Bulletin der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie Vol. 24 Nr. 4 ...
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<strong>Bulletin</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 IX/2013<br />
12 Harnwegsinfektionen<br />
17 Pertussis<br />
20 Melatonin<br />
<strong>24</strong> Fettstoffwechselstörungen<br />
33+36 Babyfenster
Babies – Schutz durch Pertussis-<br />
Booster impfungen des Umfelds 1,2,3<br />
Boostrix ® – 1 Impfdosis = 3-facher Schutz<br />
Referenz: 1. Schweizerischer Impfplan 2013. 2. Bundesamt für Gesundheit (BAG). Anpassung <strong>der</strong> Impfempfehlung gegen Pertussis: für Jugendliche, Säuglinge<br />
in Betreuungseinrichtungen und schwangere Frauen. Bull BAG 2013; 9: 118-123. 3. Arzneimittelinformation Boostrix ® (www.swissmedicinfo.ch).<br />
Boostrix ® (dTp a): I: Boosterimpfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis von Personen ab dem 4. Geburtstag. Bei früherer Tetanus Grundimmunisierung<br />
auch zur Tetanus-Prophylaxe bei Verletzungen mit Tetanusrisiko anwendbar. Nicht zur Grundimmunisierung verwenden! D: Eine Impfdosis zu 0,5 ml. Anw.: Die<br />
Injektion erfolgt tief intramuskulär. Nicht intravasal anwenden. Nicht mit an<strong>der</strong>en Impfstoffen mischen. KI: Bekannte Überempfindlichkeit gegen einen <strong>der</strong> Bestandteile;<br />
akute, schwerwiegende fieberhafte Erkrankung; Enzephalopathie unbekannter Ätiologie innert 7 Tagen nach einer vorgängigen Impfung mit einem<br />
Pertussis-enthaltenden Impfstoff; vorübergehende Thrombozytopenie o<strong>der</strong> neurologische Komplikationen nach einer vorgängigen Impfung gegen Diphtherie<br />
und/o<strong>der</strong> Tetanus. VM: Wenn nach einer vorherigen Impfung mit einem Pertussis-enthaltenden Impfstoff folgende Ereignisse aufgetreten sind, sollte die Entscheidung<br />
zur Gabe des Impfstoffes sorgfältig abgewogen werden: Temperatur ≥ 40.0°C innerhalb von 48 Stunden nach <strong>der</strong> Impfung ohne sonst erkennbare<br />
Ursache, Kollaps o<strong>der</strong> schockähnlicher Zustand (hypotonisch-hyporesponsive Episode) innerhalb von 48 Stunden nach <strong>der</strong> Impfung, o<strong>der</strong> anhaltendes, untröstliches<br />
Schreien über mehr als 3 Stunden innerhalb von 48 Stunden nach <strong>der</strong> Impfung, o<strong>der</strong> Krampfanfälle mit o<strong>der</strong> ohne Fieber innerhalb <strong>der</strong> ersten 3 Tage nach<br />
<strong>der</strong> Impfung. Bei Thrombozytopenie o<strong>der</strong> Blutgerinnungsstörung, Risiko von Blutung nach i.m.-Injektionen. IA: Wenn als nötig erachtet, kann Boostrix gleichzeitig<br />
mit an<strong>der</strong>en Impfstoffen o<strong>der</strong> Immunglobulinen – jeweils an einer an<strong>der</strong>en Injektionsstelle - angewendet werden. UW: Am häufigsten beobachtet: Lokalreaktionen<br />
(Schmerz, Rötung, Schwellung), Fieber, Müdigkeit, Anorexie, gastrointestinale Störungen, Diarrhöe, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schläfrigkeit,<br />
Schwindel, Reizbarkeit. Lagerung: Fertigspritze bei +2°C bis +8°C lagern. Nicht einfrieren. Packungen: Fertigspritze mit separat beigelegter Nadel. x1 (Liste B)<br />
Ausführliche Angaben finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch<br />
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen melden Sie bitte unter pv.swiss@gsk.com<br />
GlaxoSmithKline AG<br />
Talstrasse 3–5<br />
CH-3053 Münchenbuchsee<br />
Telefon +41 (0)31 862 21 11<br />
Telefax +41 (0)31 862 22 00<br />
www.glaxosmithkline.ch<br />
1006582
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Redaktion<br />
Prof. R. Tabin, Sierre (Schriftleiter)<br />
Dr. M. Diezi, Lausanne<br />
PD Dr. T. Kühne, Basel<br />
Dr. U. Lips, Zürich<br />
Dr. M. Losa, St. Gallen<br />
Prof. M. Mazouni, Lausanne<br />
Dr. M.-A. Panchard, Vevey<br />
Dr. P. Scalfaro, Cully<br />
Dr. R. Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds<br />
Prof. A. Superti-Furga, Lausanne<br />
Dr. R. von Vigier, Bern<br />
Redaktionsadresse<br />
c/o Prof. R. Tabin<br />
Av. du Général Guisan 30<br />
Postfach 942<br />
CH-3960 Sierre<br />
Tel. 027 455 05 05<br />
Fax 027 455 59 55<br />
rene.tabin@swiss-paediatrics.org<br />
Copyright<br />
© Schweizerische <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie<br />
Verlag – Herausgeber<br />
Schweizerische <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie (SGP)<br />
www.swiss-paediatrics.org<br />
Sekretariat / Adressän<strong>der</strong>ungen<br />
Schweizerische <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie<br />
Postfach 1380<br />
1701 Fribourg<br />
Tel. 026 350 33 44<br />
Fax 026 350 33 03<br />
secretariat@swiss-paediatrics.org<br />
Layout und Druck<br />
s+z:gutzumdruck.<br />
Nellenstadel 1<br />
3902 Brig-Glis<br />
Tel. 027 9<strong>24</strong> 30 03<br />
Fax 027 9<strong>24</strong> 30 06<br />
info@sundz.ch<br />
Inserate<br />
Editions Médecine et Hygiène<br />
Michaela Kirschner<br />
Chemin de la mousse 46<br />
1225 Chêne-Bourg<br />
Tel. 022 702 93 41<br />
pub@medhyg.ch<br />
Paediatrica<br />
Erscheint 5 x jährlich für die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> SGP.<br />
Nicht-Mitglie<strong>der</strong> können beim Sekretariat<br />
die Paediatrica gegen den Betrag von Fr. 120.–<br />
jährlich abonnieren.<br />
Auflage<br />
1950 Ex. / ISSN 1421-2277<br />
Bestätigt durch WEMF<br />
Nächste Ausgabe<br />
Redaktionsschluss: 20.9.2013<br />
Erscheinungsdatum: <strong>Nr</strong>. 5: 15.11.2013<br />
Titelbild<br />
«Cirque Enrique»<br />
140 x 140 cm<br />
Acryl und Oilstick auf Leinwand, 2011<br />
Andrea Dora Wolfskämpf<br />
Editorial<br />
3 · Und es lebe die Pädiatrie! … Und es lebe <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>arzt!<br />
N. Pellaud<br />
Standespolitik<br />
4 · Protokoll <strong>der</strong> SGP-Generalversammlung vom 20. Juni 2013, Genf<br />
C. Baeriswyl<br />
8 · Einführung des E-Logbuchs sowie <strong>der</strong> Arbeitsplatz-basierten Assessments (AbA’s)<br />
Ch. Rudin<br />
10 · Tarmed-News<br />
C. Baeriswyl<br />
Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich<br />
11· Jahresbericht <strong>der</strong> Co-Präsidenten Geschäftsjahr 2012–2013<br />
R. Schmid<br />
Empfehlungen<br />
12 · Diagnose und Behandlung von Harnwegsinfektionen beim Kind<br />
Ch. Rudin, G. Laube, E. Girardin, Ch. Berger, A. Nie<strong>der</strong>er, K. Posfay-Barbe, P, Agyeman, R. Gobet<br />
17 · Empfehlungen zur Behandlung von Pertussis und Strategien zur Verhin<strong>der</strong>ung<br />
von Ausbrüchen<br />
K. Posfay-Barbe, U. Heininger<br />
Fortbildung<br />
20 · Melatonin bei kindlichen Schlafstörungen<br />
P. Hunkeler<br />
<strong>24</strong> · Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter<br />
J. Häberle, A. Lämmle, M. R. Baumgartner<br />
28 · Was können wir einem adipösen Kind und seiner Familie anbieten?<br />
Erfahrungen eines spezialisierten Zentrums.<br />
S. Borloz, Ch. Moser, B. Crottet, S. Van Beirs, S. Krayenbuhl, A. Balz, E. Elowe-Gruau,<br />
M. Decarli-Diserens, D. Laufer, J. Pu<strong>der</strong>, M. Hauschild<br />
Hinweise<br />
33 · Das Einsiedler Babyfenster<br />
S. Rupp<br />
36 · Ungewollte Kin<strong>der</strong><br />
Eine ethische Abwägung von Babyfenstern<br />
R. Baumann-Hölzle, A. Abraham<br />
39 · SPSU – Jahresbericht 2012<br />
4 0 · Masern ab Ende Oktober dank nationaler Kampagne im Fokus<br />
41 · Wasserzubereitung und Mineralwasser aus <strong>der</strong> Flasche (ohne Kohlensäure)<br />
zur Herstellung von Säuglingsshoppen<br />
J. Spalinger<br />
42 · Preisverleihungen anlässlich <strong>der</strong> Jahresversammlung 2013 <strong>der</strong> SGP<br />
43 · La Chaux-de-Fonds – eine Stadt begegnet Kin<strong>der</strong>ärzten<br />
N. Schallenberger, S. Latrèche, R. Schlaepfer, E. Tissot<br />
44 · Educational Grant – Pilotprojekt <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für pädiatrische<br />
Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung, ab Herbst 2013 für drei Jahr<br />
A. Nydegger<br />
45 · KHM Forschungspreis Hausarztmedizin 2014<br />
45 · Fanconi-Preis 2014<br />
Zeitschriftenreview<br />
46 · Zeitschriftenreview<br />
M. Mazouni / R. Schlaepfer<br />
50 · FMH-Quiz<br />
Kaktus<br />
52 · Besserer Schutz vor Epidemien dank neuem Gesetz<br />
Für den Inhalt <strong>der</strong> Texte übernimmt die Redaktion<br />
keine Verantwortung.<br />
1
Für Höchstleistungen<br />
ohne Muskelkrämpfe<br />
Einfach 1x täglich 10 mmol<br />
1006760<br />
Gekürzte Fachinformation Magnesiocard ® (Magnesiumpräparat). Indikationen: Magnesiummangel, Herzrhythmus stö rungen, erhöhter Bedarf im Hochleistungssport<br />
und während Schwangerschaft, bei Eklampsie und Präeklampsie, teta nischem Syndrom und Wadenkrämpfen. Dosierung: 10-20 mmol täglich, entsprechend<br />
<strong>der</strong> Darreichungsform (Granulat, Brausetabletten, Tabletten) aufgeteilt in 1-3 orale Einzeldosen. Anwendungseinschränkungen: Eingeschränkte Nierenfunktion.<br />
Die gleichzeitige Verabreichung mit Tetrazyklinen ist zu vermeiden. Unerwünschte Wirkungen: Als Folge hochdosierter oraler Magnesiumtherapie können<br />
weiche Stühle auftreten. Packungen: Tabletten (2.5 mmol) 50, 100; Granulat (5 mmol) Citron und Granulat (5 mmol) Orange 20*, 50, 500; Brausetabletten<br />
(7.5 mmol) 20*, 60; Granulat (10 mmol) Grapefruit und Granulat (10 mmol) Orange 20*, 50*, Ampullen i.v. (10 ml) 10; Verkaufskategorie B. Ausführliche Angaben<br />
siehe www.swissmedicinfo.ch o<strong>der</strong> www.compendium.ch. © 2013 Biomed AG. All rights reserved.<br />
*kassenpflichtig<br />
ergoasw.ch
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Editorial<br />
Und es lebe die Pädiatrie!<br />
… Und es lebe <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>arzt!*<br />
Nicole Pellaud, SGP-Präsidentin, Genf und Sitten<br />
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds<br />
Seien wir optimistisch, wir sind zwar eine<br />
kleine <strong>Gesellschaft</strong>, aber wie für David gegenüber<br />
Goliath, geht es darum, richtig zu zielen.<br />
Dazu zählen wir auch auf eure Unterstützung.<br />
Es lebe die Pädiatrie, es lebe <strong>der</strong> Pädiater!<br />
Liebe SGP-Mitglie<strong>der</strong><br />
Vorstand und zahlreiche Mitglie<strong>der</strong> – einige<br />
hatten wir das Vergnügen in Genf anzutreffen<br />
– wirken aktiv zum Besten dieser schönen<br />
Aufgabe, <strong>der</strong> wir uns alle widmen.<br />
Christian Kind sei anlässlich dieser Amtsübernahme<br />
herzlich gedankt für seinen Einsatz<br />
während den vier Jahren Präsidentschaft. Mit<br />
Weitsicht und Ausgeglichenheit gewährleistete<br />
er den Zusammenhalt und die Stellung <strong>der</strong><br />
schweizerischen Pädiatrie gegenüber politischen<br />
Wirbeln, wirtschaftlichen Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />
Meinungsverschiedenheiten und verschiedensten,<br />
von allen Seiten kommenden<br />
Zwängen und Verpflichtungen.<br />
Wir freuen uns, im Vorstand weiterhin auf sein<br />
Wissen und seine Sachkenntnis zählen zu<br />
können.<br />
Indem ich das Amt übernehme, wünsche ich<br />
wie Christian, für Kommunikation, Verständigung<br />
und Verhandlungsbereitschaft, aber<br />
auch eindeutige Stellungnahmen und Lobbying<br />
einzutreten und dies, last but not least, mit<br />
Beharrlichkeit.<br />
Gemeinsam mit Vorstand und Sekretariat<br />
wollen wir uns entschieden für den Erhalt, für<br />
Qualität und Finanzierung von Ausbildung<br />
sowie <strong>der</strong> ambulanten und Spitalbetreuung<br />
aller Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen in <strong>der</strong> Schweiz<br />
einsetzen.<br />
In diesem Sinne stehen die zahlreichen anstehenden<br />
Aufgaben im Zeichen <strong>der</strong> Partnerschaft:<br />
• Das BAG kann für die Kampagne zur Eliminierung<br />
<strong>der</strong> Masern in <strong>der</strong> Schweiz und für<br />
das nationale Impfprogramm auf unseren<br />
aktiven Einsatz zählen. Hingegen müssen<br />
wir uns weiterhin für die Kostenübernahme<br />
<strong>der</strong> Behandlung adipöser Kin<strong>der</strong> einsetzen,<br />
da die Vorschläge <strong>der</strong> Arbeitsgruppe Adipositas<br />
beim Eidgenössischen Departement<br />
des Innern ungehört blieben.<br />
• Mit Public Health Schweiz für die, von <strong>der</strong><br />
SGP unterstützte, Revision des Epidemiengesetzes<br />
(Sie haben eine elektronische<br />
Mitteilung dazu erhalten)<br />
• Von <strong>der</strong> Eidgenössischen Impfkommission<br />
geplante Aktionen betreffend Pneumokokken-<br />
und Keuchhustenimpfung<br />
• Mit <strong>der</strong> Stiftung zur För<strong>der</strong>ung des Stillens<br />
um dieses vordringliche gesundheitspolitische<br />
Anliegen weiter zu för<strong>der</strong>n<br />
• Teilnahme an <strong>der</strong> im Rahmen <strong>der</strong> Public-<br />
Health-Jahreskonferenz in Zürich stattfindenden<br />
FMH-Roundtable vom 15. August<br />
zum Thema «Prävention für Kin<strong>der</strong> und Jugendliche<br />
beim Pädiater o<strong>der</strong>/und in <strong>der</strong><br />
Hausarztpraxis?»<br />
• Mit Allgemeinpraktikern und Pflegefachleuten<br />
für eine kohärente und wirksame Arbeitsaufteilung,<br />
die das Fachwissen aller<br />
Beteiligten berücksichtigt:<br />
Unsere Zusammenarbeit mit dem KHM bei<br />
<strong>der</strong> Ausbildung <strong>der</strong> Allgemeinpraktiker<br />
wird fortgeführt. Wir haben Stellung genommen<br />
zum Vorhaben einer Ausbildung<br />
spezialisierter Pflegefachfrauen und Kin<strong>der</strong>pflegerinnen<br />
in Nephrologie, Onkologie<br />
und Diabetologie und wünschen eine klare<br />
Unterscheidung <strong>der</strong> durch Pflegefachfrauen<br />
erbrachten Leistungen von denen des<br />
Kin<strong>der</strong>arztes sowie das Einbringen einer<br />
pädiatrischen Bezugnahme. Eine vorangehende<br />
Ausbildung in Kin<strong>der</strong>pflege ist wichtig.<br />
• Mit dem KHM wird auch die nationale Grippeimpfkampagne<br />
vorbereitet.<br />
• Mit Kin<strong>der</strong>ärzte Schweiz setzen wir uns<br />
gemeinsam mit MFE für wichtige Belange<br />
<strong>der</strong> Haus- und Kin<strong>der</strong>ärzte ein.<br />
• Einführung des E-Logbooks mit dem SIWF<br />
• Vorbereitung des Kongresses im Juni 2014<br />
in Basel gemeinsam mit <strong>der</strong> fPmh<br />
• Mit <strong>der</strong> VSAO vertreten wir SGP und Pädiatrie<br />
an <strong>der</strong> Tagung Medifuture vom 16. November<br />
in Bern.<br />
Das Ziel ist die För<strong>der</strong>ung aktueller und zukünftiger<br />
gesundheitspolitischer Projekte zugunsten<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen sowie<br />
<strong>der</strong> Pädiatrie.<br />
* In diesem Text wird <strong>der</strong> Einfachheit halber nur die<br />
männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist<br />
selbstverständlich immer mit eingeschlossen.<br />
3
Standespolitik<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Protokoll <strong>der</strong> SGP-Generalversammlung<br />
vom 20. Juni 2013, Genf<br />
Claudia Baeriswyl, Sekretariat SGP, Freiburg<br />
Bevor die Generalversammlung eröffnet wird,<br />
erfolgt um 16.45 Uhr die offizielle Preisvergabe<br />
2013. Der diesjährige Fanconipreis geht an<br />
Marianne Caflisch aus Genf in Anerkennung<br />
ihrer Pionierarbeit im Bereich <strong>der</strong> Adoleszentenmedizin.<br />
Jean-Christoph Caubet aus Genf<br />
kann den PIA-CH-Preis in Empfang nehmen.<br />
Der Talentprize wird Caroline Guyer, Zürich,<br />
für ihre Arbeit «Cycled light exposure reduces<br />
fussing and crying in very preterm infants»<br />
verliehen. Sie stellt ihr Werk in einem Kurzreferat<br />
vor.<br />
1. Eröffnung und Wahl<br />
<strong>der</strong> Stimmenzähler<br />
Der Präsident Christian Kind eröffnet die<br />
Generalversammlung um 17.15 Uhr. Im Verlauf<br />
<strong>der</strong> Versammlung tragen sich 61 stimmberechtigte<br />
Mitglie<strong>der</strong> in die Präsenzliste ein.<br />
Die weiteren sechs Anwesenden nehmen als<br />
Gäste ohne Stimmrecht an <strong>der</strong> Versammlung<br />
teil (Assistentenmitglie<strong>der</strong>). Neun Mitglie<strong>der</strong><br />
haben sich entschuldigt.<br />
Felix Sennhauser und Thomas Neuhaus werden<br />
als Stimmenzähler gewählt.<br />
2. Protokoll <strong>der</strong> GV vom 31.5.2012<br />
Das Protokoll <strong>der</strong> letztjährigen Generalversammlung<br />
welches in <strong>der</strong> Paediatrica <strong>Vol</strong>. 23<br />
<strong>Nr</strong>. 4 publiziert wurde, wird einstimmig angenommen<br />
und verdankt.<br />
3. Jahresbericht des Präsidenten<br />
Der scheidende Präsident Christian Kind fasst<br />
seinen letzten Jahresbericht in einigen Stichworten<br />
zusammen. Der Bericht wurde im<br />
vollen Umfang in <strong>der</strong> Paediatrica <strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 3<br />
veröffentlicht.<br />
Weiter- und Fortbildung<br />
Nach langer Vorarbeit und trotz vielen Bedenken<br />
und Wi<strong>der</strong>ständen konnte das Projekt<br />
«Schwerpunkt Kin<strong>der</strong>notfallmedizin» im vergangenen<br />
Herbst mit <strong>der</strong> Genehmigung durch<br />
den Vorstand des SIWF zum Abschluss gebracht<br />
werden. Das Programm wird in Kraft<br />
treten, sobald die Bedingungen für die Umsetzung<br />
(Ernennung <strong>der</strong> Verantwortlichen, Bezeichnung<br />
<strong>der</strong> Weiterbildungsstätten) erfüllt<br />
sind. Das revidierte Fortbildungsprogramm<br />
ist per 1.1.2013 in Kraft getreten. Als wichtigstes<br />
Grundprinzip gilt nach wie vor die<br />
Eigenverantwortung in <strong>der</strong> Erfüllung <strong>der</strong> Fortbildungspflicht.<br />
Daneben sind einige Erleichterungen,<br />
wie z. B. Wegfall <strong>der</strong> zusätzlichen<br />
Fortbildung innerhalb eines Schwerpunkts<br />
eingeführt worden. Wie bisher hat <strong>der</strong> Fortbildungspflichtige<br />
die Möglichkeit, ein Fortbildungsdiplom<br />
auf dem schriftlichen Weg zu<br />
beantragen. Neu steht ihm auch die elektronische<br />
Fortbildungsplattform des SIWF zur<br />
Verfügung.<br />
Nachdem die Weiterbildungskommission unter<br />
<strong>der</strong> Leitung von Christoph Rudin in mühevoller<br />
Detailarbeit das Logbuch sowohl den<br />
allgemeinen offiziellen Vorgaben des SIWF als<br />
auch denjenigen für das E-Logbuch angepasst<br />
und das SIWF dem Datenschutz auf un sere<br />
Auffor<strong>der</strong>ung hin besser Rechnung getragen<br />
hat, ist <strong>der</strong> Startschuss für die elektronische<br />
Version am 1. Juni 2013 gefallen (weitere Informationen<br />
unter Traktandum 12). In diesem<br />
Zusammenhang ist auch die kürzlich vom<br />
Vorstand verabschiedete Mini-Revision des<br />
Weiterbildungsprogramms zu sehen.<br />
Als Neuheit wurde im März 2013 zum ersten<br />
Mal ein Repetitorium <strong>der</strong> SGP für angehende<br />
Fachärztinnen und Fachärzte Kin<strong>der</strong>- und Jugendmedizin<br />
in Aarau organisiert und mit sehr<br />
gutem Erfolg durchgeführt. Weiter war die<br />
SGP im Oktober mit einem Stand an <strong>der</strong> ersten<br />
Karrieremesse für Medizinstudierende in<br />
Zürich vertreten.<br />
Aussenbeziehungen<br />
und interne Organisation<br />
Wichtige Ziele <strong>der</strong> SGP sind nach wie vor die<br />
Pflege von guten und vielfältigen Aussenbeziehungen<br />
sowie die laufende Optimierung <strong>der</strong><br />
internen Organisation, die es erlaubt, mit den<br />
zur Verfügung stehenden finanziellen und<br />
personellen Ressourcen die Geschäfte erfolgreich<br />
zu führen. Als Stichwort zu den Aussenbeziehungen<br />
seien die Kontakte zu Kin<strong>der</strong>ärzte<br />
Schweiz (ehemals Forum für Praxis -<br />
pädiatrie), dem Bundesamt für Gesundheit und<br />
an<strong>der</strong>en Fachgesellschaften wie z. B. <strong>der</strong> SGIM<br />
genannt sowie zu Organisationen in denen die<br />
SGP Mitglied ist wie die fPmh, das Kollegium für<br />
Hausarztmedizin o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Berufsverband <strong>der</strong><br />
Haus- und Kin<strong>der</strong>ärzte Schweiz. Die SGP wird<br />
auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> freundschaftlichen Zusammenarbeit<br />
immer mehr zum anerkannten und<br />
respektierten Partner.<br />
Sicherung <strong>der</strong> Praxis,<br />
Nachwuchs für die Praxis<br />
Mittels Definition und Operationalisierung von<br />
Qualitätsmerkmalen, die die medizinische<br />
Betreuung von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen in<br />
<strong>der</strong> pädiatrischen Praxis einzigartig machen,<br />
und den entsprechenden finanziellen Massnahmen,<br />
soll die Praxis gesichert werden.<br />
Zusätzlich unterstützen wir die Entwicklung<br />
neuer Praxismodelle gezielt weiter, im Hinblick<br />
auf die Steigerung <strong>der</strong> Attraktivität <strong>der</strong><br />
Praxis für junge Berufsleute.<br />
Am Ende seiner Amtszeit ist Christian Kind<br />
überzeugt, dass sich die SGP we<strong>der</strong> ziehen<br />
noch stossen lässt, son<strong>der</strong>n dass das innere<br />
Feuer, die Leidenschaft für die Pädiatrie das<br />
Mass aller Dinge ist. Er blickt auf eine herausfor<strong>der</strong>nde<br />
und erfahrungsreiche Präsidentschaft<br />
zurück, die in ihm den inneren Funken<br />
gezündet hat und ist überzeugt, dass das<br />
Feuer auch unter <strong>der</strong> neuen Präsidentin weiter<br />
brennen wird. In dem Sinn dankt er allen für<br />
das ihm entgegen gebrachte Vertrauen und<br />
die ausgezeichnete Zusammenarbeit.<br />
Der Jahresbericht wird mit Applaus genehmigt<br />
und verdankt.<br />
4. Übrige Berichte<br />
Die übrigen Jahresberichte wurden in <strong>der</strong><br />
Paediatrica <strong>Vol</strong>. 23 <strong>Nr</strong>. 2 veröffentlicht.<br />
Die Berichte werden diskussionslos angenommen.<br />
5. Mitglie<strong>der</strong>wesen<br />
Im vergangenen Jahr konnten erfreulicherweise<br />
67 neue Mitglie<strong>der</strong> (alle Kategorien) verzeichnet<br />
werden, wodurch die Gesamtzahl auf<br />
2198 gestiegen ist. Dank einer konsequenten<br />
4
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Standespolitik<br />
Mitglie<strong>der</strong>bewirtschaftung wurden auch zahlreiche,<br />
zum Teil überfällige Mutationen vom<br />
Assistentenmitglied zum ordentlichen Mitglied<br />
vorgenommen, was sich in <strong>der</strong> Jahresrechnung<br />
nie<strong>der</strong>schlägt. Zwölf Mitglie<strong>der</strong> sind seit <strong>der</strong><br />
letzten Generalversammlung verstorben.<br />
6. Jahresrechnung 2012,<br />
Revisionsbericht<br />
Die Kassiererin Caroline Hefti-Rütsche präsentiert<br />
die Jahresrechnung 2012, welche bei<br />
Ausgaben von CHF 744’299.43 und Einnahmen<br />
von CHF 870’069.84 mit einem Gewinn von<br />
CHF 125’770.41 abschliesst. Budgetiert war ein<br />
Verlust von CHF 7’400.–. Ausschlaggebend war<br />
hauptsächlich das ausgezeichnete Ergebnis des<br />
Kongresses in Luzern (CHF 98’369.–). Die bereits<br />
erwähnte Bewirtschaftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge<br />
sowie eine erhöhte Ausgabendisziplin<br />
haben ihren Teil beigetragen. Die Bilanz <strong>der</strong> SGP<br />
weist nach Verbuchung des Gewinns per Ende<br />
2012 Aktiven von CHF 871‘307.64, ein Fremdkapital<br />
von CHF 197’861.55 und ein Eigenkapital<br />
von CHF 673’446.09 aus.<br />
Die Progressia Société Fiduciaire et de Gestion<br />
SA, Freiburg hat die Rechnung revidiert<br />
und bestätigt, dass die Buchhaltung <strong>der</strong> SGP<br />
gesetzeskonform geführt wird. Sie empfiehlt<br />
<strong>der</strong> Generalversammlung, die Rechnung 2012<br />
anzunehmen.<br />
Die Jahresrechnung 2012 wird einstimmig<br />
genehmigt.<br />
7. Entlastung des Vorstandes<br />
Dem Vorstand wird einstimmig die Entlastung<br />
erteilt.<br />
8. Budget 2014<br />
Caroline Hefti präsentiert das Budget 2014,<br />
das einen voraussichtlichen Gewinn von CHF<br />
1000.00 ausweist. Der Jahreskongress 2014<br />
wird ein fPmh-Kongress sein und ist mit einem<br />
Gewinn von CHF 20’000.00 veranschlagt. Für<br />
Paediatrica ist ein Defizit von CHF 39’000.-<br />
vorgesehen.<br />
Das Budget 2014 wird einstimmig genehmigt.<br />
9. Mitglie<strong>der</strong>beiträge 2014<br />
Der Vorstand schlägt vor, die Mitglie<strong>der</strong>beiträge<br />
unverän<strong>der</strong>t beizubehalten:<br />
Ordentliche Mitglie<strong>der</strong> ohne Mitgliedschaft<br />
Berufsverband MFE<br />
Ordentliche Mitglie<strong>der</strong> mit Mitgliedschaft<br />
Berufsverband MFE<br />
CHF 500.–<br />
CHF 450.–<br />
Ausserordentliche SGP-Mitglie<strong>der</strong> CHF 250.–<br />
Assistenten-Mitglie<strong>der</strong> CHF 150.–<br />
Die Mitglie<strong>der</strong>beiträge 2014 werden einstimmig<br />
genehmigt.<br />
10. Wahlen<br />
Präsidentin und Vizepräsident<br />
Wie eingangs erwähnt, ist für Christian Kind<br />
nach zwei Amtsperioden das Mandat als<br />
Präsident statutengemäss abgelaufen, er<br />
verbleibt aber als Past President im Vorstand.<br />
Die bisherige Vizepräsidentin Nicole<br />
Pellaud hat sich bereit erklärt, die Präsidentschaft<br />
zu übernehmen. Als neuer Vizepräsident<br />
stellt sich Christoph Aebi zur Verfügung,<br />
allerdings ohne Präjudiz, dass er zu<br />
einem späteren Zeitpunkt das Präsidium<br />
übernehmen wird.<br />
Nicole Pellaud wird einstimmig als Präsidentin<br />
und Christoph Aebi – ebenfalls einstimmig<br />
– als Vizepräsident gewählt.<br />
Vorstandsmitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> SGP<br />
Die übrigen Vorstandsmitglie<strong>der</strong> stellen sich<br />
alle zur Wie<strong>der</strong>wahl. Es sind dies:<br />
• Walter Bär<br />
• Valérie Dénervaud<br />
• Sylvia Gschwend-Eigenmann<br />
• Nicole Halbeisen<br />
• Caroline Hefti-Rütsche<br />
• Oskar Jenni<br />
• Philipp Jenny<br />
• Christian Kind<br />
• Andreas Nydegger<br />
• Marc-Alain Panchard<br />
• Pascal Stucki<br />
• Jan Teller<br />
Der gesamte Vorstand wird einstimmig für<br />
eine weitere Amtsperiode von zwei Jahren<br />
wie<strong>der</strong> gewählt.<br />
Ehrenmitglied<br />
Der Vorstand schlägt Michael Hofer aus Lausanne<br />
für die Wahl zum Ehrenmitglied vor. Er<br />
war seinerzeit Leiter <strong>der</strong> Arbeitsgruppe Strukturreform<br />
und quasi <strong>der</strong> Architekt <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>zusammenführung<br />
<strong>der</strong> Sektionen Klinik und<br />
Praxis. Als Präsident <strong>der</strong> vereinten SGP hat er<br />
es dann auch verstanden, die Geschicke <strong>der</strong><br />
<strong>Gesellschaft</strong> in die richtige Bahn zu leiten.<br />
Michael Hofer wird einstimmig zum Ehrenmitglied<br />
ernannt.<br />
Er bedankt sich für diese Wahl und für die gute<br />
Zusammenarbeit während den vergangenen<br />
Jahren. Ein beson<strong>der</strong>er Dank gebührt den<br />
beiden Präsidenten Pierre Klauser und Ueli<br />
Bühlmann, die ihn in seiner Arbeit unterstützt<br />
haben, sowie seinem Nachfolger Christian<br />
Kind, <strong>der</strong> den eingeschlagenen Weg weiter<br />
verfolgt hat.<br />
Wahl Revisionsstelle<br />
Die Progressia, Société Fiduciare et de Gestion<br />
SA in Freiburg wird für ein weiteres Jahr als<br />
Revisionsstelle vorgeschlagen.<br />
Die Wahl <strong>der</strong> Progressia SA erfolgt einstimmig.<br />
Nicole Pellaud, eine neue Präsidentin<br />
für die SGP<br />
Michaël Hofer, Ehrenmitglied <strong>der</strong> SGP<br />
5
Standespolitik<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
11. Information aus dem Berufsverband<br />
<strong>der</strong> Haus- und Kin<strong>der</strong>ärzt-<br />
Innen Schweiz und zur <strong>Vol</strong>ksini tiative<br />
«Ja zur Hausarztmedizin»<br />
Stephan Rupp ist im Frühling als Vorstandsmitglied<br />
im Berufsverband MFE zurückgetreten.<br />
Philipp Jenny würdigt seine Arbeit, die<br />
von <strong>der</strong> Versammlung mit Applaus verdankt<br />
wird. Bei den Ersatzwahlen mussten drei Sitze<br />
neu besetzt werden, wobei in einer Kampfwahl<br />
mit Heidi Zinggeler-Fuhrer und Rolf<br />
Temperli erfreulicherweise zwei Pädiater mit<br />
ausgezeichnetem Resultat gewählt wurden.<br />
Das Institut für Praxisinformatik ist gegründet<br />
worden und mit ersten Projekten gestartet.<br />
Die Initiative «Ja zur Hausarztmedizin» befindet<br />
sich aktuell im Differenzbereinigungsverfahren<br />
für den direkten Gegenvorschlag<br />
zwischen Stän<strong>der</strong>at und Nationalrat. Der<br />
letztmögliche Zeitpunkt für einen Rückzug <strong>der</strong><br />
Initiative ist nach Abschluss dieses Verfahrens,<br />
d. h. voraussichtlich im Herbst 2013.<br />
Wird die Initiative nicht zurückgezogen, gelangt<br />
sie 2014 zur Abstimmung. Philipp Jenny<br />
sieht im Masterplan die Chance, relativ<br />
schnell etwas zu erreichen und den teuren<br />
Abstimmungskampf zu vermeiden. Hingegen<br />
hat man mit dem Masterplan rechtlich nichts<br />
Bindendes in <strong>der</strong> Hand. In den Bereichen<br />
«Bildung und Forschung» sowie «Medizinalberufegesetz»<br />
konnten gute Fortschritte erzielt<br />
werden, dagegen hapert es noch bei «Finanzierung<br />
und Versorgung», wo <strong>der</strong> Handlungsbedarf<br />
am grössten ist. Zusammenfassend<br />
lässt sich sagen, dass Bundesrat und Parlament<br />
die Notlage in <strong>der</strong> Hausarztmedizin zur<br />
Kenntnis genommen, aber <strong>der</strong>en Dringlichkeit<br />
noch nicht im vollen Mass erkannt haben. Es<br />
besteht aktuell noch keine Bereitschaft, mehr<br />
Geld in die Hand zu nehmen.<br />
12. Information <strong>der</strong> Weiterbildungskommission<br />
(E-Logbook)<br />
eingereicht werden. In einem ersten Schritt<br />
muss auf <strong>der</strong> Homepage des SIWF ein Login<br />
beantragt werden, wobei keine Verpflichtung<br />
zur Mitgliedschaft in <strong>der</strong> FMH besteht. Das<br />
E-Logbuch bildet das aktuell gültige Weiterbildungsprogramm<br />
<strong>der</strong> SGP ab und ist in vier<br />
Abschnitte geglie<strong>der</strong>t (Anstellung, Interventionen/Kompetenzen,<br />
SIWF/FMH-Zeugnis,<br />
Übersicht).<br />
Mit <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> arbeitsplatzbasierten<br />
Assessments Mini-CEX und DOPS wird eine<br />
weitere For<strong>der</strong>ung des SIWF erfüllt. Die AbA’s<br />
sind vertrauliche Interaktionen zwischen Weiterbildner<br />
und Weiterzubildenden und werden<br />
im Logbuch lediglich als durchgeführt dokumentiert<br />
(wann, Thema, Weiterbildner). Ende<br />
Mai hat dazu eine Informationsveranstaltung<br />
in Bern stattgefunden, gezielte Schulungen in<br />
Lausanne und Bern folgen im Herbst. Alle<br />
relevanten Dokumente sind in <strong>der</strong> Zwischenzeit<br />
auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> SGP aufgeschaltet.<br />
13. Verschiedenes<br />
Urs Frey, Chefarzt aus Basel und Organisator<br />
des Kongresses 2014 ergreift das Wort. Er<br />
gibt eine kurze Übersicht über den fPmh-Kongress,<br />
<strong>der</strong> am 12./13. Juni 2014 im neuen<br />
Kongresszentrum in Basel zum Thema «Überschreiten<br />
von Grenzen» stattfinden wird.<br />
Die neue Präsidentin Nicole Pellaud bedankt<br />
sich an dieser Stelle für die Wahl und das ihr<br />
entgegengebrachte Vertrauen. Sie wird alles<br />
daran setzen, das SGP-Schiff im Sinn ihres<br />
Vorgängers auf Kurs zu halten und schliesst<br />
mit den Worten: «La pédiatrie se féminise,<br />
mais le feu sacré reste».<br />
Es sind keine weiteren Wortmeldungen zu<br />
verzeichnen. Christian Kind schliesst die Generalversammlung<br />
um 18.20 Uhr.<br />
Der Präsident <strong>der</strong> Weiterbildungskommission,<br />
Christoph Rudin, muss sich lei<strong>der</strong> für die<br />
heutige Versammlung entschuldigen. An seiner<br />
Stelle informiert Christian Kind über die<br />
Neuerungen in Sachen Weiterbildung. Das<br />
E-Logbuch wurde per 1. Juni 2013 eingeführt<br />
und ist für alle obligatorisch, die ihre Weiterbildung<br />
erst nach dem 1. Juli 2015 abschliessen.<br />
Nach diesem Zeitpunkt können Titelgesuche<br />
nur noch über das E-Logbuch<br />
6
Zwischen 50 und 90% <strong>der</strong> Säuglinge weisen<br />
Symptome von Verdauungsproblemen auf *<br />
Die neue Ernährungsalternative:<br />
Aptamil Sensivia<br />
Bei leichten Verdauungsproblemen 2 :<br />
physiologischem Spucken<br />
Gasen<br />
Blähungen<br />
Symptomen von Koliken<br />
Rückgang <strong>der</strong> leichten Verdauungsprobleme mit Aptamil Sensivia<br />
0<br />
Frequenz (%)<br />
Intensität (Durchschnitt)<br />
Aptamil Sensivia<br />
-50<br />
Standardmilchnahrung<br />
-100<br />
-150<br />
-200<br />
p = 0.0565<br />
p = 0.0442*<br />
* signifikant besser (p
Standespolitik<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Einführung des E-Logbuchs sowie <strong>der</strong><br />
Arbeitsplatz-basierten Assessments (AbA’s)<br />
Aktuelle Informationen aus <strong>der</strong> Weiterbildungskommission<br />
<strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie (SGP)<br />
Um ein E-Loguch zu führen, muss in einem<br />
ersten Schritt auf <strong>der</strong> Homepage des SIWF ein<br />
Login für das E-Logbuch beantragt werden<br />
(https://idp.fmh.ch/Registrierungschritt1.<br />
aspx). Eine Mitgliedschaft bei <strong>der</strong> FMH ist<br />
dafür nicht notwendig.<br />
Prof. Ch. Rudin, Präsident <strong>der</strong> WBK <strong>der</strong> SGP<br />
Am ersten Januar 2012 ist das neue revidierte<br />
Weiterbildungsprogramm (WBP) <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong><br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie (SGP) in<br />
Kraft getreten. Im Zuge dieser Revision des<br />
WBP hat die Weiterbildungskommission<br />
(WBK) auch das Logbuch revidiert. Damals<br />
verlangte das Schweizerische Institut für<br />
Weiter- und Fortbildung (SIWF) ein Logbuch<br />
in einem interaktiven pdf-Format. Unmittelbar<br />
nach <strong>der</strong> Genehmigung dieses neuen Logbuchs<br />
durch den Vorstand <strong>der</strong> SGP und das<br />
SIWF wurde uns klar, dass dieses Format bereits<br />
zeitnah durch ein E-Logbuch-Format<br />
abgelöst werden würde, weshalb sich die WBK<br />
zusammen mit dem Vorstand <strong>der</strong> SGP entschieden<br />
hat, mit <strong>der</strong> Einführung des pdf-<br />
Logbuchs zuzuwarten und direkt auf das e-<br />
Logbuch umzustellen. Das SIWF hat uns bei<br />
<strong>der</strong> Umsetzung dieser Strategie sodann tatkräftig<br />
unterstützt. Nachdem in den letzten<br />
Monaten nun auch noch die letzten Bedenken<br />
des SGP-Vorstandes im Bereiche des Datenschutzes<br />
vom SIWF ausgeräumt werden konnten,<br />
stand <strong>der</strong> Einführung des neuen e-Logbuches<br />
nichts mehr im Wege.<br />
In <strong>der</strong> Zwischenzeit ist auch das WBP bereits<br />
noch einmal einer kleinen Revision unterzogen<br />
worden. Insbeson<strong>der</strong>e ging es dabei<br />
da rum, den neuen Schwerpunkt <strong>der</strong> Notfall-<br />
Pädiatrie zu integrieren, an<strong>der</strong>erseits wurden<br />
einige neue Anfor<strong>der</strong>ungen des SIWF integriert,<br />
unter an<strong>der</strong>em auch die obligatorische<br />
Durchführung <strong>der</strong> sogenannten Arbeitsplatzbasierten<br />
Assessments (AbA’s) im Rahmen<br />
<strong>der</strong> Weiterbildung. Dabei handelt es sich um<br />
praktische Übungen im Spitalalltag, bei welchen<br />
<strong>der</strong> weiterzubildende Assistenzarzt von<br />
einem direkten Weiterbildner beobachtet wird<br />
und anschliessend von diesem ein konstruktives<br />
Feedback erhält.<br />
Am 31.5.2013 hat die WBK gemeinsam mit<br />
dem Sekretariat <strong>der</strong> SGP an <strong>der</strong> Universitäts-<br />
Kin<strong>der</strong>klinik des Inselspitals in Bern das E-<br />
Logbuch und die AbA’s vorgestellt und offiziell<br />
eingeführt. Dabei sind das E-Logbuch von Dr.<br />
B. Althaus und Frau N. Gonseth und die AbA’s<br />
unter an<strong>der</strong>em von Dr. J. Biaggi vom SIWF<br />
vorgestellt worden. Eingeladen waren Vertretungen<br />
sämtlicher pädiatrischer Weiterbildungsstätten<br />
sowie <strong>der</strong> AssistentInnen.<br />
Das E-Logbuch<br />
Wer seine Weiterbildung zur Erlangung des<br />
Facharzttitels in Kin<strong>der</strong>- und Jugendmedizin<br />
bis zum 30.6.2015 abschliesst, muss noch<br />
kein E-Logbuch führen. Wer allerdings den<br />
Facharzttitel erst nach dem 1.7.2015 abschliessen<br />
wird, muss obligatorisch ein E-Logbuch<br />
führen, weil ab 1.7.2015 Titelgesuche nur<br />
noch über das E-Logbuch eingereicht werden<br />
können. Wer bereits eine o<strong>der</strong> mehrere Weiterbildungsperioden<br />
absolviert hat und dafür<br />
bereits ein FMH-Zeugnis ausgestellt bekommen<br />
hat, muss für solche Perioden im E-<br />
Logbuch lediglich noch einen pro-forma-Eintrag<br />
machen.<br />
Das E-Logbuch bildet das aktuelle WBP <strong>der</strong><br />
SGP vom 1.1.12 ab und ist in drei Abschnitte<br />
gelie<strong>der</strong>t:<br />
• Anstellung<br />
• Interventionen/Kompetenzen<br />
• SIWF/FMH-Zeugnis<br />
• Übersicht<br />
Das Logbuch wird fortlaufend geführt. Die<br />
Abschnitte «Anstellung» und «Interventionen/<br />
Kompetenzen» dienen in erster Linie <strong>der</strong> übersichtlichen<br />
Selbstkontrolle und als Grundlage<br />
für die Planung <strong>der</strong> Weiterbildung. Es handelt<br />
sich dabei um persönliche Aufzeichnungen,<br />
die nicht ein- resp. weitergereicht werden<br />
müssen. Das «SIWF/FMH-Zeugnis» wird einmal<br />
pro Jahr erstellt, ausgedruckt und vom<br />
Leiter <strong>der</strong> Weiterbildungsstätte unterzeichnet.<br />
Die «Übersicht» schliesslich stellt eine Zusammenfassung<br />
<strong>der</strong> gesamten Weiterbildung dar<br />
und ist dasjenige Dokument, welches mit dem<br />
Titelgesuch eingereicht werden muss.<br />
In Zukunft wird das E-Logbuch den Kantonen<br />
als Grundlage dafür dienen, wie die einzelnen<br />
Weiterbildungsstätten für ihre Weiterbildungstätigkeit<br />
entschädigt werden. Dabei<br />
werden allerdings nicht Inhalte <strong>der</strong> individuellen<br />
E-Logbücher weitergegeben, son<strong>der</strong>n<br />
lediglich die Anzahl <strong>der</strong> an <strong>der</strong> jeweiligen Institution<br />
ein E-Logbuch führenden MitarbeiterInnen.<br />
Die Arbeitsplatz-basierten<br />
Assessments (AbA’s)<br />
Die AbA’s glie<strong>der</strong>n sich in sogenannte Mini-<br />
CEX (mini-clinical evaluation exercises) und<br />
DOPS (direct observation of procedural<br />
skills). Wie ihr Name sagt, liegt bei den Mini-<br />
CEX <strong>der</strong> Fokus auf kommunikativen Aspekten<br />
(Anamnese, Patientengespräche) und <strong>der</strong><br />
klinischen Untersuchung, bei den DOPS auf<br />
manuellen Fertigkeiten und Interventionen.<br />
Die einzelnen Übungen sollen jeweils 15–20<br />
Minuten dauern und vier Mal jährlich stattfinden.<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> AbA’s wird <strong>der</strong> Assistenzarzt<br />
von einem direkten Weiterbildner bei <strong>der</strong><br />
Arbeit beobachtet, und anschliessend von<br />
diesem konstruktiv beurteilt. Dabei kann natürlich<br />
jeweils nur ein Teilaspekt <strong>der</strong> kommunikativen<br />
Fähigkeiten resp. eine Intervention<br />
überprüft werden. Um insbeson<strong>der</strong>e die Evaluation<br />
am Ende <strong>der</strong> Übung zu erleichtern und<br />
auch zu standardisieren, hat die WBK auf <strong>der</strong><br />
Grundlage von Vorlagen des Institutes für<br />
Medizinische Lehre (IML) <strong>der</strong> Universität Bern<br />
und des Royal Australasian College of Physicians<br />
einen Kriterienkatalog zur Beurteilung<br />
vorbereitet, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> SGP<br />
resp. des SIWF heruntergeladen werden kann.<br />
Dieses Dokument enthält auch eine (nicht<br />
abschliessend zu verstehende) Liste möglicher<br />
DOPS-Themen. Die Dokumentation erfolgt<br />
ebenfalls einheitlich mittels einem Beurteilungsbogen,<br />
<strong>der</strong> sich ebenfalls auf den<br />
erwähnten Homepages findet. Auf diesem<br />
Beurteilungsbogen sollen die positiven Aspekte<br />
und die Aspekte mit Optimierungspotential<br />
vom Weiterbildner zuhanden des Assistenten<br />
schriftlich festgehalten werden. Dieses Dokument<br />
ist persönlich und wird dem Assistenten<br />
ausgehändigt. Im E-Logbuch und im SIWF/<br />
FMH-Zeugnis wird lediglich das Datum <strong>der</strong><br />
8
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Standespolitik<br />
Durchführung, <strong>der</strong> Weiterbildner und <strong>der</strong> Inhalt<br />
des AbA’s dokumentiert. Im Herbst 2013<br />
werden von <strong>der</strong> SGP an verschiedenen grossen<br />
Kliniken <strong>der</strong> Schweiz Schulungen durch<br />
das IML organisiet werden.<br />
Mit <strong>der</strong> Einführungsveranstaltung in Bern<br />
(siehe oben) gelten E-Logbuch und AbA’s als<br />
in <strong>der</strong> SGP eingeführt und wir hoffen, dass die<br />
flächendeckende Umsetzung rasch erfolgen<br />
kann. Das E-Logbuch deckt die Inhalte des<br />
aktuellen WBP zweifelsfrei viel besser ab, als<br />
das in die Jahre gekommene alte Logbuch und<br />
bezüglich <strong>der</strong> AbA’s hoffen wir, optimale Voraussetzungen<br />
für eine engagierte und konstruktive<br />
Umsetzung dieser «neuen alten» Anfor<strong>der</strong>ung<br />
an die Weiterbildung geschaffen zu<br />
haben.<br />
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Standespolitik<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Tarmed Info<br />
Marco Belve<strong>der</strong>e, Tarifdelegierter <strong>der</strong> SGP, Zürich<br />
Auf allen Kanälen werden unterschiedliche<br />
Informationen zu den laufenden Prozessen zur<br />
Tarifüberarbeitung verbreitet. Selbst uns Mitarbeitenden<br />
fällt es immer wie<strong>der</strong> schwer den<br />
Überblick zu behalten. Schwerpunkt bei <strong>der</strong><br />
Revision Tarmed ist für uns Grundversorger<br />
eine adäquate Darstellung unserer Leistungen<br />
in einem eigenen Kapitel. Nach anfänglich<br />
wohlwollendem Kopfnicken zeigt sich nun<br />
immer deutlicher, dass harte Grabenkämpfe<br />
geführt werden, um die eigenen Interessen zu<br />
verteidigen. Zum Zeitpunkt des Erscheinens<br />
des Artikels wird schon weitgehend entschieden<br />
sein, ob eine Einigung auf ein gemeinsames<br />
Vorgehen möglich ist o<strong>der</strong> ob <strong>der</strong> Bund<br />
mit seiner subsidiären Kompetenz eingreifen<br />
wird. Auch dann ist aber nicht sicher, ob eine<br />
Lösung mit einem Grundversorgerkapitel realisierbar<br />
wird. Haupthin<strong>der</strong>ungsgrund ist <strong>der</strong><br />
primäre Spargedanke, welcher nur auf den<br />
Moment ausgerichtet ist und jede Art von<br />
Langzeitperspektive vermissen lässt. Eine<br />
starke Grundversorgung in den Praxen wird<br />
noch nicht genügend als Sparpotential wahrgenommen.<br />
Kommt es dort aber zu einer<br />
kontinuierlichen Schwächung, so wird dies zu<br />
einer Verschiebung in teurere Versorgungsstrukturen<br />
führen. Gleiche Überlegungen gelten<br />
auch für die Revision <strong>der</strong> Labortarife.<br />
Vorerst sind mal die Übergangszuschläge etwas<br />
angehoben und bis Ende 2013 verlängert<br />
worden, die Zielvorstellungen <strong>der</strong> Endpreise<br />
sind aber gerade für die Pädiatrie so realitätsfremd,<br />
das eine Präsenzdiagnostik bei akuten<br />
Infektionen nicht selbst tragend sein wird.<br />
Einmal mehr muss unser Idealismus und eine<br />
Querfinanzierung für das Wohl <strong>der</strong> kleinen<br />
Patienten herhalten. Wir werden uns aber<br />
nicht verführen lassen, zur besseren Amortisation<br />
<strong>der</strong> Apparate einfach unnötig viele Laboruntersuchungen<br />
zu machen. Eine gezielte<br />
Besserstellung unserer spezifischen Leistung<br />
ist immer noch Hauptaugenmerk all unserer<br />
Bemühungen. Dies mag vielleicht als eine<br />
sture Verhandlungsposition wahrgenommen<br />
werden. Letztlich ist es aber <strong>der</strong> einzige Weg,<br />
einen gut fundierten Ausgleich innerhalb des<br />
Tarifwerkes zu bekommen. Behelfsmässig<br />
konstruierte Übergangszuschläge zeigen nur<br />
zu deutlich, dass man nicht bereit ist, eine<br />
sachgerechte und ausgewogene Lösung für<br />
die Stärkung <strong>der</strong> Grundversorger in <strong>der</strong> Praxis<br />
mitzutragen.<br />
Wichtiges in Kürze<br />
Die neue Liste <strong>der</strong> Mittel und Gegenstände<br />
(MiGel), welche seit dem 01.07.2013 gültig ist,<br />
bestätigt die Leistungspflicht bei <strong>der</strong> Pertussisimpfung<br />
gemäss Schweizerischem Impfplan<br />
2013. Verordnungspapiere hinken auch<br />
hier wie<strong>der</strong>um deutlich <strong>der</strong> gängigen Praxis<br />
hinterher, ist doch <strong>der</strong> neue Impfplan bereits<br />
seit Januar in Anwendung.<br />
Neu wird eine Tarmedposition zur Masernimpfung<br />
vorbereitet, welche für die Pädiatrie aber<br />
eine verschwindend kleine Bedeutung haben<br />
wird, da die Masernimpfung im Schweizer<br />
Impfplan 2013 bis 16-jährig sowieso leistungspflichtig<br />
ist und die Kin<strong>der</strong> in aller Regel<br />
von einer Franchise befreit sind. Die Details<br />
<strong>der</strong> geplanten Position werden in <strong>der</strong> Ärztezeitung<br />
(SAEZ) publiziert werden, sobald eine<br />
Einigung erzielt worden ist.<br />
Eine durchaus erfreuliche Nachricht gibt es<br />
über die personelle Erweiterung in <strong>der</strong> Tarifkommission<br />
<strong>der</strong> Hausärzte zu berichten.<br />
Gleich 2 pädiatrische Vorstandsmitglie<strong>der</strong><br />
haben in <strong>der</strong> Tarifkommission Einsitz genommen<br />
und führen das Co-Präsidium. Es sind<br />
dies Heidi Zinggeler und Rolf Temperli.<br />
Damit wird auch weiterhin die pädiatrische<br />
Sicht in die Verhandlungen eingebracht, was<br />
dringend nötig ist, um unseren Anliegen zum<br />
Durchbruch zu verhelfen.<br />
Ich werde die Arbeit als Tarifdelegierter <strong>der</strong><br />
SGP per Juni 2014 an eine Nachfolgerin/einen<br />
Nachfolger übergeben. Bis dahin werde ich<br />
bemüht sein, den neuen Mitarbeitern mit Rat<br />
und Tat zur Seite zu stehen. Im Sinne eines<br />
Staffellaufes werden wir versuchen genügend<br />
Atem zu behalten, um die lange Strecke <strong>der</strong><br />
Tarifverhandlungen erfolgreich zu meistern.<br />
Es ist enorm wichtig, dass wir uns mit ganzem<br />
Herzen engagieren, sonst droht uns langfristig<br />
das Aus.<br />
Weitere Informationen finden sie auch in<br />
ausgesandten Unterlagen (z.B. SAEZ) und<br />
über folgende Adressen:<br />
www.tarmedsuisse.ch<br />
www.swiss-paediatrics.org<br />
www.hausaerzteschweiz.ch<br />
www.fmh.ch<br />
Korrespondenzadresse<br />
marco.belve<strong>der</strong>e@bluewin.ch<br />
10
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013 Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich<br />
Jahresbericht <strong>der</strong> Co-Präsidenten<br />
Geschäftsjahr 2012–2013<br />
Raoul Schmid, Bernd Erkert<br />
1. Vorstand, gewählt an <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />
2012, für 2 Jahre<br />
• Raoul Schmid, Baar<br />
Co-Präsident (Praxis)<br />
• Bernd Erkert, Münsterlingen<br />
Co-Präsident (Klinik)<br />
• Johannes Greisser, Aarberg<br />
Kasse, Homepage<br />
• Thomas Baumann, Solothurn<br />
Gründungsmitglied, Beisitzer<br />
• Magdalena Hürlimann, Allschwil<br />
Beisitzerin<br />
Anlässlich <strong>der</strong> MV 2012 konnte das Amt des<br />
Co-Präsidenten wie<strong>der</strong> besetzt werden.<br />
Erstmals wird das Amt von einem Klinikvertreter<br />
bekleidet. Dies ist ein klares Bekenntnis<br />
in Richtung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>spitäler <strong>der</strong> Schweiz,<br />
denn die SVUPP vertritt als Sektion Pädiatrie<br />
<strong>der</strong> SGUM auch die Interessen <strong>der</strong> an Kliniken<br />
Tätigen!<br />
2. Mitglie<strong>der</strong><br />
Per Ende des Geschäftsjahres betrug <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong>bestand 291 ordentliche und 61<br />
ausserordentliche Mitglie<strong>der</strong>.<br />
3. Kurswesen<br />
Auch im abgelaufenen Jahr fand eine vollständige<br />
Kursreihe für Hüftsonographie statt, auf<br />
Grund <strong>der</strong> grossen Nachfrage zusätzlich ein<br />
Refresherkurs. Auch wenn es sich dabei um<br />
eine Pflichtübung im Rahmen des Rezertifizierungsproce<strong>der</strong>es<br />
handelt, verlaufen diese<br />
Refresherkurse immer sehr lebhaft und es<br />
entstehen interessante Diskussionen. Die po -<br />
sitiven Kursfeedbacks lassen darauf schliessen,<br />
dass für die Meisten eine Teilnahme nicht<br />
verlorene Zeit bedeutet. Die pädiatrische<br />
Sonographie wurde erneut in einem Kombikurs<br />
angeboten, daneben fanden wie<strong>der</strong> die<br />
beliebten themenspezifischen Halbtages-<br />
Workshops statt. Allen Organisatoren und<br />
Ausbildnern sei an dieser Stelle gedankt, ihre<br />
Leistungen verdienen grossen Respekt.<br />
4. Vernetzung <strong>der</strong> SVUPP<br />
Die Beziehungen zu <strong>der</strong> SGUM wurden weiter<br />
gepflegt. Die Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Hüftkommission<br />
und <strong>der</strong> Weiterbildungskommission<br />
mit direkter Einsitznahme von SVUPP-<br />
Vorstandsmitglie<strong>der</strong>n in beiden Gremien<br />
erfuhr ihre Fortsetzung. Mit <strong>der</strong> Hüftkommission<br />
konnte eine Finanzabgeltung für Tätigkeiten<br />
von SVUPP-Tutoren in <strong>der</strong>en Auftrag erzielt<br />
werden – mit positiver Auswirkung auf<br />
die Jahresrechnung.<br />
Die Liste <strong>der</strong> SVUPP-Tutoren wurde aktualisiert<br />
und kann auf <strong>der</strong> Homepage www.svupp.<br />
ch eingesehen werden.<br />
5. Finanzen<br />
Die Zahlen werden an <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />
präsentiert und kommentiert. SVUPP<br />
strebte ein ausgeglichenes Budget an; auf<br />
Grund diverser Faktoren dürfte diese Vorgabe<br />
gar leicht übertroffen worden sein.<br />
6. Mongolei-Projekt<br />
Bis 2012 war die SMOPP (Swiss Mongolian<br />
Pediatric Project) logistisch dem Swiss Surgical<br />
Team angeschlossen. Dieses zieht sich<br />
von seinen Aktivitäten in <strong>der</strong> Mongolei zurück<br />
und setzt an<strong>der</strong>e Tätigkeitsschwerpunkte.<br />
Als Konsequenz wurde am 13.4.2013 <strong>der</strong><br />
unabhängige Verein SMOPP gegründet. Die<br />
begonnene Arbeit wird so mit unverän<strong>der</strong>tem<br />
Engagement und neuer Energie weitergeführt.<br />
Im Juli 2013 hat eine Delegation von<br />
5 Gründungsmitglie<strong>der</strong>n die Aufgabe in Angriff<br />
genommen, in den ländlichen Gebieten<br />
<strong>der</strong> Mongolei die Diagnostik und Therapie<br />
<strong>der</strong> DDH zu ermöglichen. Zudem soll die<br />
bereits durchgeführte Inzidenzstudie (kurz<br />
vor Publikation) durch weitere Untersuchungen<br />
untermauert und ergänzt werden. Die<br />
enge Zusammenarbeit zwischen SVUPP und<br />
SMOPP wird natürlich beibehalten. Die finanzielle<br />
und ideelle Unterstützung bleibt unser<br />
Rückgrat! Wir sind auf Ihre Spende o<strong>der</strong> Ihre<br />
Mitgliedschaft angewiesen!<br />
www.smopp.net<br />
Korrespondenzadresse<br />
Sekretariat/Kurswesen<br />
Schweizerische Vereinigung für Ultraschall<br />
in <strong>der</strong> Pädiatrie SVUPP<br />
Badenerstrasse 21<br />
8004 Zürich<br />
info@svupp.ch<br />
11
Empfehlungen<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Diagnose und Behandlung von<br />
Harnwegsinfektionen beim Kind<br />
Empfehlungen <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> Arbeitsgruppe für pädiatrische Nephrologie<br />
(SAPN) 1) , <strong>der</strong> Pädiatrischen Infektiologiegruppe Schweiz (PIGS, www.pigs.ch) 2)<br />
und <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Kin<strong>der</strong>urologie (SwissPU) 3)<br />
Zielsetzung<br />
Formulierung von Empfehlungen zur Diagnostik,<br />
Behandlung, Abklärung und Nachkontrolle<br />
von Harnwegsinfektionen bei Neugeborenen,<br />
Säuglingen, Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen bis<br />
16 Jahre. Die nachstehenden Empfehlungen<br />
sind nicht als absolut gültige Richtlinien zu<br />
verstehen. Individuelle Umstände, insbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>der</strong> klinische Zustand, können beim<br />
einzelnen Patienten Abweichungen vom vorgeschlagenen<br />
Proze<strong>der</strong>e rechtfertigen.<br />
Grundlagen<br />
Der Harntrakt ist bei Kin<strong>der</strong>n jeden Alters,<br />
insbeson<strong>der</strong>e aber bei Säuglingen und Kleinkin<strong>der</strong>n<br />
eine häufige Quelle von Infektionen.<br />
Die Harnwegsinfektionen sind bei Kin<strong>der</strong>n von<br />
beson<strong>der</strong>er Bedeutung, weil sie erstens für<br />
eine erhebliche Morbidität während <strong>der</strong> akuten<br />
Infektion verantwortlich sind, und zweitens<br />
weil sie langfristig Ursache für die Entwicklung<br />
einer arteriellen Hypertonie o<strong>der</strong> für<br />
einen Nierenfunktionsverlust sein können.<br />
Die Betreuung von Kin<strong>der</strong>n mit Harnwegsinfektionen,<br />
welche ärztliche Konsultationen,<br />
Diagnostik, Einsatz von Antibiotika und bildgebende<br />
Untersuchungen einschliesst, konnte<br />
seit den CH-Empfehlungen 2008 1), 2) auf<br />
Grund neuerer Daten und in Anlehnung an<br />
internationale Evidenz basierte Empfehlungen<br />
3), 4) vereinfacht werden. Dies betrifft insbeson<strong>der</strong>e<br />
die Bildgebung und die Antibiotikaprophylaxe<br />
5)–10) . Die nachfolgenden<br />
Empfehlungen <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> Arbeitsgruppe<br />
für pädiatrische Nephrologie (SAPN)<br />
<strong>der</strong> Pädiatrischen Infektiologiegruppe Schweiz<br />
(PIGS) und <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Kin<strong>der</strong>urologie (SwissPU) basieren auf <strong>der</strong><br />
aktuell vorhandenen Evidenz für die Behandlung<br />
von Harnwegsinfektionen beim Kind.<br />
1) Christoph Rudin, Guido Laube, Eric Girardin<br />
2) Christoph Berger, Christoph Rudin, Anita Nie<strong>der</strong>er,<br />
Klara Posfay Barbe, Philipp Agyeman<br />
3) Rita Gobet<br />
Das optimale Vorgehen bei Kin<strong>der</strong>n mit<br />
Harnwegsinfektionen verfolgt zwei Ziele:<br />
1. Es ermöglicht die Erkennung, die Behandlung<br />
und die Abklärung <strong>der</strong>jenigen Kin<strong>der</strong>,<br />
die für die Komplikationen prädestinieren.<br />
Wichtig ist dabei die rechtzeitige Diagnose<br />
zugrunde liegen<strong>der</strong> urologischer/renaler<br />
Felhbildungen.<br />
2. Es führt zur Vermeidung unnötiger Therapien<br />
und Abklärungen bei Kin<strong>der</strong>n, die kein<br />
Risiko für Komplikationen o<strong>der</strong> Narbenbildung<br />
haben.<br />
Altersabhängigkeit<br />
Weil das Alter des Patienten für das Vorgehen<br />
entscheidend sein kann, wird bei den spezifischen<br />
Empfehlungen, wo relevant, auf altersspezifische<br />
Beson<strong>der</strong>heiten eingegangen.<br />
Empfehlung <strong>Nr</strong>. 1: Klinischer Verdacht<br />
auf eine Harnwegsinfektion:<br />
Eine Harnwegsinfektion muss bei jedem<br />
Säugling und Kind mit unklarem Fieber in<br />
Betracht gezogen werden.<br />
Die systematische Suche nach einer Harnwegsinfektion<br />
ist bei Neugeborenen, Säuglingen<br />
und Kleinkin<strong>der</strong>n unter 2 Jahren mit Fieber<br />
beson<strong>der</strong>s wichtig, weil bei ihnen die typischen<br />
klinischen Zeichen einer Pyelonephritis (siehe<br />
Empfehlung <strong>Nr</strong>. 2) fehlen können. Zudem kann<br />
sich eine Harnwegsinfektion beim Neugeborenen<br />
und Säugling auch durch ungenügendes<br />
Gedeihen, Irritabilität, Apathie, Trinkschwäche<br />
o<strong>der</strong> Schlafstörung ohne Fieber manifestieren.<br />
Beson<strong>der</strong>e Wachsamkeit zur Erkennung und<br />
Behandlung von Harnwegsinfektionen ist angezeigt,<br />
weil das erhöhte Risiko für die Entstehung<br />
von Nierenparenchymnarben bei wie<strong>der</strong>holten<br />
Harnwegsinfektionen durch zahlreiche<br />
klinische Studien und experimentelle Untersuchungen<br />
untermauert wird.<br />
Empfehlung <strong>Nr</strong>. 2: Unterscheidung<br />
zwischen Zystitis und Pyelonephritis:<br />
Für die adäquate Behandlung ist es entscheidend,<br />
zwischen einer Zystitis und<br />
einer Pyelonephritis zu unterscheiden; nur<br />
Pyelonephritiden führen zu Nierenparenchymnarben<br />
und Langzeitfolgen.<br />
Die klassischen Symptome einer Harnwegsinfektion<br />
sind Pollakisurie, Dysurie, Flankenschmerzen<br />
und Fieber. Flankenschmerzen<br />
und Fieber sind Zeichen für eine Pyelonephritis.<br />
Diese Zeichen können beim Kind < 2<br />
Jahre fehlen o<strong>der</strong> durch unspezifische Symptome<br />
wie in Empfehlung <strong>Nr</strong>. 1 beschrieben,<br />
ersetzt sein. Bei Kin<strong>der</strong>n < 2 Jahre muss im<br />
Zweifel vom Vorliegen einer Pyelonephritis<br />
ausgegangen werden. Zystitiden sind vor allem<br />
bei Mädchen nach dem zweiten Lebensjahr<br />
häufig. Die Diagnose einer Zystitis kann<br />
beim Kind > 2 Jahre erwogen werden, wenn<br />
z. B. Dysurie o<strong>der</strong> Pollakisurie, ein entsprechen<strong>der</strong><br />
Urinbefund (siehe Empfehlung <strong>Nr</strong>.<br />
4), aber kein Fieber und keine Flankenschmerzen<br />
vorhanden sind. Ein tiefes CRP<br />
(< 10 mg/l) macht eine Pyelonephritis unwahrscheinlich,<br />
schliesst sie aber nicht aus.<br />
Eine Nieren-Sonographie erlaubt we<strong>der</strong> den<br />
definitiven Nachweis noch den Ausschluss<br />
einer Pyelonephritis.<br />
Empfehlung <strong>Nr</strong>. 3: Methoden <strong>der</strong><br />
Urinsammlung:<br />
Beim Säugling und Kind sind <strong>der</strong> Einmal-<br />
Blasenkatheterismus und die Blasenpunktion<br />
die Methoden <strong>der</strong> ersten Wahl und<br />
gelten als «Gold-Standard» zur Diagnosestellung<br />
einer Harnwegsinfektion.<br />
Der Einmal-Blasenkatheterismus wird häufiger<br />
angewendet als die Blasenpunktion und<br />
ist als Gold-Standard akzeptiert. Die Gefahr,<br />
durch Katheterisierung <strong>der</strong> Blase eine Infektion<br />
zu verursachen, ist gering. Beim Knaben<br />
und Mädchen erfor<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Blasenkatheterismus<br />
die Erfahrung einer Fachperson. Die<br />
Technik <strong>der</strong> Blasenpunktion ist risikoarm,<br />
aber ihre Erfolgsrate zur Uringewinnung ist<br />
abhängig von <strong>der</strong> Erfahrung mit dieser Technik.<br />
Die Sammlung von Mittelstrahlurin kann<br />
bei kooperativen grösseren Kin<strong>der</strong>n und<br />
nach guter Anleitung als Alternative anstelle<br />
des Einmalkatheters zur Sammlung von Urin<br />
in Betracht gezogen werden. Auch bei Säuglingen<br />
(< 12 Monate) kann diese Technik<br />
alternativ angewendet werden, benötigt allerdings<br />
viel Geduld und Zeit und entsprechende<br />
Berücksichtung bei <strong>der</strong> Befundinterpretation.<br />
Mittelstrahlurin gilt<br />
wegen höherer Kontaminationsrate nicht als<br />
«Gold-Standard».<br />
Die Urinsammlung mittels Säckchen führt<br />
insbeson<strong>der</strong>e bei Säuglingen sehr häufig zu<br />
falsch positiven Urinbefunden. Säckchenurin<br />
12
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Empfehlungen<br />
soll nicht zum Anlegen einer Kultur verwendet<br />
werden. Falls ein Säckchen zur Urinsammlung<br />
verwendet wird, ist es unerlässlich, dieses nur<br />
für kurze Zeit (15–30 Minuten) anzukleben,<br />
unmittelbar nach Miktion zu entfernen und<br />
den Urin ohne Verzug zu analysieren (keine<br />
Kultur). Zeigt ein Säckchen-Urin verdächtige<br />
Be funde (Leukozyturie, Nitrit), soll zur endgültigen<br />
Diagnose und vor Beginn einer Antibiotikatherapie<br />
ein Katheter- o<strong>der</strong> Blasenpunktionsurin<br />
gesammelt und daraus eine<br />
Urinkultur angelegt werden.<br />
Therapie<br />
Empfehlung <strong>Nr</strong>. 4: Urinanalyse und<br />
Urinkultur:<br />
Die Diagnose einer Harnwegsinfektion<br />
erfo<strong>der</strong>t eine Urinanalyse und eine Urinkultur.<br />
Die Urinanalyse mittels Streifentests<br />
(Leukozyten-Esterase und Nitrit) wie<br />
auch die mikroskopische Urinuntersuchung<br />
sind nicht genügend sensitiv, um<br />
alleine die Diagnose einer Harnwegsinfektion<br />
zu bestätigen.<br />
Der Nitrit-Test und die Leukozyten-Esterase<br />
haben eine niedrige Sensitivität, insbeson<strong>der</strong>e<br />
bei den jüngsten Kin<strong>der</strong>n. Auf einen auffälligen<br />
Streifentest sollte wo möglich eine mikroskopische<br />
Untersuchung des Urins folgen.<br />
Allerdings haben Leukozyten-Esterase und<br />
standardisierte mikroskopische Quantifizierung<br />
<strong>der</strong> Leukozyten und/o<strong>der</strong> Bakterien im<br />
Urin trotz hohem negativen Voraussagewert<br />
eine nicht ausreichende Sensitivität. Die Untersuchung<br />
des Urinsediments im Kathetero<strong>der</strong><br />
Blasenpunktionsurin durch eine geübte<br />
Person hingegen gibt bei Identifikation von<br />
Leukozytenzylin<strong>der</strong>n ein positives Indiz für<br />
eine Harnwegsinfektion mit Beteiligung des<br />
Nierenparenchyms (Pyelonephritis). Die ungenügende<br />
Sensitivität und Spezifität <strong>der</strong><br />
Urinanalyse (Streifentest und Mikroskopie)<br />
zum Nachweis einer Harnwegsinfektion zeigen,<br />
dass sie die Urinkultur nicht ersetzen<br />
kann. Ein positiver Befund in <strong>der</strong> Urinanalyse<br />
erhärtet den Verdacht auf eine Harnwegsinfektion<br />
und berechtigt nach Abnahme<br />
einer Urinkultur bei entsprechen<strong>der</strong><br />
Klinik zum Beginn empirischen Antibiotika-<br />
Therapie.<br />
Empfehlung <strong>Nr</strong>. 5: Definition einer<br />
positiven Urinkultur:<br />
Im Urin, <strong>der</strong> mittels Blasenpunktion gewonnen<br />
wurde, ist jedes Wachstum von uropathogenen<br />
Bakterien in <strong>der</strong> Urinkultur unabhängig<br />
von <strong>der</strong> Keimzahl diagnostisch für das Vorliegen<br />
einer Harnwegsinfektion.<br />
Im Urin, <strong>der</strong> mittels Einmalkatheter gewonnen<br />
wurde, ist Wachstum eines einzelnen<br />
uropathogenen Keimes in einer Zahl<br />
Amoxicillin i. v.<br />
Gentamicin 1<br />
Amikacin 1<br />
Tobramycin 1<br />
Ceftriaxon 2<br />
Amoxicillin/Clavulansäure<br />
Ceftibuten 3<br />
Cefixim 4<br />
Cefpodoxim 4<br />
Cefuroxim 5<br />
Cotrimoxazol 5<br />
100–150 mg/kg/die i.v. in 3–4 Dosen<br />
Frühgeborene o<strong>der</strong> Neugeborene in 1. Lebenswoche: Dosierung je nach Gestationsalter,<br />
siehe Neonatologie-Empfehlungen; Neugeborene > 1. Lebenswoche und alle älteren Kin<strong>der</strong><br />
6–7,5 mg/kg/die in 1 Dosis<br />
15 mg/kg/die i.v. (o<strong>der</strong> i.m.) in 1 Dosis<br />
4–6 mg/kg/die i.v. (o<strong>der</strong> i.m.) in 1 Dosis<br />
50 mg/kg/die i.v. (o<strong>der</strong> i.m.) in 1 Dosis<br />
80 mg/kg/die p.o. in 2 –3 Dosen<br />
9 mg/kg/die p.o. in 1 Dosis (erste 2 Dosen im Abstand von 12 Stunden)<br />
8 mg/kg/die p.o. in 1 o<strong>der</strong> 2 Dosen<br />
8 mg/kg/die p.o. in 2 Dosen<br />
20–30 mg/kg/die p.o. in 2 Dosen<br />
36–60 mg/kg/die (6-10 mg TMP/kg/die) p.o. in 2 Dosen<br />
Prophylaxe<br />
Amoxicillin 6<br />
Trimethoprim 7<br />
Cotrimoxazol 2<br />
Nitrofurantoin 8<br />
10–20 mg/kg/die p.o. in 1 o<strong>der</strong> 2 Dosen<br />
2–3 mg/kg/die p.o. in 1 o<strong>der</strong> 2 Dosen<br />
9–12 mg/kg/die p.o. (1.5-2 mg TMP/kg/die) in 1 o<strong>der</strong> 2 Dosen<br />
1–2 mg/kg/die in 1 o<strong>der</strong> 2 Dosen<br />
Tabelle: Dosierungsempfehlungen für Antibiotika zur Therapie/Prophylaxe von Harnwegsinfektionen bei Kin<strong>der</strong>n<br />
1) Die Aminoglykoside können gleichwertig eingesetzt werden. Bei allen Aminoglykosiden altersabhängige Dosierungen<br />
für Früh- und Neugeborene beachten<br />
2) Kontraindiziert für Neugeborene < 1 Monat und/o<strong>der</strong> bei Hyperbilirubinämie<br />
3) Ab dem 6. Lebensmonat zugelassen (1 Dosis pro Tag; erste zwei Dosen im Abstand von 12 Stunden, danach Gabe alle <strong>24</strong> Std.)<br />
4) Cefixim (1 Dosis pro Tag) und Cefpodoxim (2 Dosen pro Tag) sind ab dem 2. Lebensmonat zugelassen<br />
5) Dosierung zur Therapie bei Zystitis, nicht 1. Wahl für Pyelonephritis<br />
6) Prophylaxe ausschliesslich im Neugeborenenalter (< 4 Wochen)<br />
7) Kann von je<strong>der</strong> Apotheke besorgt werden (ein Antrag an Swissmedic ist nicht erfor<strong>der</strong>lich):<br />
Infectotrimet® Suspension 50 o<strong>der</strong> 100 (50 o<strong>der</strong> 100 mg/5 ml)<br />
8) Nitrofurantoin = 2. Wahl (unerwünschte Wirkungen), siehe Text<br />
13
Empfehlungen<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
von > 10’000 CFU/ml Urin diagnostisch für<br />
eine Harnwegsinfektion, im Mittelstrahlurin<br />
eine Keimzahl > 100’000 CFU/ml Urin.<br />
Bei jungen Kin<strong>der</strong>n mit häufiger Blasenentleerung<br />
kann bereits eine Urinkultur aus Katheterurin<br />
mit 1’000–10’000 CFU/ml Ausdruck<br />
einer Harnwegsinfektion sein. Diese Beson<strong>der</strong>heit<br />
soll zusammen mit <strong>der</strong> klinischen<br />
Präsentation und den an<strong>der</strong>n Laborbefunden<br />
bei <strong>der</strong> Beurteilung berücksichtigt werden.<br />
Generell weist <strong>der</strong> Nachweis von > 2 verschiedenen<br />
Keimen in <strong>der</strong> Urinkultur auf eine<br />
Kontamination hin. Beson<strong>der</strong>s bei Säuglingen<br />
ist jedoch eine signifikante Bakteriurie mit<br />
Wachstum von zwei Keimen möglich, insbeson<strong>der</strong>e<br />
das gleichzeitige Wachstum von<br />
Escherichia coli und Enterokokken.<br />
Empfehlung <strong>Nr</strong>. 6: Antibiotika –<br />
Therapie <strong>der</strong> Harnwegsinfektionen<br />
abgestuft nach Alter (Antibiotika-<br />
Dosierungen siehe Tabelle):<br />
Alter ≤ 2 Lebensmonate, alle Harnwegsinfektionen<br />
(+/- Fieber)<br />
• Immer intravenöse Therapie, Therapiebeginn<br />
erst nach Abnahme von Blutkulturen<br />
• Empirischer Beginn mit einer Antibiotika-<br />
Kombinationstherapie mit Amoxicillin und<br />
Aminoglykosid. Nach Erhalt des Antibiogramms<br />
ist bei gutem Ansprechen eine<br />
gezielte Monotherapie möglich. (Im 2.<br />
Lebensmonat kann Ceftriaxon optional<br />
Aminoglykoside und nach Ausschluss von<br />
Infektionen mit Enterokokken auch Amoxicillin<br />
ersetzen; Kontraindikation für Ceftriaxon:<br />
Hyperbilirubinämie)<br />
• Therapiedauer: 10–14 Tage i. v., bei positiver<br />
Blutkultur mindestens 14 Tage<br />
Alter > 2 aber < 6 Lebensmonate, alle Harnwegsinfektionen<br />
(+/- Fieber)<br />
• Therapiebeginn parenteral mit Ceftriaxon,<br />
Abnahme von Blutkulturen vor Therapiebeginn<br />
• Bei gutem Ansprechen, negativen Blutkulturen<br />
und erst nach Erhalt <strong>der</strong> Urinkulturen<br />
und des Antibiogramms ist ein Wechsel auf<br />
eine orale Therapie mit Cephalosporinen<br />
<strong>der</strong> dritten Generation (siehe Tabelle) bzw.<br />
gemäss Antibiogramm möglich.<br />
• Keine Umstellung auf perorale Therapie bei<br />
fehlendem/fraglichem Therapieansprechen,<br />
Erbrechen, unsicherer Einnahme <strong>der</strong><br />
oralen Therapie, gemäss Antibiogramm<br />
nicht verfügbarer oraler Therapie, urologischen<br />
Fehlbildungen, neurogener Blase<br />
o<strong>der</strong> Fremdmaterial (Rücksprache mit Kin<strong>der</strong>-Nephrologen/Kin<strong>der</strong>-Urologen)<br />
• Therapiedauer (inklusiv 1–3 Tage i. v./i. m.<br />
Behandlung): 10–14 Tage<br />
Alter > 6 Lebensmonate: Febrile Harnwegsinfektion<br />
(Pyelonephritis):<br />
• Rein perorale Therapie mit Cephalosporinen<br />
<strong>der</strong> dritten Generation, unter folgenden<br />
Voraussetzungen:<br />
• Es liegt kein septisches Zustandsbild vor,<br />
kein Erbrechen, es kann von einer zuverlässigen<br />
oralen Medikamenten-Einnahme<br />
ausgegangen werden, es bestehen keine<br />
urologischen Fehlbildungen, keine neurogene<br />
Blase und es ist kein Fremdmaterial<br />
vorhanden (Rücksprache mit Kin<strong>der</strong>-<br />
Nephrologen/Kin<strong>der</strong>-Urologen)<br />
• Es findet eine klinische Kontrolle und Re-<br />
Evaluation am Tag 3 (vgl. Empfehlung <strong>Nr</strong>.<br />
7) statt: Kontrolle des Therapieansprechens,<br />
Bestätigung <strong>der</strong> Diagnose und<br />
allenfalls Anpassung <strong>der</strong> Therapie nach<br />
Erhalt <strong>der</strong> Urinkulturen und des Antibiogramms<br />
• Therapiedauer 10–14 Tage<br />
Alter > 6 Lebensmonate: Afebrile<br />
Harnwegsinfektion (Zystitis)<br />
• Therapiewahl unter Berücksichtigung <strong>der</strong><br />
lokalen Resistenzlage und den Grundregeln<br />
zur Prävention <strong>der</strong> Resistenzentwicklung:<br />
a. Cotrimoxazol<br />
b. Amoxicillin/Clavulansäure<br />
c. Cephalosporine <strong>der</strong> zweiten Generation,<br />
z. B. Cefuroxim<br />
d. Cephalosporine <strong>der</strong> dritten Generation<br />
• Therapiedauer 3–5 Tage; die Behandlung<br />
mit einer Einmaldosis wird beim Kind nicht<br />
empfohlen.<br />
Empfehlung <strong>Nr</strong>. 7: Kontrollen während<br />
<strong>der</strong> akuten Phase <strong>der</strong> Infektion:<br />
Am 3. Tag nach Diagnosestellung und Beginn<br />
<strong>der</strong> empirischen Antibiotikatherapie<br />
erfolgt eine klinische Kontrolle (im Spital<br />
o<strong>der</strong> beim Kin<strong>der</strong>arzt) zur Überprüfung<br />
des Therapieansprechens sowie zur Bestätigung<br />
<strong>der</strong> Diagnose, und allenfalls Anpassung<br />
<strong>der</strong> Therapie nach Erhalt <strong>der</strong> Urinkulturen<br />
und des Antibiogramms. Bei<br />
negativer Urinkultur soll die empirische<br />
Therapie beendet und die Diagnose überprüft<br />
werden.<br />
• Eine erneute Urinuntersuchung am Tag 3 ist<br />
nur notwendig, wenn das Kind noch nicht<br />
afebril ist.<br />
• Ein Abdomenultraschall am Tag 3 (siehe<br />
Empfehlung <strong>Nr</strong>. 8) nur bei fehlendem Ansprechen<br />
auf die Therapie, persistierendem<br />
Fieber, erhöhtem Kreatinin o<strong>der</strong> bekannter<br />
urologischer Fehlbildung<br />
Empfehlung <strong>Nr</strong>. 8: Bildgebende Untersuchungen<br />
bei erster Pyelonephritis:<br />
Ultraschall: Bei allen Kin<strong>der</strong>n soll einige<br />
Tage nach Therapiebeginn bis 4 Wochen<br />
nach <strong>der</strong> ersten Pyelonephirtis ein Ultraschall<br />
<strong>der</strong> Nieren und ableitenden Harnwege<br />
durchgeführt werden.<br />
Eine Miktions-Cysto-Urethrographie (MCUG)<br />
soll 1–6 Wochen nach Therapiebeginn einer<br />
Harnwegsinfektion nur bei folgenden Kin<strong>der</strong>n<br />
durchgeführt werden:<br />
• Febrile Harnwegsinfektion im Alter < 3<br />
Monate<br />
• Rezidivierende febrile Harnwegsinfektion<br />
(> 1 febrile Harnwegsinfektion)<br />
• Auffälliger Ultraschall <strong>der</strong> Nieren und ableitenden<br />
Harnwege<br />
• Familienanamnese mit Fehlbildungen <strong>der</strong><br />
ableitenden Harnwege, inklusive vesikoureteraler<br />
Reflux (VUR)<br />
Eine Ultraschalluntersuchung <strong>der</strong> Nieren<br />
und ableitenden Harnwege in <strong>der</strong> Akutphase<br />
<strong>der</strong> Pyelonephritis kann we<strong>der</strong> eine Harnwegsinfektion<br />
noch das Vorliegen eines VUR<br />
bestätigen o<strong>der</strong> ausschliessen, noch hat sie<br />
Einfluss auf das Management des Kindes mit<br />
febriler Harnwegsinfektion. Sie kann zur<br />
Erkennung von Fehlbildungen mit Prädisposition<br />
für weitere Harnwegsinfektionen dienen.<br />
Bei auffälligen Befunden im Ultraschall<br />
(z. B. Hydronephrose) sind weitere Abklärungen<br />
wie z. B. ein MCUG zu planen. Ziel des<br />
MCUG ist <strong>der</strong> Ausschluss o<strong>der</strong> Nachweis<br />
eines VUR sowie an<strong>der</strong>er (infra-)vesikaler<br />
Fehlbildungen (wie z. B. posteriore Urethralklappen<br />
beim Knaben). Weitere Untersuchungen<br />
auffälliger Befunde in Ultraschall o<strong>der</strong><br />
MCUG erfolgen gemäss individueller Empfehlung<br />
<strong>der</strong> Nephrologen/Urologen.<br />
Eine DMSA-Szintigraphie stellt den «Gold-<br />
Standard» dar für die Identifikation akuter<br />
pyelonephritischer Läsionen und Narben, wird<br />
aber in <strong>der</strong> Routinediagnostik <strong>der</strong> Pyelonephritis<br />
nicht verwendet. Ihre Indikation soll in Absprache<br />
mit den Nephrologen gestellt werden.<br />
Empfehlung <strong>Nr</strong>. 9: Indikation einer<br />
antibiotischen Dauerprophylaxe:<br />
Die prophylaktische Verabreichung von<br />
Antibiotika (vgl. Empfehlung <strong>Nr</strong>. 6) zur<br />
Reinfektionsprophylaxe wird abgesehen<br />
von folgenden Spezialsituationen generell<br />
nicht empfohlen.<br />
14
Sandoz-Generika in Originalqualität<br />
In unserer breiten<br />
Antibiotika-Palette steckt<br />
die ganze Erfahrung<br />
des grössten<br />
Antibiotika-Herstellers<br />
<strong>der</strong> westlichen Welt.<br />
Seit mehr als 60 Jahren stellen wir Antibiotika her, zunächst als Originalhersteller, später<br />
auch als Generikaproduzent. Die eigentliche Erfolgsstory begann, als unsere damaligen<br />
Wissenschaftler 1951 das säurestabile Penicillin entdeckten. Seither haben wir den<br />
Bereich Antibiotika ständig weiterentwickelt. Dabei setzten wir uns immer höhere Qualitätsstandards.<br />
Nicht von ungefähr sind wir heute <strong>der</strong> grösste Hersteller von Antibiotika und<br />
zugleich <strong>der</strong> einzige bedeutende Produzent von Penicillin in <strong>der</strong> westlichen Welt. Wenn<br />
das nicht viele gute Gründe sind, Generika von Sandoz vollstes Vertrauen zu schenken.<br />
Wer einmal Originalmedikamente hergestellt hat, kann erst recht Generika in Originalqualität<br />
produzieren. www.generika.ch<br />
a Novartis company<br />
1006751
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Eine Antibotika-Dauerprophylaxe ist ausschliesslich<br />
indiziert für:<br />
• Kin<strong>der</strong> im Alter < 3 Monate nach febriler<br />
Harnwegsinfektion bis zum MCUG<br />
• Kin<strong>der</strong> nach febriler Harnwegsinfektion mit<br />
auffälligem Befund im Ultraschall <strong>der</strong> Nieren<br />
und ableitenden Harnwege bis zum<br />
MCUG<br />
• Kin<strong>der</strong> mit VUR Grad III–V<br />
• Kin<strong>der</strong> mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen<br />
bei Blasendysfunktion o<strong>der</strong> bei neurogener<br />
Blase<br />
• Kin<strong>der</strong> mit komplexen urologischen Fehlbildungen<br />
gemäss Absprache zwischen Nephrologen,<br />
Infektiologen und Urologen und<br />
auf <strong>der</strong>en zeitlich begrenzte Verordnung<br />
Für die Dauer <strong>der</strong> antibiotischen Prophylaxe<br />
für die oben genannten Kin<strong>der</strong> gibt es keine<br />
standardisierte Empfehlung. Die Prophylaxe<br />
soll mindestens jährlich zusammen mit den<br />
Nephrologen reevaluiert werden. Sie kann in<br />
vielen Fällen nach 1–2 Jahren beendet werden.<br />
Ein erneutes, zweites MCUG soll nur in<br />
Ausnahmefällen und in Absprache mit dem<br />
Nephrologen durchgeführt werden. Bei Durchbruchsinfektionen<br />
(ohne weitere urologische<br />
Erkrankungen), schwieriger Compliance kann<br />
eine zystoskopische Injektionstherapie anstelle<br />
einer antibiotischen Dauerprophylaxe in<br />
Betracht gezogen werden 11) .<br />
Antibiotika-Prophylaxe<br />
Um Resistenzenentwicklungen vorzubeugen,<br />
sollten grundsätzlich keine Beta-Laktam-Antibiotika<br />
(ausser Amoxicillin bei Neugeborenen)<br />
und kein Ciprofloxacin eingesetzt werden.<br />
Neugeborene<br />
• Amoxicillin<br />
• Trimethoprim<br />
> 1. Lebensmonat<br />
• Cotrimoxazol<br />
(Trimethoprim-Sulfamethoxazol)<br />
• Trimethoprim<br />
• 2. Wahl: Nitrofurantoin (Nitrofurantoin soll<br />
aufgrund möglicher pulmonaler unerwünschter<br />
Wirkungen 12) nur in Spezialfällen<br />
nach Nutzen-Risiko-Abwägung verabreicht<br />
werden, z. B. nach Durchbruchsinfektionen<br />
unter Prophylaxe mit Cotrimoxazol)<br />
Empfehlung <strong>Nr</strong>. 10: Urin-Untersuchung<br />
bei erneutem Status febrilis bzw.<br />
Verdacht auf Harnwegsinfektion:<br />
Erneute Harnwegsinfektionen sollen bei Kin<strong>der</strong>n<br />
mit Status nach Harnwegsinfektion<br />
rasch erkannt und behandelt werden. Bei<br />
Fieber o<strong>der</strong> klinischen Zeichen einer Harnwegsinfektion<br />
sollen umgehend eine Urinanalyse<br />
und eine Urinkultur durchgeführt werden.<br />
Dies gilt ebenso für Kin<strong>der</strong> mit einem bekannten<br />
VUR, bei welchen bei jedem Fieber ohne<br />
Fokus eine Urinuntersuchung mit Urinkulturen<br />
empfohlen wird.<br />
Empfehlung <strong>Nr</strong>. 11: Abklärung<br />
von Miktionsproblemen während<br />
des Tages (Inkontinenz):<br />
Spezielle Aufmerksamkeit muss Miktionsproblemen<br />
geschenkt werden, die tagsüber auftreten<br />
und nach einer Infektion persistieren.<br />
Eine Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination<br />
kann <strong>der</strong> Entstehung rezidivieren<strong>der</strong> Harnwegsinfektionen<br />
Vorschub leisten und zu einem<br />
sekundären vesiko-ureteralen Reflux<br />
führen. Bei diesen Patienten hat die Behandlung<br />
<strong>der</strong> Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination<br />
höchste Priorität, um wie<strong>der</strong>holte Infektionen<br />
zu verhin<strong>der</strong>n. Im Beson<strong>der</strong>en ist bei solchen<br />
Kin<strong>der</strong>n auch auf das Vorliegen i) einer chronischen<br />
Obstipation, ii) eines Miktionsaufschubes<br />
und iii) einer ungenügenden Trinkmenge<br />
zu achten – diesen Faktoren kommt in<br />
Bezug auf Miktionsprobleme eine grosse pathogenetische<br />
Bedeutung zu.<br />
Empfehlung <strong>Nr</strong>. 12: Wann soll die<br />
Operation eines höhergradigen VUR<br />
in Betracht gezogen werden?<br />
Die zystoskopische Injektionstherapie o<strong>der</strong><br />
Operation eines VUR soll mit den Kin<strong>der</strong>urologen<br />
diskutiert werden, wenn die Durchführung<br />
einer antibiotischen Dauerprophylaxe<br />
ungenügend o<strong>der</strong> zweifelhaft ist (Compliance),<br />
o<strong>der</strong> wenn trotz Prophylaxe weitere<br />
Harnwegsinfektionen mit Bildung von Nierenparenchymnarben<br />
auftreten. Liegen keine<br />
weiteren urologische Fehlbildungen vor, sind<br />
zystoskopische Injektionstherapie und Neuimplantation<br />
des Ureters mögliche Therapieoptionen.<br />
Im Falle von assoziierten urologischen/renalen<br />
Fehlbildungen wird die<br />
Indikation im Einzelfall diskutiert und beurteilt.<br />
Referenzen<br />
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und pädiatrische Infektiologie. Behandlung<br />
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http://ansm.sante.fr/S-informer/Informations-desecurite-Lettres-aux-professionnels-de-sante/<br />
Nitrofurantoine-Restriction-d-utilisation-en-raison-dun-risque-de-survenue-d-effets-indesirables-graveshepatiques-et-pulmonaires-Lettre-aux-professionnels-de-sante.<br />
Korrespondenzadresse<br />
Prof. Dr. med. Christoph Berger<br />
Co-Leiter Abteilung Infektiologie und<br />
Spitalhygiene<br />
Universitäts-Kin<strong>der</strong>kliniken<br />
Steinwiesstrasse 75<br />
8032 Zürich<br />
christoph.berger@kispi.uzh.ch<br />
16
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Empfehlungen<br />
Empfehlungen zur Behandlung von<br />
Pertussis und Strategien zur Verhin<strong>der</strong>ung<br />
von Ausbrüchen<br />
Klara M. Posfay-Barbe 1) 2), 3)<br />
und Ulrich Heininger<br />
Behandlung des Keuchhustens<br />
1) Maladies infectieuses pédiatriques,<br />
Département de l’Enfant et de l’Adolescent,<br />
Hôpitaux Universitaires de Genève et Université<br />
de Genève<br />
2) Universitäts-Kin<strong>der</strong>spital bei<strong>der</strong> Basel<br />
3) Universität Basel<br />
Antibiotische Behandlung<br />
Die Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Behandlung eines<br />
Keuchhustens kommen daher, dass Antibiotika<br />
nur während des oft symptomarmen<br />
katarrhalen Stadiums wirksam sind. Treten<br />
erst die typischen Hustenanfälle auf, beeinflusst<br />
die antibiotische Behandlung die<br />
Krankheit selbst kaum mehr. Sie wird aber<br />
dennoch empfohlen, um die Übertragungswahrscheinlichkeit<br />
<strong>der</strong> Bakterien auf gefährdete<br />
Personen zu reduzieren und Keuchhustenausbrüche<br />
einzugrenzen 1) . Im Stadium<br />
decrementi wird die antibiotische Behandlung<br />
nicht mehr empfohlen, auch wenn <strong>der</strong><br />
Patient noch hustet. Ohne antibiotische Behandlung<br />
wird die Dauer <strong>der</strong> Kontagiosität auf<br />
21 Tage ab Hustenbeginn geschätzt, ausser<br />
beim Säugling, wo sie länger dauern kann.<br />
Durch die antibiotische Behandlung kann die<br />
Ansteckungsgefahr auf 5 Tage ab Behandlungsbeginn<br />
reduziert werden 2) . Es kann gelegentlich<br />
unter speziellen Umständen (später,<br />
möglicher Kontakt mit einer gefährdeten<br />
Person o<strong>der</strong> im Spital) notwendig sein, am<br />
Ende <strong>der</strong> antibiotischen Behandlung die Eliminierung<br />
<strong>der</strong> Bakterien aus dem Nasenrachensekret<br />
mittels negativer PCR zu belegen.<br />
Die antibiotische Behandlung wird in <strong>der</strong> Tabelle<br />
zusammengefasst. Zu beachten ist, dass<br />
Clarithromycin in <strong>der</strong> Schweiz gemäss Swissmedic<br />
ab dem Alter von 6 Monaten zugelassen<br />
ist; das Bundesamt für Gesundheit (BAG)<br />
empfiehlt es jedoch im Zusammenhang mit<br />
Keuchhusten ab 1 Monat. Die Behandlungsdauer<br />
wurde ausführlich untersucht und in<br />
einer Metaanalyse durchgesehen 3) . Aktuelle<br />
Empfehlungen ziehen Kurzbehandlungen mit<br />
Azithromyzin während 5 Tagen vor, um Complianceprobleme<br />
und Nebenwirkungen möglichst<br />
gering zu halten. Es werden noch kürzer<br />
dauernde Behandlungen mit Azithromyzin<br />
während 3 Tagen angewandt, jedoch ist die<br />
<strong>der</strong>zeit verfügbare Evidenz zur Wirksamkeit<br />
ungenügend, um diesen verkürzten Behandlungsmodus<br />
in offizielle Empfehlungen aufzunehmen<br />
4) .<br />
Zu beachten ist, dass in den letzten Jahren<br />
immer wie<strong>der</strong> Makrolid-resistente B. pertussis<br />
beschrieben wurden. Ein epidemiologisches<br />
und bakteriologisches Monitoring wird<br />
in den nächsten Jahren deshalb wichtig sein 5) .<br />
Antibiotische Chemoprophylaxe<br />
Die Chemoprophylaxe entspricht betreffend<br />
Antibiotikawahl und Applikationsdauer <strong>der</strong><br />
antibiotischen Behandlung (Tab.). Sie wird für<br />
bestimmte asymptomatische Personen empfohlen,<br />
die engen Kontakt mit einem Keuchhustenpatienten<br />
haben. Die Indikation hängt<br />
von Alter und Impfstatus ab 6) . Fand <strong>der</strong> Kontakt<br />
mit einer Person mit Pertussissymptomen<br />
vor weniger als 21 Tagen statt, erhalten<br />
Säuglinge < 6 Monaten und Personen, die<br />
Kontakt zu einem Säugling < 6 Monaten haben,<br />
sowie Schwangere im 3. Trimenon eine<br />
Chemoprophylaxe – jeweils unabhängig von<br />
Alter und Impfstatus. Die Betroffenen sollten<br />
zudem bei Infektionszeichen im Verlaufe eines<br />
Monats nach dem Kontakt den Arzt aufsuchen.<br />
Die Chemoprophylaxe kann auch für<br />
exponierte Kin<strong>der</strong> älter als 6 Monate erwogen<br />
werden, wenn sie unvollständig geimpft sind.<br />
Für nichtimmune Beschäftigte im Gesundheitswesen<br />
und an<strong>der</strong>e Betreuer, welche<br />
Kontakt mit Risikopersonen haben (Säuglinge<br />
< 6 Monate und Schwangere im 3. Trimenon),<br />
ist eine postexpositionelle Chemoprophylaxe<br />
ebenfalls sinnvoll.<br />
Es ist zu beachten, dass aus <strong>der</strong> Höhe des<br />
Antikörperspiegels im Blut nicht auf Schutz<br />
vor Pertussis geschlossen werden kann. Eine<br />
Pertussis-Antikörperbestimmung bei exponierten<br />
Personen ist deshalb nicht zielführend!<br />
Es kann sinnvoll sein, die Keuchhustenexposition<br />
für eine allfällige Nachholimpfung gegen<br />
Pertussis zu nutzen, wenn auch die postexpositionelle<br />
Impfung den Ausbruch <strong>der</strong> Krankheit<br />
nicht sicher verhin<strong>der</strong>n kann.<br />
Die Pertussisimpfung kann beim exponierten<br />
Säugling in kürzeren Abständen, mit einstatt<br />
zweimonatigem Intervall zwischen den<br />
ersten drei Dosen, durchgeführt werden.<br />
Jugendliche und Erwachsene erhalten ihre<br />
Nachimpfung gemäss den neuen schweizerischen<br />
Empfehlungen 7) . Erwachsene, die vor<br />
< 10 Jahren geimpft wurden (o<strong>der</strong> in den<br />
Medikament Alter Dosierung Max.<br />
Dosierung<br />
Nebenwirkungen<br />
Behandlungsdauer<br />
Kontraindikationen<br />
Azithromycin Ab Geburt 10 mg/kg/d<br />
in 1 Dosis<br />
Clarithromycin Ab 1. Lebensmonat 20 mg/kg/d<br />
in 2 Dosen<br />
500 mg/d 5 Tage Allergische Reaktion,<br />
Lebertoxizität<br />
1g/d 7 Tage Allergische Reaktion,<br />
Lebertoxizität<br />
Makrolidallergie<br />
< 1 Lebensmonat;<br />
Makrolidallergie<br />
Zweite Wahl<br />
Trimethoprim-<br />
Sulfamethoxazol<br />
Ab 2. Lebensmonat<br />
8 mg/kg/d<br />
(TMP) in<br />
2 Dosen<br />
Tabelle: Behandlung und antibiotische Prophylaxe des Keuchhustens<br />
340 mg/d<br />
(TMP)<br />
14 Tage Hautausschläge;<br />
beim Neugeborenen<br />
Kernikterus<br />
< 2 Lebensmonate,<br />
Schwangerschaft,<br />
Stillen, Allergie auf<br />
eine Komponente<br />
17
Empfehlungen<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
letzten 10 Jahren einen mikrobiologisch gesicherten<br />
Keuchhusten durchmachten), werden<br />
als immun betrachtet und benötigen<br />
deshalb keine Chemoprophylaxe, ausser in<br />
speziellen Fällen, z. B. einem aussergewöhnlichen<br />
Pertussisausbruch 8) . Die Dauer des<br />
Impfschutzes ist nicht genau bekannt und<br />
individuell variabel, jedoch wurde eindeutig<br />
ein mit <strong>der</strong> Zeit nachlassen<strong>der</strong> Impfschutz<br />
festgestellt, weshalb weitere Auffrischimpfungen<br />
eingeführt wurden. So wurde kürzlich<br />
nachgewiesen, dass das relative Risiko, 6<br />
Jahre nach <strong>der</strong> 5. Pertussisimpfung fast<br />
neunmal grösser ist (95% Konfidenzintervall<br />
6–13) als im 1. Jahr 9) .<br />
Ergänzende Behandlungen<br />
des Keuchhustens<br />
Zusätzliche Behandlungen werden manchmal<br />
bei Keuchhusten erwogen, um die Symptome<br />
des konvulsiven Stadiums, insbeson<strong>der</strong>e den<br />
hartnäckigen Husten zu lin<strong>der</strong>n. Es handelt<br />
sich dabei um Kortikosteroide, Beta-2-mimetika,<br />
Antihistaminika o<strong>der</strong> Antagonisten des<br />
Leukotrienrezeptors. Eine Metaanalyse hat<br />
2012 diese symptomatischen Therapien anhand<br />
einem Dutzend zwischen 1950 und 2012<br />
durchgeführter Studien evaluiert 10) . Keines<br />
dieser Medikamente vermin<strong>der</strong>t den Husten<br />
o<strong>der</strong> verkürzt den Spitalaufenthalt. Ihre Anwendung<br />
wird deshalb zurzeit nicht empfohlen.<br />
Wie können Pertussis-Ausbrüche<br />
verhin<strong>der</strong>t bzw. bekämpft werden?<br />
Eine Arbeitsgruppe von Experten unterschiedlicher<br />
Fachrichtungen (unter Beteiligung <strong>der</strong><br />
Autoren dieses Beitrags) und Mitarbeiterinnen<br />
des Bundesamtes für Gesundheit (BAG)<br />
hat kürzlich Empfehlungen zum Schutz von<br />
Personen mit erhöhtem Komplikationsrisiko<br />
für Pertussis und zur Verhin<strong>der</strong>ung von nosokomialen<br />
Pertussis-Ausbrüchen erarbeitet<br />
und publiziert 6) . Diese Empfehlungen beziehen<br />
sich explizit auf die Hochrisikogruppe <strong>der</strong><br />
Säuglinge im Alter von < 6 Monaten «in Gesundheits-<br />
und Kin<strong>der</strong>betreuungseinrichtungen<br />
(Spitäler, Arztpraxen, Krippen, Tagesstätten,<br />
Tagesfamilien usw.)» und auf die Ver -<br />
hin<strong>der</strong>ung bzw. Bekämpfung von Ausbrüchen<br />
in Gesundheitseinrichtungen. Viele Pädiater<br />
fragen sich, inwieweit diese Empfehlungen<br />
auch in an<strong>der</strong>en Bereichen ihrer Zuständigkeit<br />
(z. B. Arztpraxis, Kin<strong>der</strong>gärten, Schulen<br />
usw.) Anwendung finden können. Wir präsentieren<br />
im Folgenden hierzu unsere Überlegungen,<br />
die spezifischen Details aus entsprechenden<br />
BAG-Empfehlungen 6), 7), 11) hingegen<br />
sollen hier nicht repetiert werden.<br />
Ausbruchsverhin<strong>der</strong>ung:<br />
Impfprophylaxe<br />
Bordetella pertussis, <strong>der</strong> Erreger <strong>der</strong> Pertussis,<br />
wird ausschliesslich von Mensch zu<br />
Mensch übertragen. Deshalb ist die möglichst<br />
umfassende und zeitgerechte Immunisierung<br />
aller Personen gegen Pertussis im Rahmen<br />
<strong>der</strong> geltenden Eidgenössische Kommission für<br />
Impffragen (EKIF)-Empfehlungen die effizienteste<br />
und sinnvollste Massnahme zur Verhin<strong>der</strong>ung<br />
von Pertussisausbrüchen, weil sie<br />
direkten wie auch indirekten Schutz (Herdenprotektion)<br />
verleiht. Es sei daran erinnert<br />
dass nicht nur alle Säuglinge (mit 2, 4 und 6<br />
bzw. 2, 3 und 4 Monaten) und Kleinkin<strong>der</strong> (mit<br />
15–<strong>24</strong> Monaten und nochmals mit 4–7 Jahren)<br />
gegen Pertussis geimpft werden sollen, son<strong>der</strong>n<br />
dass nun auch alle Jugendlichen im Alter<br />
von 11–15 Jahren und alle Erwachsenen im<br />
Alter von 25–29 Jahren unabhängig von <strong>der</strong><br />
Anzahl früherer Pertussis-Impfdosen jeweils<br />
eine weitere Pertussisimpfdosis (dTPa) erhalten<br />
sollen 7), 11) . Darüber hinaus ist Schwangeren<br />
(2. o<strong>der</strong> 3. Trimenon) und allen Personen<br />
altersunabhängig ebenfalls eine Pertussisimpfdosis<br />
empfohlen, wenn sie «regelmässig»<br />
im privaten o<strong>der</strong> beruflichen Umfeld<br />
Kontakt zu Säuglingen im Alter von < 6 Monaten<br />
haben. Die Definition des Begriffes «regelmässig»<br />
obliegt bewusst <strong>der</strong> Ärztin/dem Arzt<br />
und öffnet einen breiten individuellen Interpretations-<br />
und Beratungsspielraum, <strong>der</strong> im<br />
Interesse <strong>der</strong> Gesundheit <strong>der</strong> Bevölkerung zur<br />
individuellen Pertussis-Impfempfehlung genutzt<br />
werden sollte.<br />
Es ist eine wichtige Aufgabe <strong>der</strong> Ärzteschaft,<br />
die bestehenden Impfempfehlungen möglichst<br />
konsequent umzusetzen, was erfahrungsgemäss<br />
gerade bei Jugendlichen und<br />
Erwachsenen (durchaus auch in <strong>der</strong> pädiatrischen<br />
Praxis!) ein hohes Mass an Bewusstsein<br />
und Aufklärungseinsatz erfor<strong>der</strong>t.<br />
In Gemeinschaftseinrichtungen sind Pertussis-Ausbrüche<br />
umso weniger wahrscheinlich,<br />
je höher die Durchimpfungsrate aller dortigen<br />
Personen einschliesslich des Personals (!) ist.<br />
Da gesetzliche Bestimmungen zur Pertussis-<br />
Impfung zum Schutz <strong>der</strong> Gefährdeten fehlen<br />
o<strong>der</strong> zu kurz greifen, ist auch hier ein hoher<br />
Aufklärungs- und Beratungseinsatz <strong>der</strong> zuständigen<br />
ÄrztInnen erfor<strong>der</strong>lich. Hierbei wird<br />
man bedauerlicherweise häufig mit schwer<br />
nachzuvollziehen<strong>der</strong> Impfskepsis o<strong>der</strong> gar<br />
unqualifizierter Ablehnung von empfohlenen<br />
Impfungen konfrontiert. Die Verantwortung<br />
für <strong>der</strong>en Folgen liegt dann bei den direkt<br />
Betroffenen und auch bei den Betreibern <strong>der</strong><br />
jeweiligen Einrichtung.<br />
Ist es Ihnen gelungen, sich selbst und Ihre<br />
Mitarbeitenden von den neuen EKIF-Empfehlungen<br />
gegen Pertussis zu überzeugen und zu<br />
impfen? Haben Sie in Ihrer Praxis eine Strategie<br />
entwickelt, systematisch allen Eltern und<br />
an<strong>der</strong>en engen Kontaktpersonen von Neugeborenen<br />
und jungen Säuglingen die dringliche<br />
Pertussisimpfung nahezulegen bzw. zu verabreichen?<br />
Der suboptimale Pertussisimpfschutz (bestenfalls<br />
ca. 85–90%, mit <strong>der</strong> Zeit nachlassend<br />
und daher Auffrischimpfungen erfor<strong>der</strong>nd)<br />
darf kein Grund zur Zurückhaltung sein 12) –<br />
etwas Besseres als die verfügbaren azellulären<br />
Pertussis-Impfstoffe haben wir nicht.<br />
Falldefinition: Was ist «Pertussis»?<br />
Die von <strong>der</strong> Expertengruppe vorgeschlagene<br />
Falldefinition ist allgemein gehalten und geeignet,<br />
Pertussisverdachtsfälle zu erkennen. Verdacht<br />
auf Pertussis besteht nämlich immer<br />
dann, wenn eines <strong>der</strong> folgenden Kriterien vorliegt<br />
und nicht an<strong>der</strong>weitig erklärt werden kann:<br />
• anhalten<strong>der</strong> Husten (mindestens 14 Tage)<br />
ohne Besserungstendenz<br />
• Hustenanfälle<br />
• Husten mit keuchendem Einatmen, Apnoen<br />
• bei Säuglingen: Husten mit Atemnot,<br />
Zyanose und/o<strong>der</strong> Bradykardien<br />
Es ist ratsam, bereits beim ersten Verdachtsfall<br />
den mikrobiologischen Erregernachweis<br />
anzustreben, da die klinische Diagnose «Pertussis»<br />
unzuverlässig ist 13) . In <strong>der</strong> Frühphase<br />
<strong>der</strong> Krankheit (erste 2–3 Wochen) ist <strong>der</strong> direkte<br />
Erregernachweis aus dem Nasopharynx<br />
mittels PCR o<strong>der</strong> (allerdings kaum noch verfügbar)<br />
Anzucht <strong>der</strong> Bordetella pertussis<br />
Bakterien ratsam. Die Ergebnisse serologischer<br />
Untersuchungen sind schwierig zu interpretieren<br />
und die serologische Diagnostik<br />
deshalb eher für retrospektive Fragestellungen<br />
geeignet. Bei mehreren Verdachtsfällen<br />
in epidemiologischem Zusammenhang muss<br />
individuell entschieden werden, ob nach Vorliegen<br />
des ersten gesicherten Falles weitere<br />
Laboruntersuchungen indiziert sind o<strong>der</strong><br />
nicht. An<strong>der</strong>e Spezies als B. pertussis (B.<br />
parapertussis, B. holmesii) führen selten zu<br />
Ausbrüchen.<br />
18
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Ausbruchsbekämpfung<br />
Hier ist Fachkenntnis, gepaart mit ärztlichem<br />
Können und Geschick, gefragt. Die so beliebt<br />
gewordenen «Guidelines» o<strong>der</strong> «Standard<br />
Operating Procedures» sind hilfreich. Sie<br />
sollen und können aber den gesunden Menschenverstand<br />
bei <strong>der</strong> Einschätzung <strong>der</strong> Lage<br />
und Festlegung erfor<strong>der</strong>licher Massnahmen<br />
nicht ersetzen, son<strong>der</strong>n sollen ihn unterstützen.<br />
Der Übergang von «Fallhäufung» zu «Ausbrüchen»<br />
ist fliessend und das quantitative Ausmass<br />
wie auch die individuellen Gegebenheiten<br />
müssen deshalb über Intensität <strong>der</strong><br />
geplanten Massnahmen entscheiden:<br />
• Handelt es sich um einen Einzelfall von<br />
Pertussis einer Mutter auf <strong>der</strong> örtlichen<br />
Entbindungsstation? Hier ist Gefahr in Verzug<br />
und rasche Isolierungsmassnahmen<br />
wie auch <strong>der</strong> Einsatz von Antibiotikaprophylaxe<br />
bei den Exponierten (Face-to-face<br />
Kontakt) sind ratsam.<br />
• Sind binnen weniger Tage 2 Fälle in einer<br />
Familie aufgetreten? Dies ist weniger kritisch,<br />
solange keine jungen Säuglinge exponiert<br />
o<strong>der</strong> betroffen sind. Die sofortige<br />
Antibiotikatherapie terminiert die Kontagiosität<br />
<strong>der</strong> Indexfälle binnen 5 Tagen.<br />
• Sind in den letzten 2 Wochen mehrere<br />
Fälle in einem Kin<strong>der</strong>garten o<strong>der</strong> Schulhaus<br />
aufgetreten? Dies ist ein Ausbruch; er ist<br />
meldepflichtig und die sinnvollen Massnahmen<br />
(Informationspolitik, Isolationsmassnahmen<br />
bis hin zum vorübergehenden<br />
Schliessen <strong>der</strong> Einrichtung, Aufdecken und<br />
Schliessen von Impflücken bei allen Personen,<br />
Antibiotikaprophylaxe usw.) sind so<br />
rasch wie möglich von den Verantwortlichen<br />
(kantons- und ggf. schulärztlicher<br />
Dienst) in Abstimmung mit <strong>der</strong> Leitung <strong>der</strong><br />
Einrichtung festzulegen.<br />
• Haben Sie in den vergangenen Monaten<br />
eine Reihe Fälle von gesicherter Pertussis<br />
in Ihrer Praxis diagnostiziert und waren dies<br />
z. B. mehr als im ganzen Jahr davor? Auch<br />
wenn dies nicht unbedingt die Definition<br />
eines «Ausbruchs» (örtlich und zeitlich begrenzt<br />
gehäuftes Auftreten) erfüllt sind Sie<br />
dennoch gut beraten, diese Beobachtung<br />
als «Häufung von Krankheitsfällen» zu melden<br />
und so eine detaillierte Analyse <strong>der</strong><br />
Situation durch den kantonsärztlichen<br />
Dienst zu ermöglichen.<br />
Zum Schluss sei nochmals daran erinnert,<br />
dass die Impfprophylaxe die effizienteste<br />
Massnahme zur Verhin<strong>der</strong>ung von Ausbrüchen<br />
ist. Deshalb sollte die während und kurz<br />
nach einer Krisensituation erfahrungsgemäss<br />
erhöhte Prophylaxe-Bereitschaft <strong>der</strong> zuvor<br />
impfskeptischen Personen genutzt werden,<br />
Pertussis-Impflücken zu schliessen.<br />
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Korrespondenzadresse<br />
PD Dr Klara M. Posfay-Barbe<br />
Hôpital des Enfants (HUG)<br />
6, rue Willy-Donzé<br />
CH-1211 Genève 14<br />
Klara.PosfayBarbe@hcuge.ch<br />
Prof. Ulrich Heininger<br />
Universitäts-Kin<strong>der</strong>spital bei<strong>der</strong> Basel (UKBB)<br />
Spitalstrasse 33, Postfach<br />
CH-4031 Basel<br />
ulrich.heininger@ukbb.ch<br />
Die Autoren haben keine finanzielle Unterstützung<br />
und keine an<strong>der</strong>en Interessenkonflikte<br />
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.<br />
19
Fortbildung<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Melatonin bei kindlichen Schlafstörungen<br />
Peter Hunkeler, Zürich<br />
Melatonin hat im menschlichen Körper diverse<br />
Funktionen inne. Das Hormon trägt unter<br />
an<strong>der</strong>em zur Regulation <strong>der</strong> inneren Uhr bei,<br />
hat eine schlafinduzierende sowie antioxidantische<br />
Wirkung und scheint den Körper vor<br />
neurodegenerativen Erkrankungen sowie <strong>der</strong><br />
Karzinogenese zu schützen 1) . Dieser Artikel<br />
behandelt die Frage, inwieweit <strong>der</strong> Einsatz von<br />
Melatonin bei Schlafstörungen im Kindes- und<br />
Jugendalter gerechtfertig ist.<br />
Physiologie<br />
Melatonin wird den meisten Leserinnen und<br />
Leser als «Medikament» zur Vorbeugung von<br />
Jetlag-Symptomen bekannt sein. Melatonin ist<br />
ein Hormon, das in <strong>der</strong> Epiphyse (Zirbeldrüse)<br />
aus Serotonin gebildet wird. Aufgrund seiner<br />
Eigenschaft als Regulator <strong>der</strong> inneren Uhr<br />
wird es auch als Chronobiotikum bezeichnet.<br />
Melatonin ist <strong>der</strong> robusteste Marker für das<br />
Signal des zirkadianen Systems und ist weitgehend<br />
unabhängig vom Schlaf. Beim Menschen<br />
und Säugetier wird die Melatonin-<br />
Sekretion durch den suprachiasmatischen<br />
Nucleus (SCN) gesteuert (Abbildung 1). Dieser<br />
wird durch den Einfluss von Licht moduliert,<br />
was bedeutet, dass die Dauer <strong>der</strong> täglichen<br />
Melatonin-Sekretion direkt abhängig<br />
von <strong>der</strong> Dauer <strong>der</strong> Lichtexposition ist. Die<br />
Helligkeit wird über nonvisuelle Photorezeptoren<br />
<strong>der</strong> Netzhaut erfasst. Das Hormon wird<br />
kurz nach Beginn <strong>der</strong> Dunkelheit sezerniert,<br />
erreicht seine maximale Sekretion in <strong>der</strong><br />
Mitte <strong>der</strong> Nacht und sinkt dann in <strong>der</strong> zweiten<br />
Nachthälfte langsam wie<strong>der</strong> ab. Die Melatonin-Produktion<br />
wird durch eine Vielzahl von<br />
Substanzen beeinflusst (unter an<strong>der</strong>em Benzodiazepine,<br />
Koffein und Alkohol). Bezüglich<br />
<strong>der</strong> <strong>24</strong>-Stunden-Melatonin-Sekretion findet<br />
man sehr grosse individuelle Unterschiede.<br />
Das Ausmass <strong>der</strong> Sekretion nimmt mit dem<br />
Alter ab 2) .<br />
Wirkungsweise<br />
von exogenem Melatonin<br />
Exogenes Melatonin scheint spezifisch über<br />
den SCN auf das zirkadiane System zu wirken<br />
und verbessert damit indirekt den nächtlichen<br />
Schlaf. Zusätzlich zeigt Melatonin eine leichte<br />
hypnotische Wirkung, was den positiven Effekt<br />
bei Einschlafstörungen erklärt. Es gibt<br />
zwei verschiedene Arten von Melatonin-Rezeptoren<br />
im SCN: MT1-Rezeptoren und MT2-<br />
Rezeptoren. In <strong>der</strong> Morgen- und Abenddämmerung<br />
sind MT2-Rezeptoren sensitiv für<br />
Melatonin (Phasenverschiebung <strong>der</strong> inneren<br />
Uhr). Zu Beginn <strong>der</strong> Nacht sind MT1-Rezeptoren<br />
empfindlich, welche die Feuerungsrate<br />
von SCN-Neuronen reduzieren (schlafför<strong>der</strong>nde<br />
Wirkung).<br />
Melatonin bei<br />
spezifischen Schlafstörungen<br />
Delayed sleep phase syndrome (verzögertes<br />
Schlafphasen Syndrom): Die meist jugendlichen<br />
Patienten haben grosse Schwierigkeiten<br />
mit dem abendlichen Einschlafen. Ihre Einschlafzeiten<br />
sind deutlich in die Nacht verschoben.<br />
Zudem können sie Probleme beim<br />
morgendlichen Aufstehen haben, was sich<br />
Nucleus suprachiasmaticus<br />
(die «innere» Uhr)<br />
Tractus retinohypothalamicus<br />
Melatonin<br />
Glandula pinealis<br />
Ganglion cervicale superior<br />
Abbildung 1: Steuerung <strong>der</strong> Melatonin-Sekretion<br />
20
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Fortbildung<br />
negativ auf den schulischen und beruflichen<br />
Alltag auswirken kann. Pathophysiologisch<br />
geht man davon aus, dass <strong>der</strong> zirkadiane<br />
Rhythmus länger als <strong>24</strong> Stunden andauert.<br />
Studien zeigen einen positiven Effekt von<br />
Melatonin auf die Einschlafprobleme.<br />
Free-running type (frei laufende innere Uhr):<br />
Bei Patienten mit einer frei laufenden inneren<br />
Uhr verzögert sich <strong>der</strong> Schlaf-Wach-Zyklus<br />
von Tag zu Tag kontinuierlich trotz normalem<br />
Lebensumfeld (soziale Zeitgeber). Diese Störung<br />
wirkt sich beson<strong>der</strong>s auf den sozialen<br />
und beruflichen Alltag <strong>der</strong> Patienten aus. Als<br />
Ursache wird unter an<strong>der</strong>em auch eine abnorme<br />
Regulation (verlängerter Chronotyp)<br />
<strong>der</strong> inneren Uhr vermutet. Pathophysiologisch<br />
gelingt die Abgrenzung zum verzögerten<br />
Schlafphasen-Syndrom nur unscharf. Melatonin<br />
kann bei diesen Patienten zur Einstellung<br />
eines normalen Schlaf-Wach-Rhythmus beitragen.<br />
Schlafstörungen bei Kin<strong>der</strong>n mit Sehbin<strong>der</strong>ungen:<br />
Auch bei blinden Personen kann die<br />
innere Uhr «frei» laufen. Dieser Zustand tritt<br />
zum Beispiel bei Menschen auf, die beide<br />
Augen (Netzhaut) verloren haben. Nicht alle<br />
blinden Menschen haben eine frei laufende<br />
innere Uhr. Bei Patienten, die zwar im visuellen<br />
Sinn erblindet sind (beispielsweise Läsionen<br />
des visuellen Cortex), aber noch eine<br />
funktionierende Netzhaut besitzen, kann die<br />
innere Uhr weiterhin durch Lichteinfluss synchronisiert<br />
werden. Ein Test für die Funktionsfähigkeit<br />
des nicht-visuellen Lichtkanals ist<br />
die Unterdrückung <strong>der</strong> Ausschüttung von<br />
Melatonin in <strong>der</strong> subjektiven Nacht durch<br />
Lichteinfluss.<br />
ADHS und Melatonin<br />
Schlafstörungen beim ADHS werden sehr<br />
häufig beschrieben. Verschiedene Studien<br />
zeigen eine Prävalenz zwischen 50% und 80%,<br />
so dass Schlafstörungen als komorbide<br />
Störung beim ADHS bezeichnet werden können<br />
5) . Von den Eltern werden meist Einschlafund<br />
Durchschlafstörungen beschrieben.<br />
ADHS und Schlafstörungen können demnach<br />
gemeinsam auftreten, wobei sich die Frage<br />
stellt, welche <strong>der</strong> Störung zu den Symptomen<br />
wie Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und<br />
Impulsivität führt. Im Prinzip gibt es drei Möglichkeiten:<br />
1. ADHS o<strong>der</strong> dessen medikamentöse<br />
Therapie führt zu Schlafproblemen, 2.<br />
Eine primäre Schlafstörung führt zu ADHSähnlichen<br />
Symptomen, 3. Beide Störungen<br />
kommen gemeinsam vor.<br />
Es stellt sich die Frage nach dem korrekten<br />
therapeutischen Vorgehen. Der erste und<br />
wichtigste Schritt besteht in schlafhygienischen<br />
Massnahmen (Tabelle 1). Eine Rhythmisierung<br />
des Tagesablaufes mit fixen Bettzeiten<br />
am Abend ist essentiell. Dies betrifft<br />
auch die Wochenenden, an welchen die<br />
Bettzeiten nicht mehr als 1 Stunde differieren<br />
sollten. Zudem sollten die Bettzeiten möglichst<br />
dem Schlafbedarf angepasst werden.<br />
Ein weiterer wichtiger Faktor sind die abendlichen<br />
Aktivitäten. Stimulierende Aktivitäten<br />
wie Computerspiele, Fernsehen o<strong>der</strong> übermässige<br />
körperliche Arbeit sollten vor dem<br />
Einschlafen unterlassen werden. Koffein und<br />
Alkohol können den Schlaf ebenfalls negativ<br />
beeinflussen. Alkohol verkürzt zwar die Einschlafzeit,<br />
kann aber den Schlaf zu einem<br />
späteren Zeitpunkt stören. Das Verbringen<br />
von Zeit im Freien, beson<strong>der</strong>s in den Morgenstunden<br />
mit Sonnenexposition, kann helfen,<br />
den zirkadianen Rhythmus aufrechtzuerhalten.<br />
Schlafmedikamente sind wie bei an<strong>der</strong>en<br />
Schlafstörungen nicht die erste Wahl.<br />
Ist <strong>der</strong> Einsatz von Melatonin bei Kin<strong>der</strong>n und<br />
Jugendlichen mit ADHS als zusätzliche Massnahme<br />
sinnvoll? Kombiniert mit schlafhygienischen<br />
Massnahmen kann sich <strong>der</strong> Einsatz<br />
von Melatonin positiv auf die Einschlafdauer<br />
auswirken. In einer Studie mit ADHS-Kin<strong>der</strong>n<br />
ohne medikamentöse Therapie zeigte sich<br />
eine Abnahme <strong>der</strong> Einschlafdauer und eine<br />
Verlängerung <strong>der</strong> Schlafzeit 5) . Es waren allerdings<br />
keine Effekte auf <strong>der</strong> Verhaltensebene<br />
und bezüglich <strong>der</strong> kognitiven Leistungsfähigkeit<br />
zu erkennen. Lei<strong>der</strong> gibt es praktisch<br />
keine Studien, die den Effekt von Melatonin<br />
über längere Zeit (> 6–9 Monate) dokumentiert<br />
haben. Weiter gibt es noch keinen Konsens<br />
darüber, welches die geeignete therapeutische<br />
Dosis ist. Auch die Frage nach dem<br />
Nebenwirkungsprofil kann nicht schlüssig<br />
beantwortet werden. Melatonin sollte demnach<br />
bei ADHS-Patienten mit Zurückhaltung<br />
eingesetzt werden 5) .<br />
Eigene Erfahrungen aus <strong>der</strong><br />
Zürcher Schlafsprechstunde<br />
Bei funktionellen Schlafproblemen ist man<br />
sich in <strong>der</strong> Fachliteratur einig, dass verhaltensregulatorische<br />
Massnahmen als erste<br />
therapeutische Massnahme im Vor<strong>der</strong>grund<br />
stehen 6) . Der Gebrauch von Schlafmedikamenten<br />
wird nicht empfohlen. Generell ist es<br />
wichtig, dass die Eltern während 2 Wochen<br />
ein Schlafprotokoll ausfüllen. (z. B.: http://<br />
Schlafstörungen bei Kin<strong>der</strong>n mit Entwicklungsstörungen:<br />
Studien weisen auf einen<br />
positiven Effekt von Melatonin bei Autismus-<br />
Spektrum-Störungen hin 3) . Erwähnt werden<br />
besseres Schlafverhalten und weniger Verhaltensprobleme<br />
tagsüber bei minimalen<br />
Nebenwirkungen. Auch bei Patienten mit<br />
fragilem X-Syndrom wurden positive Effekte<br />
auf die Einschlafproblematik beschrieben 4) .<br />
Patienten mit Smith-Magenis-Syndrom leiden<br />
unter an<strong>der</strong>em unter schweren Schlafstörungen<br />
mit einer Umkehr des zirkadianen<br />
Rhythmus. Abendliche Melatonin-Gaben<br />
kombiniert mit Beta-Blocker am Morgen<br />
(Unterdrückung <strong>der</strong> Melatonin-Synthese am<br />
Tag) können bei diesen Patienten zu einer<br />
Normalisierung <strong>der</strong> Tag-Nacht-Umkehr führen.<br />
Was gibt es bei <strong>der</strong> Schlafhygiene zu beachten 6) ?<br />
Bettzeiten: Fixe Bettzeiten inklusive Wochenende, Anpassen <strong>der</strong> Bettzeiten an den mit einem<br />
Schlafprotokoll über 14 Tage ermittelten Schlafbedarf<br />
Einschlafritual<br />
Schlafzimmer: dunkel, ruhig, kühl<br />
Mahlzeiten: keine schwer verdaulichen Speisen 1–2 Stunden vor dem geplanten Einschlafen<br />
Genussmittel: kein Koffein (Kaffee, Tee, Cola, Energy-Drinks) 3–4 Stunden vor dem geplanten<br />
Einschlafen; Vermeiden von Alkohol und Nikotin<br />
Aktivitäten: stimulierende Aktivitäten wie Computerspiele, Fernsehen o<strong>der</strong> übermässige körperliche<br />
Arbeit sollten vor dem Einschlafen unterlassen werden. Tägliche Aktivitäten im Freien<br />
mit Sonnenexposition werden empfohlen.<br />
Elektronische Medien wie Fernseher, Computer o<strong>der</strong> Smartphones sollten aus dem Schlafzimmer<br />
entfernt werden, um übermässigen Konsum vor dem Schlafengehen zu unterbinden.<br />
Schlafzeiten am Tag sollten bei älteren Kin<strong>der</strong>n (ab Schulalter) vermieden werden.<br />
Tabelle 1<br />
21
Fortbildung<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
www.kispi.uzh.ch/Kin<strong>der</strong>spital/Medizin/<br />
Schlafmittel/Downloads/Schlafprotokoll.pdf)<br />
In <strong>der</strong> Schlafsprechstunde an <strong>der</strong> Abteilung<br />
Entwicklungspädiatrie des Kin<strong>der</strong>spitals Zürich<br />
wenden wir erfolgreich ein Dreistufenkonzept<br />
an 7) :<br />
1. Stufe: Rhythmisieren des Tagesablaufes;<br />
2. Stufe: Anpassen <strong>der</strong> Bettzeiten an die errechneten<br />
Schlafzeiten; 3. Stufe: selbstständiges<br />
Einschlafen.<br />
Bei Kin<strong>der</strong>n mit Entwicklungsbehin<strong>der</strong>ungen,<br />
die an akuten o<strong>der</strong> chronischen Schlafproblemen<br />
leiden, setzen wir gelegentlich Melatonin<br />
mit Erfolg ein, so zum Beispiel bei Kin<strong>der</strong>n mit<br />
Autismus-Spektrum-Störung o<strong>der</strong> geistiger<br />
Behin<strong>der</strong>ung. Eher ernüchternd sind unsere<br />
Melatonin-Erfahrungen mit Jugendlichen, die<br />
an grossen Einschlafproblemen leiden und am<br />
Morgen trotz Weckversuchen <strong>der</strong> Eltern nicht<br />
aufstehen können/wollen. Diese Jungendlichen<br />
bleiben deshalb oft <strong>der</strong> Schule fern, was<br />
den Druck auf die Eltern und sie selber noch<br />
erhöht. Unsere Erfahrungen zeigen, dass eine<br />
Melatonin-Therapie alleine mittel- und längerfristig<br />
kaum zu einer Besserung <strong>der</strong> Einschlafproblematik<br />
führt. In Kombination mit schlafhygienischen<br />
Massnahmen sind unsere<br />
Erfahrungen etwas besser, wobei die Umsetzung<br />
dieser Massnahmen oft nicht einfach ist.<br />
Fazit für die Praxis<br />
2) Kunz D. Melatonin und Schlaf-Wach Regulation.<br />
Habilitationsschrift zur Erlangung <strong>der</strong> Lehrbefähigung<br />
für das Fach Psychiatrie vorgelegt <strong>der</strong> Medizinischen<br />
Fakultät <strong>der</strong> Charité – Universitätsmedizin<br />
Berlin. 2006.<br />
3) Rossignol DA. Melatonin in autism spectrum disor<strong>der</strong>s:<br />
a systematic review and meta-analysis. Dev<br />
Med Child Neurol 2011 Sep; 53 (9): 783–92.<br />
4) Wirojanan J. The efficacy of melatonin for sleep<br />
problems in children with autism, fragile X syndrome,<br />
or autism and fragile X syndrome. J Clin Sleep<br />
Med 2009 Apr 15; 5 (2): 145–50.<br />
5) Corkum P. A framework for the assessment and<br />
treatment of sleep problems in children with attention-deficit/hyperactivity<br />
disor<strong>der</strong>. Pediatr Clin N<br />
Am 2011; 58: 667–83.<br />
6) Owens JA. The use of pharmacotherapy in the<br />
treatment of pediatric insomnia in primary care:<br />
rational approaches. A consensus meeting summary.<br />
Journal of Clinical Sleep Medicine 2005; J<strong>Vol</strong> 1,<br />
No 1.<br />
7) Jenni O, Benz C. Schlafstörungen. Pädiatrie up2date<br />
2007; 309–33.<br />
Korrespondenzadresse<br />
Dr. med. Peter Hunkeler<br />
Oberarzt, Abteilung Entwicklungspädiatrie<br />
Kin<strong>der</strong>spital Zürich<br />
Steinwiesstrasse 75<br />
8032 Zürich<br />
Die Autoren haben keine finanzielle Unterstützung<br />
und keine an<strong>der</strong>en Interessenkonflikte<br />
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.<br />
Bei Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen mit Schlafproblemen<br />
bleibt das Ausfüllen eines Schlafprotokolls<br />
über 2 Wochen die erste und wichtigste<br />
Massnahme. Eine spezifische Beratung <strong>der</strong><br />
Familie und des Kindes ist nur damit möglich.<br />
Bei funktionellen Schlafstörungen ist <strong>der</strong><br />
Gebrauch von Melatonin und Schlafmedikamenten<br />
nicht angebracht. Bei Kin<strong>der</strong>n mit<br />
Entwicklungsstörungen kann ein Einsatz sinnvoll<br />
sein. Eine klassische Indikation für eine<br />
Melatonin-Therapie stellen seltene Erkrankungen<br />
wie «das verzögerte Schlafphasen-Syndrom»<br />
o<strong>der</strong> «die frei laufende innere Uhr» dar.<br />
Auch bei Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen mit ADHS<br />
gibt es in Kombination mit schlafhygienischen<br />
Massnahmen eine gewisse Evidenz für die<br />
Wirksamkeit von Melatonin (beson<strong>der</strong>s bei<br />
Einschlafproblemen), wobei noch kein Konsens<br />
über Dosierung, Therapiedauer und Nebenwirkungsprofil<br />
besteht.<br />
Referenzen<br />
1) Kostoglou-Athanassiou I. Therapeutic applications<br />
of melatonin. Therapeutic advances in endocrinology<br />
and metabolism 2013; 4 (1): 13–<strong>24</strong>.<br />
22
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1006431
Fortbildung<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter<br />
Johannes Häberle 1) , Alexan<strong>der</strong> Lämmle 1) , Matthias R. Baumgartner 1)<br />
Abstract<br />
Fettstoffwechselstörungen sind eine heterogene<br />
Gruppe von meistens vererbten<br />
Krankheiten, welche oftmals aufgrund einer<br />
positiven Familienanamnese bereits im Kindesalter<br />
diagnostiziert werden. Dies ist insbeson<strong>der</strong>e<br />
im Sinne einer Sekundärprävention<br />
eine äusserst wichtige pädiatrische<br />
Aufgabe, stellt doch die frühzeitige Diagnose<br />
und Therapieeinleitung bei bestimmten Fettstoffwechselstörungen<br />
einen entscheidenden<br />
Grundstein für die Gesundheit im Erwachsenenalter<br />
dar. In diesem Artikel sollen<br />
vor allem praktische Aspekte anhand häufig<br />
gestellter Fragen im Zusammenhang mit<br />
Fettstoffwechselstörungen behandelt werden.<br />
Die häufigsten Dyslipidämien sowie<br />
<strong>der</strong>en Diagnostik und Therapie werden kurz<br />
dargestellt. Seltenere Fettstoffwechselstörungen<br />
werden hier zum Teil gezielt mit erwähnt,<br />
auf eine vollständige und systematische<br />
Abhandlung sämtlicher Krankheiten<br />
wird aber verzichtet. Den Autoren dieses<br />
Beitrages erscheint wichtig, in <strong>der</strong> Praxis<br />
den Fokus nicht nur auf die Senkung von<br />
Plasma-Cholesterinwerten zu richten, son<strong>der</strong>n<br />
sämtliche bekannte Risikofaktoren wie<br />
zum Beispiel Ernährung, Bewegung, Gewicht<br />
und Nikotinabusus zu betrachten. Sowohl für<br />
die Primärdiagnostik als auch für die Beurteilung<br />
<strong>der</strong> Gesamtsituation ist eine exakte<br />
Familienanamnese von zentraler Bedeutung.<br />
Die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen<br />
ist komplex und schliesst eine Steigerung<br />
<strong>der</strong> körperlichen Aktivität und die Vermeidung<br />
weiterer Risikofaktoren ebenso mit<br />
ein wie eine Diät und Medikamente.<br />
Einführung<br />
1) Abteilung für Stoffwechselkrankheiten<br />
Forschungszentrum für das Kind<br />
Universitäts-Kin<strong>der</strong>spital Zürich<br />
Steinwiesstrasse 75<br />
CH-8032 Zürich<br />
Fettstoffwechselstörungen zählen zu den<br />
häufigsten vererbten Krankheiten in <strong>der</strong> pädiatrischen<br />
Praxis und besitzen eine grosse<br />
Bedeutung für die spätere Gesundheit im Erwachsenenalter.<br />
Gleichzeitig führen sie in aller<br />
Regel beim Kind nicht zu Symptomen, ein<br />
Umstand, <strong>der</strong> jedoch keinesfalls Anlass zu<br />
diagnostischer o<strong>der</strong> therapeutischer Abstinenz<br />
sein darf. Im Gegenteil hat die Pädiatrie<br />
eine entscheidende Rolle in <strong>der</strong> Weichenstellung<br />
für eine angemessene lebenslange, wenn<br />
immer nötig, strikte Therapie von Fettstoffwechselstörungen.<br />
In diesem Sinn ist die Behandlung<br />
dieses Themas ein Paradebeispiel<br />
für die Sekundärprävention als eine <strong>der</strong><br />
wichtigsten pädiatrischen Aufgaben.<br />
Im Vor<strong>der</strong>grund dieses Beitrages stehen praktische<br />
Aspekte, mit dem Ziel, mögliche «Berührungsängste»<br />
in <strong>der</strong> Praxis abzubauen. Die<br />
folgenden Fragen, zugesandt von einem in <strong>der</strong><br />
Klinik tätigen Kollegen, sollen beantwortet<br />
werden:<br />
• Wann muss <strong>der</strong> (nie<strong>der</strong>gelassene) Pädiater<br />
daran denken, bei Patienten Blutfettwerte<br />
zu bestimmen?<br />
• Wie sind Alter, Klinik, Familienanamnese<br />
und Risikofaktoren zu berücksichtigen?<br />
• Welche Parameter sollen bestimmt werden;<br />
wie ist das praktische Vorgehen?<br />
• Existieren Referenzwerte und wie sind<br />
diese zu bewerten?<br />
• Wie ist das Vorgehen bei pathologischen<br />
Werten? Wann ist eine Kontrolle indiziert,<br />
wann sind Diät o<strong>der</strong> Medikamente notwendig?<br />
Dabei liegt <strong>der</strong> Fokus des Artikels auf den<br />
vergleichsweise häufigen Situationen; seltenere<br />
Krankheiten sind nicht vollständig o<strong>der</strong><br />
systematisch aufgeführt, werden jedoch zur<br />
Illustrierung des klinischen und biochemischen<br />
Spektrums gezielt mit erwähnt.<br />
Definition<br />
Fettstoffwechselstörungen (synonym: Dyslipidämien)<br />
sind eine heterogene Gruppe von<br />
Krankheiten, bei denen Blutfettwerte, vor allem<br />
Cholesterine und/o<strong>der</strong> Triglyceride, verän<strong>der</strong>t<br />
sind. Dies kann primär bei Vorliegen<br />
eines vererbten Stoffwechseldefektes <strong>der</strong> Fall<br />
sein o<strong>der</strong> sekundär im Rahmen an<strong>der</strong>er<br />
Krankheiten von Hormonhaushalt (z. B. Diabetes,<br />
Hypothyreose, Cushing-Syndrom), Nieren<br />
(nephrotisches Syndrom o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e chronische<br />
Nierenkrankheiten) o<strong>der</strong> Leber (Steatosis<br />
hepatis) o<strong>der</strong> bei Anorexia nervosa. Die<br />
meisten Fettstoffwechselstörungen stellen<br />
einen relevanten Risikofaktor für die Entstehung<br />
einer Arteriosklerose dar und müssen<br />
daher auch bei praktisch stets asymptomatischen<br />
Kin<strong>der</strong>n ernst genommen werden 1)–3) .<br />
Epidemiologie<br />
Die häufigste Fettstoffwechselstörung ist <strong>der</strong><br />
heterozygote LDL-Rezeptor-Defekt 4) , dessen<br />
geschätzte Inzidenz bei 1:500 liegen soll.<br />
In ähnlicher Dimension liegt die Inzidenz des<br />
Apolipoprotein B 100 Mangels (1:200–<br />
1:700), welcher zu eingeschränkter LDL-Rezeptoraffinität<br />
führt 5) . Der homozygote LDL-<br />
Rezeptor-Defekt mit de facto Ausfall <strong>der</strong><br />
LDL-Rezeptor-Funktion ist dagegen sehr selten<br />
(Grössenordnung 1:1’000’000). Allerdings<br />
gibt es in <strong>der</strong> Schweiz für diese Defekte<br />
keine zuverlässigen Zahlen. Dies gilt auch für<br />
alle übrigen Fettstoffwechselstörungen, die<br />
als selten bis sehr selten angenommen werden<br />
dürfen. Dies bedeutet, dass für die meisten<br />
dieser Krankheiten (ausser den 2 oben<br />
genannten) nur wenige Patienten, zum Teil nur<br />
Einzelfälle o<strong>der</strong> überhaupt keine Patienten in<br />
<strong>der</strong> Schweiz vorhanden sind.<br />
Biochemie und Pathophysiologie<br />
Lipide müssen aufgrund ihrer hydrophoben<br />
Eigenschaften im Blut an Proteine (sog. Apolipoproteine)<br />
gebunden transportiert werden.<br />
Im resultierenden Lipoprotein sind die hydrophoben<br />
Lipide im Kern «versteckt» und von<br />
Apolipoproteinen umhüllt. Entsprechend ihrer<br />
Dichte werden Lipoproteine in 5 Klassen eingeteilt,<br />
die jeweils charakteristische Zusammensetzungen<br />
besitzen, welche ihre biochemischen<br />
Eigenschaften bedingen 6) :<br />
• High-density Lipoproteine (HDL)<br />
• Low-density Lipoproteine (LDL)<br />
• Intermediate-density Lipoproteine (IDL)<br />
• Very low-density Lipoproteine (VLDL)<br />
• Chylomikronen<br />
Von klinischer Bedeutung ist vor allem LDL-<br />
Lipoprotein, welches für den Transport von<br />
Lipiden, vor allem Cholesterin, in die peripheren<br />
Organe verantwortlich ist 7) . Liegt, wie bei<br />
<strong>der</strong> familiären Hypercholesterinämie, ein<br />
Defekt des LDL-Rezeptors vor, resultiert eine<br />
Erhöhung des LDL-Lipoproteins im Plasma.<br />
Neben Cholesterin enthalten LDL-Lipoprotei-<br />
<strong>24</strong>
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Fortbildung<br />
ne reichlich Apolipoprotein B 100. Dieses<br />
kann in seiner Funktion durch Gen-Mutationen<br />
(häufigste Mutation p.R3500Q) 3), 5) gestört<br />
sein, woraus klinisch wie therapeutisch<br />
die gleiche Situation mit Hypercholesterinämie<br />
resultiert wie bei LDL-Rezeptordefekten.<br />
Bereits im Kindesalter führen konzentrationsabhängig<br />
vor allem erhöhte LDL-Cholesterinwerte<br />
zu arteriosklerotischen Gefässschäden.<br />
Defekte <strong>der</strong> Lipoproteinlipase, welche im<br />
Kapillarendothel die Triglyceride <strong>der</strong> Chylomikronen<br />
und VLDL spaltet und damit <strong>der</strong>en<br />
Aufnahme in die Zellen ermöglicht, führen zu<br />
isolierter, zum Teil massiver Triglyceri<strong>der</strong>höhung<br />
(Werte teilweise > 50 mmol/L, Ref < 2<br />
mmol/L). Phänotypisch identisch sind Defekte<br />
des Cofaktors Apolipoprotein CII. Erhöhte<br />
Triglycerid-Konzentrationen stellen keinen<br />
Risikofaktor für vorzeitige Arteriosklerose dar.<br />
Bei Defekten <strong>der</strong> ABC-Transporter G5 o<strong>der</strong> G8<br />
ist in Dünndarm und Gallenwegen <strong>der</strong> Export<br />
von zuvor resorbierten pflanzlichen Fetten,<br />
sog. Phytosterolen, gestört. Daraus resultiert<br />
die sehr seltene Sitosterolämie, die ähnlich<br />
wie <strong>der</strong> homozygote LDL-Rezeptordefekt ein<br />
relevanter Risikofaktor für Herzinfarkte bereits<br />
im Kindesalter ist 8) .<br />
Klinisches Bild<br />
Die meisten Patienten mit Fettstoffwechselstörungen<br />
sind im Kindesalter asymptomatisch.<br />
Erste Krankheitszeichen können bei<br />
familiärer Hypercholesterinämie Fettablagerungen<br />
in <strong>der</strong> Haut, sogenannte Xanthelasmen,<br />
sein. Bei Vorliegen von Homozygotie für<br />
einen LDL-Rezeptor-Defekt können diese bereits<br />
im Kleinkindesalter als imposante subkutane<br />
Knötchen entlang <strong>der</strong> Hautfalten von<br />
Händen o<strong>der</strong> Füssen und über Gelenken imponieren,<br />
während ansonsten meist im Bereich<br />
des Unterlides erste gelbliche Ablagerungen<br />
zu finden sind 4), 9) (Abb. 1A). Diese sind<br />
gemäss klinischer Erfahrung eindeutig mit <strong>der</strong><br />
Höhe <strong>der</strong> Cholesterin-Konzentrationen im<br />
Plasma korreliert und können unter Behandlung<br />
kleiner werden o<strong>der</strong> verschwinden.<br />
Daneben finden sich bei einzelnen Fettstoffwechselstörungen<br />
(z. B. Sitosterolämie) tiefer<br />
unter <strong>der</strong> Haut gelegene Fettablagerungen,<br />
sogenannte Xanthome. Prädilektionsstellen<br />
für Xanthome sind die Streckseiten <strong>der</strong> Ellenbogen,<br />
die Knie sowie Achillessehnen (Abb.<br />
1B). Oftmals ist die über Xanthomen liegende<br />
Haut bläulich-livide verfärbt, dies auch noch<br />
nach Rückgang o<strong>der</strong> Verschwinden <strong>der</strong> Xanthome<br />
unter Behandlung.<br />
Ein Arcus corneae ist im Kindesalter nur in<br />
Ausnahmefällen bei sehr schlecht eingestellter<br />
familiärer Hypercholesterinämie (o<strong>der</strong> bei<br />
homozygoter Hypercholesterinämie) zu beobachten.<br />
Bei einem kleinen Teil <strong>der</strong> Patienten besteht<br />
als Folge einer vermehrten Einlagerung von<br />
Fett eine Hepatomegalie, die zu Leberkapselspannung<br />
und Bauchschmerzen führen<br />
kann. Dies ist zum Beispiel bei Patienten mit<br />
familiärer Hypertriglyceridämie o<strong>der</strong> familiärer<br />
Chylomikronämie möglich.<br />
Derzeit noch relativ selten dürfte bei Kin<strong>der</strong>n<br />
das metabolische Syndrom mit Adipositas,<br />
Hyperurikämie, arteriellem Hypertonus, peripherer<br />
Insulinresistenz und HDL-Cholesterinerniedrigung<br />
vorliegen.<br />
Komplikationen<br />
Hohe Cholesterinkonzentrationen im Plasma<br />
verursachen keine akuten Komplikationen,<br />
sind jedoch ein Risikofaktor für eine vorzeitige<br />
Arteriosklerose. Die exakte Bedeutung<br />
einer Hypercholesterinämie im Kontext an<strong>der</strong>er<br />
bekannter (Übergewicht, Bewegungsmangel,<br />
arterieller Bluthochdruck, Hyperhomocysteinämie,<br />
Lipoprotein (a) -Erhöhung,<br />
Rauchen) und unbekannter Risikofaktoren ist<br />
keineswegs geklärt 1) . In <strong>der</strong> Literatur beschrieben<br />
und auch in <strong>der</strong> Praxis zu beobachten<br />
sind frühe fatale Verläufe bei vergleichsweise<br />
geringer ebenso wie kaum betroffene<br />
Familien mit gravieren<strong>der</strong> Hypercholesterinämie.<br />
Beson<strong>der</strong>s gefürchtet sind Komplikationen<br />
bei homozygoter familiärer Hypercholesterinämie<br />
sowie bei Sitosterolämie; für<br />
diese Krankheiten sind jeweils akute fatale<br />
Herzinfarkte im Kleinkindesalter beschrieben<br />
3), 8) .<br />
Auch sehr hohe Konzentrationen <strong>der</strong> Triglyceride<br />
(> 10 mmol/L) können durchaus akute<br />
Beschwerden auslösen. Dazu sind akute<br />
Bauchschmerzen, gastrointestinale Blutungen<br />
sowie eine akute Pankreatitis zu zählen, letztere<br />
mit potentiell ernster Prognose. Hypertriglyceridämie<br />
ist jedoch kein Risikofaktor<br />
einer vorzeitigen Arteriosklerose.<br />
Transition und Ausblick<br />
in das Erwachsenenalter<br />
Fettstoffwechselstörungen bleiben die Domäne<br />
<strong>der</strong> Erwachsenenmedizin, weil praktisch<br />
alle Komplikationen erst im Erwachsenenalter<br />
auftreten. Idealerweise bestehen vor Ort enge<br />
Kontakte zwischen Pädiatrie und Erwachsenenmedizin,<br />
um eine optimale Transition und<br />
damit die Vermeidung von Ängsten auf Patientenseite<br />
ebenso wie von Informationsverlust<br />
auf ärztlicher Seite zu gewährleisten. Wie<br />
dargelegt, soll jedoch eine kompetente und<br />
konsequente pädiatrische Betreuung das Auftreten<br />
<strong>der</strong> Komplikationen mindestens verzögern.<br />
Abklärung Familienanamnese<br />
Fraglos kommt einer sorgfältigen und vollständigen<br />
Familienanamnese eine herausragende<br />
Bedeutung für die Bewertung <strong>der</strong><br />
Situation eines Patienten mit Fettstoffwechselstörung<br />
zu. Dabei sind mindestens Verwandte<br />
ersten Grades mit einzubeziehen.<br />
Notwendig erscheint eine gezielte Anamnese<br />
Abbildung 1: Hautverän<strong>der</strong>ungen bei Fettstoffwechselstörungen. A: 9-jährige Patientin mit Xanthelasmen, unter beiden Augenli<strong>der</strong>n als gelbliche<br />
Verfärbungen erkennbar. B: 12-jährige Patientin mit Xanthomen am Knie, welche als Schwellung sichtbar und tastbar sind und als bläuliche<br />
Verfärbung imponieren<br />
A<br />
B<br />
25
Fortbildung<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
mit geschlossenen Fragen («Ist es bei Ihren<br />
Eltern zu frühen Herzinfarkten gekommen?»,<br />
«… und bei <strong>der</strong>en Geschwistern?» etc.), weil<br />
in <strong>der</strong> Praxis an<strong>der</strong>nfalls wichtige Details nicht<br />
erhoben werden. Stichwörter bei <strong>der</strong> Erhebung<br />
<strong>der</strong> Familienanamnese sollten z. B. sein:<br />
Herzinfarkte, Schlaganfälle, Bypassoperationen<br />
10) . Bei positiver Familienanamnese sind<br />
gezielte Untersuchungen des Lipidprofils im<br />
Plasma bereits im Kleinkindesalter indiziert.<br />
Laboruntersuchungen<br />
In <strong>der</strong> initialen Diagnostik einer Fettstoffwechselstörung<br />
sollen die folgenden Plasma-<br />
Parameter bei nüchternem Patienten erhoben<br />
werden 3) :<br />
• Lipidstatus (Gesamt-, HDL-, LDL-Cholesterin<br />
und Triglyceride)<br />
• Lipoprotein (a) (dieser Wert ist genetisch<br />
determiniert und bedarf daher keiner Verlaufskontrolle,<br />
ausser bei versuchter Intervention<br />
mit Niacin) 11)<br />
• Homocystein<br />
Zur Bewertung <strong>der</strong> Lipidwerte sind altersabhängige<br />
Referenzwerte unabdingbar, weil<br />
insbeson<strong>der</strong>e Cholesterin während des Kindesalters<br />
sowie nach <strong>der</strong> Pubertät ansteigt,<br />
wohingegen präpubertär und während <strong>der</strong><br />
Pubertät die Werte spontan abfallen können 3) .<br />
Darüberhinaus können in einzelnen Situationen<br />
Spezialuntersuchungen wie Lipidelektrophorese<br />
o<strong>der</strong> Sterolprofil sinnvoll sein; empfohlen<br />
ist hier stets die Kontaktaufnahme mit<br />
einem Stoffwechselzentrum.<br />
Daneben sind einmalig zum Ausschluss einer<br />
sekundären Fettstoffwechselstörung die folgenden<br />
Werte zu bestimmen:<br />
• TSH, fT4<br />
• Kreatinin<br />
• Cortisol<br />
• Urinstatus<br />
Behandlung – Allgemeines<br />
Grundsätzlich müssen fast alle Kin<strong>der</strong> mit Fettstoffwechselstörung<br />
diätetisch und/o<strong>der</strong> medikamentös<br />
behandelt werden. Schwierig ist<br />
eine Festlegung, ab welcher Verän<strong>der</strong>ung von<br />
Laborparametern eine Ernährungsmodifikation<br />
alleine nicht mehr ausreicht und eine zusätzliche<br />
Medikamentengabe notwendig wird. Dies<br />
lässt sich nur in <strong>der</strong> Gesamtschau von Alter,<br />
klinischer Situation (liegen weitere Risikofaktoren<br />
vor?) und Familienanamnese entscheiden<br />
und basiert nie alleine auf <strong>der</strong> Konzentration<br />
von Laborparametern. Grundsätzlich kann<br />
durch vermehrte körperliche Aktivität, sofern<br />
nicht ohnehin schon bestehend, das Lipidprofil<br />
verbessert werden 3), 4), 12–14) .<br />
Diät<br />
Die Grundlage <strong>der</strong> Behandlung <strong>der</strong> meisten<br />
Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter ist<br />
eine Ernährungsmodifikation. Für die familiäre<br />
Hypercholesterinämie bedeutet dies eine<br />
Reduktion tierischer, gesättigter Fette in <strong>der</strong><br />
Nahrung und die Meidung beson<strong>der</strong>s cholesterinhaltiger<br />
Lebensmittel (v. a. Eigelb, Fleisch<br />
mit sichtbarem Fett, Butter). Die Fettzufuhr<br />
sollte bevorzugt einfach ungesättigte Fettsäuren<br />
(z. B. aus Walnuss-, Raps-, o<strong>der</strong> Olivenöl)<br />
enthalten und auf 30–35% <strong>der</strong> Gesamtkalorien<br />
begrenzt werden. Im Gegensatz dazu muss<br />
die Zufuhr von pflanzenfettreichen Produkten<br />
bei Vorliegen einer Sitosterolämie vermieden<br />
werden, während hier tierische Fette «erlaubt»<br />
sind. Für einzelne Krankheiten, z. B. die<br />
familiäre Hypertriglyceridämie, ist eine Reduktion<br />
des Fettanteils in <strong>der</strong> Nahrung auf<br />
< 25% sowie eine Vermeidung hohen Zuckerkonsums<br />
therapeutisch ausreichend. Hingegen<br />
erzielt die Diät <strong>der</strong> familiären Hypercholesterinämie<br />
auch bei strikter Einhaltung oft<br />
keine befriedigenden Ergebnisse, weil eine<br />
Reduktion <strong>der</strong> Cholesterinwerte im Plasma<br />
nur um 10% bis maximal 20% gelingt und dies<br />
für viele Patienten nicht ausreichend ist 3) .<br />
Der Erfolg einer cholesterinarmen Diät ist zum<br />
Teil genetisch determiniert, wobei insbeson<strong>der</strong>e<br />
Apolipoprotein E-Phänotypen als Prädiktoren<br />
für gutes bzw. schlechtes Ansprechen<br />
dienen 15) .<br />
Medikamente<br />
Mehrere Medikamente mit jeweils unterschiedlichem<br />
Wirkmechanismus stehen zur<br />
Verfügung, in <strong>der</strong> Praxis reduziert sich aus<br />
verschiedenen Gründen die Auswahl auf nur<br />
wenige Wirkstoffe. Grundsätzlich soll eine<br />
medikamentöse Therapie stets begleitend zur<br />
Fortführung <strong>der</strong> Diät erfolgen 3) .<br />
Ionen-Austauscherharze (z. B. Colestyramin)<br />
sind grosse, wasserunlösliche Moleküle,<br />
die nicht resorbiert werden, aber im Darm<br />
Gallensäuren binden und damit die Lipidresorption<br />
vermin<strong>der</strong>n. In <strong>der</strong> Praxis kann dies<br />
jedoch nur gelingen, wenn die Medikamente<br />
zu je<strong>der</strong> fetthaltigen Mahlzeit eingenommen<br />
werden. Daraus, und aus dem unangenehmen<br />
Gefühl bei oraler Einnahme, resultiert jedoch<br />
eine (nachvollziehbare) schlechte Compliance,<br />
welche die ohnehin beschränkte Wirksamkeit<br />
<strong>der</strong> Ionen-Austauscherharze weiter<br />
vermin<strong>der</strong>t. Auch wenn Konsensusempfehlungen<br />
zum Teil noch den Einsatz von Ionen-<br />
Austauscherharzen als Stufe 1 <strong>der</strong> medikamentösen<br />
Therapie vorsehen, ist dies in <strong>der</strong><br />
Praxis <strong>der</strong> Autoren dieses Artikels nur für<br />
einzelne Patienten eine dauerhaft annehmbare<br />
Option.<br />
HMG-CoA-Reduktase-Hemmer (synonym:<br />
Statine) beeinflussen die endogene Cholesterinsynthese<br />
in einem sehr frühen Schritt und<br />
reduzieren damit die intrazelluläre Cholesterinverfügbarkeit.<br />
Gleichzeitig wird die Empfindlichkeit<br />
von LDL-Rezeptoren gesteigert, so<br />
dass vermehrt LDL-gebundenes Cholesterin in<br />
die Zelle aufgenommen wird. Somit sind Statine<br />
wirksame Medikamente zur Senkung von<br />
Gesamt- und LDL-Cholesterin, wobei je nach<br />
Wirkstoff eine Senkung um bis zu 40% gelingt.<br />
In jedem Fall ist eine Kombination mit einer<br />
Diät sinnvoll, weil von einer Addition <strong>der</strong> Wirksamkeit<br />
ausgegangen werden kann 12)–14) . In <strong>der</strong><br />
Schweiz ist Pravastatin (Selipran ® ) als einziges<br />
Statin bereits ab 8 Jahren zugelassen.<br />
Ezetimib ist ein vergleichsweise neuer Wirkstoff,<br />
welcher die Resorption von Cholesterin<br />
am Bürstensaum von Dünndarmzellen durch<br />
Inhibition eines Steroltransporters (NPC1L1)<br />
hemmt. Die Wirksamkeit <strong>der</strong> Cholesterinsenkung<br />
liegt bei ca. 25%. Somit kann <strong>der</strong> Einsatz<br />
vor allem bei familiärer Hypercholesterinämie<br />
durchaus sinnvoll sein. Aufgrund bislang fehlen<strong>der</strong><br />
Langzeitstudien und nur relativ geringer<br />
Erfahrung mit dem Einsatz bei Kin<strong>der</strong>n<br />
kann Ezetimib <strong>der</strong>zeit jedoch nur als Reservemedikament<br />
angesehen werden.<br />
Fibrate sind in ihrem Wirkmechanismus nicht<br />
vollständig aufgeklärt, vermutet wird eine<br />
Steigerung <strong>der</strong> Aktivität <strong>der</strong> Lipoproteinlipase<br />
und damit eine verbesserte Aufnahme von<br />
Triglyceriden. Fibrate spielen jedoch in <strong>der</strong><br />
Behandlung von Kin<strong>der</strong>n keine grosse Rolle.<br />
Lipidapherese, Plasmapherese<br />
Als ultima ratio können bereits im Kindesalter<br />
Lipidapherese o<strong>der</strong> Plasmapherese eingesetzt<br />
werden, sofern durch an<strong>der</strong>e Massnahmen<br />
keine ausreichende Stoffwechseleinstellung<br />
gelingt. In jedem Fall sind diese Verfahren bei<br />
Vorliegen einer homozygoten familiären Hypercholesterinämie<br />
frühzeitig zu diskutieren.<br />
26
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Fortbildung<br />
Verlaufsuntersuchungen<br />
Klinische Verlaufskontrollen sollen zu Beginn<br />
<strong>der</strong> Behandlung das Verständnis von<br />
Eltern und Patienten und damit die Compliance<br />
verbessern. Patienten sollen motiviert<br />
werden, die Diät möglichst konsequent einzuhalten<br />
sowie, falls erfor<strong>der</strong>lich, ihre Medikamente<br />
regelmässig einzunehmen. Dabei mag<br />
es gerade im Kindes- und Jugendalter eine<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung darstellen, die Notwendigkeit<br />
<strong>der</strong> konsequenten Behandlung darzustellen,<br />
ohne übertriebene Ängste zu erzeugen.<br />
Laborchemische Kontrollen sind zu Beginn<br />
im Abstand von 6 Monaten sowie bei Erreichen<br />
einer guten Stoffwechseleinstellung alle<br />
12 Monate sinnvoll. Bei Einnahme von Statinpräparaten<br />
sollen dabei jeweils Transaminasen<br />
und Kreatinkinase im Plasma mit bestimmt<br />
werden. Sinnvoll ist eine Blutabnahme<br />
beim nüchternen Patienten, wobei Cholesterinwerte,<br />
an<strong>der</strong>s als Triglyceride, postprandial<br />
nur gering ansteigen.<br />
Der Stellenwert sonographischer Untersuchungen<br />
<strong>der</strong> Intima-Media-Dicke <strong>der</strong> Arteria<br />
carotis ist stark vom Vorhandensein eines<br />
hochauflösenden Linearschallkopfes sowie<br />
<strong>der</strong> Erfahrung des Untersuchers einschliesslich<br />
seiner konstanten Verfügbarkeit abhängig.<br />
Im klinischen Alltag mag eher Verunsicherung<br />
entstehen, sofern nicht <strong>der</strong> stets selbe<br />
erfahrene Untersucher die Sonographie<br />
durchführt.<br />
Bei sehr hohen Cholesterinwerten und bei<br />
stark belasteter Familienanamnese sind regelmässige<br />
Kontrollen von Echokardiographie<br />
und Belastungs-EKG sinnvoll.<br />
Prognose<br />
Die Prognose von Fettstoffwechselstörungen<br />
hängt, wie dargestellt, von vielen Faktoren ab<br />
und kann nicht alleine von einer Besserung<br />
o<strong>der</strong> Normalisierung einzelner Laborparameter<br />
abgeleitet werden. Betont werden soll<br />
nochmals, dass die Vermeidung zusätzlicher<br />
Risikofaktoren und eine Optimierung <strong>der</strong> Lebensumstände<br />
gemeinsam mit verbesserten<br />
Laborparametern die Prognose günstig beeinflusst<br />
1)–3) .<br />
Zusammenfassung<br />
Fettstoffwechselstörungen stellen einen relevanten<br />
Risikofaktor für die vorzeitige Entwicklung<br />
arteriosklerotischer Gefässläsionen dar<br />
und sollen daher so früh wie möglich diagnostiziert<br />
und behandelt werden. Dabei kommt<br />
einer sorgfältigen Familienanamnese eine<br />
grosse Bedeutung zu, vor allem zur Risikoabschätzung<br />
angesichts <strong>der</strong> multifaktoriellen<br />
Ursachen <strong>der</strong> Arteriosklerose. Bei positiver<br />
Familienanamnese sind gezielte Untersuchungen<br />
des Lipidprofils im Plasma bereits im<br />
Kleinkindesalter indiziert, auch bei Fehlen<br />
einer familiären Belastung ist eine einmalige<br />
Cholesterinbestimmung im Jugendalter sinnvoll.<br />
Bei erhöhten Werten des LDL-Cholesterins<br />
ist ab dem Kleinkindesalter eine fettmodifizierte<br />
Diät indiziert, je nach Verlauf zusätzlich<br />
eine medikamentöse Therapie. Hier sind<br />
Statine, zumindest ab dem Alter von 8 Jahren,<br />
in erster Linie einzusetzen. Medikamente zur<br />
Behandlung einer Fettstoffwechselstörung<br />
ersetzen nicht, son<strong>der</strong>n begleiten eine Diät.<br />
Die Betreuung von Kin<strong>der</strong>n mit Fettstoffwechselstörungen<br />
soll in Zusammenarbeit mit<br />
einem Stoffwechselzentrum erfolgen, dies<br />
mindestens in <strong>der</strong> initialen Phase <strong>der</strong> Diagnosestellung<br />
und während <strong>der</strong> Therapieeinleitung.<br />
Fazit für die Praxis<br />
Den Autoren dieses Beitrages erscheint wichtig,<br />
in <strong>der</strong> Praxis keine Fokussierung betroffener<br />
Familien alleinig auf Plasma-Cholesterinwerte<br />
zu för<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n die Hyper -<br />
cholesterinämie als einen Risikofaktor unter<br />
zahlreichen an<strong>der</strong>en zu betrachten. Neben<br />
<strong>der</strong> Senkung erhöhter Cholesterinwerte ist<br />
eine Beachtung von Lebensumständen, Ernährung,<br />
Bewegung, Gewicht als mindestens<br />
gleichwertige Herausfor<strong>der</strong>ung anzusehen.<br />
Die Familienanamnese ist zentral in <strong>der</strong> Beurteilung<br />
<strong>der</strong> Gesamtsituation. Bei positiver<br />
Familienanamnese sind gezielte Untersuchungen<br />
des Lipidprofils im Plasma bereits im<br />
Kleinkindesalter indiziert.<br />
Die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen<br />
ist komplex und schliesst eine Steigerung<br />
<strong>der</strong> körperlichen Aktivität und die Vermeidung<br />
weiterer Risikofaktoren ebenso mit ein wie<br />
eine Diät und Medikamente.<br />
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E polymorphism and its association with<br />
serum lipid levels in Brazilian children. Hum Biol<br />
2004; 76 (2): 267–75.<br />
Korrespondenzadresse<br />
Prof. Johannes Häberle<br />
Abteilung für Stoffwechselkrankheiten<br />
Universitäts-Kin<strong>der</strong>spital Zürich<br />
Steinwiesstrasse 75<br />
CH-8032 Zürich<br />
Johannes.Haeberle@kispi.uzh.ch<br />
Die Autoren haben keine finanzielle Unterstützung<br />
und keine an<strong>der</strong>en Interessenkonflikte<br />
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.<br />
27
Fortbildung<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Was können wir einem adipösen Kind<br />
und seiner Familie anbieten?<br />
Erfahrungen eines spezialisierten Zentrums.<br />
S. Borloz, Ch. Moser, B. Crottet, S. Van Beirs, S. Krayenbuhl, A. Balz, E. Elowe-Gruau,<br />
M. Decarli-Diserens, D. Laufer, J. Pu<strong>der</strong>, M. Hauschild<br />
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds<br />
Division d’endocrinologie, diabétologie et obésité pédiatrique, Département médico chirurgical de pédiatrie, CHUV,<br />
site Hôpital de l’Enfance, Chemin de Montétan 16, 1004 Lausanne.<br />
Adipositas im Kindesalter,<br />
wer ist Risikopatient?<br />
Der<br />
Im Alltag <strong>der</strong> pädiatrischen Praxis wird die<br />
kindliche Adipositas und ihre Betreuung zu<br />
einem immer häufigeren Problem. Zur Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
werden die Erkennung und Betreuung<br />
des Risikokindes: wer? wann? Das «Risikokind»<br />
adipös zu werden, ist ein Kind:<br />
• Mit Makrosomie o<strong>der</strong> intrauterinem Wachstumsrückstand<br />
• Mit Übergewicht: BMI über P 90 auf <strong>der</strong><br />
WHO- o<strong>der</strong> SGP-Kurve<br />
• Dessen Gewichtskurve die Perzentilenkurve<br />
(durchkreuzt)<br />
• Dessen Lebensgewohnheiten eine Gewichtszunahme<br />
begünstigen (zu reichhaltige<br />
Ernährung, zu wenig Bewegung, zuviel<br />
Zeit vor dem Bildschirm, zuwenig Schlaf)<br />
• Das in einem ungünstigen psychologischen<br />
Umfeld aufwächst<br />
• Mit zumindest einem adipösen Elternteil<br />
• Das zu Risikopopulationen gehört (nichtkaukasisch,<br />
eingewan<strong>der</strong>t, mit bescheidenen<br />
1), 2)<br />
Ausbildungsniveau)<br />
Min<strong>der</strong>wertiges Selbstbild<br />
Ausgelacht werden<br />
Schuldgefühle<br />
Mit sich selbst<br />
unzufrieden<br />
Isst zu viel<br />
Knabbereien<br />
Abbildung 1: Teufelskreis <strong>der</strong> Diäten<br />
Vermehrt Gelüste<br />
günstigste Zeitpunkt, um nach Risikofaktoren<br />
zu suchen und einen angepassten Lebensstil<br />
zu för<strong>der</strong>n, ist das Kleinkindesalter.<br />
Die erfolgversprechendsten therapeutischen<br />
Resultate werden in diesem Alter erzielt.<br />
Ziel von Abklärung und Beratung sind langfristig:<br />
1. Psychisches Wohlbefinden, gestärkte Selbstachtung,<br />
bessere Lebensqualität für Kind<br />
und Familie<br />
2. Stabilisierung des Gewichtes bei Übergewicht,<br />
leichte Senkung bei Adipositas<br />
3. Verhaltensän<strong>der</strong>ung<br />
4. Vorbeugung von Komorbiditäten 3)<br />
Lei<strong>der</strong> genügt eine vorbeugende Beratung<br />
nicht immer. Bestehen eines o<strong>der</strong> mehrere <strong>der</strong><br />
folgenden Kriterien, sollte die Zuweisung an<br />
ein spezialisiertes Zentrum erwogen werden:<br />
• Adipöses Kind: BMI über P 97 auf <strong>der</strong> WHOo<strong>der</strong><br />
SGP-Kurve<br />
• Versagen <strong>der</strong> individuellen Betreuung in <strong>der</strong><br />
Praxis<br />
• Bedarf einer interdisziplinären Betreuung<br />
• Bedarf o<strong>der</strong> Interesse für Gruppentherapie 1)<br />
Wunsch,<br />
Gewicht<br />
zu verlieren<br />
Frustration<br />
Diäten<br />
Verbotene<br />
Nahrungsmittel<br />
Besseres<br />
Befinden !!! Momentan !!!<br />
Unsere Erfahrungen<br />
Die Abteilung für pädiatrische Endokrinologie,<br />
Diabetologie und Adipositas des CHUV in<br />
Lausanne betreut übergewichtige Kin<strong>der</strong> sowohl<br />
in Gruppenprogrammen (Diskussionsgruppen<br />
und angepasste körperliche Betätigung)<br />
als auch individuell. Die Programme<br />
werden dem Alter angepasst (jeweils Gruppen<br />
von 2–6-, 7–12- und 13–18-jährigen Kin<strong>der</strong>n)<br />
und dauern zwei Monate bis ein Jahr.<br />
Die Mehrzahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, für die langfristig ein<br />
Übergewichtrisiko besteht, kann anhand des<br />
Verlaufes <strong>der</strong> BMI-Kurve und einer Abweichung<br />
<strong>der</strong> Perzentilenkurve im Alter von 3–4<br />
bzw. 5–6 Jahren ausgemacht werden. Dies<br />
unterstreicht, wie wichtig es ist, die BMI-<br />
Kurve systematisch mit mindestens drei<br />
Punkten einzutragen 4) . Im Mittelpunkt <strong>der</strong><br />
Betreuung stehen in diesem Alter die Eltern<br />
und die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> familiären Essgewohnheiten<br />
2) .<br />
Seit 1997 wird in einem Kurs für Eltern adipöser,<br />
2–6-jähriger Kin<strong>der</strong> das Schwergewicht<br />
auf die Unterstützung <strong>der</strong> Eltern gelegt um<br />
möglichst früh die Lebensgewohnheiten dieser,<br />
meist an familiärer Adipositas leidenden<br />
Risikofamilien, zu än<strong>der</strong>n 5) . Während den<br />
Gruppendiskussionen für die Eltern haben die<br />
Kin<strong>der</strong> Gelegenheit zu körperlicher Betätigung,<br />
Nahrungsmittel zu kosten o<strong>der</strong> Geschichten<br />
zu hören zum Thema Unterschied<br />
o<strong>der</strong> Auslachen, dem adipöse Kin<strong>der</strong> oft<br />
ausgesetzt sind. Die Kurse finden im Prinzip<br />
einmal monatlich statt, anfangs etwas häufiger,<br />
dann seltener, insgesamt 8 Sitzungen<br />
über 9 Monate verteilt. Es haben ca. 30 Familien<br />
daran teilgenommen. Der BMI hat sich<br />
während dieser Zeitdauer stabilisiert. Die Eltern<br />
zeigten sich nach Ablauf des Programmes<br />
sehr zufrieden. Seitens <strong>der</strong> Therapeuten<br />
nahmen eine Diätassistentin, eine Psychologin,<br />
eine Physiotherapeutin, eine speziell<br />
ausgebildete Sportwissenschaftlerin und ein<br />
Kin<strong>der</strong>arzt am Programm teil. Hauptproblematik<br />
<strong>der</strong> betroffenen Familien in unseren<br />
Gruppen waren die Abneigung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>,<br />
Neues zu essen und das Fehlen von Regeln<br />
betreffend Essen, Zubettgehen, Bildschirmzeit<br />
und körperlicher Betätigung. Die Diskussionsrunden<br />
unter Eltern führen zum Austausch<br />
von Erfahrungen und Lösungsvorschlägen.<br />
Die Freude <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> an Bewegung<br />
kann die Eltern anhalten, für die ganze Familie<br />
aktivere Betätigungen zu planen.<br />
28
1006712
im Zusammenhang mit Aktivitäten des täglichen Lebens o<strong>der</strong> Sport<br />
Fortbildung<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Ausgeglichene Ernährung<br />
o<strong>der</strong> Diät?<br />
Zahlreiche Studien belegen, dass restriktive<br />
Diäten Frustrationen und Unzufriedenheit<br />
hervorrufen. Langfristig führen «Wun<strong>der</strong>diäten»<br />
beim Erwachsenen in 95% <strong>der</strong> Fälle zu<br />
Gewichtszunahme 6) .<br />
Ziel unseres Programmes ist es, die Gewichtszunahme<br />
unter Berücksichtigung des Wachstums<br />
einzuschränken. Körpersignale er kennen<br />
(Hunger, Sättigungsgefühl usw.), das<br />
Be rücksichtigen aller Sinne («mindfulness»)<br />
während <strong>der</strong> Mahlzeiten und das Erkennen<br />
von Zeitpunkten und Ursachen, die das Kind<br />
zum Essen anregen, ohne Hunger zu haben<br />
sind Schlüsselthemen, die mit Kin<strong>der</strong>n und<br />
Eltern besprochen werden. Weitere Punkte<br />
sind das Erstellen von Familienregeln wie:<br />
gemeinsame Mahlzeiten, am Tisch sitzend,<br />
ohne Fernsehen usw. Jede noch so kleine<br />
positive Verhaltensän<strong>der</strong>ung wird ermuntert<br />
mit dem Ziel, die Familienstruktur zu stärken.<br />
Welche körperliche Aktivität?<br />
Inaktives Verhalten beschränken und die Gelegenheiten<br />
zu körperlicher Betätigung mehren,<br />
stellen bei <strong>der</strong> Betreuung dieser Kin<strong>der</strong><br />
und Familien eine Herausfor<strong>der</strong>ung dar. Die<br />
Familie spielt für Motivation und beim Aufteilen<br />
<strong>der</strong> häuslichen Aufgaben eine wesentliche<br />
Rolle:<br />
• Tägliche Aufgaben wie Abfallsack auf die<br />
Strasse stellen, Zimmer aufräumen, Tisch<br />
decken<br />
• Transporte: Zu Fuss o<strong>der</strong> mit dem Fahrrad,<br />
eine Haltestelle früher aus dem Bus steigen<br />
o<strong>der</strong> bis zur nächsten Haltestelle gehen<br />
anstatt zu warten<br />
Abbildung 2: Ernährungsscheibe<br />
• Bei je<strong>der</strong> Gelegenheit die Treppen benutzen<br />
• Draussen spielen, den Hund spazieren<br />
führen usw.<br />
Regelmässiger Bewegung stellen sich jedoch<br />
eine grosse Anzahl körperlicher, psychologischer,<br />
sozialer und wirtschaftlicher Hin<strong>der</strong>nisse<br />
entgegen. Bei <strong>der</strong> Betreuung von adipösen<br />
Kin<strong>der</strong>n und Adoleszenten müssen körperliche<br />
Aktivitäten den Fähigkeiten und Bedürfnissen<br />
angepasst werden, damit sie Freude daran<br />
haben und sich dabei wohl fühlen. Sportliche<br />
und an<strong>der</strong>e körperliche Aktivitäten sind interessante<br />
Integrationsvektoren und sollen den<br />
Kin<strong>der</strong>n erlauben, Erfahrungen in einem nicht<br />
stigmatisierenden Umfeld zu machen.<br />
Welche psychologischen<br />
Gesichtspunkte müssen<br />
berücksichtigt werden?<br />
Bei adipösen Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen sind<br />
bestimmte psychologische Bereiche beson<strong>der</strong>s<br />
betroffen: Selbstachtung und Selbstbild,<br />
emotionale Anpassung, anxio-depressive<br />
Stimmungslage 7) . Das Selbstwertgefühl ist bei<br />
Übergewichtigen meist geschwächt 8) und wird<br />
durch die Interaktion von Selbstbild und sozialem<br />
Urteil, das Adipositas nach Vorurteilen<br />
und Stereotypen einschätzt, bedingt. Zudem<br />
führt das negative Selbstbild mit zunehmendem<br />
BMI zu wachsen<strong>der</strong> Unzufriedenheit und<br />
damit assoziierten depressiven Symptomen 9)<br />
und gestörter emotionaler Anpassungsfähigkeit,<br />
insbeson<strong>der</strong>e Langeweile, Angstgefühl,<br />
Traurigkeit und Ärger. Essen dient dann als<br />
Anästhetikum, das den Zugang zur Identifizierung<br />
und Empfindung von Gefühlsregungen<br />
blockiert. Die oft bestehende soziale Isolierung<br />
kann diese Symptome noch verstärken 8) .<br />
Mindestens eine Stunde pro Tag<br />
flexibel<br />
bleiben<br />
Stärkung<br />
<strong>der</strong> Muskeln<br />
Mehrmals<br />
pro Woche<br />
Stärkung<br />
<strong>der</strong> Knochen<br />
Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Fähigkeit<br />
Stimulieren<br />
desHerz-<br />
Kreislauf-<br />
Systems<br />
Abbildung 3. Aktivitäten des täglichen Lebens<br />
o<strong>der</strong> Sport<br />
Diese psychologischen Aspekte können mit<br />
den Kin<strong>der</strong>n und Eltern angegangen werden,<br />
wenn eine gewisse Motivation zur Verhaltensän<strong>der</strong>ung<br />
besteht. Um eine optimale Betreuung<br />
zu ermöglichen, haben Doutrelugne und<br />
Cottencin 10) ein Raster entwickelt, um die<br />
Patienten bei <strong>der</strong>en Aufnahme in die Gruppe<br />
einzuteilen. Der Patient wird demnach als<br />
Tourist – zugewiesen, sagt, keine Probleme<br />
zu haben –, als Kläger – Opfer aussenstehen<strong>der</strong><br />
Probleme – o<strong>der</strong> als Kunde – erkennt sein<br />
Problem, hat ein Handlungsbedürfnis und<br />
bestimmte Zielvorstellungen – bezeichnet.<br />
Es scheint uns im Rahmen <strong>der</strong> Adipositassprechstunde<br />
wichtig, die «Touristenfamilie»<br />
zu stützen und durch die Kontrollen ein Bündnis<br />
und eine Bindung aufrecht zu erhalten.<br />
Das Bündnis kann durch Zentrierung auf die<br />
«existentiellen Vorstellungen <strong>der</strong> Eltern für ihr<br />
Kind» sowie die bereits unternommenen positiven<br />
Schritte und durch Hervorheben <strong>der</strong><br />
elterlichen Kompetenzen gestärkt werden.<br />
Der therapeutische Approach <strong>der</strong> «Klägerfamilie»<br />
konzentriert sich auf das Aufdecken<br />
beschränken<strong>der</strong> Elemente (mit <strong>der</strong> Problematik<br />
zusammenhängende Elemente, welche die<br />
Familie nicht zu än<strong>der</strong>n vermag) und an<strong>der</strong>erseits<br />
von Problemen, auf welche die Familie<br />
einwirken kann. Ist für die beschränkenden<br />
Elemente das Akzeptieren die einzige Möglichkeit,<br />
erlaubt das Identifizieren von Problemen,<br />
nach Handlungs- und Lösungsmöglichkeiten<br />
zu suchen. Die Familie kann damit ihre<br />
Problematik neu definieren, im Bewusstsein<br />
<strong>der</strong> Hin<strong>der</strong>nisse und <strong>der</strong> verfügbaren Handlungsmöglichkeiten.<br />
Wird die Familie zum «Kunden», dann werden<br />
die Suche nach Interventionsstrategien und<br />
das Festlegen minimaler Verhaltensän<strong>der</strong>ungen<br />
realisierbar. Motivation zur Verän<strong>der</strong>ung<br />
und elterliches Gefühl <strong>der</strong> Effizienz werden<br />
gestärkt. Die Zusammenarbeit des therapeutischen<br />
und des elterlichen Systems erlaubt<br />
es dem Kind, aktiv mitzuarbeiten. Es besteht<br />
somit eine Motivation zur Än<strong>der</strong>ung, was den<br />
Prozess begünstigt.<br />
Und die medizinischen Aspekte?<br />
Adipositas und metabolisches<br />
Syndrom<br />
Das metabolische Syndrom (MS) ist eine <strong>der</strong><br />
möglichen Komplikationen <strong>der</strong> Adipositas und<br />
bezeichnet einen Zustand, <strong>der</strong> die Adipositas<br />
mit einer Reihe Störungen assoziiert: Fett- und<br />
Kohlehydratstoffwechsel-, prothrom botische,<br />
proinflammatorische Störung und arterielle<br />
Hypertonie. Im Kindes- und Adoleszentenalter<br />
30
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Fortbildung<br />
beruhen die Kriterien, die das «metabolische<br />
Syndrom» definieren, auf <strong>der</strong> Publikation von<br />
Zimmer et al. 11) , und schliessen nebst <strong>der</strong><br />
Stammfettsucht, geschätzt durch den Bauchumfang,<br />
zwei <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Tabelle 1 aufgeführten<br />
(altersabhängigen) Kriterien ein. Die in dieser<br />
Definition verwendeten klinischen Kriterien<br />
sollen es erlauben, jene Patienten ausfindig zu<br />
machen, bei denen ein hohes Risiko besteht,<br />
an einer Herzkreislaufkrankheit o<strong>der</strong> an Diabetes<br />
Typ 2 zu erkranken. Die Insulinresistenz<br />
gehört nicht zur Definition des MS, ist jedoch<br />
beim Adipösen oft vorhanden.<br />
Insulinresistenz<br />
Für die zelluläre Dysfunktion mit vermehrter<br />
Apoptose und entzündlicher Reaktion, die zur<br />
Freisetzung von spezifischen Signalmolekülen<br />
führt (Adipokine), ist insbeson<strong>der</strong>e die inadäquate<br />
Lipidspeicherung in den Adipozyten<br />
verantwortlich. Die Insulinresistenz scheint<br />
durch die Wirkung <strong>der</strong> Entzündungsmetabolite<br />
und Adipokine auf den Transduktionsmechanismus<br />
des Insulinrezeptors in den Zielzellen (Endothel-,<br />
Muskelzellen, Adipozyten) bedingt zu<br />
sein. Spezifisch greifen diese Moleküle in die<br />
intrazellulären Mechanismen von ATP/ADP/<br />
Akt-Protein ein, welche die Translokation <strong>der</strong><br />
spezifischen insulinabhängigen Glukosetransporter<br />
GLUT4 regulieren. Dieselben Mechanismen<br />
sind wahrscheinlich für die akute Insulinresistenz<br />
bei Stress o<strong>der</strong> Infekt verantwortlich.<br />
Anfangs passt sich die Insulinsekretion diesem<br />
Prozess an, wird also bei Glukosebelastung<br />
stimuliert um einen normalen Blutglukosespiegel<br />
aufrecht zu erhalten. Die chronische<br />
Aktivierung <strong>der</strong> Insulinausschüttung, verbunden<br />
mit <strong>der</strong> toxischen Wirkung von Lipidmetaboliten<br />
und proinflammatorischen Zytokinen<br />
auf die beta-Pankreaszellen, führen zu einer<br />
zunehmenden relativen Insuffizienz <strong>der</strong> Insulinsekretion,<br />
was den Diabetes Typ 2 kennzeichnet.<br />
Körperliche Tätigkeit stimuliert den Glukoseverbrauch<br />
durch Aktivierung <strong>der</strong> endogenen<br />
intrazellulären Signale in den Muskelzellen 12) .<br />
Irisin, ein 2012 neuentdecktes Hormon (Myokin),<br />
wird durch den Muskel ausgeschieden<br />
und aktiviert offenbar die thermische Funktion<br />
im Fettgewebe, reguliert damit den Stoffwechsel<br />
<strong>der</strong> Adipozyten und steigert den<br />
Energieaufwand 13) . Es ist demnach wahrscheinlich<br />
an <strong>der</strong> Abnahme <strong>der</strong> Insulinresistenz<br />
durch körperliche Tätigkeit beteiligt.<br />
Herzkreislaufstörungen<br />
Der pathophysiologische Mechanismus <strong>der</strong><br />
Schädigung von Herz und Kreislauforganen beginnt<br />
mit einer entzündungsbedingten Endotheldysfunktion<br />
und Verdickung <strong>der</strong> intima media<br />
durch Ablagerung von Lipiden o<strong>der</strong> Zelltrümmern.<br />
Die Folge sind Lumeneinengung durch<br />
Atherome, Behin<strong>der</strong>ung des Blutflusses und<br />
damit <strong>der</strong> Sauerstoffversorgung <strong>der</strong> Organe.<br />
Weitere assoziierte Faktoren<br />
Ein MS kann unter ganz verschiedenen Umständen<br />
angetroffen werden und hängt von<br />
zahlreichen Faktoren ab, u.a. ethnischer Abstammung,<br />
Pubertätsstadium, frühzeitige<br />
Pubarche, Adipositas (v.a. Stamm), genetischer<br />
Faktoren, Schwangerschaftsdiabetes,<br />
intrauteriner Wachstumsrückstand o<strong>der</strong> ausgeprägter<br />
postnataler Gewichtszunahme 14) .<br />
Das adipositasbedingte MS geht mit erhöhter<br />
Morbidität und Mortalität einher, im Wesentlichen<br />
bedingt durch Herzkreislaufstörungen<br />
wie Hypertonie und Atherosklerose. Weitere<br />
potentiell befallene Organe sind Augen, Nieren<br />
und das Nervensystem. Eine Lebersteatose<br />
kann sich ebenfalls entwickeln sowie das<br />
Syndrom <strong>der</strong> polzystischen Ovarien, gekennzeichnet<br />
durch ein gestörtes Gleichgewicht<br />
<strong>der</strong> Sexualhormone, einhergehend mit einer<br />
Hyperandrogenämie.<br />
Abklärung<br />
Die Abklärung umfasst die Suche nach Zeichen<br />
einer spezifischen Ätiologie und nach<br />
einer Komorbidität.<br />
Behandlungsmöglichkeiten<br />
Die therapeutischen Ansätze im Kindesalter<br />
zeichnen sich durch ein möglichst «unmedizinisches»<br />
Vorgehen und pluridisziplinäre Verhaltenstherapie<br />
aus. Verschiedene Studien<br />
haben aufgezeigt, dass eine «Än<strong>der</strong>ung des<br />
Lebensstils» einer medikamentösen Behandlung<br />
überlegen ist. Gezielte Behandlung, gemäss<br />
den entsprechenden Empfehlungen, ist<br />
jedoch bei arterieller Hypertonie, Fett- o<strong>der</strong><br />
Glukosestoffwechselstörung o<strong>der</strong> einer ovariellen<br />
Dysfunktion notwendig.<br />
Zukunftsperspektiven: Noch in <strong>der</strong> Studienphase<br />
befindet sich die Behandlung <strong>der</strong> Adipozytendysfunktion<br />
und des proinflammatorischen<br />
Prozesses.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die kindliche Adipositas stellt in <strong>der</strong> täglichen<br />
Praxis eine grosse Herausfor<strong>der</strong>ung dar. Die<br />
langfristigen Risiken sind zwar gut bekannt,<br />
die Betreuung jedoch langwierig und mühsam,<br />
für die Patienten und die Familie ebenso<br />
wie für die Therapeuten. Der Erfolg hängt von<br />
<strong>der</strong> Motivation des Patienten und dem Willen<br />
<strong>der</strong> Familie ab, Än<strong>der</strong>ungen ihrer Lebensgewohnheiten<br />
zu akzeptieren. Gewisse Fälle<br />
benötigen eine spezialisierte Betreuung sowie<br />
medizinische, psychologische und diätetische<br />
Abklärungen durch ein pluridisziplinäres<br />
Team. Gruppenprogramme können dann angeboten<br />
werden als Ergänzung zur individuellen<br />
Behandlung. Der therapeutische Ansatz<br />
sollte auf Verständnis, Führung und Än<strong>der</strong>ung<br />
des täglichen Verhaltens von Kind und Familie<br />
ausgerichtet sein.<br />
Alter (Jahre) Bauchumfang Triglyceride<br />
(mmol/L)<br />
HDL-Cholesterol<br />
(mmol/L)<br />
Blutdruck<br />
(mmHg)<br />
Nüchternblutzucker<br />
(mmol/L)<br />
6 < 10 ≥ P90 2)<br />
Keine diagnostische Kriterien des MS<br />
10 < 16 ≥ P90 2) ≥ 1.7 ≤ 1.03 BD syst.≥ 130 o<strong>der</strong> BD<br />
dias.≥ 85<br />
≥ 5.6 o<strong>der</strong> Diabetes<br />
Typ 2<br />
≥ 16<br />
≥ 94 cm ♂<br />
≥ 80 cm ♀<br />
≥ 1.7 o<strong>der</strong> spezifische<br />
Behandlung im Gange<br />
≤ 1.03 (Mann)<br />
≤ 1.29 (Frau) o<strong>der</strong><br />
spezi fische Behandlung<br />
im Gange<br />
BD syst.≥ 130 o<strong>der</strong> BD<br />
dias.≥ 85 o<strong>der</strong><br />
spezifische Behandlung<br />
im Gange<br />
≥ 5.6 o<strong>der</strong> Diabetes<br />
Typ 2<br />
Tabelle 1: Kriterien zur Definition des metabolischen Syndroms 11) . Die Diagnose metabolisches Syndrom beruht auf einer Stammadipositas und<br />
2 <strong>der</strong> 4 aufgeführten Kriterien<br />
31
Fortbildung<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Risikofaktoren<br />
Familienanamnese:<br />
familiärer Diabetes Typ 2<br />
Hypercholesterinämie<br />
arterielle Hypertonie<br />
afrikanischer, asiatischer,<br />
mexikanischer Ursprung<br />
Zeichen einer Stoffwechselstörung<br />
Persönliche Anamnese:<br />
intrauteriner Wachstumsrückstand<br />
Störung <strong>der</strong> Pubertätsentwichlung<br />
Medikamente<br />
Schlafstörungen<br />
Zunahme des BMI > 3 kg/m 2 /Jahr<br />
Gezielte klinische Untersuchung<br />
Bauchumfang, Grösse, Spannweite<br />
Wachstumsgeschwindigkeit<br />
Blutdruck, Atem-, Herzfrequenz<br />
Adipositas allgemein/Stamm/proximal<br />
Acanthosis nigricans, Pubertät<br />
Zeichen einer Stoffwechselstörung<br />
Organomegalie<br />
Alarmzeichen. Ätiologie. Komorbidität<br />
rascher Verlauf<br />
Zeichen intrakranialen Druckes<br />
Zeichen von Herz-Lungeninsuffizienz<br />
arterielle Hypertonie<br />
Schlafapnoen<br />
Entwicklungsrückstand, neurologische Störungen,<br />
Muskelhypotonie<br />
Dysmorphie (extreme Adipositas, Augenauffälligkeit, auffällige Facies,<br />
Mikrozephalie, Skeletanomalien, Schwerhörigkeit, Nierenmissbildung)<br />
psychologische Störungen<br />
inadäquater Wachstumsrückstand o<strong>der</strong> Wachstumsgeschwindigkeit<br />
< 4 cm/Jahr<br />
Zeichen von Hypothyreose, Hyperkortizismus, Kalziumphosphatstoffwechselstörung<br />
Hypogonadismus<br />
Polyurie, Polydipsie<br />
verfrühte o<strong>der</strong> verspätete Pubertät<br />
Hirsutismus, Zeichen eines polyzystischen Ovarialsyndroms<br />
Stoffwechselabklärung, nüchtern<br />
Glukose, Gesamt-, LDL- und HDL-Cholesterin,<br />
Triglyzeride, ALT, TSH<br />
OGTT ab 10 Jahren bei positiven Risikofaktoren<br />
Tabelle 2: Im Rahmen einer Adipositasabklärung, also bei einem BMI > P 97 (2 SD) o<strong>der</strong> einem Bauchumfang > 2 SD, o<strong>der</strong> BMI > P 90 < P97 und<br />
positiven Risikofaktoren werden folgende Basisuntersuchungen vorgeschlagen 15) . Bei Vorhandensein bestimmter Alarmzeichen müssen diese<br />
gegebenenfalls erweitert werden.<br />
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10) Doutrelugne Y, Cottencin O, eds. Thérapies brèves,<br />
principes et outils pratiques. Masson ed. 2008.<br />
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key players in bed rest-induced insulin resistance.<br />
Diabetes 2012; 61 (5): 1090–9.<br />
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consensus, perspective, and future directions. J<br />
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15) Farpour-Lambert N, L’Allemand D, Laimbacher J.<br />
Définition, diagnostic et indications thérapeutiques<br />
de la surcharge pondérale de l’enfant et de<br />
l’adolescent. Paediatrica 2006; 17: 19–<strong>24</strong>.<br />
Nützliche Links<br />
• www.swiss-paediatrics.org<br />
• www.ca-marche.ch<br />
• www.gesundheitsfoer<strong>der</strong>ung.ch<br />
• www.ciao.ch<br />
• www.espace-prevention.ch<br />
• www.allezhop-romandie.ch<br />
• www.vd.ch/autorites/departements/dfjc/<br />
sesaf/unite-psps<br />
• www.hepa.ch<br />
Programme zur Betreuung<br />
adipöser Kin<strong>der</strong>n<br />
• www.akj-ch.ch<br />
• www.a-dispo.ch<br />
• www.contrepoids.hug-ge.ch<br />
• www.sportsmile.ch<br />
• www.eurobesitas.ch<br />
• www.hopitalduvalais.ch/contrepoids<br />
• www.alimentationmouvementvs.ch<br />
• www.fops.ch<br />
• www.eqkilo.ch<br />
Korrespondenzadresse<br />
CHUV Centre Hospitalier<br />
Universitaire Vaudois<br />
Sylvie Borloz<br />
Diététicienne dipl. HES, Chargée de projet<br />
Division d’Endocrinologie, Diabétologie et<br />
Obésité pédiatrique<br />
Département Médico-Chirurgical de<br />
Pédiatrie Hôpital de l’Enfance de Lausanne<br />
Chemin de Montétan 16<br />
1004 Lausanne<br />
Tel . +41 (0)21 314 87 73<br />
Fax +41 (0)21 314 94 96<br />
Sylvie.Borloz@chuv.ch<br />
Die Autoren deklarieren keine Interessenkonflikte.<br />
32
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Hinweise<br />
Das Einsiedler Babyfenster<br />
Stephan Rupp, Einsiedeln<br />
Schon immer gab es Mütter, die aus diversen<br />
Gründen keine Möglichkeiten hatten, ihr Kind<br />
nach einer Schwangerschaft selbst zu betreuen.<br />
Die drastischste Form <strong>der</strong> Problemlösung<br />
ist die Kindstötung. Eine an<strong>der</strong>e Variante ist<br />
die Kindsaussetzung, die auf das Überleben<br />
des Kindes abzielt. So konnte <strong>der</strong> biblische<br />
Moses wohl aus politischen Gründen nicht bei<br />
seinen Eltern aufwachsen. Eine Babyklappe<br />
gab es schon 1198 im Spital des Heiligen<br />
Geistes in Rom. Meist wurden solche Angebote<br />
von klösterlichen Einrichtungen betrieben.<br />
Wegen <strong>der</strong> notwendigen medizinischen Betreuung<br />
sind die mo<strong>der</strong>nen Babyklappen<br />
Spitälern angeschlossen. In <strong>der</strong> Schweiz hat<br />
sich vor allem die Stiftung HMK (Hilfe für<br />
Mutter und Kind) mit dem Ziel engagiert, Abtreibungen<br />
und Kindstötungen zu verhin<strong>der</strong>n.<br />
Ob dies mit einem Babyfenster erreicht wird,<br />
ist unsicher. Statistische Erhebungen in gewissen<br />
Gebieten zeigen eine Zunahme <strong>der</strong><br />
abgegebenen Kin<strong>der</strong>, ohne gleichzeitige Abnahme<br />
<strong>der</strong> Kindstötungen. Möglicherweise<br />
werden eher Abtreibungen verhin<strong>der</strong>t 1) . Provokativ<br />
könnte man sagen, dass Babyfenster<br />
zum Preis des Verlustes <strong>der</strong> Kenntnis von<br />
Abstammung und Herkunft das Überleben<br />
gewisser Kin<strong>der</strong> ermöglichen.<br />
Juristische Überlegungen<br />
Das Babyfenster in Einsiedeln lieferte nach<br />
seiner Einrichtung 2001 viel juristischen Diskussionsstoff.<br />
Macht sich die Mutter strafbar?<br />
Welchem juristischen Risiko setzt sich <strong>der</strong><br />
Betreiber <strong>der</strong> Einrichtung aus? Werden die<br />
Rechte des Vaters und des Kindes, beson<strong>der</strong>s<br />
im Hinblick auf Kenntnis seiner Identität und<br />
Abstammung, angemessen berücksichtigt?<br />
Möglichkeit genommen, sein Kind anzuerkennen,<br />
vor allem dann, wenn er gar keine Kenntnis<br />
vom Nachwuchs hat. Deshalb sind die zuständigen<br />
Behörden gemäss Zivilgesetzbuch verpflichtet,<br />
die leiblichen Eltern zu ermitteln 2) . Wie<br />
aktiv das sein muss, bleibt offen.<br />
Für mich ist ungeklärt, was passiert, wenn ein<br />
Kind durch Geburt, Transport o<strong>der</strong> Abgabe im<br />
Babyfenster bleibende Schäden erleidet o<strong>der</strong><br />
stirbt. Ist dann <strong>der</strong> Betreiber <strong>der</strong> Einrichtung<br />
juristisch (mit-)verantwortlich? Wahrscheinlich<br />
würde diese Frage erst nach Eintreten<br />
eines <strong>der</strong>artigen Ereignisses juristisch entschieden<br />
werden.<br />
Ethische Überlegungen<br />
Es ist klar, dass ein Kind im Babyfenster we<strong>der</strong><br />
Identität noch Herkunft kennen wird.<br />
Dagegen gilt es abzuwägen, welche Nachteile<br />
ihm an<strong>der</strong>nfalls entstanden wären. Hier liegt<br />
es an <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong> zu gewichten, ob dies<br />
ethisch akzeptabel ist o<strong>der</strong> nicht. Ich verweise<br />
auf die diesbezüglichen Diskussionen in<br />
<strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> Ärztezeitung, die in diesem<br />
Frühjahr publiziert wurden 3) .<br />
Organisatorische Massnahmen<br />
Ein Babyfenster hat einen Zugang von aussen,<br />
durch welchen das Neugeborene in ein vorgewärmtes<br />
Bett gelegt wird. Mit kurzer Verzögerung<br />
wird ein Alarm ausgelöst, <strong>der</strong> einen<br />
definierten Personenkreis im Spital via Personensucher<br />
alarmiert. Das Neugeborene wird<br />
vom Hebammen und Pflegefachfrauen abgeholt<br />
und erstbeurteilt. Daraus ergeben sich<br />
mehr o<strong>der</strong> weniger dringliche medizinische<br />
Massnahmen.<br />
Es folgen standardisierte Abläufe. Zuerst<br />
werden <strong>der</strong> zuständige Arzt, <strong>der</strong> Spitaldirektor<br />
und die leitende Schwester informiert. Die<br />
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde und<br />
die Polizei werden via Spitaldirektion involviert.<br />
Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzgesetz<br />
hat die Abläufe leicht verän<strong>der</strong>t,<br />
da nun nicht mehr <strong>der</strong> Bezirk, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />
Kanton zuständig ist. Die Meldung an die Polizei<br />
erfolgt nicht notfallmässig, ausser es<br />
muss um die Gesundheit <strong>der</strong> Mutter gefürchtet<br />
werden, wie dies beim letzten Kind <strong>der</strong> Fall<br />
war. Die Hebamme ist für die administrative<br />
Anmeldung des Kindes verantwortlich.<br />
Medizinische Massnahmen<br />
Über die Massnahmen bei Eintreffen des<br />
Kindes gibt die Tabelle Auskunft. Babys aus<br />
dem Babyfenster haben keine Anamnese. Wir<br />
erfassen sofort die Vitalparameter, um den<br />
Bedarf an Massnahmen erkennen zu können.<br />
Rasch werden Gestationsalter und chronologisches<br />
Alter des Kindes bestimmt. Die anfängliche<br />
Annahme, dass praktisch nur Neugeborene<br />
von einem Alter bis zu drei Tagen<br />
abgegeben werden, hat sich nicht bewahrheitet.<br />
Mehrere Kin<strong>der</strong> waren älter, eines gemäss<br />
Begleitschreiben sogar 1 ½ Monate alt. Diese<br />
Mutter hat erfolglos versucht, das Kind zu<br />
Die Mutter macht sich strafbar, wenn sie die<br />
Geburt ihres Kindes nicht innert drei Tagen den<br />
Behörden meldet und dem Kind Identität und<br />
Herkunft verschleiert. Die Betreiber des Babyfensters<br />
machen sich <strong>der</strong> Mittäterschaft schuldig.<br />
Einer Klage des Kindes auf Genugtuung<br />
werden aber kaum Erfolgschancen eingeräumt.<br />
Ein strafrechtliches Verschulden von Eltern und<br />
Betreibern wird eher verneint, da das Kind nicht<br />
sich selbst überlassen wird. Dem Vater wird die<br />
33
Fortbildung<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Konzept-Alarm im Babyfenster<br />
• Alle MitarbeiterInnen werden gebeten, ruhig ans Babyfenster zu gehen (nicht rennen)<br />
• Alarm am Tag: Hebamme/Pflegefachfrau 1. Stock gehen ans Babyfenster<br />
• Nachts: Pflegefachfrau 1. Stock und Pflegefachfrau Notfall/Hebamme aufbieten<br />
• Beim Zurückstellen des Bettchens darauf achten, dass das Fenster richtig geschlossen ist (Fehlalarm)<br />
1. Auffindesituation/Erstmassnahme Datum/Visum<br />
• Kind ins Stillzimmer bringen<br />
• Fotografieren <strong>der</strong> Auffindesituation (Digitalkamera)<br />
• Status: Respi, Puls, Kolorit, Tempi, O 2<br />
-Sättigung<br />
Überwachungsblattt beginnen: Kontrollen halbstündlich bis 4 x normal, dann stündlich bis 8 Stunden<br />
Isolettenüberwachung bei Bedarf<br />
Ernährung mit Maltodextrin 10%<br />
1. Konakion – Gabe per os<br />
• Information Pädiater<br />
• wenn nicht erreichbar Anästhesie und/o<strong>der</strong> Gynäkologe, auch in <strong>der</strong> Nacht<br />
• Klei<strong>der</strong> und sonstiges Begleitmaterial des Kindes aufbewahren<br />
• Auffinden eines toten Kindes: nur Dienstarzt Medizin aufbieten, dieser informiert auch die Polizei<br />
2. Blutentnahmen<br />
• nach Erstbeurteilung durch Pflegepersonal<br />
• kapillär: Blutgasanalyse, Hb, Hk, Glucose, Blutgruppe, Coombs, CRP, Quick<br />
• Urin: Drogenscreening, ev. Mekonium auf Drogen<br />
• durch Pädiater/Anästhesie<br />
• venös: Hepatits B und C, HIV, Toxoplasmose, Zytomegalie, Röteln, Herpes, Treponemen (plus Reserveblut)<br />
3. Impfungen<br />
• nach <strong>der</strong> venösen Blutentnahme: aktive und passive Hepatitis B-Impfung maximal 4–6 Stunden nach dem Auffinden des Kindes<br />
4. Untersuchungen<br />
• durch Pädiater/Gynäkologe: Neugeborenen-Status inkl. Dubowitz, weitere Untersuchungen werden nach Bedarf verordnet<br />
5. Informationen (durch Pflegefachfrau o<strong>der</strong> Hebamme)<br />
• Spitaldirektor<br />
• Stv. Spitaldirektorin<br />
KESA (Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Ausserschwyz), alleinzuständige Amtsstelle für alles administrative Handeln<br />
und Informationen an Dritte<br />
Zivilstandsamt<br />
Information an das Zivilstandsamt durch Hebamme am nächsten Werktag (nach Absprache schicken einer Geburtsanmeldung)<br />
Information des Stiftungsrates durch den Direktor<br />
6. Beson<strong>der</strong>es fürs Personal RSE<br />
• Das Recht zur Information nach aussen liegt alleine bei <strong>der</strong> KESA<br />
• Es dürfen keine Interviews an die Presse gegeben werden<br />
• Es dürfen keine Pressefotografen zugelassen werden<br />
7. KESA<br />
• Bestimmung einer Amtsperson, die die Aufgabe hat, alle Rechte und Pflichten des Kindes wahrzunehmen; sie leitet das<br />
Adoptionsverfahren ein (Pflegefamilie, Adoption)<br />
• Namensgebung durch den Bezirksammann (keine Veröffentlichung)<br />
• Bürgerrecht Einsiedeln<br />
• Kind ist konfessionslos<br />
• Information an die Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind<br />
Tabelle: Massnahmen beim Eintreffen des Kindes am Einsiedler Babyfenster<br />
34
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Hinweise<br />
behalten. Über die passive Hepatitis-B-Impfung<br />
muss von Fall zu Fall entschieden werden.<br />
Für die aktive Impfung ist mehr Zeit<br />
vorhanden, je nach Kindsalter warten wir die<br />
Resultate <strong>der</strong> Serologie ab.<br />
Ergeben sich keine beson<strong>der</strong>en Probleme,<br />
geht das Kind nach rund 1 bis 2 Wochen zur<br />
Pflegefamilie. Niemand im Spital Einsiedeln<br />
kennt den weiteren Verbleib <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, welcher<br />
durch den Vormund geregelt wird. Sollte<br />
zu einem späteren Zeitpunkt von Seiten des<br />
Kindes Interesse an einer Kontaktnahme<br />
bestehen, muss die Initiative von ihm ausgehen.<br />
Eine Elternschaft muss genetisch bewiesen<br />
werden. Aus Kostengründen haben wir auf die<br />
routinemässige Entnahme eines Wangenabstriches<br />
verzichtet, allenfalls muss das Kind<br />
zu einem späteren Zeitpunkt damit belastet<br />
werden.<br />
Erfahrungen mit<br />
den bisherigen Kin<strong>der</strong>n<br />
Bis jetzt wurden 8 Neugeborene im Einsiedler<br />
Babyfenster abgegeben, also rund alle 1 ½<br />
Jahre ein Kind. Sie waren zwischen wenige<br />
Stunden und ca. 6 Wochen alt und wurden<br />
nicht, wie erwartet, nur in <strong>der</strong> Nacht abgegeben,<br />
son<strong>der</strong>n über den Tag verteilt.<br />
Einmalig waren sofortige ausserordentliche<br />
Massnahmen nötig. Es betrifft dies ein Kind,<br />
welches an einer Hypothermie mit Bradycardie<br />
und Arrhythmie litt und deshalb in eine<br />
Neonatologie verlegt werden musste. Ein<br />
weiteres Kind wurde sekundär weiterverlegt,<br />
da es ein schlechteres Kolorit, eine grenzwertig<br />
erhöhte Körpertemperatur und ein akut<br />
schlechteres Trinkverhalten bei gleichzeitiger<br />
Chlamydienkonjunktivitis zeigte. Der Sepsisverdacht<br />
wurde glücklicherweise nicht bestätigt,<br />
so dass es nach wenigen Tagen rückverlegt<br />
werden konnte.<br />
Die an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong> boten keine wesentlichen<br />
medizinischen Probleme. Eigentlich überraschend<br />
ist, dass wir nie mit stärkeren Entzugssymptomen<br />
konfrontiert waren. Hauptproblem<br />
bei mehreren Kin<strong>der</strong>n war die tiefe<br />
Körpertemperatur bei Eintritt. Ausser im oben<br />
geschil<strong>der</strong>ten Fall reichten aber die normalen<br />
Aufwärmmassnahmen.<br />
Bis zur Klärung des Gesundheitszustands des<br />
Kindes wird die Betreuung zum Ausschluss<br />
einer Infektgefährdung an<strong>der</strong>er Kin<strong>der</strong> getrennt<br />
von den «normalen» Neugeborenen<br />
durchgeführt, meist unter <strong>der</strong> Verantwortung<br />
einer Hebamme.<br />
Behördliche Massnahmen<br />
und Kosten<br />
Das Kind erhält nach Eintritt jeweils rasch<br />
einen gesetzlichen Vertreter, <strong>der</strong> seine Interessen<br />
wahrnimmt. Ich halte es für wichtig,<br />
dass zwischen den medizinischen und den<br />
vormundschaftlichen Massnahmen eine klare<br />
Trennung vorhanden ist. So ist we<strong>der</strong> mir<br />
noch den betreuenden Personen bekannt,<br />
was aus den Kin<strong>der</strong>n genau geworden ist. Es<br />
ist den Adoptiveltern überlassen, wie sie das<br />
Kind zu einem späteren Zeitpunkt über seine<br />
Herkunft informieren. Die Behörde hat sich im<br />
Interesse <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> entschieden, nicht über<br />
<strong>der</strong>en weiteres Leben zu informieren. Natürlich<br />
wäre es interessant zu wissen, was die<br />
betroffenen Kin<strong>der</strong> später von <strong>der</strong> Einrichtung<br />
denken. Vielleicht wird sich ja irgendwann<br />
eine betroffene Person im Spital melden und<br />
uns ihre Meinung kundtun.<br />
Die Infrastrukturkosten des Babyfensters<br />
werden von <strong>der</strong> HMK übernommen. Die Alarmierung<br />
geht an Personen, die ohnehin im<br />
Dienst sind, so dass formell keine Zusatzkosten<br />
entstehen. Die Kin<strong>der</strong> unterstehen<br />
Schweizer Recht mit entsprechendem Krankenkassenobligatorium.<br />
Sie werden von <strong>der</strong><br />
Bezirkskrankenkasse Einsiedeln grundversichert,<br />
die auch die Kosten <strong>der</strong> medizinischen<br />
Massnahmen übernimmt. Bleiben noch die<br />
Kosten <strong>der</strong> vormundschaftlichen Massnahmen,<br />
inklusive Platzierung in Pflegefamilien,<br />
die von <strong>der</strong> öffentlichen Hand getragen werden<br />
müssen.<br />
Schlussbemerkungen<br />
Die Eröffnung des Babyfensters hat viel Mut<br />
gebraucht, da die juristische Situation unklar<br />
war und ist. Die Initiative ging von unserem<br />
Frauenarzt, Dr. Werner Förster, aus, <strong>der</strong> zusammen<br />
mit <strong>der</strong> Stiftung «Hilfe für Mutter und<br />
Kind» das Babyfenster mit viel Enthusiasmus<br />
realisiert hat. Wohlwissend, dass ich grosse<br />
Bedenken gehabt hätte, wurde ich erst am Tag<br />
vor <strong>der</strong> Pressekonferenz zur Eröffnung in den<br />
«Geheimplan» eingeweiht. So blieb wenig Zeit,<br />
das medizinische Konzept und die genauen<br />
Abläufe zu erarbeiten.<br />
Die Einrichtung kann nur existieren, wenn<br />
sie im Umfeld auf Goodwill stösst. Beson<strong>der</strong>s<br />
dankbar bin ich <strong>der</strong> Vormundschaftsbehörde<br />
Einsiedeln, respektive <strong>der</strong> KESA<br />
(Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />
Ausserschwyz), die die Betreuung <strong>der</strong> Babyfensterkin<strong>der</strong><br />
vorbildlich übernimmt. Dank<br />
gilt auch <strong>der</strong> Kantonspolizei, die ihre Pflichten<br />
mit viel Wohlwollen und Feingefühl erledigt.<br />
Auch die politischen Behörden stehen<br />
hinter dem Babyfenster, nie kam es zu kritischen<br />
Fragen, auch wenn dem Bezirk Kosten<br />
entstehen. Das Babyfenster ist nach nun<br />
rund 12 Jahren eine akzeptierte Einrichtung.<br />
Es ist wichtig, dass alles getan wird, damit<br />
sie möglichst wenig genutzt werden muss,<br />
ebenso wichtig ist, dass die ethischen Diskussionen<br />
weitergeführt werden. Wünschenswert<br />
wäre, dass solche Babyfenster<br />
einem grossen Zentrum angeschlossen sind,<br />
da dort mehr medizinische Massnahmen<br />
verfügbar sind als in einem kleinen Spital<br />
wie Einsiedeln.<br />
Referenzen<br />
1) Joelle Coutinho/Claudia Krell: Anonyme Geburt und<br />
Babyklappen in Deutschland-Fallzahlen, Angebote,<br />
Kontexte, Deutsches Jugendinstitut. http://www.<br />
dji.de/Projekt_Babyklappen/Berichte/Abschlussbericht_Anonyme_Geburt_und_Babyklappen.pdf.<br />
2) Prof. Dr. H. Hausheer/Dr. R. E. Aebi-Müller, Renaissance<br />
einer alten Idee: Das Einsiedler Babyfenster<br />
aus (zivil)rechtlicher Sicht, recht 2002, Heft 1, S.<br />
1–16.<br />
3) Martin J: Sind Babyfenster ethisch akzeptabel?<br />
Schweizerische Aerztezeitung 2013, 94 (11): 446.<br />
Korrespondenzadresse<br />
Dr. Stephan Rupp<br />
FMH Kin<strong>der</strong>arzt<br />
Spitalstrasse 30<br />
8840 Einsiedeln<br />
stephan_rupp@bluewin.ch<br />
35
Hinweise<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Ungewollte Kin<strong>der</strong><br />
Eine ethische Abwägung von Babyfenstern<br />
Ruth Baumann-Hölzle* und Andrea Abraham**<br />
Hintergrund<br />
Die Aussetzung von Neugeborenen reicht weit<br />
in die Geschichte zurück. Früh schon wurde<br />
die Frage aufgeworfen, wer sich diesen Kin<strong>der</strong>n<br />
annehmen soll und wie die Risiken <strong>der</strong><br />
Aussetzungen gemin<strong>der</strong>t werden können. Die<br />
Kirchen sahen es bald als ihre Pflicht, sich um<br />
diese Findelkin<strong>der</strong> zu kümmern. Sie richteten<br />
an Kirchen- und Klosterpforten Wiegen, Drehladen<br />
und Türen ein, an denen die Neugeborenen<br />
anonym abgegeben werden konnten.<br />
Weil in viele dieser Einrichtungen auch ältere<br />
kranke o<strong>der</strong> behin<strong>der</strong>te Kin<strong>der</strong> gelegt wurden,<br />
brachte man an einigen von ihnen Gitterstäbe<br />
an, die so eng beieinan<strong>der</strong> lagen, dass<br />
nur neugeborene Kin<strong>der</strong> hindurchpassten 1) .<br />
Im Kontext dieser Einrichtungen wurde ein<br />
bestimmtes Bild <strong>der</strong> Mütter konstruiert, <strong>der</strong>en<br />
Kind man durch die Drehlade vor einem gewaltsamen<br />
Tod retten wollte. So steht bei <strong>der</strong><br />
Hamburger Drehlade, welche 1709 installiert<br />
wurde, geschrieben:<br />
«Auf dass <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>mord nicht künftig wird<br />
verübet, Der von tyrannischer Hand <strong>der</strong><br />
Mutter oft geschieht, Die gleichsam Molochs<br />
Wuth ihr Kindlein übergiebet, Ist dieser<br />
Torno hier auf ewig aufgericht» 2)<br />
Heute findet die Stigmatisierung <strong>der</strong> Mutter<br />
zumindest im öffentlichen Diskurs nicht mehr<br />
statt, aber die Lebensrettung des Neugeborenen<br />
wird immer noch als gewichtiges Argument<br />
für die Legitimierung <strong>der</strong> Babyfenster<br />
verwendet.<br />
Seit den späten 1990er Jahren wurde die historische<br />
Idee <strong>der</strong> Drehlade wie<strong>der</strong> aufgenommen,<br />
so dass es heute weltweit Babyfenster<br />
gibt, die sowohl von christlichen als auch unabhängigen<br />
Organisationen betrieben werden.<br />
Je nach Land werden für die Babyfenster an<strong>der</strong>e<br />
Begriffe verwendet wie «Babyklappe»,<br />
«angel’s cradle», «babys’ safe haven», «door of<br />
* Leiterin des Instituts Dialog Ethik<br />
** Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts<br />
Dialog Ethik<br />
hope», «mothers‘ Moses basket», «storks’ cradle»<br />
o<strong>der</strong> «la ruota». Obschon die Grundidee <strong>der</strong><br />
verschiedenen Babyfenster dieselbe ist, ist ihr<br />
jeweiliger soziokultureller Kontext und <strong>der</strong><br />
Grund <strong>der</strong> Nutzung oft sehr unterschiedlich.<br />
Beispielhaft seien hier eine restriktive Familienpolitik<br />
(z. B. Einkindpolitik) genannt, <strong>der</strong> tiefe<br />
Status von weiblichen Neugeborenen, die<br />
Stigmatisierung von und fehlende Ressourcen<br />
für behin<strong>der</strong>te Kin<strong>der</strong>, o<strong>der</strong> ein Mangel an Unterstützungsangeboten<br />
für arme Familien und<br />
allein erziehende Mütter.<br />
Im deutschsprachigen Raum wurde das erste<br />
mo<strong>der</strong>ne europäische Babyfenster im Jahre<br />
2000 in Hamburg eingeweiht mit dem Ziel,<br />
damit präventiv gegen Kindestötungen vorzugehen.<br />
In <strong>der</strong> Schweiz wurde 2001 am Spital<br />
Einsiedeln das erste Babyfenster eingerichtet,<br />
mehr als zehn Jahre später folgten Babyfenster<br />
an den Spitälern Davos und Olten. Geplant<br />
sind weitere Fenster in Bellinzona und Bern.<br />
Nach dem Spitalaufenthalt übernehmen die<br />
kantonalen Behörden das Neugeborene und<br />
platzieren es bei Pflegeeltern. Wird es innerhalb<br />
eines Jahres nicht von seiner Mutter bzw.<br />
seinen Eltern zurückgeholt, wächst es bei<br />
Adoptiveltern auf. Alle bisherigen Babyfenster<br />
werden von <strong>der</strong> Organisation «Schweizerische<br />
Hilfe für Mutter und Kind» (SHMK) finanziert.<br />
Die SHMK betreibt die Webseite www.baby<br />
fenster.ch und bietet Bedürftigen kostenlose<br />
telefonische o<strong>der</strong> persönliche Beratung als<br />
auch finanzielle Unterstützung an. Gegründet<br />
wurde die SHMK vom «Verein Mamma», hinter<br />
dem konservativ-christliche Abtreibungsgegner<br />
stehen. Ihr Gedankengut wird auf <strong>der</strong> Informationswebseite<br />
zu den Babyfenstern<br />
nicht explizit angegeben, kommt aber beispielsweise<br />
bei <strong>der</strong> Auflistung «33 Gründe für<br />
ein Baby» zum Ausdruck, zu denen gehören:<br />
«weil Gott will, dass Babys leben» o<strong>der</strong> «weil<br />
Gott in <strong>der</strong> Bibel gesagt hat: ‹Seid fruchtbar<br />
und mehret euch!›».<br />
Die Haltungen gegenüber Babyfenstern gehen<br />
in <strong>der</strong> Schweiz weit auseinan<strong>der</strong>. Sie reichen<br />
von <strong>der</strong> genannten konservativ-christlichen<br />
Ablehnung gegenüber dem Schwangerschaftsabbruch,<br />
über Positionen, welche Babyfenster<br />
als ein notwendiges nie<strong>der</strong>schwelliges<br />
Ergänzungsangebot betrachten, bis hin<br />
zu Gegenpositionen, welche die Babyfenster<br />
insbeson<strong>der</strong>e aufgrund <strong>der</strong> anonymen Abgabe<br />
und <strong>der</strong> damit einhergehenden unklaren Herkunft<br />
des Kindes und <strong>der</strong> verunmöglichten<br />
medizinischen und psychologischen Betreuung<br />
<strong>der</strong> Mutter nicht akzeptieren. Letztere<br />
Position wird mit Bezugnahme auf die UNO<br />
Kin<strong>der</strong>rechtskonvention auch im internationalen<br />
Kin<strong>der</strong>rechtsdiskurs vertreten. In den<br />
vergangenen Jahren wurden auf politischer<br />
Ebene auch an<strong>der</strong>e anonyme Angebote debattiert,<br />
wie die diskrete o<strong>der</strong> anonyme Geburt.<br />
Zwei parlamentarische Vorstösse <strong>der</strong> SVP und<br />
<strong>der</strong> CVP, welche 2008 in diesem Zusammenhang<br />
gemacht wurden, erlitten beide eine<br />
Nie<strong>der</strong>lage. Begründet wurde die Abweisung<br />
<strong>der</strong> Vorstösse mit <strong>der</strong> fehlenden Evidenz: Man<br />
wisse nicht mit Sicherheit, ob die vorgeschlagenen<br />
Angebote tatsächlich Kin<strong>der</strong>leben retten<br />
würden, son<strong>der</strong>n nehme es lediglich an.<br />
Deshalb wurde bei <strong>der</strong> Behandlung dieser<br />
Vorstösse das Recht auf biologische Identität<br />
höher gewertet als die anonyme Geburt. Nach<br />
wie vor ist es so, dass Spitäler, Geburtshäuser<br />
und freischaffende Hebammen rechtlich zur<br />
Meldung eines geborenen Kindes an das Zivilstandesamt<br />
und somit zu einer registrierten<br />
Geburt verpflichtet sind. Aus Gründen <strong>der</strong><br />
Patientensicherheit werden Geburten unter<br />
Codes bzw. Pseudonymen nur sehr selten<br />
durchgeführt, so z. B. bei akut bedrohten o<strong>der</strong><br />
bei sehr berühmten Frauen. Die Anonymisierung<br />
dient dabei aber lediglich administrativen<br />
spitalinternen Zwecken und beeinflusst<br />
die Meldepflicht an die Behörden nicht.<br />
Wer gibt seine Kin<strong>der</strong><br />
in Babyfenstern ab?<br />
Der Diskurs um Babyfenster ist geprägt von<br />
einer hohen Emotionalität, impliziten und<br />
expliziten Werthaltungen gegenüber dem<br />
Schwangerschaftsabbruch und einer schwachen<br />
empirischen Datenlage. Wer aber sind<br />
diese Frauen bzw. Eltern, die ihr Neugeborenes<br />
in Babyfenstern abgeben? Aus welchen<br />
Notlagen rührt ihre Entscheidung zur anonymen<br />
Abgabe? Im Gegensatz zur Schweiz, wo<br />
sich diese Fragen aufgrund <strong>der</strong> niedrigen<br />
Zahlen nicht beantworten lassen, hat man die<br />
Babyfenster Nutzung in Deutschland so weit<br />
wie möglich wissenschaftlich begleitet.<br />
Im Rahmen einer deutschen Studie konnten<br />
sechs Frauen interviewt werden, die ihre<br />
36
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Hinweise<br />
Kin<strong>der</strong> in einem Babyfenster abgegeben hatten<br />
3) . Sie traten aber alle zu einem bestimmten<br />
Zeitpunkt aus <strong>der</strong> Anonymität heraus, da<br />
fünf von ihnen ihr Kind wie<strong>der</strong> zurückgeholt<br />
haben. Die Beweggründe <strong>der</strong> grossen Anzahl<br />
von Frauen, die anonym geblieben ist, konnte<br />
deshalb in <strong>der</strong> Studie nicht erhoben werden.<br />
Auffallend ist, dass bei den interviewten<br />
Frauen keine Typisierung bezüglich Alter, Bildung,<br />
Herkunft o<strong>der</strong> Familienstand vorgenommen<br />
werden kann: sie bilden eine sehr heterogene<br />
Gruppe. Damit relativiert sich die oft<br />
kolportierte Annahme, dass die Benutzerinnen<br />
von Babyfenstern wahrscheinlich jung<br />
und alleinstehend seien. Die befragten Frauen<br />
erzählten, dass sie auf die Schwangerschaft<br />
mit Unverständnis, Schock o<strong>der</strong> Panik reagiert<br />
hätten. Sie konnten die Schwangerschaft<br />
nicht verstehen, nicht annehmen, und<br />
sich nicht mit ihr identifizieren. Einige verdrängten<br />
die Schwangerschaft weitgehend,<br />
interpretierten ihre Gewichtszunahme an<strong>der</strong>weitig,<br />
wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e isolierten sich zunehmend<br />
von ihrem sozialen Umfeld. Die Frauen<br />
schil<strong>der</strong>ten verschiedenartige Gründe für das<br />
Verschweigen bzw. die Unerwünschtheit <strong>der</strong><br />
Schwangerschaft: Dazu gehören die Angst vor<br />
sozialer Ächtung und Unverständnis, Schamgefühle,<br />
fehlende Unterstützung o<strong>der</strong> Abtreibungserwartungen<br />
durch ihr soziales Umfeld,<br />
Gefährdung <strong>der</strong> eigenen Ausbildungs- und<br />
Karrierepläne, eine von <strong>der</strong> Familie nicht akzeptierte<br />
Liebesbeziehung, kein (weiterer)<br />
Kin<strong>der</strong>wunsch des Partners, Schwangerschaft<br />
durch einen One-night-stand o<strong>der</strong> die<br />
hohe Arbeitsbelastung des Partners. Die befragten<br />
Frauen gingen zu keinen gynäkologischen<br />
Vorsorgeuntersuchungen und haben<br />
ihre Kin<strong>der</strong> heimlich und geräuscharm zuhause<br />
geboren, teilweise trotz Anwesenheit an<strong>der</strong>er<br />
Personen im selben Haushalt. Das soziale<br />
Umfeld jener Frauen, die das Kind wie<strong>der</strong><br />
zurückholten, reagierte geschockt und enttäuscht<br />
darüber, nicht schon während <strong>der</strong><br />
Schwangerschaft ins Vertrauen gezogen worden<br />
zu sein. Rückblickend schätzten die<br />
Frauen, dass sie nach <strong>der</strong> Rücknahme ihrer<br />
Kin<strong>der</strong> eine engmaschige professionelle Betreuung<br />
erfuhren. Sie hätten sich gewünscht,<br />
diese Unterstützung bereits im Zuge <strong>der</strong><br />
Schwangerschaft erhalten zu haben.<br />
Kindesaussetzung<br />
und Kindestötung<br />
Die Hoffnung, dass die Einrichtung von Babyfenstern<br />
die Anzahl <strong>der</strong> Tötung von Neugeborenen<br />
(Neonatizid) verringern kann, lässt sich<br />
nicht bestätigen. Dies ist ein Hinweis darauf,<br />
dass es sich bei <strong>der</strong> Kindesaussetzung und<br />
dem Neonatizid um zwei unterschiedliche<br />
Phänomene handelt. Obwohl sowohl Mütter,<br />
die ihr Kind töten als auch jene, die ihr Kind in<br />
ein Babyfenster ablegen, ihre Schwangerschaft<br />
verdrängen o<strong>der</strong> bewusst verheimlichen,<br />
sich dadurch sozial isolieren und deshalb<br />
anonym bleiben wollen und kaum über<br />
Vertrauensbeziehungen verfügen, scheinen<br />
sie sich in ihrer Haltung dem Kind gegenüber<br />
stark zu unterscheiden. Mütter, die ihre Neugeborenen<br />
in ein Babyfenster legen, begründen<br />
ihre Motivation für diesen Schritt mit<br />
Fürsorglichkeit und Verantwortungsbewusstsein<br />
3) . Sie wollen ihnen eine Chance geben,<br />
indem sie wissen, dass ihre Kin<strong>der</strong> gefunden<br />
werden und hoffen, dass sie in einem besseren<br />
Elternhaus aufwachsen. Neben Handlungen<br />
aus Verantwortlichkeit ist aber davon<br />
auszugehen, dass Frauen ihre Neugeborenen<br />
manchmal auch irrational aus einer Panik und<br />
Überfor<strong>der</strong>ung heraus abgeben. Mütter, die<br />
ihre neugeborenen Kin<strong>der</strong> töten, löschen das<br />
Leben ihrer Kin<strong>der</strong> hingegen aus und nehmen<br />
ihnen damit die Option für ein gutes Leben.<br />
Die von Krüger 4) analysierten Fälle von Neonatiziden<br />
in <strong>der</strong> Schweiz bringen denn auch<br />
eine starke Passivität <strong>der</strong> Mütter ihren Neugeborenen<br />
gegenüber zum Ausdruck, die in<br />
<strong>der</strong> Studie mitunter in einen biographischen<br />
und psychologischen Kontext gesetzt wird.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> bisherigen Erfahrungen und Erkenntnisse<br />
ist anzunehmen, dass die Alternative<br />
zum Babyfenster in den meisten Fällen<br />
nicht <strong>der</strong> Neonatizid, son<strong>der</strong>n die Kindesaussetzung<br />
an einem vergleichsweise ungeschützten<br />
Ort ist. Es ist daher fraglich und<br />
empirisch nicht belegt, dass Babyfenster<br />
Neonatizide vermeiden helfen und somit zur<br />
«Rettung» von Kin<strong>der</strong>leben führen, auch wenn<br />
von den Anbietern <strong>der</strong> Babyfenster mit diesem<br />
Argument dafür geworben wird.<br />
Ethische Abwägung<br />
Bei allen drei Phänomen – <strong>der</strong> Kindesaussetzung<br />
in ein Babyfenster, <strong>der</strong> ungeschützten<br />
Aussetzung und dem Neonatizid – stellt sich<br />
die Frage, aus welcher Motivation heraus und<br />
mit welchem Ziel die urteilsfähige* Frau handelt.<br />
Ethisch relevant ist, ob sie aus eigener<br />
Einschätzung zum Wohle des Kindes handelt,<br />
weil sie nicht Mutter des Kindes sein möchte,<br />
o<strong>der</strong> ob sie sich überfor<strong>der</strong>t fühlt, diese Rolle<br />
einzunehmen. Bei einem Neonatizid erachtet<br />
die Mutter das Leben des Kindes als nicht<br />
lebenswert. Es kann durchaus sein, dass sie<br />
die Tötung mit dem Kindeswohl begründet,<br />
weil sie es mit dem Überleben des Kindes als<br />
nicht vereinbar erachtet. Trotzdem handelt es<br />
sich dabei rechtlich betrachtet aber nicht um<br />
aktive Sterbehilfe, son<strong>der</strong>n um eine Tötung,<br />
auch wenn dieser ein altruistisches Motiv<br />
zugrunde liegen kann. O<strong>der</strong> aber sie betrachtet<br />
das Kind als Schaden für ihr eigenes<br />
Leben, was sich in den «wrongful life»-Diskurs<br />
einbetten liesse.<br />
Auch die Kindesaussetzung in einem Babyfenster<br />
o<strong>der</strong> an einem ungeschützten Ort<br />
kann durch das Kindeswohl motiviert sein.<br />
Geschieht sie an einem ungeschützten Ort, ist<br />
das Kindeswohl grundsätzlich gefährdet: Die<br />
Frau delegiert das Kindeswohl an ein namenloses<br />
Schicksal und nimmt unter Umständen<br />
Missbrauch und/o<strong>der</strong> Tod des Kindes in Kauf,<br />
sodass <strong>der</strong> Tod des Kindes als mögliche Folge<br />
<strong>der</strong> Aussetzung zwar nicht als aktive Tötung,<br />
aber als fahrlässige Tötung gewertet werden<br />
muss.<br />
Die Kindesaussetzung in Obhut im Rahmen<br />
eines Babyfensters kann unter Umständen<br />
allein durch das Kindeswohl motiviert und<br />
begründet sein. Die Frau delegiert die Sorge<br />
um das Kind und sein Wohl an eine dafür zuständige<br />
Organisation. Während die Frau beim<br />
Neonatizid das Grundrecht des Kindes auf<br />
Leben nicht respektiert und im Falle <strong>der</strong> ungeschützten<br />
Aussetzung sein Leben gefährdet,<br />
kann sie durch das Babyfenster dem<br />
Anspruch des Kindes auf Überleben gerecht<br />
werden. Das Kindeswohl wird hinsichtlich des<br />
Anspruchs des Kindes, seine Herkunft zu<br />
kennen, jedoch eingeschränkt respektiert.<br />
Dieser Aspekt stellt so auch einen <strong>der</strong> Hauptkritikpunkte<br />
an den Babyfenstern dar. In seiner<br />
Stellungnahme betont <strong>der</strong> Deutsche Ethikrat<br />
5) , dass die Entwicklung <strong>der</strong> Identität<br />
gebunden ist an eine bekannte Herkunft und<br />
eine Zukunft und setzt Anonymität mit Verlust<br />
und Verlusterfahrung gleich. Er erachtet es als<br />
Aufgabe des Rechtsstaates, seinen Bürgern<br />
Zugang zu diesem Wissen über ihre Existenz<br />
zu ermöglichen. So kritisiert <strong>der</strong> Deutsche<br />
* Die Urteilsfähigkeit aber auch die Willensfreiheit<br />
sind gerade bei einer Kindesaussetzung o<strong>der</strong> Kindestötung<br />
schwierig zu bestimmen, weil sie neben<br />
den Persönlichkeitsstrukturen <strong>der</strong> Frau auch von<br />
den politischen, sozialen und gesellschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen, von Handlungsalternativen<br />
und Unterstützungsangeboten abhängig sind. Zudem<br />
geht es um ultima-ratio-Handlungen und oft<br />
Verzweiflungstaten.<br />
37
Fortbildung<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Ethikrat denn auch, dass die Anonymitätszusicherung<br />
an die Mutter (und den Vater) höher<br />
gewichtet wird als die Verletzung des Kin<strong>der</strong>rechts<br />
auf Kennen <strong>der</strong> Herkunft. Trotz dieser<br />
kritischen Sicht kann man aber davon ausgehen,<br />
dass diese Kin<strong>der</strong> als spätere Adoptivund<br />
damit Wunschkin<strong>der</strong> die Chance für eine<br />
gute Lebensqualität haben.<br />
Die Anonymität <strong>der</strong> Babyfenster geht nicht<br />
nur mit Fragen zum Kindeswohl, son<strong>der</strong>n auch<br />
mit Fragen zum Wohl <strong>der</strong> Mütter einher. Die<br />
Anonymität <strong>der</strong> Babyfenster ist deshalb<br />
ethisch nur dann vertretbar, wenn sie mit einem<br />
Beratungsangebot verknüpft sind. Ziel<br />
einer humanen <strong>Gesellschaft</strong> kann nicht die<br />
Stärkung von Anonymität sein, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />
Ausbau sozialer Fürsorge, persönlicher Beziehungen<br />
und Solidarität. Obwohl die Mütter mit<br />
dem Angebot <strong>der</strong> Babyfenster Unterstützung<br />
für ihre als schwierig empfundene Lebenssituation<br />
erhalten, ist damit das Problem nämlich<br />
nicht gelöst. So betonen Coutinho & Krell<br />
(2011: 291): «Tatsächlich kommt ein neuer<br />
belasten<strong>der</strong> Faktor, nämlich die anonyme<br />
Trennung vom Kind, hinzu.»<br />
Nichtsdestotrotz bleibt es Interpretationssache<br />
und an die individuelle Situation gekoppelt,<br />
wie man die Babyfenster sieht: Als Entsorgungsklappe,<br />
als sicherer Zwischenhalt<br />
des Neugeborenen vor seiner anstehenden<br />
Lebensreise o<strong>der</strong> als Zwischenhalt für die<br />
Mutter, während dem sie sich Gedanken über<br />
das «wie weiter» machen kann.<br />
Literaturverzeichnis<br />
1) Lehmann, V. 2008: Drehlade, Findelkind, Babyklappe.<br />
Verlassen von Mutter und Vater. Frauenarzt 48<br />
(3): 250–255.<br />
2) Baxmann, M. 2009: Drehladen und Findelhäuser.<br />
Die Geschichte <strong>der</strong> Kindesaussetzungen. Online<br />
unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/<br />
Zeitreisen/925203/<br />
3) Coutinho, J. und C. Krell 2011: Anonyme Geburt und<br />
Babyklappen in Deutschland. Fallzahlen, Angebote,<br />
Kontexte. München: Deutsches Jugendinstitut e. V.<br />
4) Krüger, P. 2013: Prevalence and phenomenology of<br />
neonaticide in Switzerland 1980–2010: a retrospective<br />
study. Un<strong>der</strong> review.<br />
5) Deutscher Ethikrat 2009: Das Problem <strong>der</strong> anonymen<br />
Kindesabgabe. Stellungnahme. Berlin: Deutscher<br />
Ethikrat.<br />
Korrespondenzadresse<br />
rbaumann@dialog-ethik.ch<br />
Bei den Beratungsangeboten sollte darauf geachtet<br />
werden, dass sie entwe<strong>der</strong> von «neutraler»<br />
Seite betrieben werden bzw. dass die<br />
Haltung <strong>der</strong> Betreiber transparent ausgewiesen<br />
wird. Es ist nicht egal, wer o<strong>der</strong> welche<br />
ideologische Haltung hinter den Babyfenstern<br />
und den damit verbundenen Beratungsangeboten<br />
steht, weil sich die hilfesuchenden Frauen<br />
in einer speziell vulnerablen und abhängigen<br />
Situation befinden. Die Schweizer Babyfenster<br />
sollten deshalb aus dem christlich-konservativen<br />
Hintergrund herausgelöst und unabhängig<br />
betrieben werden. Die <strong>Gesellschaft</strong> ist dazu<br />
verpflichtet dafür zu sorgen, dass ungewollt<br />
schwangere Frauen die in dieser Situation<br />
notwendige nie<strong>der</strong>schwellige Unterstützung<br />
bekommen um sich frei für ihr Kind o<strong>der</strong> auch<br />
gegen eine Schwangerschaft entscheiden zu<br />
können. Bedeutsam ist aber nicht nur <strong>der</strong><br />
strukturelle Rahmen. Gerade in <strong>der</strong> Schweiz<br />
besteht ein relativ breites Angebot an nie<strong>der</strong>schwelligen<br />
Strukturen und Angeboten für<br />
(werdende) Mütter und ihre Kin<strong>der</strong>. Die bisher<br />
erhobenen Daten zeigen, dass es den Frauen,<br />
die ihre Schwangerschaft verheimlicht und/<br />
o<strong>der</strong> verdrängt haben, insbeson<strong>der</strong>e an familieninterner<br />
Unterstützung und nahen Vertrauensbeziehungen<br />
gefehlt hat.<br />
38
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Hinweise<br />
SPSU – Jahresbericht 2012<br />
Die Swiss Paediatric Surveillance Unit (SPSU)<br />
ist ein seit 1995 bestehendes nationales<br />
Erhebungssystem, das gemeinsam von <strong>der</strong><br />
<strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie und<br />
dem Bundesamt für Gesundheit betrieben<br />
wird. Im Rahmen <strong>der</strong> SPSU wurden 2012 von<br />
20 <strong>der</strong> 33 beteiligten pädiatrischen Weiterbildungskliniken<br />
insgesamt 73 sichere Krankheitsfälle<br />
gemeldet: 62 Fälle von Extended-<br />
Spectrum-Beta-Lactamase (ESBL) pro duzierendem<br />
gramnegativem Erreger, acht Fälle<br />
von akuter schlaffer Lähmung als Indikator <strong>der</strong><br />
Poliomyelitisüberwachung, zwei Fälle von<br />
Harnstoffzyklusdefekten und ein Fall von kongenitaler<br />
Toxoplasmose. Es sind keine Fälle von<br />
kongenitalen Rötelninfektionen aufgetreten.<br />
Dank<br />
Wir danken allen Verantwortlichen in den<br />
Kliniken für die wertvolle Mitarbeit, die für das<br />
Funktionieren und den Erfolg des SPSU-Meldesystems<br />
entscheidend ist.<br />
Für das SPSU-Komitee:<br />
C. Rudin, Basel (Präsident)<br />
V. Bernet-Büttiker, Zürich<br />
K. Posfay Barbe, Genf<br />
B. Laubscher, Neuchâtel<br />
G. Simonetti, Bern<br />
M. Mäusezahl, Bern<br />
D. Beeli, Bern<br />
Die Anzahl Fälle <strong>der</strong> abgeschlossenen und<br />
laufenden Studien sind in <strong>der</strong> Tabelle wie<strong>der</strong>gegeben.<br />
Der vollständige Jahresbericht erscheint<br />
im <strong>Bulletin</strong> des BAG <strong>Nr</strong>. 38 vom 16.9.<br />
2013 und ist auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> SGP einzusehen:<br />
www.swiss-paediatrics.org.<br />
SPSU-Studien Dauer sichere Fälle<br />
Kongenitale Toxoplasmose 1/1995 bis 12/1998 und 6/2009 bis 5/2014 21<br />
Vitamin-K-Mangelblutung 1/1995 bis 12/2000 und 7/2005 bis 6/2011 27<br />
Zyst. periventrikuläre Leukomalazie 1/1996 bis 12/1997 48<br />
Hämolytisch-urämisches Syndrom 4/1997 bis 3/2003 und 4/2004 bis 3/2010 <strong>24</strong>9<br />
Frühsommer-Meningoenzephalitis 1/2000 bis 2/2003 23<br />
Varizellen-Zoster 1/2000 bis 3/2003 235<br />
Akutes rheumatisches Fieber 6/2000 bis 5/2010 <strong>24</strong><br />
Neuralrohrdefekt 1/2001 bis 12/2007 258<br />
Schwere RSV-Infektionen 10/2001 bis 9/2005 462<br />
Schütteltrauma 7/2002 bis 6/2007 50<br />
Neonataler Herpes 7/2002 bis 6/2008 5<br />
Invagination 4/2003 bis 3/2006 <strong>24</strong>3<br />
Pertussis 4/2006 bis 3/2010 127<br />
Anaphylaxie 5/2007 bis 4/2010 58<br />
Akute schlaffe Lähmung 1/1995 laufend 188<br />
Kongenitale Röteln 1/1995 laufend 2<br />
Schwere Hyperbillirubinämie 10/2006 bis 12/2011 172<br />
Extended-spectrum β-lactamase (ESBL)-<br />
produzieren<strong>der</strong> gramnegativer Erreger<br />
7/2008 bis 6/2012 403<br />
Harnstoffzyklusdefekt 1/2012 bis 12/2013 2<br />
39
Hinweise<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Masern ab Ende Oktober dank nationaler<br />
Kampagne im Fokus<br />
Die Schweiz hat beschlossen, gemeinsam mit<br />
<strong>der</strong> Region Europa <strong>der</strong> Weltgesundheitsorganisation<br />
WHO bis 2015 masernfrei zu werden.<br />
Dank <strong>der</strong> sich stetig verbessernden Masern-<br />
Durchimpfung in <strong>der</strong> Schweiz erkranken heute<br />
nur noch wenige Personen an Masern. Die<br />
rar gewordenen persönlichen Erfahrungen mit<br />
Masernerkrankungen bei <strong>der</strong> Schweizer<br />
Bevölkerung führen dazu, dass das für die<br />
Zielerreichung <strong>der</strong> Masernelimination nötige<br />
Bewusstsein für die Masern und <strong>der</strong>en Gefährlichkeit<br />
nicht mehr vorhanden ist. Mit einer<br />
gemeinsamen Kampagne zur Masernelimination<br />
wollen Bund und Kantone das Thema<br />
Masernelimination ins Bewusstsein <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
zurückholen und ein Verständnis für<br />
die Notwendigkeit <strong>der</strong> Masernimpfung schaffen.<br />
Die Kampagne mit dem Slogan «Gegen<br />
Masern impfen und nichts verpassen» wird in<br />
<strong>der</strong> letzten Oktoberwoche 2013 mit dem<br />
Aushang von Plakaten und einem Fernsehspot<br />
national lanciert. Ab diesem Zeitpunkt werden<br />
Ärztinnen und Ärzte wohl häufiger mit Fragen<br />
zu Masern, Masernimpfung und Masernelimination<br />
konfrontiert sein. Zur Information <strong>der</strong><br />
Patientinnen und Patienten stehen <strong>der</strong> Ärzteschaft<br />
Begleitmaterialien zur nationalen Maserneliminations-Kampagne<br />
zur Verfügung,<br />
die ab Mitte Oktober 2013 kostenlos beim<br />
Bundesamt für Bauten und Logistik BBL bezogen<br />
werden können (Bestellinformationen vgl.<br />
Box). Ab Kampagnenstart ist auch die Internetseite<br />
www.stopmasern.ch online. Weitere<br />
Informationen zur Kampagne können Sie dem<br />
Heft 43 <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> Ärztezeitung<br />
vom 23. Oktober 2013 entnehmen.<br />
Bestellinformationen Begleitmaterialien Maserneliminationskampagne<br />
Bestelladresse<br />
Bundesamt für Bauten und Logistik BBL, Verkauf Bundespublikationen, 3003 Bern<br />
Fax: 031 325 50 58, E-Mail: verkauf@zivil@bbl.admin.ch<br />
Verfügbare Materialien<br />
• Broschüre «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» ohne FMH-Logo,<br />
Bestellnummer: 311.289<br />
• Broschüre «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» mit FMH-Logo,<br />
Bestellnummer: 311.289.1<br />
• Flyer «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» (Kurzversion <strong>der</strong> Broschüre)<br />
ohne FMH-Logo, Bestellnummer 311.290<br />
• Flyer «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» (Kurzversion <strong>der</strong> Broschüre)<br />
mit FMH-Logo, Bestellnummer 311.290.1<br />
• Factsheet zur MMR-Impfung <strong>der</strong> Eidg. Kommission für Impffragen EKIF<br />
(Blöcke von 50 Papierexemplaren), Bestellnummer: 311.276<br />
Sprachen<br />
Alle Materialien sind deutsch-, französisch- und italienischsprachig verfügbar<br />
Korrespondenzadresse<br />
Eidgenössisches Departement des Innern EDI<br />
Bundesamt für Gesundheit BAG<br />
Direktionsbereich Öffentliche Gesundheit<br />
Schwarztorstrasse 96<br />
CH-3003 Bern<br />
Judith.Hanhart@bag.admin.ch<br />
40
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Hinweise<br />
Wasserzubereitung und Mineralwasser<br />
aus <strong>der</strong> Flasche (ohne Kohlensäure) zur<br />
Herstellung von Säuglingsschoppen<br />
Update zur Information <strong>der</strong> Ernährungskommission <strong>der</strong><br />
<strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie aus dem Jahr 2001<br />
Johannes Spalinger, Luzern<br />
In <strong>der</strong> Schweiz ist das Hahnenwasser (Leitungswasser)<br />
von sehr hoher Qualität sowohl<br />
in Bezug auf die chemische Zusammensetzung<br />
wie auch auf dessen mikrobiologischen<br />
Gehalt. Es kann daher bedenkenlos für die<br />
Herstellung <strong>der</strong> Säuglingsschoppen verwendet<br />
werden.<br />
Es gibt keine wissenschaftlichen Grundlagen,<br />
das Hahnenwasser nicht für die Herstellung<br />
von Säuglingsschoppen zu verwenden.<br />
Für den Säuglingsschoppen wird empfohlen<br />
(WHO), das Wasser auf > 70 ° C abzukochen,<br />
für die Zubereitung des Schoppens abzukühlen<br />
und danach bei Körpertemperatur anzubieten.<br />
Damit kann das Risiko einer Infektion<br />
mit dem Bakterium Enterobacter sakazakii<br />
(eine seltene Ursache einer schwer verlaufenden<br />
bakteriellen Infektion bei Früh- und<br />
Neugeborenen) reduziert werden. Der Säuglingsschoppen<br />
sollte immer frisch vor je<strong>der</strong><br />
Mahlzeit zubereitet werden, nicht getrunkener<br />
Schoppen soll verworfen werden und nicht für<br />
die nächste Mahlzeit aufbewahrt werden.<br />
Wünschen die Eltern Mineralwasser aus <strong>der</strong><br />
Flasche zu verwenden, was nicht empfohlen<br />
wird, muss dieses ebenfalls abgekocht<br />
werden. Einmal geöffnet, ist die Mineralwasserflasche<br />
im Kühlschrank aufzubewahren,<br />
nicht länger als <strong>24</strong> Stunden.<br />
Zur Herstellung des Säuglingsschoppens eignen<br />
sich nur Mineralwasser, welche wenig<br />
Mineralsalze enthalten. Das Risiko einer Salzüberladung<br />
(hypertonen Dehydratation) beim<br />
Gebrauch von mineralienreichen Mineralwassern<br />
ohne Kohlensäure ist nicht zu vernachlässigen.<br />
In <strong>der</strong> Schweiz bestehen keine Empfehlungen<br />
betreffend Höchstgehalt an Natrium, Nitraten<br />
und Sulfaten für Mineralwasser zur Zubereitung<br />
von Säuglingsschoppen. In Deutschland,<br />
Grossbritannien (NHS) und <strong>der</strong> USA (FDA)<br />
wurden Höchstwerte definiert. Diese liegen in<br />
folgenden Bereichen:<br />
Natriumgehalt < 20 mg/L bis < 200 mg/L<br />
Nitratgehalt
Hinweise<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Preisverleihungen anlässlich <strong>der</strong> Jahresversammlung 2013 <strong>der</strong> SGP:<br />
Guido Fanconi Preis 2013<br />
Marianne Caflisch<br />
gogiques et pluriculturelles au service de la<br />
médecine de l’adolescence.<br />
Après une formation en France en médecine<br />
de l’adolescence, Marianne Caflisch met en<br />
route dès son retour à Genève, en 1997, la<br />
consultation de médecine de l’adolescent,<br />
suivie en 2002 de la consultation Santé<br />
Jeunes.<br />
En reconnaissance pour son engagement de<br />
pionnière dans le développement de la médecine<br />
de l’adolescence en Suisse. La Société<br />
Suisse de Pédiatrie remet le Prix 2013 Guido<br />
Fanconi à la Doctoresse Marianne Caflisch.<br />
Nous avons la grande chance de compter<br />
parmi nos membres une pédiatre visionnaire,<br />
innovatrice, nous entraînant avec conviction<br />
dans un domaine pédiatrique resté trop longtemps<br />
inexploré. Le prix Guido Fanconi de<br />
cette année revient à cette pédiatre haute en<br />
couleur et au caractère bien trempé, qui a su<br />
nous montrer que les aléas de la vie peuvent<br />
être des opportunités, elle qui a mis sans<br />
compter ses compétences cliniques, péda-<br />
Grâce à elle, la médecine de l’adolescence a<br />
trouvé sa place au sein de la pédiatrie suisse;<br />
elle a participé à l’introduction de cette spécialité<br />
dans les divers départements de pédiatrie<br />
en Suisse et a été présidente de l’Association<br />
suisse pour la santé des adolescents.<br />
Qu’elle soit en consultation auprès des ados,<br />
présidente de l’ASSA ou en tournée pour former<br />
les multiples milieux professionnels<br />
concernés, Marianne Caflisch mérite la reconnaissance<br />
pour son travail de pionnière et le<br />
soutien pour la poursuite de son engagement<br />
que nous souhaitons lui manifester par ce prix<br />
Guido Fanconi 2013.<br />
Bammatter Preis 2013<br />
Matthias Roth<br />
Preis PIA-CH 2013<br />
Jean-Christoph Caubet<br />
Talent-Preis 2013<br />
Caroline Guyer<br />
for her work: Cycled light exposure reduces<br />
fussing and crying in very preterm infants<br />
.<br />
The jury decided to give to Dr Matthias Roth<br />
the Bammatter Prize 2013 for the scientific<br />
value of his research. He succeeded to draw<br />
a link between epidemiology of neonatal respiratory<br />
distress, lung morphology, surfactant<br />
alterarations and prevention of bronchopulmonary<br />
dysplasia.<br />
42
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Hinweise<br />
La Chaux-de-Fonds – eine Stadt<br />
begegnet Kin<strong>der</strong>ärzten<br />
Nathalie Schallenberger 1) , Souhaïl Latrèche 2) , Rudolf Schlaepfer 3) , Eric Tissot 4) ,<br />
La Chaux-de-Fonds<br />
Unter den vielen Ständen pharmazeutischer<br />
Firmen fand sich am diesjährigen Kongress<br />
<strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie<br />
in Genf ein Stand <strong>der</strong> Stadt La Chaux-de-<br />
Fonds. Wozu ein solcher Stand? Warum stellt<br />
sich eine Stadt an einem Ärztekongress vor?<br />
In Sorge um die Gesundheit und das Wohlergehen<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung haben die Stadtbehörden<br />
nach Möglichkeiten gesucht, dem Mangel<br />
an Grundversorgern, Allgemein- und Kin<strong>der</strong>ärzten<br />
vorzubeugen, <strong>der</strong> La Chaux-de-Fonds<br />
wie auch an<strong>der</strong>en Städten und Regionen <strong>der</strong><br />
Schweiz droht.<br />
Städte und Län<strong>der</strong> aufsuchen, Handelskontore<br />
eröffnen, an die Menschen herantreten, die<br />
Nachfrage und die Bedürfnisse des Kunden<br />
«spüren» und zu verstehen versuchen, und<br />
schliesslich pragmatische und effiziente Lösungen<br />
suchen und finden, ist eine tief im<br />
Geist <strong>der</strong> Uhrmacher verankerte Tradition. An<br />
die Ärzten herantreten, um ihre Bedürfnisse<br />
und Wünsche besser zu verstehen, war für die<br />
Stadtbehörden deshalb ein selbstverständlicher<br />
Schritt.<br />
Der atypische Marktstand <strong>der</strong> Stadt La Chauxde-Fonds<br />
überraschte vorerst. Nachdem aber<br />
die Befürchtung, es könnte sich um Tourismuswerbung<br />
handeln, zerstreut war, haben die<br />
Besucher schnell die ins UNESCO-Welterbe<br />
aufgenommene Uhrenmetropole erkannt und<br />
reges Interesse gezeigt. Unter <strong>der</strong> Überschrift<br />
«La Chaux-de-Fonds c’est bon pour la santé»<br />
wurden Äpfel verteilt und die Gelegenheit genutzt,<br />
über Zukunftspläne zu sprechen.<br />
Mehrere junge (und ältere) Kollegen sind <strong>der</strong><br />
Einladung <strong>der</strong> Stadtbehörden gefolgt und<br />
werden mit Lebenspartner o<strong>der</strong> Familie ein<br />
Wochenende in La Chaux-de-Fonds verbringen,<br />
um die vielseitigen Facetten dieser Stadt<br />
und ihrer Umgebung kennen zu lernen. Das<br />
1) Stadträtin, Direktion Schul-, Gesundheits-, Sozialwesen<br />
und Aussendienst <strong>der</strong> Stadt La Chaux-de-<br />
Fonds<br />
2) Leiter des Dienstes für Gesundheit und Gesundheitsför<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Stadt La Chaux-de-Fonds<br />
3) Mitglied <strong>der</strong> Kommission für Gesundheit und Gesundheitsför<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Stadt La Chaux-de-Fonds<br />
4) Koordinator für Kommunikation und För<strong>der</strong>ung von<br />
Kultur, Sport und Wirtschaft <strong>der</strong> Stadt La Chauxde-Fonds<br />
reichhaltige Programm bietet nebst einem<br />
kulturellen Teil mit Besuch <strong>der</strong> Stadt, ihrer<br />
Umgebung o<strong>der</strong> von Museen, ein Zusammentreffen<br />
mit den Stadtbehörden, den hiesigen<br />
Kin<strong>der</strong>ärzten und den Besuch von Praxen. Es<br />
soll auch Gelegenheit geben, Anliegen und<br />
Erwartungen <strong>der</strong> zukünftigen Kin<strong>der</strong>ärzte zu<br />
erfahren.<br />
Falls dieses Angebot Kolleginnen und Kollegen<br />
interessiert, die nicht die Gelegenheit<br />
hatten, den Stand <strong>der</strong> Stadt La Chaux-de-<br />
Fonds anlässlich des Kongresses in Genf zu<br />
besuchen, können sie sich an untenstehende<br />
Adresse wenden.<br />
Wir hoffen fest, dass diese Initiative ein erfolgreiches<br />
Nachspiel haben und bei jenen ein<br />
positives Echo finden wird, die ausgetretene<br />
Pfade und das vertraute Umfeld <strong>der</strong> Grossund<br />
Universitätsstädte verlassen und nach<br />
Lösungen suchen wollen, die sich auf den<br />
ersten Blick nicht aufdrängen, sich langfristig<br />
aber als aussichtsreich und Erfolg versprechend<br />
erweisen.<br />
Die Stadt La Chaux-de-Fonds setzt ihre Aktion<br />
fort und wird an <strong>der</strong> Fortbildungsveranstaltung<br />
des Kollegiums für Hausarztmedizin<br />
KHM, am 26. September 2013 im Centre de<br />
Congrès Beaulieu in Lausanne, präsent sein.<br />
Korrespondenzadresse<br />
Service de la santé et promotion de la santé<br />
de la Ville de La Chaux-de-Fonds<br />
Dr Souhaïl Latrèche <br />
Rue de la Serre 14 <br />
Case postale 2286 <br />
2300 La Chaux-de-Fonds <br />
Tél. +41 32 967 61 92 <br />
Fax +41 32 722 07 90<br />
centre.sante.vch@ne.ch <br />
Der Kin<strong>der</strong>notfalldienst wird im Kanton Neuenburg seit 1997 im Spital Pourtalès und seit<br />
2008 in beiden Spitälern, Neuenburg und La Chaux-de-Fonds, von Kin<strong>der</strong>ärzten und Kin<strong>der</strong>klinik<br />
gemeinsam bestritten.<br />
Während <strong>der</strong> Wochentage übernimmt die Kin<strong>der</strong>poliklinik des Spitals Pourtalès den pädiatrischen<br />
Notfalldienst <strong>24</strong> Stunden im Tag. In La Chaux-de-Fonds steht den Patienten eine<br />
Hotline von 08 Uhr bis 18 Uhr zur Verfügung.<br />
Während den Wochenenden und an Feiertagen wird <strong>der</strong> Notfalldienst in beiden Spitälern<br />
von 10 Uhr bis 17–18 Uhr von den im Kanton praktizierenden Kin<strong>der</strong>ärzten übernommen,<br />
über Nacht wie<strong>der</strong>um von <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>poliklinik.<br />
Dieses System war in <strong>der</strong> Schweiz eine Pionierleistung, es ist effizient und funktioniert zur<br />
Zufriedenheit aller Beteiligten: Patienten und <strong>der</strong>en Familien, praktizierenden und Spitalärzten.<br />
Den Assistenzärzten gibt es Gelegenheit, Notfallkonsultationen gemeinsam mit den<br />
praktizierenden Ärzten durchzuführen und den praktizierenden Ärzten, berufliche und<br />
persönliche Kontakte zu «ihrem» Spital zu wahren, wo übrigens jeweils am Mittwoch Morgen<br />
Weiter- und Fortbildungen stattfinden.<br />
43
Hinweise<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Educational Grant<br />
Pilotprojekt <strong>der</strong> <strong>Schweizerischen</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für pädiatrische Gastroenterologie,<br />
Hepatologie und Ernährung, ab Herbst 2013 für drei Jahre<br />
Andreas Nydegger, Präsident SGPGHE, Lausanne<br />
Die Schweizerische <strong>Gesellschaft</strong> für pädiatrische<br />
Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung<br />
(SGPGHE) stellt ab Herbst 2013 einen<br />
«Educational Grant» zur Verfügung. Dieser<br />
beinhaltet eine finanzielle Beteiligung für folgende<br />
Bereiche:<br />
• Wissenschaftliche Kongresse im Bereich<br />
<strong>der</strong> Gastroenterologie, Hepatologie und<br />
Ernährung (GPGE, SFGHNP, ESPGHAN,<br />
AGA, UEGW), falls ein Poster vorgestellt<br />
o<strong>der</strong> eine Präsentation gehalten wird<br />
• Besuchen einer Summer-School (organisiert<br />
durch ESPGHAN) o<strong>der</strong> eines Endoskopiekurses<br />
• Kurse zur Verbesserung von Forschungs-<br />
Skills.<br />
Für eine provisorische Dauer von 3 Jahren<br />
können sich alle Ärzte in Weiterbildung, sowie<br />
ausgebildete Kin<strong>der</strong>ärzte, welche im Bereich<br />
<strong>der</strong> pädiatrischen Gastroenterologie tätig<br />
sind, bewerben. Die Bewerbung muss durch<br />
ein Mitglied <strong>der</strong> SGPGHE unterstützt werden<br />
und muss folgende Dokumente enthalten:<br />
• Motivationsschreiben<br />
• Lebenslauf<br />
• Wissenschaftliche Arbeit, die vorgestellt<br />
wird (Poster o<strong>der</strong> Präsentation)<br />
Der Maximalbetrag beläuft sich auf CHF<br />
2000.– pro 6 Monate und kann unter mehreren<br />
Bewerbern aufgeteilt werden, wobei <strong>der</strong><br />
Betrag nicht für Reisekosten aufgewendet<br />
werden darf. Anlässlich <strong>der</strong> 2 Einreichungsfristen<br />
(Ende März, beziehungs weise Ende<br />
September des jeweiligen Kalen<strong>der</strong>jahres)<br />
wird das Komitee, bestehend aus 3 Mitglie<strong>der</strong>n<br />
<strong>der</strong> SGPGHE, die jeweils beste(n)<br />
Arbeit(en) auswählen. Die Gewinner müssen<br />
ihre Arbeit anlässlich <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />
im November vorstellen. Die Mitglie<strong>der</strong><br />
des aktuellen Komitees sind: Dr. Raoul Furlano<br />
(Basel), Dr. Susanne Schibli (Bern) und Dr.<br />
Andreas Nydegger (Lausanne). Bewerbungen<br />
sollen an folgende Adresse geschickt werden:<br />
Korrespondenzadresse<br />
Dr. Raoul Furlano<br />
(Komitee-Verantwortlicher)<br />
Abteilungsleiter für pädiatrische Gastroenterologie,<br />
Hepatologie und Ernährung<br />
Universitäts-Kin<strong>der</strong>spital bei<strong>der</strong> Basel<br />
Spitalstrasse 33<br />
Postfach<br />
4031 Basel<br />
raoul.furlano@ukbb.ch<br />
44
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Hinweise<br />
Kollegium für Hausarztmedizin KHM<br />
KHM Forschungspreis Hausarztmedizin 2014<br />
Gestiftet von MEPHA<br />
Fachgebiet<br />
Arbeiten/Kriterien<br />
Hausarztmedizin<br />
Abgeschlossene wissenschaftliche Arbeiten aus <strong>der</strong> Schweiz o<strong>der</strong> von im Ausland tätigen Schweizer Innen,<br />
die wichtige Aspekte hausärztlicher Grundversorgung thematisieren, insbeson<strong>der</strong>e:<br />
• Die Qualität <strong>der</strong> Behandlung und <strong>der</strong> Betreuung hausärztlicher PatientInnen<br />
• Die praktische Arbeit des hausärztlichen Grundversorgers (valid, relevant, umsetzbar im Rahmen <strong>der</strong><br />
Praxis)<br />
• Die Sicherstellung <strong>der</strong> hausärztlichen Grundversorgung (Erforschung <strong>der</strong> Grundlagen, Arbeitsbedingungen,<br />
Ressourcenlage und Versorgungssituation)<br />
Preissumme CHF 30 000.–<br />
Es können eine o<strong>der</strong> mehrere Arbeiten ausgezeichnet werden. Bei <strong>der</strong> Preisvergabe an mehrere Arbeiten<br />
wird die Preissumme aufgeteilt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
TeilnehmerInnen<br />
Eingabetermin<br />
Preisverleihung<br />
Preiskomitee<br />
Teilnahmebedingungen<br />
Auskunft<br />
Autorinnen und Autoren aus <strong>der</strong> Schweiz o<strong>der</strong> von im Ausland tätigen SchweizerInnen, die in den vergangenen<br />
drei Jahren eine bedeutende hausärztliche Arbeit abgeschlossen haben<br />
1. Dezember 2013 (bitte den Termin beachten)<br />
KHM Fortbildungstagung vom 26./27. Juni 2014 in Luzern<br />
und vom 4. September 2014 in Lausanne<br />
Eine unabhängige Jury, eingesetzt vom Stiftungsrat KHM<br />
Einzureichen sind in elektronischer Form per E-Mail o<strong>der</strong> CD (keine Disketten) und auf Papier:<br />
• Anmeldeformular (www.kollegium.ch/rd/d.html)<br />
• Curriculum vitae des Hauptautors<br />
• Manuskript<br />
• Begleitschreiben «Bedeutung <strong>der</strong> eingereichten Arbeit für die Hausarztmedizin». Schon einmal unterbreitete<br />
Arbeiten können nicht berücksichtigt werden und über die Preisnominierung wird keine Korrespondenz<br />
geführt.<br />
Kollegium für Hausarztmedizin KHM<br />
Sekretariat Forschung Hausarztmedizin, Landhausweg 26, 3007 Bern<br />
foham@kollegium.ch; www.kollegium.ch/rd/d.html<br />
Fanconi-Preis 2014<br />
Schweizerische <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie<br />
Die Schweizerische <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie (SGP) verleiht jährlich anlässlich <strong>der</strong> Jahrestagung<br />
den Fanconi-Preis im Wert von CHF 10'000.–.<br />
Mit dem Preis werden bedeutende Arbeiten zugunsten <strong>der</strong> Pädiatrie ausgezeichnet. Dabei kann es sich um ausgezeichnete wissenschaftliche<br />
Beiträge, bedeutende gesellschaftliche Leistungen zugunsten <strong>der</strong> Gesundheit von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen o<strong>der</strong> um hervorragende Verdienste<br />
im Rahmen <strong>der</strong> SGP handeln. Der Preis kann sowohl für eine herausragende Einzelleistung wie für ein Lebenswerk verliehen werden.<br />
Preisträger können eine Person o<strong>der</strong> mehrere Personen <strong>der</strong>selben Arbeitsgruppe sein. Sie müssen mit <strong>der</strong> schweizerischen Pädiatrie in<br />
enger Beziehung stehen. Die Preisverleihung erfolgt durch den Vorstand <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong>, <strong>der</strong> sich von Experten seiner Wahl beraten lässt.<br />
Kandidaturen mit ausführlichem Lebenslauf und Begründung <strong>der</strong> preiswürdigen Leistung können von jedem ordentlichen Mitglied, einschliesslich<br />
<strong>der</strong> Kandidatin o<strong>der</strong> dem Kandidaten selbst, bis zum 31. Januar 2014 beim Sekretariat <strong>der</strong> SGP eingereicht werden.<br />
Schweizerische <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie, Postfach 1380, 1701 Freiburg, secretariat@swiss-paediatrics.org<br />
45
Zeitschriftenreview<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Zeitschriftenreview<br />
Kommentare: Mustapha Mazouni, Lausanne / Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds<br />
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds<br />
Die jetzt effizientere Spitalbetreuung <strong>der</strong> AHI<br />
im Vergleich zu an<strong>der</strong>en medizinischen Strukturen<br />
(privat o<strong>der</strong> staatlich) kann die kurzen<br />
Spitalaufenthalte erklären.<br />
Koshy E., Murray J., Bottle A.,<br />
et al.<br />
Significantly increasing hospital admissions<br />
for acute throat infections among<br />
children in England: is this related to<br />
tonsillectomy rates? Arch Dis Child 2012;<br />
97: 1064–1068.<br />
Abstract<br />
Objective<br />
To examine trends in hospital admissions for<br />
acute throat infection (ATI) and peritonsillar<br />
abscess (PTA) alongside tonsillectomy<br />
trends in children.<br />
Design<br />
We analysed Hospital Episode Statistics data<br />
to calculate annual age-standardised and<br />
age-sex specific rates for ATI, PTA and tonsillectomies<br />
in children aged 0–17 years who<br />
were admitted to hospital in England between<br />
1 April 1999 and 31 March 2010.<br />
Results<br />
Age-standardised admission rates for ATI<br />
increased by 76% from 107.3 (95% CI 105.3<br />
to 109.2) to 188.4 (95% CI 185.9 to 191.0)<br />
admissions per 100’000 children. Median<br />
length of stay for ATI admissions decreased<br />
from 1 to 0 days. Admission rates for PTA<br />
remained stable at between 9.6 (95% CI 9.0<br />
to 10.2) and 8.7 (95% CI 8.1 to 9.2) per<br />
100’000 children in 1999/2000 and<br />
2009/2010, respectively. Age standardised<br />
tonsillectomy rates declined from 367.4<br />
(95% CI 363.8 to 371.0) to 278.0 (95% CI<br />
274.9 to 281.1) per 100’000 children between<br />
1999/2000 and 2000/2001, respectively,<br />
increased to 322.4 (95% CI 319.0 to<br />
325.7) in 2002/2003 and then gradually<br />
declined again to 293.6 (95% CI 290.4 to<br />
296.8) in 2009/2010.<br />
Conclusions<br />
ATI admission rates have increased substantially<br />
in the past decade, but the majority of<br />
children are discharged after a short stay.<br />
PTA admission rates have remained stable.<br />
This suggests the severity of throat infection<br />
has not increased. Tonsillectomy rates in<br />
England have been declining overall but do<br />
not appear to be associated with this increasing<br />
trend in ATI admissions. The increase<br />
most likely reflects changes in primary care<br />
and hospital service provision.<br />
Kommentar (Mustapha Mazouni)<br />
Diese über 10 Jahre laufende Studie gründet<br />
auf Daten <strong>der</strong> Hospital Episode Statistics und<br />
des National Health Service. Untersucht<br />
wurde die Häufigkeit <strong>der</strong> Spitalaufnahmen<br />
unter <strong>der</strong> Diagnose «akute Pharyngitis» (AHI)<br />
bzw. Peritonsillarabszess (PTA) und <strong>der</strong>en<br />
Auswirkung auf die Häufigkeit <strong>der</strong> im Kindesalter<br />
durchgeführten Tonsillektomien. Es ist<br />
die erste Studie dieser Art in Grossbritannien<br />
und ihre Bedeutung liegt darin, dass sie eine<br />
breite, repräsentative Stichprobe <strong>der</strong> englischen<br />
Bevölkerung umfasst.<br />
Die Ergebnisse regen zu folgenden Überlegungen<br />
an:<br />
Die Zunahme <strong>der</strong> AHI um 76% ist eindrücklich.<br />
Die Autoren haben keine eindeutige Erklärung<br />
dafür, interpretieren aber folgen<strong>der</strong>massen:<br />
• Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> ärztlichen Versorgung Englands,<br />
die zu einer Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Aufnahmekriterien<br />
und damit Zunahme <strong>der</strong> Spitalaufnahmen<br />
ganz allgemein geführt haben.<br />
• Die weitaus grösste Zahl Spitalaufnahmen<br />
wegen AHI betrafen schwere Formen ohne<br />
Komplikationen, was in <strong>der</strong> Überzahl kurzer<br />
Aufnahmen (≤1 Tag) zum Ausdruck kommt<br />
und auch die absolute Zunahme an AHI erklärt.<br />
Die Häufigkeit <strong>der</strong> Peritonsillarabszesse verblieb<br />
über diesen Zeitabschnitt konstant.<br />
Die Häufigkeit <strong>der</strong> Tonsillektomien o<strong>der</strong> Adeno-Tonsillektomien<br />
hat während dieser zehn<br />
Jahre gesamthaft abgenommen, wurde also<br />
we<strong>der</strong> durch die Häufigkeit an AHI noch die<br />
Schwere <strong>der</strong> PTA beeinflusst. Die Autoren bringen<br />
diese Tatsache vielmehr mit <strong>der</strong> Publikation<br />
und Anwendung durch die Hals-Nasen-Ohrenärzte<br />
von nationalen Guidelines zur Behandlung<br />
<strong>der</strong> AHI und zur Indikation <strong>der</strong> Tonsillektomie in<br />
Zusammenhang. Dies, obwohl die Gründe, eine<br />
Tonsillektomie durchzuführen, multifaktoriell<br />
sind.<br />
Jang H.-J., Kim AS., Hwang J.-B.<br />
The etiology of small and fresh rectal<br />
bleeding in not-sick neonates: should<br />
we initially suspect food protein-induced<br />
proctocolitis? Eur J Pediatr 2012; DOI<br />
10.1007/s00431-012-1825-2.<br />
Abstract<br />
This study was performed to identify the cause<br />
and frequency of food protein-induced proctocolitis<br />
(FPIPC) in not-sick neonates with small<br />
and fresh rectal bleeding and to verify the effectiveness<br />
of oral food elimination and challenge<br />
test (ECT) as a diagnostic method of<br />
FPIPC. We prospectively analyzed neonates<br />
with small and fresh rectal bleeding who were<br />
clinically normal. We investigated age at symptom<br />
onset, feeding at onset of bleeding, the<br />
time of bleeding disappearance, stool smear<br />
and culture, endoscopic findings, and histopathologies<br />
in the biopsy specimens of 16 notsick<br />
neonates. We performed food ECT in cases<br />
with over 4 days of persistent rectal<br />
bleeding in the absence of any other etiology.<br />
In 16 not-sick neonates with rectal bleeding,<br />
the median age at symptom onset was 8.5<br />
(1–43) days. Endoscopic abnormalities were<br />
observed in all 16 patients, and in 10 cases<br />
satisfying the pathological guidelines for<br />
FPIPC, two (12.5 %) were confirmed as FPIPC<br />
by food ECT. In the other 14 (87.5 %) cases,<br />
rectal bleeding spontaneously disappeared<br />
after on average at 4 (1–8) days and thus was<br />
diagnosed as idiopathic neonatal transient<br />
colitis (INTC).<br />
Conclusions<br />
FPIPC is rare as a cause of small and fresh<br />
rectal bleeding in not-sick newborns and most<br />
of cases proved to be INTC. Although clinical<br />
findings are suspected as its symptoms and<br />
histological results satisfy its diagnostic criteria,<br />
FPIPC should be carefully confirmed<br />
through food ECT.<br />
Kommentar (Mustapha Mazouni)<br />
Diese sorgfältige Studie zum Auftreten kleiner<br />
Mengen frischen Blutes im Stuhl gesun<strong>der</strong><br />
Neugeborener (n=13) und Säuglinge (n=3)<br />
wurde durch eine Gruppe <strong>der</strong> Universität<br />
Daegu (Republik Korea) durchgeführt. Mit<br />
strenger Methodik wurden weitreichende<br />
hämatologische und mikrobiologische sowie<br />
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<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Zeitschriftenreview<br />
invasive Abklärungen (Endoskopie und Rektalbiopsien)<br />
durchgeführt.<br />
Die Autoren kommen zu folgenden Schlussfolgerungen:<br />
Die «durch Nahrungsmittelintoleranz bedingte<br />
Neugeborenenkolitis» (NINK) (Kuhmilch, Eier,<br />
Haselnuss, Soja, Fisch, Schalentiere, Weizen)<br />
ist beim gesunden Neugeborenen selten. Nur<br />
zwei <strong>der</strong> 16 untersuchten Patienten entsprachen<br />
den Kriterien einer NINK: Eine Kuhmilchund<br />
eine Fisch- und Hühnereiintoleranz. Bei<br />
den übrigen 14 Fällen handelte es sich um<br />
eine «transitorische idiopathische Neugeborenenkolitis»,<br />
wovon acht Fälle von «transitorischer<br />
eosinophiler Neugeborenenkolitis».<br />
Zusammenfassend kann festgehalten werden,<br />
dass eine Darmblutung beim Neugeborenen<br />
im Allgemeinen gutartig und befristet ist<br />
(klingt im Mittel innerhalb vier Tagen ab). Die<br />
NINK, durch die Autoren nach strengen Kriterien<br />
definiert, ist ungewöhnlich und wenig<br />
bekannt.<br />
Auf Grund ihrer Studie empfehlen sie bei<br />
Auftreten einer Darmblutung beim Neugeborenen<br />
folgendes Vorgehen:<br />
• Beobachtung ohne Abklärungen während<br />
vier Tagen.<br />
• Bei Darmblutung > vier Tagen: Sistieren <strong>der</strong><br />
Ernährung p. o. und Nahrungsmittel einzeln<br />
testen zum Ausschluss o<strong>der</strong> Bestätigung<br />
einer NINK.<br />
• Nahrungsmittelausschluss und anschliessende<br />
-tests sollten als diagnostisches Vorgehen<br />
bei NINK in Betracht gezogen werden.<br />
De Schutter I., Dreesman A.,<br />
Soetens O., et al.<br />
In young children, persistent wheezing<br />
is associated with bronchial bacterial<br />
infection: a retrospective analysis.<br />
BMC Pediatrics 2012; 12: 83<br />
Abstract<br />
Background<br />
Young children with persistent wheezing<br />
pose a diagnostic and therapeutical challenge<br />
to the pediatrician. We aimed to evaluate<br />
bacterial bronchial infection as a possible<br />
reason for non response to conventional<br />
asthma therapy, and to identify and characterise<br />
the predominant pathogens involved.<br />
Methods<br />
We retrospectively analysed microbiological<br />
and cytological findings in a selected population<br />
of young wheezers with symptoms<br />
unresponsive to inhaled corticosteroid (ICS)<br />
therapy, who un<strong>der</strong>went flexible bronchoscopy<br />
with bronchoalveolar lavage (BAL).<br />
Procedural measures were taken to limit<br />
contamination risk and quantitative bacterial<br />
culture of BAL fluid (significance cut-off ≥<br />
104 colony-forming units/ml) was used.<br />
Mo<strong>der</strong>n microbiological methods were used<br />
for detection of a wide panel of pathogens<br />
and for characterisation of the bacterial<br />
isolates.<br />
Results<br />
33 children aged between 4 and 38 months,<br />
without structural anomalies of the conductive<br />
airways were evaluated. Significant<br />
bacterial BAL cultures were found in 48,5%<br />
of patients. Haemophilus influenzae was<br />
isolated in 30,3%, Streptococcus pneumoniae<br />
in 12,1% and Moraxella catarrhalis in<br />
12,1%. All H. influenzae isolates were nonencapsulated<br />
strains and definitely distinguished<br />
from non-haemolytic H. haemolyticus.<br />
Respiratory viruses were detected in 21,9%<br />
of cases with mixed bacterial-viral infection<br />
in 12,1%. Cytology revealed a marked neutrophilic<br />
inflammation.<br />
Conclusions<br />
Bacterial infection of the bronchial tree is<br />
common in persistent preschool wheezers<br />
and provides a possible explanation for non<br />
response to ICS therapy. Non-typeable H.<br />
influenzae seems to be the predominant<br />
pathogen involved, followed by S. pneumoniae<br />
and M. catarrhalis.<br />
Kommentar (Mustapha Mazouni)<br />
Das Fortbestehen einer pfeifenden Atmung<br />
(Wheezing) trotz adäquater Behandlung mit<br />
inhalierten Kortikosteroiden, bei Kin<strong>der</strong>n im<br />
Vorschulalter, stellt für den Kin<strong>der</strong>arzt sowohl<br />
eine diagnostische als auch therapeutische<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung dar. Mehrere Studien haben<br />
kürzlich darauf hingewiesen, dass bakterielle<br />
Infekte für anhaltendes Wheezing verantwortlich<br />
sein könnten. Diese Beobachtungen veranlassten<br />
die Autoren, eine Studie bei asthmakranken<br />
Kin<strong>der</strong>n im Vorschulalter, die<br />
keine anatomischen Verän<strong>der</strong>ungen des Bronchialbaumes<br />
aufweisen, durchzuführen, ausgehend<br />
von <strong>der</strong> Hypothese, dass die bakterielle<br />
Infektion eine unabhängige Ursache <strong>der</strong><br />
Entzündung und andauernden Wheezings<br />
sein könnte. Obwohl die Studie eine nur kleine<br />
Anzahl Kin<strong>der</strong> (n=33) und keine Kontrollgruppe<br />
umfasst, verdienen folgende Ergebnisse<br />
Beachtung:<br />
• Das Vorhandensein durch BAL von nicht<br />
typisierbarem H. influenzae (NTHi) in den<br />
Atemwegen verursacht einen chronischen<br />
Infekt. Dieser stellt die hauptsächliche Ursache<br />
<strong>der</strong> Entzündung dar, die bei <strong>der</strong> zytologischen<br />
Untersuchung <strong>der</strong> alveolären<br />
Spülflüssigkeit festgestellt wurde.<br />
• Die antibiotische Behandlung (Amoxicillin<br />
o<strong>der</strong> Amoxicillin/Clavulansäure, nach Erhalten<br />
des Antibiogrammes) während zehn<br />
Tagen führte zum Abklingen des Wheezings<br />
bei sieben <strong>der</strong> 16 Kin<strong>der</strong>n, bei denen<br />
in <strong>der</strong> alveolären Spülflüssigkeit ein signifikantes<br />
bakterielles Wachstum nachgewiesen<br />
wurde.<br />
Diese Befunde wurden kürzlich durch weitere<br />
Studien bestätigt.<br />
Taillefer A., Casasoprana A.,<br />
Cascarigny F., et al.<br />
Infants wearing teething necklaces.<br />
Arch Pediatr 2012; 19: 1058–64.<br />
Abstract<br />
Numerous infants wear teething necklaces,<br />
a quack remedy with a real risk of strangulation<br />
or aspiration of small beads.<br />
Aims<br />
Evaluate parental perceptions and beliefs<br />
about the use of teething necklaces and<br />
analyze parental knowledge about the associated<br />
dangers.<br />
Material and methods<br />
Between March and July 2011, in three different<br />
pediatric units of a tertiary children’s<br />
hospital and a general hospital in Toulouse<br />
and Montauban (southwest France), voluntary<br />
parents were invited to be interviewed<br />
about their child wearing a teething necklace.<br />
The interviews were conducted following<br />
an anthropological approach: they were<br />
recorded and then fully transcribed and<br />
analyzed. Parents were informed that the<br />
conversation was recorded.<br />
Results<br />
During the study period, 48 children were<br />
eligible. Eleven families refused to participate,<br />
29 parents were interviewed face to face.<br />
The children’s mean age was 14 years ± 7<br />
months, the male: female ratio was equal to<br />
0.8 (12 boys, 15 girls). The mean age of<br />
children when necklace wearing was started<br />
was equal to 4 ± 2 months. The mean<br />
mother’s age was 31 ± 5 years and 33 ± 4<br />
years for fathers. The parents’ religion was<br />
mostly Catholic (60%). Teething necklaces<br />
were mainly made of amber (n=23). Sales<br />
information about the risks associated with<br />
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Zeitschriftenreview<br />
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the necklaces was for the most part absent<br />
(92%). The most frequent positive parental<br />
perceptions were analgesic properties and<br />
a soothing remedy (73%); a birth accessory<br />
and memory (64%); an esthetic accessory<br />
(60%); a protective amulet (60%); and an alternative<br />
or additional element to other traditional<br />
therapeutics (55%). The negative<br />
parental perceptions (n=4) were an unnecessary<br />
accessory, costume jewelry, a pure<br />
commercial abuse of a popular belief, a<br />
dangerous item with a risk of strangulation,<br />
and the absence of proof of its efficacy.<br />
Comments<br />
Although parents concede that teeth eruption<br />
is benign, they fear its related symptoms.<br />
To a natural phenomenon a natural response:<br />
they use a necklace to satisfy the analogy.<br />
The parental approach of this usage is<br />
consistent with accessorizing the child to<br />
protect and help them during a difficult stage.<br />
When informed of the danger of strangulation,<br />
numerous families preferred to continue<br />
this practice; their irrational fear of<br />
seeing their child suffer surpassed their fear<br />
of the risk of strangulation.<br />
Conclusion<br />
Putting necklaces on young children is dangerous.<br />
This risk must be diffused by all<br />
professionals working with small children in<br />
or<strong>der</strong> to stop any publicity or sale of this<br />
ineffective product implicated in infant<br />
deaths by strangulation<br />
Kommentar (Mustapha Mazouni)<br />
Es handelt sich um kein neues Thema, aber<br />
einer <strong>der</strong> Autoren ist es in seiner Doktorarbeit<br />
vom anthropologischen Gesichtspunkt aus<br />
angegangen, indem er die elterlichen Vorstellungen<br />
zum Tragen von Halsketten bei Säuglingen<br />
und die Wahrnehmung <strong>der</strong> damit verbundenen<br />
Gefahren durch diese Familien<br />
untersuchte.<br />
Die Gefahren dieser Halsketten wurden in <strong>der</strong><br />
pädiatrischen Literatur ausgiebig beschrieben<br />
(200 Todesfälle zwischen 1975 und 1978 in<br />
den USA und 30 Todesfälle in Frankreich im<br />
Jahr 2003).<br />
Nach einer kurzen historischen Übersicht zum<br />
Tragen von Halsketten im Verlaufe <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>te,<br />
betonen die Autoren folgende vier<br />
wesentliche Punkte ihrer Untersuchung:<br />
• Zahlreiche Familien beharren auf dem Tragen<br />
<strong>der</strong> Halsketten, obwohl sie über <strong>der</strong>en<br />
Gefahren informiert sind.<br />
• In ihren Vorstellungen mischen heutige Eltern<br />
Analogismus (nach Philippe Descola),<br />
Paradoxie, Familientradition und <strong>Vol</strong>ksglauben.<br />
• Die Halskette wirkt beruhigend auf die Eltern.<br />
• Kein Verkäufer hat die Eltern auf die Strangulierungs-<br />
o<strong>der</strong> Inhalationsgefahr (Perlen)<br />
aufmerksam gemacht.<br />
Hesselmar B. , Sjöberg F. , Saalman<br />
R. , et al.<br />
Pacifier cleaning practices and risk<br />
of allergy development. Pediatrics<br />
2013; 131 (6): e1829<br />
What’s known on this subject: Infants with<br />
a diverse gut microbial flora are less likely<br />
to develop eczema and allergy.<br />
What this study adds: Parental sucking of<br />
their infant’s pacifier is associated with a<br />
reduced risk of allergy development and an<br />
altered oral flora in their child. Transfer of<br />
oral microbes from parent to infant via the<br />
pacifier might be used in primary prevention.<br />
Abstract<br />
Objective<br />
Immune stimulation through exposure to<br />
commensal microbes may protect against<br />
allergy development. Oral microbes may be<br />
transferred from parents to infants via pacifiers.<br />
We investigated whether pacifier cleaning<br />
practices affected the risk of allergy<br />
development.<br />
Methods<br />
A birth-cohort of 184 infants was examined<br />
for clinical allergy and sensitization to airborne<br />
and food allergens at 18 and 36 months<br />
of age and, in addition, promptly on occurrence<br />
of symptoms. Pacifier use and<br />
pacifier cleaning practices were recorded<br />
during interviews with the parents when the<br />
children were 6 months old. The oral microbiota<br />
of the infants was characterized by<br />
analysis of saliva samples collected at 4<br />
months of age.<br />
Results<br />
Children whose parents «cleaned» their pacifier<br />
by sucking it (n=65) were less likely to<br />
have asthma (odds ratio [OR] 0.12; 95%<br />
confidence interval [CI] 0.01–0.99), eczema<br />
(OR 0.37; 95% CI 0.15–0.91), and sensitization<br />
(OR 0.37; 95% CI 0.10–1.27) at 18 months<br />
of age than children whose parents did not<br />
use this cleaning technique (n=58). Protection<br />
against eczema remained at age 36<br />
months (hazard ratio 0.51; P=.04). Vaginal<br />
delivery and parental pacifier sucking yielded<br />
independent and additive protective<br />
effects against eczema development. The<br />
salivary microbiota differed between children<br />
whose parents cleaned their pacifier by<br />
sucking it and children whose parents did<br />
not use this practice.<br />
Conclusions<br />
Parental sucking of their infant’s pacifier<br />
may reduce the risk of allergy development,<br />
possibly via immune stimulation by microbes<br />
transferred to the infant via the parent’s<br />
saliva.<br />
Kommentar (Rudolf Schlaepfer)<br />
Die Autoren führen am Ende ihres ausführlich<br />
dokumentierten Artikels eine in vieler Hinsicht<br />
interessante Diskussion.<br />
Der frühzeitige Erwerb einer komplexen<br />
Darmflora schützt vor dem Auftreten von<br />
Allergien, was vermuten lässt, dass die in<br />
symbioseähnlicher Verbindung lebenden Keime<br />
die Reifung des Immunsystems positiv<br />
beeinflussen. Hygienistische Hypothesen<br />
assoziieren ein geringeres Allergierisiko mit<br />
Armut, kin<strong>der</strong>reichen o<strong>der</strong> in engen Verhältnissen<br />
lebenden Familien, frühzeitigem Kontakt<br />
mit Haustieren o<strong>der</strong> Tieren auf einem<br />
Bauernhof sowie mit durch Nahrungsmittel<br />
eingenommenen Keimen. Der erste Kontakt<br />
findet im Munde statt, die Mundschleimhaut<br />
beherbergt eine komplexe Flora, bestehend<br />
aus mehreren hun<strong>der</strong>t weit verbreiteten<br />
Keimarten, die durch Kontakt, durch Küssen,<br />
Berühren und Ernähren des Kindes übertragen<br />
werden.<br />
In <strong>der</strong> vorliegenden Studie wurde die Entwicklung<br />
von 174 Kin<strong>der</strong>n bis ins Alter von 36<br />
Monaten verfolgt (längerfristige Nachkontrollen<br />
sind im Gange). Es wurden − noch während<br />
<strong>der</strong> Schwangerschaft − vorwiegend Kin<strong>der</strong> aus<br />
Familien mit mindestens einem an Allergien<br />
leidenden Familienmitglied in die Studie eingeschlossen<br />
(80% <strong>der</strong> Familien). Die geringe<br />
Anzahl Kin<strong>der</strong> wird durch die sehr minutiöse<br />
Untersuchung, einschliesslich zwei Blutentnahmen<br />
im Alter von 18 bzw. 36 Monaten,<br />
aufgewogen. Ausser Fragen zu möglichen<br />
confounding factors wurden den Eltern Fragen<br />
zu den Nuggigewohnheiten gestellt.<br />
Das Benutzen per se eines Nuggi korreliert<br />
nicht mit einer klinisch manifesten Allergie<br />
o<strong>der</strong> einer Sensibilisierung (erhöhte Anzahl<br />
Eosinophile und totales IgE sowie Vorhandensein<br />
spezifischer IgE für Nahrungsmittel- und<br />
Atemwegsallergene im Blut), das Steri li sieren<br />
des Nuggi erhöht die Asthma prävalenz (jedoch<br />
nicht signifikant), das Reinigen des<br />
48
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Zeitschriftenreview<br />
Nuggi durch in den Mund nehmen korreliert<br />
hingegen ganz eindeutig mit einer Abnahme<br />
des Asthmarisikos: Die Prävalenz von Asthma<br />
wie auch von Ekzem ist bei Kin<strong>der</strong>n, <strong>der</strong>en<br />
Eltern diese Gewohnheit haben, deutlich<br />
niedriger als bei Kin<strong>der</strong>n von Eltern, die dies<br />
nicht tun; in ge ringerem Masse gilt dies auch<br />
für die Sensibilisierung. Die Häufigkeit respiratorischer<br />
Infekte unterscheidet sich nicht.<br />
Die Gewohnheit <strong>der</strong> Eltern, den Nuggi durch<br />
Lutschen zu säubern ist nicht mit confounding<br />
factors wie Allergien <strong>der</strong> Eltern, Rauchen,<br />
Stilldauer, Einführen von fester Nahrung,<br />
Krankheiten und <strong>der</strong>en Behandlung o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Gegenwart von Haustieren assoziiert. Hingegen<br />
korreliert diese Gewohnheit sehr stark<br />
mit <strong>der</strong> Tatsache, dass das Kind vaginal entbunden<br />
wurde: Diese Eltern reinigen den<br />
Nuggi signifikant häufiger durch Lutschen als<br />
Eltern, <strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong> durch Kaiserschnitt geboren<br />
wurden (in dieser Serie 14%!).<br />
Die vaginale Geburt und das Lutschen des<br />
Nuggi durch die Eltern verleihen dem Kind<br />
einen kumulierten und voneinan<strong>der</strong> unabhängigen<br />
Schutz vor Allergien. So ist die Prävalenz<br />
des Ekzems im Alter von 18 Monaten bei<br />
vaginal geborenen Kin<strong>der</strong>n, <strong>der</strong>en Eltern am<br />
Nuggi lutschen, ca. 2.5-mal niedriger als bei<br />
Sectiokin<strong>der</strong>n, <strong>der</strong>en Eltern dies nicht tun<br />
(20% vs. 54%).<br />
Die Autoren erwähnen schliesslich das Kariesrisiko<br />
1) , eine in einer früheren Nummer von<br />
Paediatrica 2) auch behandelte Problematik.<br />
Sie zitieren dazu jedoch eine Studie gemäss<br />
welcher Karies nicht mit dem Benutzen eines<br />
Nuggi assoziiert ist 3) , und eine zweite, in welcher<br />
sogar eine eher negative Korrelation<br />
zwischen Karies und «engem» Kontakt durch<br />
Speichel zwischen Eltern und Kind vermutet<br />
wird 4) .<br />
Der grosse, damit verbundene Aufwand hin<strong>der</strong>t<br />
die Autoren zurzeit daran, genaue Angaben<br />
zu den Keimarten zu machen, die im<br />
Speichel <strong>der</strong> beiden Gruppen Kin<strong>der</strong> mehr<br />
o<strong>der</strong> weniger prävalent sind.<br />
Sie schliessen mit <strong>der</strong> Hypothese, dass die<br />
Übertragung von Keimen aus dem Mund <strong>der</strong><br />
Eltern zum Kind durch den Nuggi ein Mittel<br />
primärer Prävention sein könnte, die insbeson<strong>der</strong>e<br />
Sectiokin<strong>der</strong>n zugute kommen würde.<br />
Persönliche Schlussfolgerung<br />
Während meiner langjährigen Praxistätigkeit<br />
habe ich oft zu Boden gefallene Nuggis aufgehoben<br />
und unter den Wasserhahn gehalten,<br />
und oft erntete ich einen dankbaren Blick <strong>der</strong><br />
Eltern. Und doch war es total falsch … die<br />
wissenschaftliche, wie auch die historische<br />
Wahrheit ist jene, die uns anhand <strong>der</strong> verfügbaren<br />
Kenntnisse plausibel erscheint.<br />
Referenzen<br />
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LK, Nobre-dos-Santos M. Early childhood caries and<br />
mutans streptococci: a systematic review. Oral Health<br />
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a cohort study. Pediatr Dent. 1994; 16 (2): 110–116.<br />
Strabismus und Amblyopie<br />
erkennen, bevor sie irreversibel<br />
geworden sind …<br />
LANG-STEREOTEST I und II<br />
Einziger Random-<br />
Dot-Stereotest ohne<br />
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FMH-Quiz<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
FMH Quiz 55<br />
Fallvorstellung<br />
Ein 10-jähriger afro-amerikanischer Junge<br />
kommt zu Ihnen in die Praxis mit einer Geschichte<br />
von Magenschmerzen, Übelkeit, Blähungen<br />
und Durchfällen, die seit einem Jahr<br />
bestehen und etwa 45 bis 60 Minuten nach<br />
Genuss von Milchprodukten auftreten. Er<br />
sagt, dass diese Symptome erst auftreten,<br />
wenn er «zu viel» gegessen hat. Er zeigt kein<br />
Erbrechen, keinen Pruritus und hat nie Blut<br />
erbrochen o<strong>der</strong> ausgehustet. Die klinische<br />
Untersuchung zeigt einen Jungen in gutem<br />
Allgemeinzustand mit normalen Vitalparametern.<br />
Der Bauch ist weich mit normalen Darmgeräuschen,<br />
die Suche nach okkultem Blut im<br />
Stuhl ist negativ.<br />
Frage<br />
Welches ist die wahrscheinlichste Ursache für<br />
die beschriebene Symptomatik?<br />
Antworten<br />
A. Allergische eosinophile Gastro-Enteritis<br />
B. Laktoseintoleranz<br />
C. Kuhmilchproteinallergie<br />
D. Kuhmilchproteinbedingte Enterokolitis<br />
E. Orales Allergiesyndrom<br />
Kommentar<br />
1. Welches ist die wahrscheinlichste<br />
Diagnose?<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Anamnese kann eine rasch<br />
(aber nicht unmittelbar) nach Einnahme milchhaltiger<br />
Produkte eintretende Diagnose vermutet<br />
werden. Die beschriebene klinische<br />
Präsentation mit<br />
• Schmerzen, Blähungen und Durchfall, jedoch<br />
• ohne Erbrechen, Hämatemesis, Blutabgang<br />
ab ano, chronische Diarrhö o<strong>der</strong> Fettstühle<br />
lässt vermuten, dass es sich we<strong>der</strong> um Protein<br />
noch Fett, son<strong>der</strong>n um Laktose als Auslöser<br />
handelt.<br />
Aufgrund des Alters (> 5 Jahre), <strong>der</strong> Herkunft,<br />
<strong>der</strong> sonst guten Gesundheit und <strong>der</strong> unauffälligen<br />
körperlichen Untersuchungsbefunde kann<br />
mit genügen<strong>der</strong> Sicherheit die klinische Diagnose<br />
einer Laktoseintoleranz gestellt werden.<br />
Innerhalb <strong>der</strong> Differentialdiagnose <strong>der</strong> Laktoseintoleranz<br />
kann ein kongenitaler Laktasemangel,<br />
<strong>der</strong> ohne Behandlung innerhalb weniger<br />
Tage tödlich verliefe, selbstverständlich<br />
ausgeschlossen werden. In <strong>der</strong> Gruppe sekundärer<br />
Laktoseintoleranz können eine Cystische<br />
Fibrose, ein Morbus Crohn o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />
chronisch-entzündliche Darmerkrankungen,<br />
eine Parasitose (Lamblien) sowie die übermässige<br />
Verabreichung von Antibiotika o<strong>der</strong><br />
Protonenpumpenhemmer ausgeschlossen<br />
werden. Eine Zöliakie muss (je nach Resultat<br />
einer probatorischen Therapie – siehe unten)<br />
in einer Population mit erhöhter Prävalenz<br />
(zum Beispiel Italien mit 1:200 Kin<strong>der</strong>) vermutet<br />
werden, erscheint dagegen bei einem Kind<br />
afrikanischer Herkunft wenig wahrscheinlich.<br />
Zudem wäre die beschriebene Manifestation<br />
sehr atypisch, trotz <strong>der</strong> bekanntermassen mannigfaltigen<br />
Manifestationen einer Zöliakie.<br />
Klinisch handelt es sich somit um eine primäre<br />
Laktoseintoleranz, die im englischen<br />
Sprachgebrauch auch als «ethnisch bedingt»<br />
bezeichnet wird – <strong>der</strong> Begriff weist auf die<br />
erhöhte Prävalenz in bestimmten Bevölkerungen<br />
hin: Afrika 65–75% und gewisse asiatische<br />
Regionen sowie amerikanische Ureinwohner<br />
> 90%.<br />
2. Weitere vorgeschlagene<br />
Differentialdiagnosen:<br />
E. Orales Allergiesyndrom, auch als gekreuzte<br />
Allergie bezeichnet. Es wird davon<br />
ausgegangen, dass es sich um eine Kontaktallergie<br />
bei Patienten mit allergischer Rhinitis<br />
handelt. Die Symptome sind auf den Oropharynx<br />
beschränkt; dazu gehören das praktisch<br />
unmittelbare Auftreten von Juckreiz, Irritation<br />
und Schwellung <strong>der</strong> Lippen, Zunge, Gaumen<br />
und Rachen nach Einnahme von Früchten<br />
o<strong>der</strong> frischem, beziehungsweise ungekochtem<br />
Gemüse. Die klinische Beschreibung bei<br />
diesem Patienten stimmt damit nicht überein.<br />
C. Kuhmilchproteinallergie<br />
D. Kuhmilchproteinbedingte Enterokolitis<br />
Eine Kuhmilproteinallergie manifestiert sich<br />
meist bereits während <strong>der</strong> ersten Lebensmonate,<br />
wobei IgE-vermittelte und nicht-IgEvermittelte<br />
Formen vorkommen:<br />
IgE-vermittelte Reaktionen treten in <strong>der</strong><br />
Regel innerhalb von wenigen Minuten bis 2<br />
Stunden nach Einnahme auf. Zu den Symptomen<br />
gehören Hautmanifestationen (Juckreiz,<br />
Urtikaria), Beschwerden im Oropharynx (Juckreiz,<br />
Schwellung <strong>der</strong> Lippen),Stridor, respiratorische<br />
(Husten, Asthmaanfall) und kardiovaskuläre<br />
(bis zum anaphylaktischen Schock)<br />
Symptome sowie gastro-intestinale Beschwerden,<br />
zumeist mit Erbrechen.<br />
Die durch Nahrungsmittel, beziehungsweise<br />
spezifisch durch Kuhmilchproteine bedingte,<br />
Enterokolitis (food protein-induced enterocolitis<br />
syndrome, FPIES) kann sich auf zwei<br />
verschiedene Arten manifestieren: Typischerweise<br />
2–4 Stunden nach dem ersten Kontakt,<br />
o<strong>der</strong> nach einer (unbeabsichtigten) Re-Exposition<br />
treten Erbrechen und massive Durchfälle<br />
auf, welche zu Dehydratation und Lethargie<br />
sowie bis zum Schock führen können.<br />
Die chronische Exposition mit dem verantwortlichen<br />
Agens führt zu Erbrechen, Durchfällen,<br />
Gedeihstörung und bisweilen zu einer<br />
Hypalbuminämie.<br />
Nicht-IgE-vermittelte Reaktionen treten in<br />
<strong>der</strong> Regel nach einer längeren Latenzzeit (> 2<br />
Stunden) auf.<br />
Die Symptomatik beim beschriebenen Patienten<br />
ist we<strong>der</strong> mit einer IgE-vermittelten noch<br />
mit einer nicht-IgE-vermittelten Reaktion vereinbar.<br />
A. allergische eosinophile<br />
Gastro-Enteritis<br />
Die allergische eosinophile Gastro-Enteritis<br />
kann in jedem Alter auftreten. Sie manifestiert<br />
sich durch Übelkeit, Abdominalschmerzen,<br />
Durchfall, Malabsorption und Gewichtsverlust,<br />
wobei die Symptome abhängig von<br />
<strong>der</strong> Ausdehnung <strong>der</strong> betroffenen Darmabschnitte<br />
sind. Rund die Hälfte <strong>der</strong> Betroffenen<br />
haben zusätzlich eine atopische Diathese;<br />
Nahrungsmittelallergien, Asthma, Ekzeme<br />
und Rhinitis.<br />
Im Gegensatz zur eosinophilen Oesophagitis<br />
bewirkt das Vermeiden von Nahrungsmittelallergenen<br />
jedoch keine o<strong>der</strong> keine wesentliche<br />
klinische Besserung bei den betroffenen Patienten.<br />
Teilweise vermag die beim Patienten beschriebene<br />
akute Symptomatik mit dieser Diagnose<br />
übereinzustimmen; die fehlende Angabe einer<br />
Atopie und insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> sehr gute Allgemeinzustand<br />
ein Jahr nach Beginn <strong>der</strong> Symptomatik<br />
sprechen jedoch dagegen.<br />
50
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
FMH-Quiz<br />
3. Vorgeschlagenes Vorgehen in <strong>der</strong><br />
kin<strong>der</strong>ärztlichen Praxis<br />
Klinisch handelt es sich somit um eine primäre<br />
Laktoseintoleranz. Das schrittweise Vorgehen<br />
beginnt mit einer strikten Eliminationsdiät,<br />
wobei sichergestellt werden muss, dass<br />
ansonsten eine unverän<strong>der</strong>t normale Ernährung<br />
fortgesetzt wird. Insbeson<strong>der</strong>e soll darauf<br />
geachtet werden, dass nicht gleichzeitig<br />
eine glutenfreie Ernährung eingeführt wird –<br />
zunehmend wird durch Laien, ohne wissenschaftliche<br />
Begründung, eine glutenfreie Diät<br />
empfohlen. Konkret wird somit empfohlen,<br />
ausschliesslich laktosefreie Milchprodukte zu<br />
konsumieren und sonst eine normale Ernährung,<br />
aber ohne Michzusätze. Nach 2–3 Wochen<br />
kann bei Kin<strong>der</strong>n, die zuvor zumindest<br />
mehrfach wöchentlich Laktose konsumierten,<br />
eine genügende Beurteilung des Effektes <strong>der</strong><br />
Diät erfolgen.<br />
Bei überzeugendem Resultat <strong>der</strong> Eliminationsdiät<br />
kann die Diagnose definitiv bestätigt<br />
werden. In <strong>der</strong> Folge können schrittweise<br />
laktosehaltige Nahrungsmittel wie<strong>der</strong> eingeführt<br />
werden; dies erlaubt die individuelle<br />
Toleranzgrenze zu finden, welche einen beschwerdefreien<br />
Konsum von Laktose erlaubt.<br />
Dazu geeignet sind Milchprodukte mit geringem<br />
Laktosegehalt wie Butter, Hartkäse sowie<br />
gewisse Joghurt, die Laktase enthalten.<br />
Dieses Vorgehen ist äusserst kostengünstig,<br />
es genügen zwei Konsultationen von zirka 30<br />
Minuten und allenfalls eine telefonische Rücksprache.<br />
Bei diesem Vorgehen wird die Eliminationsdiät<br />
bei einem gewissen Anteil <strong>der</strong> Patienten<br />
keine abschliessende Diagnose erlauben.<br />
Nach Überprüfung <strong>der</strong> korrekten Durchführung<br />
<strong>der</strong> Diät (liebevolle Sabotage durch<br />
Grosseltern, Krippe etc.?) muss die initiale<br />
klinische Verdachtsdiagnose überprüft werden;<br />
in dieser Situation müssen gegebenenfalls<br />
auch gezielt an<strong>der</strong>e mögliche Ursachen<br />
(Zöliakie, Lamblien, vgl. oben) ausgeschlossen<br />
werden. In einem dritten Schritt, falls die<br />
Diagnose weiterhin unklar bleibt, kann <strong>der</strong><br />
Patient einem pädiatrischen Gastroenterologen<br />
zur Weiterabklärung zugewiesen werden.<br />
urtümlichen Jägern und Sammlern vormals<br />
physiologische Genotyp CC in <strong>der</strong> Position -<br />
13910 <strong>der</strong> Regulatorregion des Laktase-Gens<br />
führt bei unserer Ernährung mit entsprechendem<br />
Laktosekonsum zum klinischen Erscheinungsbild<br />
einer Laktoseintoleranz. Historisch<br />
haben wahrscheinlich Bevölkerungen mit hohem<br />
Laktosekonsum eine Mutation entwickelt,<br />
welche zur Persistenz einer hohen intestinalen<br />
Laktaseaktivität führt. Diese Personen<br />
sind entwe<strong>der</strong> homozygot für den Genotyp<br />
– 13910 TT o<strong>der</strong> heterozygot – 13910 TC.<br />
Der fehlende Nachweis eines zur Laktoseintoleranz<br />
prädisponierenden Genotyps erlaubt<br />
den Ausschluss einer primären Laktoseintoleranz<br />
(jedoch keineswegs einer sekundären<br />
Lakotseintoleranz!).<br />
Der Nachweis eines solchen Genotypes entbindet<br />
jedoch nicht von einer klassischen<br />
Abklärung, bei Bedarf mit Atemtest, und von<br />
<strong>der</strong> Suche nach einer sekundären Laktoseintoleranz;<br />
insbeson<strong>der</strong>e in atypischen Situati-<br />
onen, bei Anzeichen einer organischen Erkrankung<br />
o<strong>der</strong> bei Persistenz <strong>der</strong> Symptome<br />
trotz korrekt durchgeführter laktosefreier<br />
Diät.»<br />
Referenzen<br />
1) Montgomery RK et al. Lactose intolerance. In Up-<br />
ToDate, Friedmann LS (Ed), UpToDate, Waltham,<br />
MA, 2013 (www.uptodate.com, letzter Zugriff<br />
05.07.2013).<br />
2) Jarvinen-Seppo KM. Milk allergy: Clinical features<br />
and diagnosis. In UpToDate, Sicherer SH (Ed), Up-<br />
ToDate, Waltham, MA, 2013 (www.uptodate.com,<br />
letzter Zugriff 05.07.2013).<br />
3) Burks W. Clinical manifestations of food allergy: An<br />
overview. In UpToDate, Sicherer SH (Ed), UpToDate,<br />
Waltham, MA, 2013 (www.uptodate.com, letzter<br />
Zugriff 05.07.2013).<br />
4) Nowak-Węgrzyn A. Food protein-induced enterocolitis<br />
syndrome (FPIES) In UpToDate, Sicherer SH<br />
(Ed), UpToDate, Waltham, MA, 2013 (www.uptodate.com,<br />
letzter Zugriff 05.07.2013).<br />
5) Benkebil F, Roulet M. Laktoseintoleranz im Kindesalter:<br />
beeibflusst die Genetik unser Vorgehen? Paediatrica<br />
2007; 18 (1): 22–4.<br />
Korrespondenzadresse<br />
alexandre.corboz@gmail.com<br />
4. Genetische Untersuchung?<br />
Die Ausführungen von Benkebil F et al in Paediatrica<br />
(5) haben immer noch Gültigkeit<br />
(leicht abgeän<strong>der</strong>ter Text):<br />
«Der genetische Ursprung einer Laktoseintoleranz<br />
konnte aufgezeigt werden. Der bei den<br />
51
Kaktus<br />
<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />
Besserer Schutz vor Epidemien<br />
dank neuem Gesetz<br />
Abstimmung vom 22. September 2013<br />
Die Referendumsführer konzentrieren ihre<br />
Kritik hauptsächlich auf das Thema Impfen.<br />
Sie behaupten, das neue Gesetz führe einen<br />
Impfzwang ein. Dies trifft aber in keiner Weise<br />
zu. Im Gegenteil: Während das heutige Gesetz<br />
es den Kantonen ohne nähere Bedingungen<br />
erlaubt, Impfungen für obligatorisch zu erklären,<br />
schränkt das neue Gesetz diese Möglichkeit<br />
klar ein. Neu dürfen solche Obligatorien<br />
nur noch bei einer erheblichen Gefahr und nur<br />
für einzelne Personengruppen erlassen werden.<br />
Und auch dann gilt wie bereits heute:<br />
Jede Person kann frei entscheiden, ob sie sich<br />
impfen lassen will o<strong>der</strong> nicht. Einen Impfzwang<br />
gibt es nicht. Bei einer Ablehnung des<br />
neuen Epidemiengesetzes könnten die Kantone<br />
jedoch wie bisher uneingeschränkt Obligatorien<br />
verfügen.<br />
Aus diesen Gründen ruft das Abstimmungskomitee<br />
die Bevölkerung auf, am 22. September<br />
2013 Ja zu stimmen. Nur so kann die Schweiz<br />
wirksam vor den ansteckenden Krankheiten<br />
<strong>der</strong> heutigen Zeit geschützt werden.<br />
Am kommenden 22. September stimmt die<br />
Schweiz über das neue Epidemiengesetz<br />
ab. Dieses will die Bevölkerung besser vor<br />
gefährlichen Infektionskrankheiten schützen<br />
als dies mit dem heutigen, veralteten<br />
Gesetz möglich ist. Eine breite Allianz von<br />
Organisationen aus allen Bereichen des<br />
Gesundheitswesens ist überzeugt, dass es<br />
das neue Gesetz braucht und setzt sich für<br />
ein Ja ein.<br />
Die Muster des Auftretens und die Verbreitung<br />
von übertragbaren Krankheiten haben<br />
sich in den letzten Jahrzehnten markant verän<strong>der</strong>t.<br />
Epidemien wie SARS, Schweine- und<br />
Vogelgrippe haben gezeigt, dass neue Krankheitserreger<br />
sich in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen, globalisierten<br />
und mobilen Welt sehr schnell verbreiten<br />
können. Das geltende Epidemiengesetz aus<br />
dem Jahr 1970 ist diesen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
nicht mehr gewachsen.<br />
Deshalb wurde es umfassend überarbeitet.<br />
National- und Stän<strong>der</strong>at haben dem neuen<br />
Epidemiengesetz (EpG) mit grossen Mehrheiten<br />
zugestimmt. Es kommt am 22. September<br />
2013 zur Abstimmung, weil dagegen das Referendum<br />
ergriffen worden ist.<br />
Besserer Schutz <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
Das neue Epidemiengesetz sieht Massnahmen<br />
vor, um übertragbare Krankheiten besser<br />
zu verhüten, zu bekämpfen, zu überwachen<br />
und früher zu erkennen. Unter an<strong>der</strong>em sollen<br />
nationale Programme den Schutz <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
verbessern, Infektionen im Spital<br />
bekämpfen und die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen<br />
verhin<strong>der</strong>n. Ein dreistufiges<br />
Eskalationsmodell regelt die Zuständigkeiten<br />
von Bund und Kantonen in Krisensituationen,<br />
ein ständiges Koordinationsgremium stellt<br />
<strong>der</strong>en Zusammenarbeit im Alltag sicher. Die<br />
Kompetenz, Impfungen für obligatorisch zu<br />
erklären, wird eingeschränkt. Neue Datenschutzbestimmungen<br />
definieren zudem, welche<br />
Daten von wem zu welchen Zwecken gesammelt<br />
werden dürfen und wie stark sie<br />
anonymisiert sein müssen.<br />
Rund 20 Organisationen aus allen Bereichen<br />
des Gesundheitswesens und weiteren Kreisen<br />
setzen sich für ein Ja zum neuen Epidemiengesetz<br />
ein. Sie haben unter Fe<strong>der</strong>führung von<br />
Public Health Schweiz, <strong>der</strong> nationalen Organisation<br />
<strong>der</strong> öffentlichen Gesundheit, ein grosses<br />
Abstimmungskomitee gebildet. Darunter<br />
sind unter an<strong>der</strong>em die Ärzteverbindung FMH,<br />
<strong>der</strong> Schweizerische Apothekerverband pharmaSuisse,<br />
<strong>der</strong> Schweizerische Berufsverband<br />
<strong>der</strong> Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner<br />
SBK und das Konsumentenforum. Auch die<br />
Schweizerische <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie<br />
(SGP) und Kin<strong>der</strong>ärzte.schweiz haben sich<br />
dem Ja Komitee angeschlossen.<br />
Sie alle sind gemeinsam <strong>der</strong> Überzeugung,<br />
dass die Schweiz das neue Epidemiengesetz<br />
braucht, weil es die Bevölkerung besser<br />
vor den heutigen Gefahren von Epidemien<br />
schützt. Ansteckende Krankheiten können<br />
frühzeitig erkannt und wirksamer bekämpft<br />
werden. Patientinnen und Patienten wie auch<br />
das Personal können besser vor Ansteckungen<br />
im Spital geschützt werden. Gegen die<br />
zunehmenden Antibiotika-Resistenzen werden<br />
Massnahmen ergriffen. Bund und Kantone<br />
können Krisensituationen besser bewältigen.<br />
Impfobligatorium<br />
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