kann bei Kin<strong>der</strong>n, die zuvor zumindest<br />

mehrfach wöchentlich Laktose konsumierten,<br />

eine genügende Beurteilung des Effektes <strong>der</strong><br />

Diät erfolgen.<br />

Bei überzeugendem Resultat <strong>der</strong> Eliminationsdiät<br />

kann die Diagnose definitiv bestätigt<br />

werden. In <strong>der</strong> Folge können schrittweise<br />

laktosehaltige Nahrungsmittel wie<strong>der</strong> eingeführt<br />

werden; dies erlaubt die individuelle<br />

Toleranzgrenze zu finden, welche einen beschwerdefreien<br />

Konsum von Laktose erlaubt.<br />

Dazu geeignet sind Milchprodukte mit geringem<br />

Laktosegehalt wie Butter, Hartkäse sowie<br />

gewisse Joghurt, die Laktase enthalten.<br />

Dieses Vorgehen ist äusserst kostengünstig,<br />

es genügen zwei Konsultationen von zirka 30<br />

Minuten und allenfalls eine telefonische Rücksprache.<br />

Bei diesem Vorgehen wird die Eliminationsdiät<br />

bei einem gewissen Anteil <strong>der</strong> Patienten<br />

keine abschliessende Diagnose erlauben.<br />

Nach Überprüfung <strong>der</strong> korrekten Durchführung<br />

<strong>der</strong> Diät (liebevolle Sabotage durch<br />

Grosseltern, Krippe etc.?) muss die initiale<br />

klinische Verdachtsdiagnose überprüft werden;<br />

in dieser Situation müssen gegebenenfalls<br />

auch gezielt an<strong>der</strong>e mögliche Ursachen<br />

(Zöliakie, Lamblien, vgl. oben) ausgeschlossen<br />

werden. In einem dritten Schritt, falls die<br />

Diagnose weiterhin unklar bleibt, kann <strong>der</strong><br />

Patient einem pädiatrischen Gastroenterologen<br />

zur Weiterabklärung zugewiesen werden.<br />

urtümlichen Jägern und Sammlern vormals<br />

physiologische Genotyp CC in <strong>der</strong> Position -<br />

13910 <strong>der</strong> Regulatorregion des Laktase-Gens<br />

führt bei unserer Ernährung mit entsprechendem<br />

Laktosekonsum zum klinischen Erscheinungsbild<br />

einer Laktoseintoleranz. Historisch<br />

haben wahrscheinlich Bevölkerungen mit hohem<br />

Laktosekonsum eine Mutation entwickelt,<br />

welche zur Persistenz einer hohen intestinalen<br />

Laktaseaktivität führt. Diese Personen<br />

sind entwe<strong>der</strong> homozygot für den Genotyp<br />

– 13910 TT o<strong>der</strong> heterozygot – 13910 TC.<br />

Der fehlende Nachweis eines zur Laktoseintoleranz<br />

prädisponierenden Genotyps erlaubt<br />

den Ausschluss einer primären Laktoseintoleranz<br />

(jedoch keineswegs einer sekundären<br />

Lakotseintoleranz!).<br />

Der Nachweis eines solchen Genotypes entbindet<br />

jedoch nicht von einer klassischen<br />

Abklärung, bei Bedarf mit Atemtest, und von<br />

<strong>der</strong> Suche nach einer sekundären Laktoseintoleranz;<br />

insbeson<strong>der</strong>e in atypischen Situati-<br />

onen, bei Anzeichen einer organischen Erkrankung<br />

o<strong>der</strong> bei Persistenz <strong>der</strong> Symptome<br />

trotz korrekt durchgeführter laktosefreier<br />

Diät.»<br />

Referenzen<br />

1) Montgomery RK et al. Lactose intolerance. In Up-<br />

ToDate, Friedmann LS (Ed), UpToDate, Waltham,<br />

MA, 2013 (www.uptodate.com, letzter Zugriff<br />

05.07.2013).<br />

2) Jarvinen-Seppo KM. Milk allergy: Clinical features<br />

and diagnosis. In UpToDate, Sicherer SH (Ed), Up-<br />

ToDate, Waltham, MA, 2013 (www.uptodate.com,<br />

letzter Zugriff 05.07.2013).<br />

3) Burks W. Clinical manifestations of food allergy: An<br />

overview. In UpToDate, Sicherer SH (Ed), UpToDate,<br />

Waltham, MA, 2013 (www.uptodate.com, letzter<br />

Zugriff 05.07.2013).<br />

4) Nowak-Węgrzyn A. Food protein-induced enterocolitis<br />

syndrome (FPIES) In UpToDate, Sicherer SH<br />

(Ed), UpToDate, Waltham, MA, 2013 (www.uptodate.com,<br />

letzter Zugriff 05.07.2013).<br />

5) Benkebil F, Roulet M. Laktoseintoleranz im Kindesalter:<br />

beeibflusst die Genetik unser Vorgehen? Paediatrica<br />

2007; 18 (1): 22–4.<br />

Korrespondenzadresse<br />

alexandre.corboz@gmail.com<br />

4. Genetische Untersuchung?<br />

Die Ausführungen von Benkebil F et al in Paediatrica<br />

(5) haben immer noch Gültigkeit<br />

(leicht abgeän<strong>der</strong>ter Text):<br />

«Der genetische Ursprung einer Laktoseintoleranz<br />

konnte aufgezeigt werden. Der bei den<br />

51


Kaktus<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

Besserer Schutz vor Epidemien<br />

dank neuem Gesetz<br />

Abstimmung vom 22. September 2013<br />

Die Referendumsführer konzentrieren ihre<br />

Kritik hauptsächlich auf das Thema Impfen.<br />

Sie behaupten, das neue Gesetz führe einen<br />

Impfzwang ein. Dies trifft aber in keiner Weise<br />

zu. Im Gegenteil: Während das heutige Gesetz<br />

es den Kantonen ohne nähere Bedingungen<br />

erlaubt, Impfungen für obligatorisch zu erklären,<br />

schränkt das neue Gesetz diese Möglichkeit<br />

klar ein. Neu dürfen solche Obligatorien<br />

nur noch bei einer erheblichen Gefahr und nur<br />

für einzelne Personengruppen erlassen werden.<br />

Und auch dann gilt wie bereits heute:<br />

Jede Person kann frei entscheiden, ob sie sich<br />

impfen lassen will o<strong>der</strong> nicht. Einen Impfzwang<br />

gibt es nicht. Bei einer Ablehnung des<br />

neuen Epidemiengesetzes könnten die Kantone<br />

jedoch wie bisher uneingeschränkt Obligatorien<br />

verfügen.<br />

Aus diesen Gründen ruft das Abstimmungskomitee<br />

die Bevölkerung auf, am 22. September<br />

2013 Ja zu stimmen. Nur so kann die Schweiz<br />

wirksam vor den ansteckenden Krankheiten<br />

<strong>der</strong> heutigen Zeit geschützt werden.<br />

Am kommenden 22. September stimmt die<br />

Schweiz über das neue Epidemiengesetz<br />

ab. Dieses will die Bevölkerung besser vor<br />

gefährlichen Infektionskrankheiten schützen<br />

als dies mit dem heutigen, veralteten<br />

Gesetz möglich ist. Eine breite Allianz von<br />

Organisationen aus allen Bereichen des<br />

Gesundheitswesens ist überzeugt, dass es<br />

das neue Gesetz braucht und setzt sich für<br />

ein Ja ein.<br />

Die Muster des Auftretens und die Verbreitung<br />

von übertragbaren Krankheiten haben<br />

sich in den letzten Jahrzehnten markant verän<strong>der</strong>t.<br />

Epidemien wie SARS, Schweine- und<br />

Vogelgrippe haben gezeigt, dass neue Krankheitserreger<br />

sich in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen, globalisierten<br />

und mobilen Welt sehr schnell verbreiten<br />

können. Das geltende Epidemiengesetz aus<br />

dem Jahr 1970 ist diesen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

nicht mehr gewachsen.<br />

Deshalb wurde es umfassend überarbeitet.<br />

National- und Stän<strong>der</strong>at haben dem neuen<br />

Epidemiengesetz (EpG) mit grossen Mehrheiten<br />

zugestimmt. Es kommt am 22. September<br />

2013 zur Abstimmung, weil dagegen das Referendum<br />

ergriffen worden ist.<br />

Besserer Schutz <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

Das neue Epidemiengesetz sieht Massnahmen<br />

vor, um übertragbare Krankheiten besser<br />

zu verhüten, zu bekämpfen, zu überwachen<br />

und früher zu erkennen. Unter an<strong>der</strong>em sollen<br />

nationale Programme den Schutz <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

verbessern, Infektionen im Spital<br />

bekämpfen und die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen<br />

verhin<strong>der</strong>n. Ein dreistufiges<br />

Eskalationsmodell regelt die Zuständigkeiten<br />

von Bund und Kantonen in Krisensituationen,<br />

ein ständiges Koordinationsgremium stellt<br />

<strong>der</strong>en Zusammenarbeit im Alltag sicher. Die<br />

Kompetenz, Impfungen für obligatorisch zu<br />

erklären, wird eingeschränkt. Neue Datenschutzbestimmungen<br />

definieren zudem, welche<br />

Daten von wem zu welchen Zwecken gesammelt<br />

werden dürfen und wie stark sie<br />

anonymisiert sein müssen.<br />

Rund 20 Organisationen aus allen Bereichen<br />

des Gesundheitswesens und weiteren Kreisen<br />

setzen sich für ein Ja zum neuen Epidemiengesetz<br />

ein. Sie haben unter Fe<strong>der</strong>führung von<br />

Public Health Schweiz, <strong>der</strong> nationalen Organisation<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Gesundheit, ein grosses<br />

Abstimmungskomitee gebildet. Darunter<br />

sind unter an<strong>der</strong>em die Ärzteverbindung FMH,<br />

<strong>der</strong> Schweizerische Apothekerverband pharmaSuisse,<br />

<strong>der</strong> Schweizerische Berufsverband<br />

<strong>der</strong> Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner<br />

SBK und das Konsumentenforum. Auch die<br />

Schweizerische <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie<br />

(SGP) und Kin<strong>der</strong>ärzte.schweiz haben sich<br />

dem Ja Komitee angeschlossen.<br />

Sie alle sind gemeinsam <strong>der</strong> Überzeugung,<br />

dass die Schweiz das neue Epidemiengesetz<br />

braucht, weil es die Bevölkerung besser<br />

vor den heutigen Gefahren von Epidemien<br />

schützt. Ansteckende Krankheiten können<br />

frühzeitig erkannt und wirksamer bekämpft<br />

werden. Patientinnen und Patienten wie auch<br />

das Personal können besser vor Ansteckungen<br />

im Spital geschützt werden. Gegen die<br />

zunehmenden Antibiotika-Resistenzen werden<br />

Massnahmen ergriffen. Bund und Kantone<br />

können Krisensituationen besser bewältigen.<br />

Impfobligatorium<br />

ist kein Impfzwang<br />

Für weitere Informationen<br />

Komitee Ja zum Epidemiengesetz<br />

c/o Public Health Schweiz<br />

Effingerstrasse 54<br />

3001 Bern<br />

epg@public-health.ch<br />

www.JAzumEPG.ch<br />

52


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D, SL. Weiterführende Informationen finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch. 0710. Excipial ® U Hydrolotio, Lipolotio Z: U Hydrolotio: Ureum 20 mg/ml, Lipidgehalt 11%; U Lipolotio mit/ohne<br />

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Montelukast Sandoz ® . W: Montelukast als Montelukast Natrium. I: Chronisches Bronchialasthma bei Erwachsenen und Kin<strong>der</strong>n ab 6 Jahren, bei Kin<strong>der</strong>n von 2 – 5 Jahren mit gesicherter Asthmadiagnose (als Monotherapie bei leichten, nicht steroidpflichtigen Formen o<strong>der</strong> als Zusatztherapie<br />

bei schweren Formen) und bei Kin<strong>der</strong>n von 6 Monaten bis 2 Jahren mit gesicherter Asthmadiagnose (als Monotherapie bei leichten, nicht steroidpflichtigen Formen o<strong>der</strong> als Zusatztherapie bei schweren Formen). Lin<strong>der</strong>ung von Symptomen <strong>der</strong> allergischen Rhinitis (Erwachsene und Kin<strong>der</strong> ab<br />

2 Jahren). D: Einnahme einmal täglich mit o<strong>der</strong> ohne Nahrung. Asthma: Einnahme abends vor <strong>der</strong> Bettruhe. Erwachsene über 15 Jahren eine Tablette à 10 mg pro Tag. Kin<strong>der</strong> zwischen 6 und 14 Jahren eine Kautablette à 5 mg pro Tag. Kin<strong>der</strong> zwischen 6 Monaten und 5 Jahren nehmen<br />

Granulat o<strong>der</strong> Kautablette à 4 mg pro Tag ein. Details s. www.swissmedicinfo.ch. KI: Überempfindlichkeit gegenüber einem Bestandteil des Produkts. VM: Nicht zur Behandlung von akuten Asthmaanfällen, nicht als plötzlicher Ersatz für inhalative o<strong>der</strong> orale Kortikosteroide. Arzt konsultieren,<br />

wenn kurzwirksame Bronchodilatatoren häufiger als gewöhnlich benötigt werden. Neuropsychiatrische Ereignisse wie abnormes Träumen, Halluzinationen, Reizbarkeit, Agitiertheit u.a. wurden beobachtet. Vorsicht und angemessene klinische Überwachung bei Reduktion von systemischen<br />

Kortikosteroiden. Kautabletten enthalten Aspartam und den Azofarbstoff Allurarot AC (E129). Details s. www.swissmedicinfo.ch. IA: Kann gleichzeitig mit an<strong>der</strong>en Substanzen zur Prophylaxe und chronischen Behandlung von Asthma und allergischer Rhinitis verabreicht werden. Phenobarbital.<br />

Details s. www.swissmedicinfo.ch. Schwangerschaft und Stillzeit: Sollte während <strong>der</strong> Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn es ist klar notwendig. Sollte während <strong>der</strong> Stillzeit nicht verwendet werden. UW: In klinischen Studien wurde am häufigsten über Dyspepsie,<br />

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