PDF of the full article - Transplantation.de
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<strong>Transplantation</strong>smedizin<br />
2010, 22. Jahrg., S. 248<br />
H. Schmidt et al.: Interdisziplinäres Lehr-Modul zur <strong>Transplantation</strong> für das klinische Medizinstudium<br />
H. Schmidt 1 , J. Becker 2 ,<br />
H. Frie<strong>de</strong>richs 2 , T. Geldmacher 3 ,<br />
B. Marschall 2 , J. Sensmeier 2 ,<br />
F. A. Muthny 3<br />
Interdisziplinäres Lehr-Modul zur<br />
<strong>Transplantation</strong> für das klinische<br />
Medizinstudium –<br />
Konzeption, Durchführung und<br />
Evaluationsergebnisse<br />
Organtransplantationen ermöglichen vielen Patienten ein Überleben<br />
und tragen entschei<strong>de</strong>nd zur Verbesserung <strong>de</strong>r Lebensqualität<br />
bei. Die Möglichkeiten dieser wertvollen Behandlungsmetho<strong>de</strong><br />
wer<strong>de</strong>n wesentlich durch Wissen, Kompetenzen und Motivation<br />
von Ärzten bestimmt, die in <strong>de</strong>r <strong>Transplantation</strong>schirurgie und Intensivmedizin<br />
großen Einfluss auf die Ausschöpfung <strong>de</strong>r Möglichkeiten<br />
haben. Aber auch an<strong>de</strong>re Ärzte wie beispielsweise Internisten<br />
und Allgemeinmediziner sind sehr wichtig in diesem Prozess.<br />
Daher hat eine Initiativgruppe am Universitätsklinikum Münster<br />
(UKM) ein Lehrmodul entwickelt und systematisch eingesetzt, das<br />
allen Medizinstudieren<strong>de</strong>n im klinischen Studienabschnitt Grundkenntnisse<br />
zu medizinischen, ethischen und psychosozialen Aspekten<br />
<strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong> und <strong>Transplantation</strong> vermittelt und auch konkret<br />
die Vorgehensweise <strong>de</strong>r Allokation, Indikation, <strong>Transplantation</strong>schirurgie<br />
und Nachsorge behan<strong>de</strong>lt. Der <strong>de</strong>zidiert interdisziplinäre<br />
Ansatz setzt zu<strong>de</strong>m unterschiedliche Lehrmetho<strong>de</strong>n wie Vorlesung,<br />
problemorientiertes Lernen und Kleingruppenarbeit ein. Im<br />
Rahmen <strong>de</strong>s Münsteraner „Studienhospitals“ wer<strong>de</strong>n auch Hirntod-<br />
Diagnostik geübt und unter Einsatz von Schauspielern die Kommunikation<br />
mit Patienten und Angehörigen plötzlich Verstorbener trainiert.<br />
Die Ergebnisse <strong>de</strong>r stu<strong>de</strong>ntischen Fragebogen-Evaluation mit<br />
82 Studieren<strong>de</strong>n (83% Rücklaufquote) zeigen eine gute Akzeptanz<br />
<strong>de</strong>s Moduls und weisen nicht nur auf einen Wissenszuwachs, son<strong>de</strong>rn<br />
auch auf vielfältige Wirkungen im Sinne verän<strong>de</strong>rter Einstellungen<br />
und erhöhter Handlungskompetenzen im Hinblick auf <strong>de</strong>n<br />
Spen<strong>de</strong>prozess, die <strong>Transplantation</strong>, Angehörigenbetreuung und<br />
Nachsorge hin.<br />
1<br />
Klinik und Poliklinik für <strong>Transplantation</strong>smedizin,<br />
Universitätsklinikum<br />
Münster (UKM)<br />
2<br />
Institut für Ausbildung und Studienangelegenheiten<br />
(IfAS), Medizinische<br />
Fakultät <strong>de</strong>r Universität Münster<br />
3<br />
Institut für Medizinische Psychologie,<br />
Universitätsklinikum Münster (UKM)<br />
Schmidt H, Becker J, Frie<strong>de</strong>richs H,<br />
Geldmacher T, Marschall B, Sensmeier<br />
J, Muthny FA (2010) Interdisziplinäres<br />
Lehr-Modul zur <strong>Transplantation</strong> für das<br />
klinische Medizinstudium – Konzeption,<br />
Durchführung und Evaluationsergebnisse.<br />
Tx Med 22: 248-254<br />
Schlüsselwörter: <strong>Transplantation</strong>, Organspen<strong>de</strong>, Medizinstudium,<br />
Lehrevaluation<br />
Interdisciplinary Teaching Module for <strong>Transplantation</strong> –<br />
Concept, Management and Evaluation<br />
Organ transplantation gives many patients <strong>the</strong> chance to survive<br />
and contributes <strong>de</strong>cisively to <strong>the</strong> quality <strong>of</strong> life. The opportunities<br />
<strong>of</strong> this valuable treatment method fundamentally <strong>de</strong>pend on <strong>the</strong><br />
knowledge, competencies and motivation <strong>of</strong> medical doctors, who<br />
do not only play an important role in transplant surgery and intensive<br />
care, but can also be very important in <strong>the</strong> process <strong>of</strong> organ<br />
transplantation and in general practice. For this reason a initiati-
H. Schmidt et al.: Interdisziplinäres Lehr-Modul zur <strong>Transplantation</strong> für das klinische Medizinstudium <strong>Transplantation</strong>smedizin<br />
2010, 22. Jahrg., S. 249<br />
ve group at <strong>the</strong> university hospital <strong>of</strong> Muenster (Germany) has <strong>de</strong>veloped<br />
and systematically applied a teaching unit, which provi<strong>de</strong>s<br />
for all medical stu<strong>de</strong>nts in clinical studies basic knowledge on medical,<br />
ethical and psychosocial aspects <strong>of</strong> organ donation, and also<br />
<strong>de</strong>als concretely with <strong>the</strong> procedures <strong>of</strong> allocation, indication,<br />
transplant surgery and aftercare. The <strong>de</strong>liberate interdisciplinary<br />
approach uses different teaching methods as lectures, problem oriented<br />
learning and small group work. Within <strong>the</strong> frame <strong>of</strong> <strong>the</strong> “teaching<br />
hospital” <strong>of</strong> Muenster, brain <strong>de</strong>ath diagnostics, communication<br />
with transplant patients and with bereaved relatives is trained,<br />
using actors as simulated patients and relatives. The results <strong>of</strong> <strong>the</strong><br />
questionnaire evaluation by 82 stu<strong>de</strong>nts (83% return rate) show a<br />
good acceptance <strong>of</strong> <strong>the</strong> teaching unit and do not only improvement<br />
<strong>of</strong> knowledge but also manifold effects in terms <strong>of</strong> changed attitu<strong>de</strong>s<br />
and improved action competencies with respect to <strong>the</strong> donation<br />
process, <strong>the</strong> transplantation procedure, <strong>the</strong> caring for <strong>the</strong> relatives<br />
and <strong>the</strong> aftercare.<br />
Key words: organ transplantation, organ donation, medical education,<br />
evaluation<br />
Einführung<br />
Die <strong>Transplantation</strong> verschie<strong>de</strong>ner Organe<br />
rettet tagtäglich das Leben vieler<br />
Menschen. Ca. 4.000 <strong>Transplantation</strong>en<br />
soli<strong>de</strong>r Organe wer<strong>de</strong>n jährlich alleine<br />
in Deutschland durchgeführt (DSO,<br />
2009). Die <strong>Transplantation</strong>smedizin<br />
und damit die Organspen<strong>de</strong> ist gesellschaftlich<br />
gewollt und bedarf <strong>de</strong>shalb<br />
einer pr<strong>of</strong>essionellen Umsetzung. Die<br />
rasante Entwicklung <strong>de</strong>r <strong>Transplantation</strong><br />
soli<strong>de</strong>r Organe hat seit<strong>de</strong>m dazu geführt,<br />
dass die <strong>Transplantation</strong> <strong>de</strong>r Organe<br />
Herz, Lunge, Leber, Niere, Pankreas<br />
und Dünndarm eine etablierte<br />
Therapie darstellt. Die Indikationen haben<br />
sich <strong>de</strong>utlich erweitert und auch das<br />
Management <strong>de</strong>r Patienten vor und<br />
nach <strong>Transplantation</strong> hat sich enorm<br />
verbessert (Moini et al., 2010; Eid et al.,<br />
2010). Die heutige <strong>Transplantation</strong>smedizin<br />
stellt somit eine komplexe interdisziplinäre<br />
Teamarbeit dar. So arbeiten<br />
u.a. <strong>Transplantation</strong>schirurgen, Pädiater,<br />
Nephrologen, Kardiologen, Hepatologen,<br />
Gastroenterologen, Medizinpsychologen<br />
bzw. Psychosomatiker, St<strong>of</strong>fwechselexperten,<br />
Gefäßchirurgen, Anäs<strong>the</strong>sisten,<br />
Intensivmediziner, Pathologen,<br />
Radiologen, Immunologen und<br />
Labormediziner zusammen. In einigen<br />
Fällen, so vor allem bei schweren Herzund<br />
Lebererkrankungen, stellt die<br />
<strong>Transplantation</strong> die einzige Behandlungsmöglichkeit<br />
dar und eröffnet als<br />
einzige Therapie eine längerfristige<br />
Überlebensmöglichkeit (Steadman et<br />
al., 2010). In an<strong>de</strong>ren Fällen, wo mehrere<br />
Therapieoptionen bestehen, wie z.B.<br />
mit Hämodialyse, Peritoneldialyse und<br />
<strong>Transplantation</strong> nach Nierenversagen,<br />
ist die <strong>Transplantation</strong> funktionell <strong>de</strong>r<br />
beste Organersatz und konnte die relativ<br />
höchste Lebensqualität (s. z.B.<br />
Muthny et al. 1990, Lauchart et al.,<br />
2006) und verlängerte Überlebenszeit<br />
nachweisen (Kallab et al., 2010).<br />
Eine wichtige Limitation für die Möglichkeiten<br />
<strong>de</strong>r <strong>Transplantation</strong>smedizin<br />
stellt die geringe Anzahl an Organspen<strong>de</strong>n<br />
in Deutschland dar. Bei zunehmen<strong>de</strong>m<br />
Organbedarf stagniert das Angebot<br />
an Organspen<strong>de</strong>n. Der Mangel wird<br />
durch Priorisierungen und Wartelistensysteme<br />
nur unzureichend ausgeglichen.<br />
Das <strong>Transplantation</strong>sgesetz von<br />
1997 regelt zwar inzwischen wesentliche<br />
Vorgänge im Zusammenhang mit<br />
Organtransplantationen in Verbindung<br />
mit Lan<strong>de</strong>sgesetzen, Verordnungen und<br />
Richtlinien <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>särztekammer.<br />
Statistisch hat aber Deutschland mit ca.<br />
14-16 Organspen<strong>de</strong>rn pro 1 Mio. Einwohner<br />
binnen <strong>de</strong>r letzten Jahre einen<br />
<strong>de</strong>utlichen Rückstand zu Län<strong>de</strong>rn wie<br />
Österreich, Belgien und Spanien (Eurotransplant,<br />
2010). Dieses hat eklatante<br />
Konsequenzen. Das <strong>Transplantation</strong>sgesetz<br />
priorisiert Patienten für eine<br />
<strong>Transplantation</strong> nach <strong>de</strong>r Wahrscheinlichkeit<br />
<strong>de</strong>r Sterblichkeit ohne <strong>Transplantation</strong><br />
als auch nach <strong>de</strong>r Prognose<br />
nach <strong>Transplantation</strong>. Die durch Richtlinien<br />
<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>särztekammer formulierten<br />
Verteilungsregeln sind für die jeweiligen<br />
Organe unterschiedlich und<br />
wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n medizinischen Entwicklungen<br />
ständig zeitnah angepasst. Diese<br />
sog. Allokationsregeln be<strong>de</strong>uten, dass<br />
wegen <strong>de</strong>r Organknappheit nicht alle<br />
Patienten ausreichend berücksichtigt<br />
wer<strong>de</strong>n können und damit einzelne Patienten<br />
keine Chance auf eine Organtransplantation<br />
trotz bestehen<strong>de</strong>r Indikation<br />
haben.<br />
Wesentliche limitieren<strong>de</strong> Faktoren <strong>de</strong>r<br />
<strong>Transplantation</strong> nach Postmortalspen<strong>de</strong><br />
sind in Deutschland immer noch eine<br />
suboptimale Ausschöpfung <strong>de</strong>s Spen<strong>de</strong>rpotentials<br />
und eine mit 40% relativ<br />
hohe Ablehnung seitens von Angehörigen<br />
(DSO, 2010). Nach <strong>de</strong>m <strong>Transplantation</strong>sgesetz<br />
von 1997 entschei<strong>de</strong>n die<br />
Angehörigen im Sinne <strong>de</strong>r erweiterten<br />
Zustimmungslösung über eine Organspen<strong>de</strong>,<br />
wenn <strong>de</strong>r Wille <strong>de</strong>s Verstorbenen<br />
nicht bekannt ist – was aktuell immer<br />
noch in ca. 70% <strong>de</strong>r Fälle zutrifft<br />
(BMJ, 2010).<br />
Unter mehreren Funktionen kommt <strong>de</strong>n<br />
Ärzten eine Schlüsselfunktion für die<br />
Organspen<strong>de</strong> zu, in <strong>de</strong>r Meldung potentieller<br />
Spen<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r Hirntod-Diagnostik,<br />
<strong>de</strong>m Gespräch mit <strong>de</strong>n Angehörigen<br />
und in <strong>de</strong>r Umsetzung sog. organprotektiver<br />
Maßnahmen (Dictus et al.,<br />
2009). Unabhängig von <strong>de</strong>n in <strong>Transplantation</strong>szentren<br />
tätigen Spezialisten<br />
sollten alle Ärzte, insbeson<strong>de</strong>re die, die<br />
intensivmedizinisch o<strong>de</strong>r anäs<strong>the</strong>siologisch<br />
tätig sind, die Regelungen bezüglich<br />
Feststellung und Meldung <strong>de</strong>s<br />
Hirnto<strong>de</strong>s sowie das weitere Proze<strong>de</strong>re<br />
zu Meldung und Explantation von<br />
Spen<strong>de</strong>rorganen kennen. Nur so kann<br />
bei geringer aktiver Spen<strong>de</strong>bereitschaft<br />
innerhalb <strong>de</strong>r Bevölkerung, die zu Lasten<br />
<strong>de</strong>r schwer kranken Patienten auf<br />
Wartelisten geht, verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n,<br />
dass zu Lebzeiten <strong>de</strong>s Spen<strong>de</strong>rs gewünschte<br />
Organspen<strong>de</strong>n aus organisatorischen<br />
Grün<strong>de</strong>n unterbleiben. Der<br />
Ärzteschaft kommt zu<strong>de</strong>m eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong><br />
Funktion in <strong>de</strong>r Aufklärung <strong>de</strong>r<br />
Bevölkerung zum Thema Organspen<strong>de</strong><br />
zu. Deshalb ist es von größter Be<strong>de</strong>utung,<br />
dass die Ärzteschaft sowohl als<br />
Multiplikatoren zu diesem Themengebiet<br />
stetig fortgebil<strong>de</strong>t wird als auch die
<strong>Transplantation</strong>smedizin<br />
2010, 22. Jahrg., S. 250<br />
H. Schmidt et al.: Interdisziplinäres Lehr-Modul zur <strong>Transplantation</strong> für das klinische Medizinstudium<br />
Expertise <strong>de</strong>r Ärzte auf einer Intensivstation<br />
gestärkt wer<strong>de</strong>n muss. Neben<br />
<strong>de</strong>r Wissensverbesserung stellt auch die<br />
För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Motivation <strong>de</strong>r Ärzte eine<br />
Herausfor<strong>de</strong>rung dar. Sicherheit in<br />
<strong>de</strong>r praktischen Durchführung im Organspen<strong>de</strong>prozess<br />
ist ebenso anzustreben<br />
wie ein pr<strong>of</strong>essioneller Umgang mit<br />
Angehörigen plötzlich Verstorbener,<br />
<strong>de</strong>r sowohl <strong>de</strong>ren Belastungen würdigt<br />
als auch angemessen die Organspen<strong>de</strong>-<br />
Frage vorbringt (Muthny et al. 2006;<br />
Simpkin et al., 2009).<br />
Unter <strong>de</strong>r Erkenntnis, dass solche Kompetenzen<br />
möglichst früh erworben und<br />
trainiert wer<strong>de</strong>n müssen, haben wir uns<br />
in Münster dazu entschlossen, das Thema<br />
<strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong> zusammen mit <strong>de</strong>r<br />
<strong>Transplantation</strong>smedizin regelhaft in<br />
<strong>de</strong>r curriculären Lehre im 3. klinischen<br />
Semester in <strong>de</strong>r Humanmedizin als<br />
1-wöchiges Lehrmodul einzuführen.<br />
Konzeption und<br />
Durchführung <strong>de</strong>s Moduls<br />
Ziele <strong>de</strong>s Moduls<br />
Ziel dieses Lehrmoduls ist es, bereits<br />
im Medizinstudium <strong>de</strong>n Studieren<strong>de</strong>n<br />
die breitgefächerten Kompetenzen für<br />
<strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong> als auch<br />
die Möglichkeiten und Limitationen <strong>de</strong>r<br />
<strong>Transplantation</strong>smedizin zu vermitteln.<br />
Die Kenntnisse <strong>de</strong>r Rahmenbedingungen<br />
<strong>de</strong>r <strong>Transplantation</strong>smedizin und<br />
<strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong> in Deutschland unter<br />
Berücksichtigung <strong>de</strong>s <strong>Transplantation</strong>sgesetzes,<br />
religiöser, ethischer, psychosozialer<br />
und medizinischer Aspekte stehen<br />
dabei im Mittelpunkt. Der Stu<strong>de</strong>nt<br />
soll befähigt sein, sich selbst zu diesem<br />
Thema positionieren zu können und ungeachtet<br />
seiner individuellen Einstellung<br />
das Proce<strong>de</strong>re Organspen<strong>de</strong> zu<br />
verstehen und begleiten zu können.<br />
Hierbei wer<strong>de</strong>n inhaltlich die Themen<br />
Voraussetzungen einer Organspen<strong>de</strong>,<br />
klinische Zeichen <strong>de</strong>s Hirnto<strong>de</strong>s, Hirntoddiagnostik,<br />
ethische und juristische<br />
Aspekte <strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong>, Kriterien<br />
möglicher Organspen<strong>de</strong>r, Durchführung<br />
organprotektiver Maßnahmen, Organisation<br />
<strong>de</strong>s Prozesses <strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong>,<br />
chirurgische Operationstechniken,<br />
I<strong>de</strong>ntifikation von Patienten für eine<br />
Organtransplantation, mögliche<br />
Komplikationen im Rahmen einer Organtransplantation<br />
und die Langzeitbetreuung<br />
transplantierter Patienten umfassend<br />
vermittelt. Be<strong>de</strong>utend ist dabei<br />
auch die Reflexion von sozialem Wissen<br />
über die Situation <strong>de</strong>r Angehörigen<br />
bei einem plötzlichen To<strong>de</strong>sfall als auch<br />
die praktische Übung einer Gesprächssituation<br />
mit Angehörigen im Rahmen<br />
einer möglichen Organspen<strong>de</strong>. Die Gespräche<br />
in <strong>de</strong>r Funktion <strong>de</strong>r Übermittlung<br />
unangenehmer Nachrichten sind<br />
stellvertretend für viele Situationen im<br />
ärztlichen Alltag (s. auch Muthny et al.,<br />
2006).<br />
Durchführung<br />
Im Laufe <strong>de</strong>s 5-tägigen Lehrmoduls<br />
(das erstmals im SS 2008, in <strong>de</strong>r aktuellen<br />
Form seit <strong>de</strong>m WS 2009/10 durchgeführt<br />
wird) wur<strong>de</strong>n unterschiedliche<br />
Lehrmetho<strong>de</strong>n verwen<strong>de</strong>t: Vorträge<br />
und die Demonstration einer Nierenlebendspen<strong>de</strong><br />
als didaktische Elemente,<br />
Erarbeitung von Inhalten mittels problemorientierten<br />
Lernens, Patientengespräche<br />
und Training <strong>de</strong>r Gesprächsführung<br />
mit Angehörigen plötzlich Verstorbener<br />
als didaktisch-interaktive Elemente.<br />
Die Themen gehen aus <strong>de</strong>r Abbildung 1<br />
<strong>de</strong>r 5-tägigen Durchführung hervor:<br />
Vorträge wur<strong>de</strong>n vor allem gehalten<br />
Lehrmodul <strong>Transplantation</strong>smedizin 04.01. - 08.01.2010<br />
– zum Ablauf <strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong> (Vermittlung<br />
durch EuroTransplant, Koordinierung<br />
durch die Deutsche Stiftung<br />
für Organtransplantation, Explantation<br />
durch speziell geschulte Explantchirurgen,<br />
Warteliste und <strong>Transplantation</strong>szentrum),<br />
– zu Allokationen <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen<br />
Organe, Indikationen zur <strong>Transplantation</strong><br />
von Niere, Leber, Herz, Lunge,<br />
Pankreas und Dünndarm und<br />
– zur Hirntoddiagnostik, zur Knochenmarktransplantation.<br />
Darüber hinaus wur<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>n Themen<br />
rechtliche und ethische Aspekte <strong>de</strong>r<br />
Spen<strong>de</strong>, psychosoziale Aspekte <strong>de</strong>r<br />
Spen<strong>de</strong> inklusive Leber-Lebendspen<strong>de</strong>,<br />
Immunsuppression, Abstoßung und<br />
Komplikationen im Früh- und Langzeitverlauf<br />
sowie Aufklärungsgespräche<br />
für die Organspen<strong>de</strong> referiert.<br />
Für die Patientengespräche stan<strong>de</strong>n sowohl<br />
Patienten auf einer <strong>Transplantation</strong>swarteliste<br />
für Leber, Niere und Herz<br />
als auch Patienten nach erfolgreicher<br />
<strong>Transplantation</strong> von Leber, Niere, Herz,<br />
Pankreas und Dünndarm zur Verfügung.<br />
Die Patienten stammen aus <strong>de</strong>m<br />
hiesigen <strong>Transplantation</strong>sprogramm.<br />
Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag<br />
Freitag<br />
04.01.2010<br />
05.01.2010 06.01.2010 07.01.2010<br />
08.01.2010<br />
08:00<br />
08:15 Einführung i. d. <strong>Transplantation</strong>smed. Knochenmark- POL II POL II Ethische Aspekte<br />
Ablauf einer Organspen<strong>de</strong> <strong>Transplantation</strong> KG 1-10 KG 11-20<br />
09:00 LG 1. OG LG 1. OG<br />
09:15 Allokation/Indikation Spen<strong>de</strong>rkriterien Stud.Hosp. Patienten-<br />
Gesprächs- gespräche I<br />
führung Gr.1-5,9-13,<br />
10:00 LG 1. OG<br />
10:15 Hirntoddiagnostik Lebendspen<strong>de</strong> Herz-<strong>Transplantation</strong> Abstoßung Startzeiten:<br />
Live-Demonstration einer Lungentransplantation Gr. 20: 09.15 h<br />
Lebend-Nieren-Spen<strong>de</strong> Gr. 19: 09.35 h Patienten-<br />
11:00 Gr. 18: 09.55 h gespräche II<br />
11:15 POL I Immunsuppression Langzeitfolgen Gr. 6: 10.15 h Gr.1-5,9-13,<br />
KG 1-10 Gr. 16: 10.35 h LG 1. OG<br />
Gr. 15: 10.55 h<br />
12:00 LG 1. OG Gr. 14: 11.15 h<br />
12:15 Rechtliche Aspekte von Aufklärungsgespräche Vorstellung <strong>de</strong>r POL Fälle<br />
<strong>Transplantation</strong>en<br />
13:00<br />
13:15 Stud.Hosp. Patienten-<br />
Studienhospital Gesprächs- gespräche I<br />
Gesprächsführung führung Gr. 6-8, 14-20<br />
14:00 LG 1. OG<br />
14:15 POL I Startzeiten: Startzeiten:<br />
KG 11-20 Gr. 8: 13.30 h Gr. 4: 13.15 h<br />
Gr. 7: 13.50 h Gr. 2: 13.35 h Patienten-<br />
15:00 Eigenstudium POL Fälle LG 1. OG Gr. 17: 14.10 h Gr. 9: 13.55 h gespräche II<br />
15:15 Gr. 5: 14.30 h Gr. 10: 14.15 h Gr. 6-8, 14-20<br />
Gr. 1: 14.50 h Gr. 11: 14.35 h LG 1. OG<br />
Gr. 3: 15.10 h<br />
Gr. 12: 14.55 h<br />
16:00 Gr. 13: 15.15 h<br />
16:15<br />
17:00<br />
17:15<br />
18:00<br />
18:15<br />
Eigenstudium POL Fälle<br />
Abb. 1: Dargestellt ist das Curriculum für <strong>Transplantation</strong>smedizin mit Schwerpunkten<br />
in <strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong>.
H. Schmidt et al.: Interdisziplinäres Lehr-Modul zur <strong>Transplantation</strong> für das klinische Medizinstudium <strong>Transplantation</strong>smedizin<br />
2010, 22. Jahrg., S. 251<br />
Schließlich wur<strong>de</strong> in Kleingruppen (à<br />
6 Teilnehmer) im „Studienhospital<br />
Münster“ (Hibbeler, 2008) die Hirntoddiagnostik<br />
an einer intubierten und<br />
beatmeten Ganzkörperpuppe praktisch<br />
<strong>de</strong>monstriert und geübt. Zu<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong><br />
die Gesprächsführung mit Patienten<br />
und <strong>de</strong>ren Angehörigen unter Zuhilfenahme<br />
von Schauspielern (sog. „Simulationspatienten“)<br />
trainiert. Themen im<br />
Rahmen <strong>de</strong>r Gesprächsführung waren<br />
die Vermittlung <strong>de</strong>s Schweregrads <strong>de</strong>r<br />
Erkrankung und <strong>de</strong>r Option <strong>de</strong>r <strong>Transplantation</strong><br />
als auch mit <strong>de</strong>n Angehörigen<br />
plötzlich Verstorbener im Hirntod<br />
auf einer Intensivstation sowie die Aufklärung<br />
und Bitte um Organspen<strong>de</strong> (50<br />
Minuten). Nach einer Einweisung in die<br />
jeweiligen Situationen erarbeitet die<br />
Kleingruppen an drei verschie<strong>de</strong>nen<br />
Stationen unterschiedliche Aufgaben.<br />
Mo<strong>de</strong>riert und zur Reflexion angeregt<br />
wur<strong>de</strong>n die Studieren<strong>de</strong>n von ausgebil<strong>de</strong>ten<br />
Fachvertretern aus <strong>de</strong>n Bereichen<br />
<strong>Transplantation</strong> und Arzt-Patienten-<br />
Kommunikation.<br />
Einbettung <strong>de</strong>s Moduls im<br />
Curriculum<br />
Das <strong>Transplantation</strong>s-Lehrmodul ist die<br />
be<strong>de</strong>utendste Unterrichtseinheit im<br />
Münsteraner Curriculum zum Verständnis<br />
<strong>de</strong>r <strong>Transplantation</strong>smedizin und<br />
<strong>de</strong>r damit verbun<strong>de</strong>nen Organspen<strong>de</strong>.<br />
Eingebettet ist die Lehreinheit in das<br />
modulare Curriculum <strong>de</strong>s Studiengangs<br />
Humanmedizin an <strong>de</strong>r Medizinischen<br />
Fakultät Münster – aktuell im dritten<br />
klinischen Semester. Die Ausbildung<br />
im klinischen Studienabschnitt erfolgt<br />
in Münster größtenteils nicht mehr in<br />
Fächern, son<strong>de</strong>rn in interdisziplinären<br />
Modulen (z.B. zu Herz-Kreislauf, Pulmologie,<br />
Gastroenterologie, Nephrologie<br />
etc.), in <strong>de</strong>m alle beteiligen Fächer<br />
in enger inhaltlicher und didaktischer<br />
Absprache fachspezifische Lernziele<br />
eines Themenblocks erfüllen. Mit <strong>de</strong>r<br />
Einrichtung <strong>de</strong>s Moduls <strong>Transplantation</strong>smedizin<br />
wur<strong>de</strong>n transplantationsbezogene<br />
Themen aus <strong>de</strong>n o.g. Modulen<br />
herausgenommen und übergreifend in<br />
diesem Modul unterrichtet.<br />
Evaluationsmethodik<br />
Die Studieren<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
Woche um eine anonyme Gesamtbewertung<br />
<strong>de</strong>s Lehrmoduls und seiner<br />
einzelnen Elemente gebeten. Der zweiseitige<br />
Evaluations-Fragebogen umfasst<br />
medizindidaktische Aspekte, Einschätzungen<br />
zur „Nützlichkeit“ <strong>de</strong>r einzelnen<br />
Arbeitsweisen und Inhalte und<br />
zu <strong>de</strong>n erlebten und antizipierten Wirkungen<br />
<strong>de</strong>s Lehrmoduls. Dabei wer<strong>de</strong>n<br />
überwiegend 5-er Ratingskalen eingesetzt,<br />
z.B.<br />
„Wie nützlich fan<strong>de</strong>n Sie die einzelnen<br />
Elemente <strong>de</strong>s Moduls?<br />
7. Referate zu medizinischen Grundlagen:<br />
gar nicht: 1<br />
wenig: 2<br />
mittel: 3<br />
stark: 4<br />
sehr stark: 5<br />
15. Gespräche mit Patienten:<br />
gar nicht: 1<br />
wenig: 2<br />
mittel: 3<br />
stark: 4<br />
sehr stark: 5<br />
16. Angehörigen-Gesprächstraining mit<br />
Schauspielern:<br />
gar nicht: 1<br />
wenig: 2<br />
mittel: 3<br />
stark: 4<br />
sehr stark: 5<br />
. . . “<br />
82 Studieren<strong>de</strong> beantworteten <strong>de</strong>n 2-<br />
seitigen Fragebogen vollständig und<br />
gaben so die Datenbasis für die folgen<strong>de</strong>n<br />
dargestellten Evaluationsergebnisse<br />
(Rücklaufquote 83%).<br />
Stichprobe<br />
Das Durchschnittsalter <strong>de</strong>r antworten<strong>de</strong>n<br />
Studieren<strong>de</strong>n, die sich überwiegend<br />
im 3. klinischen Semester befan<strong>de</strong>n, betrug<br />
24 Jahre (SD = 2,5, Bereich 21 –<br />
34). 60% <strong>de</strong>r Antworten<strong>de</strong>n waren<br />
weiblichen Geschlechts, 35 % männlich<br />
(5% ohne Angaben). Drei Viertel <strong>de</strong>r<br />
Befragten hatten einen Organgspen<strong>de</strong>-<br />
Ausweis.<br />
Ergebnisse <strong>de</strong>r stu<strong>de</strong>ntischen<br />
Lehrevaluation<br />
Beurteilung <strong>de</strong>r organisatorischen und<br />
didaktischen Aspekte <strong>de</strong>s Moduls<br />
Wie Tab. 1 aufzeigt, fan<strong>de</strong>n die Studieren<strong>de</strong>n<br />
ganz überwiegend, dass die Organisation<br />
gut, <strong>de</strong>r Rahmen angemessen<br />
und das Programm logisch aufgebaut<br />
war. Lediglich bei <strong>de</strong>r inhaltlichen<br />
Abstimmung <strong>de</strong>r Beiträge gab es bei<br />
11% <strong>de</strong>utlich Kritik und bei 32% ein<br />
zurückhalten<strong>de</strong>s „we<strong>de</strong>r/noch“.<br />
Das im Modul angebotene Themenspektrum<br />
wur<strong>de</strong> von 90% als „gera<strong>de</strong><br />
richtig“ eingeschätzt (6% „zu schmal“,<br />
1% „zu breit“). Das Niveau <strong>de</strong>r Veranstaltung<br />
wur<strong>de</strong> ebenfalls überwiegend<br />
als „richtig“ bezeichnet (93%), von 5%<br />
als „zu niedrig“ (3% ohne Angaben).<br />
„Nützlichkeit“ <strong>de</strong>r Elemente <strong>de</strong>s<br />
Moduls<br />
In <strong>de</strong>r Einschätzung <strong>de</strong>r Nützlichkeit<br />
<strong>de</strong>r einzelnen Teile <strong>de</strong>s 5-tägigen Lehr-<br />
Moduls zeigten sich größere Unterschie<strong>de</strong><br />
(s. Tab. 2): Mit Abstand am<br />
nützlichsten eingeschätzt wur<strong>de</strong>n die<br />
Patientengespräche (91%, die dieses<br />
Element als „nützlich“ bis „sehr nützlich“<br />
einschätzten), relativ dicht gefolgt<br />
von <strong>de</strong>m Angehörigen-Gesprächs-Training<br />
unter Einsatz von Schauspielern<br />
(82%). Ebenfalls relativ gut abgeschnitten<br />
haben die Pol-Fälle (66%), die Darstellung<br />
zur Allokation/Indikation/Organisation<br />
(63%) und die Medizin <strong>de</strong>r<br />
<strong>Transplantation</strong> spezieller Organe. Im<br />
mittleren Feld liegen noch die medizini-<br />
Tab. 1: Organisatorische und didaktische Aspekte <strong>de</strong>s Moduls (n = 82)<br />
Vorgegebene Kategorien Häufigkeiten %<br />
Ablehnung we<strong>de</strong>r /noch Zustimmung<br />
Woche gut organisiert 4 7 89<br />
Programm logisch aufgebaut 6 20 74<br />
Rahmen angemessen 1 10 89<br />
Beiträge gut inhaltlich abgestimmt 11 32 57
<strong>Transplantation</strong>smedizin<br />
2010, 22. Jahrg., S. 252<br />
H. Schmidt et al.: Interdisziplinäres Lehr-Modul zur <strong>Transplantation</strong> für das klinische Medizinstudium<br />
Tab. 2: Nützlichkeit <strong>de</strong>r Elemente <strong>de</strong>s Moduls (n = 82)<br />
Elemente <strong>de</strong>s Moduls Häufigkeiten %<br />
gar mittel stark/ k.A.<br />
nicht/<br />
wenig<br />
sehr<br />
stark<br />
Patientengespräche 1 6 91 1<br />
Angehörigen-Gesprächstraining 7 9 82 2<br />
POL-Fälle 17 16 66 1<br />
Allokation, Indikation, Organisation 9 26 64 1<br />
Medizin <strong>de</strong>r <strong>Transplantation</strong> spezieller Organe 10 27 59 4<br />
Medizinische Grundlagen <strong>de</strong>r Tx 10 31 56 3<br />
Nachbetreuung Transplantierter 9 29 55 7<br />
Psychosoziale Grundlagen (Trauer, Motive) 12 43 41 4<br />
Ethische und juristische Grundlagen 26 35 33 6<br />
k.A. = keine Antworten<br />
Tab. 3: Wirkungen <strong>de</strong>s Moduls aus Sicht <strong>de</strong>r Studieren<strong>de</strong>n (n = 82)<br />
Wirkungen<br />
(Vorgegebene Kategorien)<br />
schen Grundlagen und die Nachbetreuung.<br />
Gesamt-Zufrie<strong>de</strong>nheit mit <strong>de</strong>m Modul<br />
In vier Aspekten wur<strong>de</strong> die Gesamtzufrie<strong>de</strong>nheit<br />
mit <strong>de</strong>m Modul erfragt, wobei<br />
die Praxisorientierung beson<strong>de</strong>rs<br />
hervorgehoben wur<strong>de</strong> (85% Zufrie<strong>de</strong>ner),<br />
gefolgt von <strong>de</strong>r Organisation<br />
(72%) und <strong>de</strong>r Didaktik (62%). 74 %<br />
waren mit <strong>de</strong>m Modul insgesamt zufrie<strong>de</strong>n,<br />
nur 2% ausgesprochen unzufrie<strong>de</strong>n<br />
(23% „teils zufrie<strong>de</strong>n/teils unzufrie<strong>de</strong>n“).<br />
Häufigkeiten %<br />
mittlere<br />
Ausprägung<br />
Wirkungen <strong>de</strong>s Moduls nach<br />
Einschätzung <strong>de</strong>r Studieren<strong>de</strong>n<br />
hohe<br />
Ausprägung<br />
höhere Handlungskompetenz 23 71<br />
größere Bereitschaft, zur Organspen<strong>de</strong> beizutragen 16 67<br />
höhere Motivation für <strong>de</strong>n Einsatz für mehr<br />
18 66<br />
postmortale Spen<strong>de</strong>r<br />
höhere Kompetenz im Angehörigengespräch 24 65<br />
mehr Wissen über med. Aspekte <strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong> 20 65<br />
höhere psychosoziale Kompetenz 21 63<br />
größere Bereitschaft, zur Organtransplantation beizutragen<br />
26 61<br />
Wie Tab. 3 aufzeigt, wur<strong>de</strong>n die Wirkungen<br />
vor allem in höherer Handlungskompetenz<br />
im Feld <strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong><br />
(71% Zustimmung in hoher<br />
Ausprägung), größerer Bereitschaft, zur<br />
Organspen<strong>de</strong> beizutragen (67%) und in<br />
höherer Motivation für <strong>de</strong>n Einsatz für<br />
mehr postmortale Spen<strong>de</strong>n (66%) gesehen).<br />
Ebenfalls noch fast zwei Drittel<br />
<strong>de</strong>r Antworten<strong>de</strong>n bestätigen als Ergebnis<br />
<strong>de</strong>s Moduls mehr Wissen über medizinische<br />
Aspekte <strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong>, höhere<br />
Kompetenz im Angehörigengespräch<br />
und höhere psychosoziale Kompetenz.<br />
Diskussion<br />
Die Geschichte <strong>de</strong>r Organtransplantation<br />
hat mit ca. 4.000 <strong>Transplantation</strong>en<br />
soli<strong>de</strong>r Organe jährlich in Deutschland<br />
zweifelsohne eine Erfolgsbilanz aufzuweisen.<br />
Die <strong>Transplantation</strong> verschie<strong>de</strong>ner<br />
Organe rettet tagtäglich das Leben<br />
vieler Menschen. Grundsätzlich ist<br />
aber anzustreben, dass alle Patienten<br />
mit Indikationen und fehlen<strong>de</strong>n Kontraindikationen<br />
die Chance auf eine <strong>Transplantation</strong><br />
bekommen. Obwohl wichtige<br />
Voraussetzungen durch das <strong>Transplantation</strong>sgesetz<br />
und folgen<strong>de</strong> Verordnungen<br />
und Richtlinien gegeben erscheinen,<br />
bestehen immer noch Informations<strong>de</strong>fizite<br />
(z.T. auch verbun<strong>de</strong>n<br />
mit Motivations<strong>de</strong>fiziten) in <strong>de</strong>r Gesamtbevölkerung,<br />
aber auch bei <strong>de</strong>n<br />
ärztlichen Kollegen. Aus diesen Grün<strong>de</strong>n<br />
erscheint es beson<strong>de</strong>rs wichtig,<br />
Ärztefortbildung zu leisten und auch<br />
Medizinstudieren<strong>de</strong> früh zu informieren,<br />
für die Problematik zu sensibilisieren<br />
und für ein Engagement in diesem<br />
Bereich zu motivieren.<br />
Alle Ärzte (und nicht nur die unmittelbar<br />
mit <strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong> und -transplantation<br />
Befassten) sollten möglichst<br />
gut informiert sein über <strong>de</strong>n Bedarf an<br />
Organen, die Möglichkeiten und <strong>de</strong>n<br />
Nutzen <strong>de</strong>r <strong>Transplantation</strong> als Therapie,<br />
die Auswahl potentiell geeigneter<br />
Spen<strong>de</strong>r für eine Postmortalspen<strong>de</strong>, die<br />
Hirntod-Diagnostik, die Erfor<strong>de</strong>rnisse<br />
<strong>de</strong>s Gesprächs mit <strong>de</strong>n Angehörigen,<br />
die Allokation und die Nachsorge nach<br />
<strong>de</strong>r <strong>Transplantation</strong>.<br />
Wir haben <strong>de</strong>shalb in die curriculare<br />
Lehre <strong>de</strong>s Studiums für Humanmedizin<br />
im 3. klinischen Semester ein 1-wöchiges<br />
Modul zum Thema Organspen<strong>de</strong><br />
und <strong>Transplantation</strong>smedizin eingeführt.<br />
Sowohl die Vermittlung <strong>de</strong>r komplexen<br />
Prozesse in <strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong> als<br />
auch die Reflexion <strong>de</strong>s Status <strong>de</strong>r<br />
<strong>Transplantation</strong>smedizin mit <strong>de</strong>n kranken<br />
Patienten im Mittelpunkt sollen die<br />
kommunikative Sicherheit und Handlungskompetenz<br />
<strong>de</strong>r Studieren<strong>de</strong>n schulen.<br />
Gemäß <strong>de</strong>n Erkenntnissen aus Studien<br />
zur Fort- und Weiterbildung von Ärzten<br />
wur<strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong> Lehrkonzepte<br />
zur Vermittlung <strong>de</strong>r fachlichen Kenntnisse<br />
und <strong>de</strong>r Handlungskompetenz eingesetzt:<br />
Zur Vermittlung <strong>de</strong>r nötigen<br />
fachspezifischen Kenntnisse wur<strong>de</strong> auf<br />
didaktische Lehrformen wie Vorträge<br />
und Demonstrationen zurückgegriffen.<br />
Zur Erhöhung <strong>de</strong>r Handlungskompe-
H. Schmidt et al.: Interdisziplinäres Lehr-Modul zur <strong>Transplantation</strong> für das klinische Medizinstudium <strong>Transplantation</strong>smedizin<br />
2010, 22. Jahrg., S. 253<br />
tenz wur<strong>de</strong> bewusst das didaktisch-interaktive<br />
Training mit Simulationspatienten<br />
eingesetzt, da von dieser Lehrform<br />
<strong>de</strong>r nachhaltige Effekt auf die<br />
praktische Performance <strong>de</strong>r Teilnehmer<br />
bekannt ist (Forsetlund et al. 2009).<br />
Die überwiegen<strong>de</strong> Mehrheit <strong>de</strong>r Studieren<strong>de</strong>n<br />
war mit <strong>de</strong>m Modul ausgesprochen<br />
zufrie<strong>de</strong>n, vor allem mit <strong>de</strong>r Praxisorientierung<br />
(85%) und <strong>de</strong>r Organisation.<br />
Bezüglich <strong>de</strong>r Nützlichkeit <strong>de</strong>r<br />
einzelnen Teile wur<strong>de</strong>n die Patientengespräche<br />
am höchsten eingeschätzt<br />
(91%, die dieses Element als „nützlich“<br />
bis „sehr nützlich“ einschätzten), gefolgt<br />
von <strong>de</strong>m Angehörigen-Gesprächs-<br />
Training unter Einsatz von Laienschauspielern<br />
(82%) und <strong>de</strong>n „Pol-Fällen“<br />
(66%). Aber auch die Darstellung zur<br />
Allokation/Indikation/Organisation<br />
(63%) und die Medizin <strong>de</strong>r <strong>Transplantation</strong><br />
spezieller Organe wur<strong>de</strong>n noch von<br />
einer Mehrheit geschätzt.<br />
Wirkungen <strong>de</strong>s Moduls wur<strong>de</strong>n vor allem<br />
in höherer Handlungskompetenz<br />
im Feld <strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong> (71% Zustimmung<br />
in hoher Ausprägung), höherer<br />
Motivation, zur Organspen<strong>de</strong> beizutragen<br />
(67%), und zu mehr Einsatz für<br />
postmortale Spen<strong>de</strong>n (66%) gesehen.<br />
Fast zwei Drittel <strong>de</strong>r Antworten<strong>de</strong>n bestätigen<br />
auch einen Wissenszuwachs<br />
über medizinische Aspekte <strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong>,<br />
höhere Kompetenz im Angehörigengespräch<br />
und höhere psychosoziale<br />
Kompetenz als Ergebnis <strong>de</strong>s Lehrmoduls.<br />
Das Gesprächstraining mit Simulationspatienten<br />
bestätigt sich auch in<br />
neueren Vergleichsstudien (z.B. Bosse<br />
et al. 2010) als effektive Metho<strong>de</strong> und<br />
wird <strong>of</strong>fensichtlich von <strong>de</strong>n Studieren<strong>de</strong>n<br />
am besten aufgenommen, obwohl<br />
„Peer role plays“ nicht wesentlich<br />
schlechter abschnei<strong>de</strong>n.<br />
Teilelemente <strong>de</strong>s Moduls, z.B. die Gesprächsführung<br />
mit Angehörigen plötzlich<br />
Verstorbener, haben sich in einer<br />
großen Zahl von Fortbildungen mit<br />
Ärzten und Pflegekräften bewährt (z.B.<br />
im Rahmen <strong>de</strong>s mit <strong>de</strong>r DSO durchgeführten<br />
EDHEP-Programms, s. Muthny<br />
et al. 2006), allerdings kann diese Aussage<br />
größtenteils nur auf die Evaluationsergebnisse<br />
am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Workshops<br />
gegrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Entsprechend konnte<br />
das jetzige Tx-Modul <strong>de</strong>r Studieren<strong>de</strong>n<br />
auf diesen Erfahrungen aufbauen.<br />
Die Wirksamkeit schauspielgestützter<br />
Trainings, vor allem im Sinne von<br />
„Breaking bad news“ kann als gut belegt<br />
gelten, sowohl im Hinblick auf das<br />
Training für <strong>de</strong>n direkten Kontakt mit<br />
Patienten (Paul et al. 2009) wie auch für<br />
<strong>de</strong>n Kontakt mit Angehörigen bzw. Eltern<br />
(Vaidya et al., 1999).<br />
Der Enthusiasmus <strong>de</strong>r Medizinstu<strong>de</strong>nten<br />
während dieses Lehrunterrichts als<br />
auch die in dieser Analyse präsentierten<br />
Bewertungen unterstreichen, dass breitgefächerte<br />
Kompetenzen für <strong>de</strong>n Prozess<br />
<strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong> im 3. klinischen<br />
Semester erfolgreich vermittelt wer<strong>de</strong>n<br />
können. Vorkenntnisse <strong>de</strong>r Studieren<strong>de</strong>n<br />
in <strong>de</strong>n Bereichen <strong>de</strong>r Inneren Medizin<br />
und <strong>de</strong>r Chirurgie haben sich in diesem<br />
Modul bewährt. Kern dieses Unterrichts<br />
stellen die Kontakte und Gespräche<br />
sowohl mit Patienten auf einer<br />
<strong>Transplantation</strong>swarteliste und als auch<br />
mit transplantierten Patienten dar. Auf<br />
<strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n dieser medizinischen Behandlungschancen<br />
sind die Studieren<strong>de</strong><br />
nachhaltig aufgeschlossen zu <strong>de</strong>r Thematik<br />
<strong>de</strong>r Organspen<strong>de</strong>. Bereits im Vorfeld<br />
dieser Lehreinheit bewirkt dieses<br />
Thema im Stun<strong>de</strong>nplan Diskussionen<br />
unter <strong>de</strong>n Studieren<strong>de</strong>n als auch unter<br />
<strong>de</strong>ren Angehörigen und Bekannten. Zu<br />
Beginn dieser Unterrichtswoche haben<br />
die meisten Studieren<strong>de</strong>n einen Organspen<strong>de</strong>ausweis<br />
(> 80%). Die persönliche<br />
Einstellung zur Organspen<strong>de</strong> steht<br />
im Hintergrund dieses Unterrichts.<br />
Wichtig ist das Erlernen eines pr<strong>of</strong>essionellen<br />
Umgangs mit <strong>de</strong>m Thema Organspen<strong>de</strong>,<br />
was in Münster sich durch<br />
u.a. Gründung von Stu<strong>de</strong>nteninitiativen<br />
zum Thema Organspen<strong>de</strong> reflektiert<br />
(http://www.sos-muenster.<strong>de</strong>/ueber_<br />
uns.html).<br />
Die Simulationsszenen zu <strong>de</strong>n Themen<br />
Übermittlung <strong>de</strong>s Versterbens <strong>de</strong>s Ehepartners,<br />
Aufklärungsgespräch über<br />
Hirntod und die Frage nach <strong>de</strong>m möglichen<br />
Willen <strong>de</strong>s Verstorbenen mit <strong>de</strong>r<br />
Klärung <strong>de</strong>r Frage Organspen<strong>de</strong> sind<br />
zentrale Lernelemente, die eine Herausfor<strong>de</strong>rung<br />
für die Studieren<strong>de</strong>n darstellen.<br />
Die breite Interdisziplinarität in<br />
diesem Unterricht birgt die Schwierigkeit<br />
<strong>de</strong>r Abstimmung sowohl bezüglich<br />
Redundanzen als auch unterschiedlicher<br />
Erfahrungen und Einstellungen im<br />
Team <strong>de</strong>r Dozenten. Letzteres ist wichtig<br />
für die Pluralität <strong>de</strong>r Lerninhalte,<br />
führt jedoch auch in einzelnen Fällen<br />
zur Verunsicherung <strong>de</strong>r Studieren<strong>de</strong>n.<br />
Der Frage, inwieweit auch die Dozenten<br />
einen Wissenszugewinn durch die<br />
Interdisziplinarität haben, wur<strong>de</strong> bisher<br />
nicht nachgegangen. Die Erarbeitung<br />
eines Skriptes ist wichtig für <strong>de</strong>n Erfolg<br />
dieses Unterrichts, da herkömmliche<br />
Lehrmaterialien für Studieren<strong>de</strong> zum<br />
Thema Organspen<strong>de</strong> nur begrenzt verfügbar<br />
sind. Zusammenfassend bietet<br />
sich dieses Lehrmodul als Mo<strong>de</strong>ll an,<br />
Studieren<strong>de</strong> wirkungsvoll in dieses<br />
Thema einzuführen. Die Thematik als<br />
auch die verwen<strong>de</strong>ten Lerninhalte bietet<br />
unseres Erachtens auch gute Transfermöglichkeiten<br />
für an<strong>de</strong>re Bereiche <strong>de</strong>r<br />
Medizin bzw. medizindidaktische Aufgaben.<br />
Danksagung<br />
Wir bedanken uns bei allen Studieren<strong>de</strong>n,<br />
Dozenten und Patienten, die bisher<br />
an diesem Lehrmodul teilgenommen<br />
und mitgearbeitet haben und mit ihren<br />
Erfahrungen zu seinem Erfolg, aber<br />
auch zu seiner Weiterentwicklung beigetragen<br />
haben.<br />
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