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trafik a nten zeitung Mai/2013

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international<br />

Aus Freude am Verbieten<br />

Der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg scheint ein heimlicher Puritaner zu sein:<br />

Nachdem er mit seinem gepla<strong>nten</strong> Verbot für Kingsize-Getränkebecher spektakulär Schiffbruch<br />

erlitten hat, will er nun seine Stadt zum US-Vorreiter eines Ausstellungsverbots für Tabakwaren<br />

machen. Der Widerstand ist heftig. (cspnet.com, mh)<br />

Der Herr Bürgermeister<br />

möchte damit Kinder<br />

und Jugendliche vor<br />

der Verführung durch<br />

Tabakprodukte schützen: „Junge<br />

Leute sind das Ziel des Marketings;<br />

dazu sind Zigaretten überall<br />

erhältlich. Die Gesetzgebung<br />

will nur eine weitere Generation<br />

vor schlechter Gesundheit und<br />

der mit dem Rauchen verbundenen<br />

kürzeren Lebenserwartung<br />

bewahren.“<br />

Handel auf den<br />

Barrikaden<br />

Jim Calvin bringt als Präsident<br />

der New Yorker Vereinigung der<br />

Einzelhändler NYACS die Stimmung<br />

seiner Mitglieder auf den<br />

Punkt: „Lizenzierte, steuerzahlende<br />

und das Gesetz achtende<br />

Verkäufer dazu zu zwingen, ihre<br />

Tabakwaren zu verstecken, ist<br />

einfach absurd!“<br />

Zur Begründung seiner Idee zitiert<br />

Bloomberg aus Studien, die<br />

beweisen sollen, dass „die Sichtbarkeit<br />

von Tabakwaren im Geschäft<br />

die Wahrscheinlichkeit erhöht,<br />

dass Jugendliche mit Tabak<br />

experimentieren und danach abhängig<br />

werden“.<br />

Dazu meint Jim Calvin: „Die<br />

Gesetzesvorlage geht von der<br />

wilden Annahme aus, dass der<br />

bloße Anblick von Zigarettenpackungen<br />

hinter dem Tresen<br />

Kinder zum Rauchen bringt.<br />

Sichtbares Bier im Getränkeladen<br />

bringt die Kids nicht zum<br />

Bislang ist der Kauf von Zigaretten erst ab 18 Jahren erlaubt.<br />

Nach jüngsten Plänen soll das Mindestalter gar auf 21 angehoben<br />

werden – weil nach Studien die meisten Raucher<br />

schon davor beginnen. Eine Tabakprohibition wäre ehrlicher<br />

Saufen, und der Anblick von<br />

Lotteriescheinen macht auch<br />

nicht gleich Spielsüchtige aus<br />

ihnen. Genauso wenig wie die<br />

Sichtbarkeit von Kondomen<br />

in der Apotheke automatisch<br />

zu vorehelichem Sex führt. Bei<br />

Zigaretten scheint das aber alles<br />

anders zu sein – deren Verpackung<br />

muss wohl über hypnotische<br />

Kräfte verfügen.“<br />

Mindestpreis:<br />

10,50 Dollar<br />

Der nichtrauchende Milliardär<br />

Bloomberg lässt aber gleich noch<br />

eine paar kreative Ideen zur Tabakbekämpfung<br />

vom Stapel: In<br />

einem beschönigend „Sensible<br />

Tobacco Enforcement“, also<br />

„Vernünftiger Umgang mit Tabak“<br />

benan<strong>nten</strong> Maßnahmenpapier<br />

will Bloomberg Händler-<br />

rabatte des sonst ja nicht preislich<br />

geregelten US-Tabakmarktes<br />

verbieten – ein Mindestpreis für<br />

New York also.<br />

Schon heute sind im Big Apple<br />

dank Mehrfachbesteuerung<br />

Zigaretten so teuer wie sonst<br />

nirgendwo in den USA – im<br />

400 Kilometer entfer<strong>nten</strong> New<br />

Hampshire zahlt man nur 45<br />

Prozent des New Yorker Preises!<br />

Bloomberg fordert nun einen<br />

Mindestpreis von 10,50 Dollar<br />

(ca. 8 Euro) pro Packung. Und<br />

gleich auch noch Mindestmengen<br />

von vier Stück für Zigarillos und<br />

20 Stück für günstige Cigarren<br />

(< 3 $).<br />

„Gesetzestreue Händler<br />

schützen ...”<br />

Dabei ist das Schmuggelproblem<br />

der Hafenstadt schon jetzt groß,<br />

wie der Bürgermeister nur zu gut<br />

weiß: Durch illegale Tabakverkäufe<br />

entsteht den USA jährlich<br />

ein Schaden von fünf Milliarden<br />

Dollar, und allein New York verliert<br />

je nach Schätzung 250 bis<br />

600 Millionen. Es handelt sich<br />

dabei nicht um vereinzelte Fälle,<br />

wie Bloomberg ausführt: „Bei<br />

46 Prozent von 1.900 innerhalb<br />

von 18 Monaten überprüften<br />

Zigarettenhändlern wurde ungestempelte<br />

oder ganz unversteuerte<br />

Ware gefunden. Das setzt gesetzestreue<br />

Händler enorm unter<br />

Druck, weil sie einen Wettbewerbsnachteil<br />

haben. Die Strafen<br />

für solche Delikte sollen deshalb<br />

verdoppelt werden.“<br />

Realitätsverlust?<br />

Wenn allerdings die Hälfte aller<br />

Händler betroffen ist, zeigt<br />

dies ein generelles Problem auf:<br />

Offenbar sind die amerikanischen<br />

Raucher nicht bereit,<br />

beliebig viel für ihre Zigaretten<br />

zu bezahlen. Und höhere steuerliche<br />

Begehrlichkeiten – wie im<br />

Fall von New York – verschlimmern<br />

das Problem nur noch.<br />

Aber das kennen wir ja.<br />

Eines hat Bloomberg jedoch<br />

schon erreicht: Aufgrund der<br />

ständigen Treibjagden gegen<br />

Raucher und vielfältigster<br />

Rauchverbote hat sich New<br />

York längst zur Boomtown der<br />

E-Zigaretten entwickelt. Und an<br />

denen verdient die Stadt einen<br />

Schmarrn ...<br />

Foto: Bloomberg News<br />

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<strong>trafik</strong> a <strong>nten</strong> <strong>zeitung</strong> <strong>Mai</strong>/<strong>2013</strong>

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