Unser Land - Deutscher Bundesverband der Landwirte im ...
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Seite 9 <strong>Unser</strong> <strong>Land</strong> - Infobrief Ausgabe Jan./Feb. ´08<br />
sie unsere natürlichen Lebensgrundlagen<br />
bedrohen und ausbeuten.“ Nachfolgend<br />
soll nun näher auf die Hintergründe <strong>der</strong><br />
Agrogentechnik eingegangen werden:<br />
Züchtung mit <strong>der</strong> klassischen Methode<br />
Auslese und gezielte Paarung sind die<br />
klassischen Instrumente bäuerlicher Tierund<br />
Pflanzenzucht, auch Domestikation<br />
genannt, und begleiten den Weg vom<br />
Wildtier zum Haustier o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Wildpflanze<br />
zur Nutzpflanze. So entstand<br />
durch menschlichen Einfluss eine Vielfalt<br />
an Haustierrassen und Pflanzensorten,<br />
jeweils angepasst an die regionalen Kl<strong>im</strong>ate,<br />
Böden und Bedürfnisse <strong>der</strong> Menschen.<br />
Auslese und gezielte Paarung reichen<br />
auch für die Zukunft als Züchtungsgrundlage<br />
vollständig aus. Domestikation<br />
ist auch ein Ringen des Züchters mit <strong>der</strong><br />
Natur: werden natürliche Grenzen überschritten,<br />
so gelingt die Zucht nicht. Der<br />
Ziegenbock kann das Schaf nicht befruchten.<br />
Die Natur reguliert sich von selbst und<br />
zeigt dem Menschen seine Grenzen. Nicht<br />
so die Gentechnik: in unverantwortlicher<br />
Weise wird mechanisch in die Erbinformation<br />
<strong>der</strong> natürlichen Zellen eingegriffen<br />
und werden so gestört. Ein isoliertes<br />
„Gen“ wird von einer Zelle in eine an<strong>der</strong>e<br />
„eingesetzt“. Möglicherweise zeigt dann<br />
eine solchermaßen manipulierter Organismus<br />
kurzfristig ein neues Erscheinungsbild;<br />
doch niemand darf<br />
doch glauben, dass diese<br />
brutalen Störungen <strong>der</strong><br />
natürlichen Evolution mit<br />
ihrem vielfältigen Wirkungsgeflecht<br />
nützlich<br />
sein kann? Allein <strong>der</strong> Gedanke,<br />
dass Menschen<br />
die natürliche Evolution<br />
mit solchermaßen pr<strong>im</strong>itiver<br />
Technik „verbessern“<br />
könnten, ist genauso abwegig<br />
wie gefährlich.<br />
Gefährdung für die Biodiversität<br />
Wenn die Gentechnik in<br />
<strong>der</strong> breiten <strong>Land</strong>wirtschaft<br />
Fuß fassen würde: Wer<br />
o<strong>der</strong> welche Institutionen<br />
hätten dann noch Interesse<br />
an <strong>der</strong> Erhaltungszucht<br />
von traditionellen Pflanzen<br />
und Tieren vor dem Hintergrund,<br />
dass die Infrastruktur<br />
<strong>der</strong> klassischen<br />
Tier- und Pflanzenzucht<br />
erodiert, weil nicht mehr<br />
finanzierbar? Umgekehrt<br />
benutzt die Gentechnologie<br />
die bisher vorhandene Genetik und<br />
Biodiversität als Grundlage, um sie nach<br />
Gusto o<strong>der</strong> Tagesnutzen „verbessern“ zu<br />
wollen. Das Beispiel des Schwäbisch Hällischen<br />
<strong>Land</strong>schweins zeigt sehr transparent,<br />
dass es enormen Aufwand und gut<br />
20 Jahre mit hohem finanziellen und personellen<br />
Engagement dauert, um nur eine<br />
einzelne Rasse wie<strong>der</strong> zu stabilisieren.<br />
Und alleine die „konservative“ Pflanzenzucht<br />
hat es innerhalb kurzer Zeit – in den<br />
Jahren seit 1960, als die agrarindustrielle<br />
Bewirtschaftung <strong>der</strong> Höfe von Forschung,<br />
Wissenschaft und Beratung zum Leitbild<br />
bäuerlichen Wirtschaftens erhoben wurde<br />
– geschafft, aus ehemals über 280 in Vermehrung<br />
befindlichen<br />
Obstsorten in Baden-Württemberg nur<br />
noch zwei Dutzend übrig zu lassen. Analog<br />
proklamierten die Tierzuchtinstitute an<br />
den deutschen Universitäten in den 60er<br />
Jahren unisono, dass die Zukunft in <strong>der</strong><br />
Schweinezucht <strong>im</strong> „bundeseinheitlichen<br />
Industrieschwein“ liege und alles weitere<br />
wäre nur noch für Zoos o<strong>der</strong> exotische<br />
Haltungen geeignet. Dies führte dann<br />
während dieser Industrialisierungsphase<br />
zwangsläufig zum Aussterben von 13 aus<br />
ursprünglich 15 eigenständigen Schweinerassen,<br />
welche es in den 50er Jahren<br />
noch in Deutschland gab.<br />
Heute nun – wer schützt uns vor wissenschaftlichem<br />
Irrtum? – lehren dieselben<br />
Universitäten, dass „Agrobiodiversität“<br />
wichtig sei und die Artenvielfalt erhalten<br />
bleiben müsse. Bauern war <strong>der</strong> Schutz<br />
traditioneller Rassen und Sorten schon<br />
<strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Blut, aus ihrem Empfinden für<br />
Nachhaltigkeit und Respekt vor den Leistungen<br />
ihrer Vorfahren.<br />
Der Initiative hohenloher Bauern - allen voran Rudolf Bühler - ist es zu verdanken,<br />
dass das Schwäbisch Hällische <strong>Land</strong>schwein als alte Haustierrasse<br />
nicht ausgestorben ist, son<strong>der</strong>n wie<strong>der</strong> und auf <strong>im</strong>mer mehr Höfen <strong>im</strong> nordöstlichen<br />
Baden-Württemberg <strong>im</strong> Stall steht<br />
Vom Wun<strong>der</strong>weizen und Wun<strong>der</strong>reis<br />
Die neuere Geschichte hat uns Agraringenieure<br />
auch gelehrt, dass Wun<strong>der</strong>züchtungen,<br />
die zur Lin<strong>der</strong>ung des Hungers in<br />
vielen Regionen <strong>der</strong> Welt beitragen sollten,<br />
eben keine Wun<strong>der</strong> bewirkt haben.<br />
So konnte in den 60er Jahren <strong>im</strong> internationalen<br />
Forschungsinstitut „CYMMIT“ in<br />
Mexiko ein Weizen gezüchtet werden, <strong>der</strong><br />
erstmals als „Wun<strong>der</strong>weizen“ in die Geschichte<br />
einging. Analog werden seit den<br />
70er Jahren <strong>im</strong> internationalen Forschungsinstitut<br />
„IRRI“ auf den Philippinen<br />
Reis-Hochertragssorten gezüchtet, die<br />
ebenso bis zu 30 Prozent mehr Ertrag<br />
bringen sollen als klassische Sorten. Interessanterweise<br />
engagiert sich nun „IRRI“<br />
auch massiv für die Gentechnologie. Aus<br />
eigener Erfahrung als Entwicklungshelfer<br />
in Bangladesh durfte ich jedoch lernen,<br />
dass solche Wun<strong>der</strong>züchtungen eben<br />
nicht dazu geeignet sind, den Hunger <strong>der</strong><br />
Menschen zu stillen: die neuen Sorten<br />
brachten den höheren Ertrag nur dann,<br />
wenn die Bauern ausreichend chemischen<br />
Dünger und Pestizide verfügbar hatten<br />
und diese zeitlich gezielt und in vorgegebener<br />
Dosis einsetzten. Ohne Applikation<br />
dieser chemischen Substitute waren die<br />
Wun<strong>der</strong>sorten jedoch den traditionellen,<br />
an Kl<strong>im</strong>a und Boden angepassten Sorten<br />
deutlich unterlegen. Und welche Kleinbauern<br />
in den Hungergebieten unserer Erde<br />
haben denn Zugang zu chemischem Dünger<br />
und Pestiziden, zu Applikationstechnik<br />
und Kapital, dieses zu erwerben? So werden<br />
diese Wun<strong>der</strong>züchtungen allein als<br />
ein Geschäft <strong>der</strong> Industrie entlarvt, die<br />
neben den Lizenzen für das Saatgut auch<br />
an den Pestiziden und chemischen Dünger<br />
verdienen möchte.<br />
Ernst-Ullrich von Weizsäcker<br />
hat in seinem lesenswerten<br />
Buch „Faktor 4“ darauf<br />
hingewiesen, dass eine<br />
ökologische Bewirtschaftung<br />
<strong>der</strong> natürlichen Ressourcen<br />
unter bilanzieren<strong>der</strong> Betrachtung<br />
viermal effizienter<br />
ist als die agroindustrielle<br />
<strong>Land</strong>wirtschaft ist, <strong>im</strong> Ergebnis<br />
ressourcenschonend<br />
und nachhaltig.<br />
Eine umwelt- und lebensfeindliche<br />
Technologie<br />
Die Lobbyisten <strong>der</strong> Agrogentechnik<br />
führen <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong><br />
Argumente ins Feld, dass es<br />
Ziel <strong>der</strong> Gentechnik sei,<br />
umweltschonen<strong>der</strong>e Verfahren<br />
zu entwickeln, die den<br />
Einsatz von Pestiziden reduzieren<br />
würden. Als bisher<br />
wichtigstes Einsatzgebiet<br />
und als Beispiel wird dann<br />
<strong>der</strong> Anbau von gentechnisch<br />
manipulierten Sojabohnen<br />
genannt. Dies funktioniert<br />
so, dass vom Chemiekonzern<br />
Aventis eine Sojabohne<br />
entwickelt wurde die „herbizidresistent“ ist.<br />
Jetzt ist es also möglich, Fel<strong>der</strong> mit dieser<br />
genmanipulierten Sojapflanze anzubauen<br />
– und dies wird in den USA bereits auf 60<br />
Prozent <strong>der</strong> Anbauflächen gemacht – um<br />
die Kultur dann mitten <strong>im</strong> Wachstum mit<br />
… Fortsetzung auf S.10