Biodiversität - Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz
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Zusammenfassung | Biologische Vielfalt (Biodiversität),<br />
Gegenstand einer internationalen Konvention <strong>und</strong><br />
umweltpolitisches Schlagwort, ist ein wissenschaftlich<br />
mehrdeutiger, aber emotional wirksamer Begriff, weil Menschen<br />
»Vielfalt« gr<strong>und</strong>sätzlich positiv empfinden. <strong>Natur</strong><br />
heißt Vielfalt, verlangt aber übersichtliche Ordnung als<br />
Aufgabe der <strong>Natur</strong>wissenschaften. Die Biologie gliedert<br />
die Vielfalt der Lebewesen in Arten als Gr<strong>und</strong>einheit. Ihre<br />
Anzahl sinkt infolge der Zunahme von Zahl <strong>und</strong> Ansprüchen<br />
der Menschen dramatisch, was als Bedrohung der<br />
Lebensgr<strong>und</strong>lagen aufgefasst wird <strong>und</strong> mittels der Konvention<br />
verhindert werden soll. Doch die – auch im <strong>Natur</strong>schutz<br />
verbreitete – Einschränkung der <strong>Natur</strong>vielfalt auf<br />
Lebewesen <strong>und</strong> dann auf Arten erweist sich in der Praxis<br />
als problematisch, weil Artenschutz <strong>und</strong> Schutzgebiete<br />
die Nutzung der <strong>Natur</strong> als lebenswichtiger Ressource zu<br />
wenig berücksichtigen. Daher muss das Vielfalts-Prinzip<br />
auch die Nutzung sowie auch die unbelebte <strong>Natur</strong> einschließen.<br />
Wenn <strong>Natur</strong>vielfalt <strong>und</strong> die darauf beruhende<br />
kulturelle, wirtschaftliche <strong>und</strong> soziale Vielfalt der Menschen<br />
nicht in ganzer Breite in die <strong>Umwelt</strong>politik einbezogen<br />
werden, wird biologische Vielfalt zu einem wirklichkeitsfernen<br />
Mythos, der an den Anforderungen der<br />
globalen Gesellschaft scheitert.<br />
Abstract | Biological Diversity, subject of an International<br />
Convention and catchword of environmental politics, is<br />
a scientifically ambiguous, but emotionally effective term,<br />
because people connect diversity with a positive feeling.<br />
<strong>Natur</strong>e means diversity, but requires a comprehensible<br />
order to be established by science. Biology classifies the<br />
diversity of living beings into species as their basic units.<br />
Because of increasing humans’ numbers and needs, species<br />
on earth are declining dramatically, which is considered<br />
a threat to human life support to be prevented by the<br />
Convention. But restricting nature’s diversity to living<br />
beings and then to mere species, which is also common<br />
in nature protection, has turned out as a problem in the<br />
Convention’s implementation. Species preservation and<br />
protected areas do not adequately take into account the<br />
utilization of nature as a vital resource. Therefore, the<br />
diversity principle has to include both land use and nonliving<br />
nature. When nature’s diversity and human’s cultural,<br />
economic and social diversity derived from it are not completely<br />
embodied into environmental politics, biodiversity<br />
will become a myth far off reality, failing the requirements<br />
and needs of the global society.<br />
1. Einleitung: Zum Begriff der biologischen Vielfalt |<br />
»Biologische Vielfalt« ist seit den 1990er Jahren zu einem<br />
Lieblingsbegriff von <strong>Natur</strong>schützern, Biologen <strong>und</strong> Um -<br />
weltpolitikern geworden, dem man fast täglich begegnet<br />
<strong>und</strong> über den es eine kaum noch übersehbare Fülle von<br />
Veröffentlichungen <strong>und</strong> Bek<strong>und</strong>ungen gibt. Aber handelt<br />
es sich dabei nicht um die Neuerfindung des Rades –<br />
eines Rades, das bisher »<strong>Natur</strong>« oder »<strong>Natur</strong>schutz«<br />
genannt wurde? Dies ist der Eindruck eines Ökologen,<br />
der sich seit über 50 Jahren mit der Erforschung der<br />
Organisation der <strong>Natur</strong> befasst. Ich halte ihn sogar für<br />
eine mangelhafte Neuerfindung, weil er Vielfalt auf die<br />
lebende <strong>Natur</strong> beschränkt <strong>und</strong> die unbelebte <strong>Natur</strong><br />
mit ihren physikalisch-chemischen Ressourcen <strong>und</strong><br />
Bedingungen, mit Klima, Wasser, Gesteinen oder Relief<br />
unberücksichtigt lässt.<br />
Immer wieder werde ich gefragt, warum man den<br />
Begriff der biologischen Vielfalt – oder die Kurzform<br />
»Biodiversität« – überhaupt eingeführt hat, wozu er<br />
eigentlich dient, wie weit es wirklich auf sie ankommt,<br />
<strong>und</strong> vor allem ob es einen Maßstab oder Bezugswert<br />
für ihren Zustand gibt 1 . Die Beantwortung dieser Fragen<br />
verliert sich aber in der Vielfalt von Sichtweisen, Deutungen<br />
<strong>und</strong> Meinungen. Biodiversität droht damit offenbar<br />
zu einem Opfer ihrer selbst – oder zum Mythos zu werden,<br />
der sich von der Wirklichkeit der <strong>Natur</strong> entfernt. Um diesem<br />
Zwiespalt zu entgehen, möchte ich die Entstehungsgeschichte<br />
der Biodiversitäts-Idee kurz aus meiner Sicht<br />
darstellen | vgl. Hertler 1999; Piechocki 2005; Herrmann<br />
2006.<br />
2. »Vielfalt« wird positiv empf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> gesucht |<br />
Im Vergleich zum <strong>Natur</strong>schutz, mit dem ja oft Verbote <strong>und</strong><br />
Beschränkungen, also negative Erfahrungen verknüpft<br />
sind, wird mit »Vielfalt« <strong>und</strong> ähnlichen Begriffen wie Viel -<br />
fältigkeit, Mannigfaltigkeit, Abwechslungsreichtum oder<br />
Buntheit, <strong>und</strong> selbst mit dem Fremdworten Diversität,<br />
Diversifizierung oder Differenzierung eine positive Empfindung<br />
<strong>und</strong> Wertung verb<strong>und</strong>en. Wir selbst verkörpern ja<br />
Vielfalt, denn kein Mensch gleicht dem anderen, <strong>und</strong> legen<br />
sogar Wert auf Verschiedensein: in der Weise wie wir uns<br />
kleiden, ernähren, unsere Wohnungen einrichten, Häuser<br />
<strong>und</strong> Siedlungen bauen, selbst wie wir uns verhalten.<br />
Das Leben soll möglichst abwechslungsreich sein, auch<br />
wenn gewisse, sowohl durch Moden als auch durch<br />
Lebensumstände bedingte Einheitlichkeiten nicht vermeid-<br />
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