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Biodiversität - Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz

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Oft wird von <strong>Natur</strong>schutzseite beklagt, dass der rapide<br />

fortschreitende Verlust biologischer Vielfalt im Vergleich<br />

zum Klimawandel viel geringere öffentliche Aufmerksamkeit<br />

findet. Aber das ist nicht schwer zu erklären. Durch<br />

Klimawandel, wie auch durch <strong>Umwelt</strong>verschmutzung, fühlt<br />

sich die Mehrheit der Menschen unmittelbar gefährdet<br />

oder bedroht, zumal sie auch durch messbare Tatsachen<br />

leicht erfassbar sind. Doch wer fühlt sich durch Biodiversitätsverlust<br />

direkt bedroht? Das Aussterben von Eisbären,<br />

sibirischen Tigern, Steinadlern, Apollofaltern oder Orchideen<br />

löst Bedauern <strong>und</strong> Traurigkeit, aber kein eigentliches<br />

Bedrohungsgefühl aus. Und mit welchem Verständnis reagiert<br />

wohl die Bevölkerungsmehrheit in ihrer jeweiligen<br />

sozialen Befindlichkeit, wenn Mopsfledermäuse, Feld -<br />

hams ter, Wachtelkönige, Feldgrashüpfer oder Ameisenbläulinge<br />

verschwinden? Die Versuche des <strong>Natur</strong>schutzes,<br />

mit dem Schlagwort »Artensterben« eine allgemeine<br />

Betroffenheit mit sozialem Zusammenhalt zu erzeugen,<br />

scheitern oft an der Rechtfertigung des Schutzes<br />

bestimmter Arten, die das Artensterben in Einzelfälle<br />

unterschiedlichen Gewichts <strong>und</strong> Wertes auflösen.<br />

Biologische Vielfalt kann eben nicht, das sei noch einmal<br />

wiederholt, mit einem einfachen Zahlenwert, schon<br />

gar nicht mit der bloßen Artenzahl, <strong>und</strong> auch nicht mit in<br />

Geldeinheiten ausgedrückten ökonomischen Nützlichkeits-Kriterien,<br />

wie es der Sukhdev-Report 11 vorschlägt,<br />

gekennzeichnet <strong>und</strong> erst recht nicht fixiert werden. Biodiversität<br />

vereinigt oder vermischt kognitive, ästhetische,<br />

ethische, soziale, normative, appellierende, motivierende<br />

Gesichtspunkte, stößt vor Ort auf die von Besitz- oder<br />

Verfügungsrechten <strong>und</strong> Machtansprüchen gesetzten<br />

Schranken, erzeugt emotionale Betroffenheit bis zur Radikalisierung<br />

– das alles erschwert die Einigung über die<br />

Maßnahmen zur Umsetzung der Konvention oder auch<br />

nur das Verständnis dafür.<br />

In der Öffentlichkeit, in den Medien <strong>und</strong> sogar bis in<br />

die Wissenschaft hinein wird die Biodiversitäts-Konvention<br />

fälschlich als ein reines <strong>Natur</strong>schutz-Übereinkommen<br />

aufgefasst, obwohl sie ja ausdrücklich auch die Nutzung<br />

der biologischen Vielfalt (die sogar als Ressource bezeichnet<br />

wird) <strong>und</strong> die gerechte Verteilung der damit erzielten<br />

Gewinne regeln soll. Damit berücksichtigt die Konvention<br />

den schon in Abschnitt 4 angesprochenen Gr<strong>und</strong>konflikt<br />

des <strong>Natur</strong>schutzes: Seit jeher hat die Menschheit die<br />

Na tur ganz überwiegend als Nutzungsobjekt <strong>und</strong> als<br />

eigene Lebensgr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> kaum als Schutzobjekt<br />

betrachtet. Dies liegt wohl im biologischen Wesen des<br />

Menschen als eines Heterotrophen 12 mit breitem Nahrungsspektrum<br />

begründet, der seine hohe Intelligenz,<br />

technischen Fähigkeiten, Vorausschau <strong>und</strong> Planung über<br />

Jahrtausende darauf konzentrierte, die <strong>Natur</strong> zugunsten<br />

eines sichereren <strong>und</strong> auch bequemeren Lebens immer<br />

gründlicher zu nutzen <strong>und</strong> auszubeuten – <strong>und</strong> sich auf<br />

Gr<strong>und</strong> der Erfolge dieses Bemühens immer stärker zu<br />

ver mehren sowie seine Ansprüche zu steigern <strong>und</strong> zu<br />

verfeinern | Haber 2007a. Erst gegen Ende des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

wurde erkannt <strong>und</strong> schmerzlich bewusst, dass<br />

Nutzung <strong>und</strong> Schutz der <strong>Natur</strong>, ihrer Ressourcen <strong>und</strong><br />

Funktionen, zwei Seiten derselben Münze sind <strong>und</strong> der<br />

so lange missachtete Schutzaspekt allein deswegen<br />

erhöhte <strong>und</strong> nachhaltige Berücksichtigung erfordert.<br />

Diesem Ziel soll ja die Biodiversitäts-Konvention zusammen<br />

mit der ebenfalls in Rio de Janeiro 1992 beschlos -<br />

senen, aber ebenso schwer umsetzbaren Konvention<br />

über »Sustainable Development« dienen.<br />

Als sehr junge »Errungenschaft« der menschlichen<br />

Kultur wird <strong>Natur</strong>schutz aktiv nur von bestimmten Gesellschaftsschichten<br />

betrieben oder unterstützt. Man muss<br />

sich das an der Geschichte des Lebens der Menschen<br />

auf der Erde klarmachen. Etwa 40.000 Generationen lang<br />

(zu je 30 Jahren) lebten die Menschen in, mit <strong>und</strong> von der<br />

<strong>Natur</strong> – als Sammler <strong>und</strong> Jäger. Seit r<strong>und</strong> 600 (in Mittel -<br />

europa 325) Generationen lebten sie gegen die (wilde)<br />

<strong>Natur</strong> – als Landwirte | Pretty 2002|, <strong>und</strong> erst seit 6 Generationen<br />

auch für die <strong>Natur</strong> – als naturliebende Städter.<br />

<strong>Natur</strong>schutz hat eine »materialistische«, lebenstragende<br />

Seite, den Schutz des <strong>Natur</strong>haushalts mit seiner Leistungs-<br />

<strong>und</strong> Nutzungsfähigkeit, welche die Menschen,<br />

auch aus durchaus egozentrischen Gründen, wohl nicht<br />

in Frage stellen werden. Aber was geschieht mit der<br />

»ide alistischen« Seite des <strong>Natur</strong>schutzes, die uns Menschen<br />

inspiriert, erfreut <strong>und</strong> beglückt? Unbewusst teilen<br />

wir die <strong>Natur</strong> auf in eine <strong>Natur</strong>, die unser Leben trägt <strong>und</strong><br />

erhält, <strong>und</strong> in eine <strong>Natur</strong>, die uns gefällt <strong>und</strong> Wohlgefühl<br />

vermittelt | Haber 2006 | – aber die zweite setzt die erste<br />

voraus!<br />

Solche verallgemeinernde Überlegungen über den<br />

Um gang der Menschen mit der <strong>Natur</strong> geraten leicht in<br />

Widersprüche zur Thematik der biologischen Vielfalt, die<br />

ja die Menschen als biologische Wesen einbeziehen muss.<br />

Wie in Abschnitt 2 beschrieben, verkörpern die Menschen<br />

ja selbst das Prinzip Vielfalt (jeder Mensch ist ein Unikat!),<br />

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