19.10.2014 Aufrufe

Biodiversität - Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz

Biodiversität - Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz

Biodiversität - Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

jedem Aussterben einer Art verlieren wir eine Option für<br />

die Zukunft«, oder »Mit jeder Art, die geht, geht ein Stück<br />

von uns selbst«. Solche Äußerungen gehen von der falschen<br />

Annahme aus, dass alle Arten gleichwertig seien –<br />

wobei erneut darauf hingewiesen wird, dass »Art« ein<br />

Abstraktum ist | siehe Abschnitt 3. Arten sind zwar<br />

brauchbare Indikatoren für Biodiversität, machen aber<br />

nicht deren Wesen <strong>und</strong> Bedeutung aus | Zieschank et al.<br />

2004. Die Artenfülle fasziniert den Wissenschaftler <strong>und</strong><br />

erstaunt den Laien – aber für welche <strong>und</strong> wieviele Arten<br />

würde er »auf die Barrikaden« gehen? Militante Tierschützer<br />

tun es gewiss für höhere Tiere! Hinzu kommt, dass<br />

bei der Wertung der Arten im <strong>Natur</strong>schutz eine »Briefmarkensammler-Mentalität«<br />

überwiegt: seltene, schöne Arten<br />

werden bevorzugt, verstärkt durch Empathie, wenn sie<br />

gefährdet sind.<br />

Angesichts der riesigen Fülle der Arten ist ein Artenschutz,<br />

der jede einzelne Art berücksichtigt, auch schlicht<br />

unrealistisch, sogar aus ethischer Sicht | vgl. Döring & Ott<br />

2001|, <strong>und</strong> entspricht im übrigen einem kreationistischen<br />

Mythos. Herrmann | 2006, S. 184 | bezeichnet den pauschalen<br />

Schutz der Biodiversität als »Anti-Evolutionis-<br />

mus«. Der F<strong>und</strong> eines einzelnen Individuums einer Rote<br />

Liste-Art oder einer FFH-Art sagt weder etwas über seine<br />

Überlebenschance am F<strong>und</strong>ort noch über seinen Beitrag<br />

zur Biodiversitäts-Erhaltung aus | Henle 1994 |, wird aber<br />

oft dazu instrumentalisiert, um alle menschlichen Aktivitäten,<br />

die auch aus ganz anderen Gründen unerwünscht<br />

sein mögen (Beispiel: Bau einer zusätzlichen Brücke über<br />

die Elbe in Dresden), zu unterbinden.<br />

Auch allgemeine, appellatorische Aussagen von <strong>Natur</strong>schutzverfechtern<br />

oder <strong>Umwelt</strong>politikern, dass die biolo -<br />

gische Vielfalt z.B. »das natürliche Kapital des Planeten«<br />

oder die »Lebensgr<strong>und</strong>lage der Menschen« sei, erweisen<br />

sich bei näherer Betrachtung als Mythen. Die wirkliche,<br />

elementare Lebensgr<strong>und</strong>lage der heutigen Menschheit<br />

<strong>und</strong> ihrer Aktivitäten (einschließlich der Sorge für die Bio -<br />

diversität!) besteht aus der Minimal-Vielfalt von sechs<br />

Getreidearten, nämlich Reis, Weizen, Mais, Gerste, Rispen-<br />

<strong>und</strong> Kolbenhirse – wenn auch jeweils in einer Vielfalt<br />

von Sorten. Das ist die Folge des Übergangs von der<br />

Sammler-Jäger-Kultur zur Landwirtschaft (Ackerbau =<br />

Agri-Kultur)! Er ist aus heutiger Sicht der schwerste <strong>und</strong><br />

irreversible Verstoß gegen die Biodiversität gewesen, <strong>und</strong><br />

zwar in doppelter Weise: weil er die Vielfalt der Nahrung<br />

liefernden Pflanzen- <strong>und</strong> Tierarten so stark reduzierte,<br />

<strong>und</strong> weil die Nutzpflanzen <strong>und</strong> auch -tiere in möglichst reinen,<br />

von begleitender Vielfalt freigehaltenen Beständen<br />

gehalten werden. Eine Konvention über biologische Vielfalt<br />

hätte eigentlich schon damals beschlossen werden müssen!<br />

Sie hätte dann auch würdigen können, dass die irreversibel<br />

schweren Eingriffe der Landwirtschaft in die <strong>Natur</strong><br />

die Kulturlandschaft als »landschaftliche <strong>Natur</strong>« <strong>und</strong> als<br />

eigene Ausprägung von Vielfalt hervorgebracht haben –<br />

diese aber seit r<strong>und</strong> 150 Jahren weitgehend wieder beseitigen.<br />

Denn die gegenwärtige rapide Abnahme der landschaftlichen<br />

Vielfalt (als wesentlicher Teil der Biodiversität)<br />

beruht zum großen Teil wiederum auf der Landwirtschaft,<br />

<strong>und</strong> zwar auf deren Ausbreitung, Modernisierung <strong>und</strong><br />

Intensivierung sowie auf den damit verb<strong>und</strong>enen Bodenschädigungen.<br />

Die Landwirtschaft wird dafür oft auf die<br />

Anklagebank gesetzt, aber die eigentliche Ursache liegt in<br />

der starken Zunahme der Zahl <strong>und</strong> Ansprüche der Menschen!<br />

Sie wollen sicher <strong>und</strong> gut ernährt sein, wünschen<br />

nun aber auch die Erhaltung biologischer Vielfalt. Doch<br />

wissen wir nicht <strong>und</strong> können auch nicht verlässlich feststellen,<br />

wie viel davon für das Leben der Menschheit <strong>und</strong><br />

für die <strong>Natur</strong> notwendig ist, denn es gibt keine in Zahlen<br />

oder klaren Formeln fassbare Messgröße dafür. Es kann<br />

daher keinen Grenzwert für einen noch duldbaren Bio -<br />

diversitäts-Verlust geben, vergleichbar den Grenzwerten<br />

für Schadstoffe in Luft oder Wasser oder für die Tempe -<br />

raturerhöhung im Klimawandel | vgl. Hoffmann-Kroll et al.<br />

1999. Die dafür herangezogenen Artenzahlen sind,<br />

wie schon beschrieben, zu fehlerhaft <strong>und</strong> anfechtbar.<br />

Die Wiederherstellung eines früheren Biodiversitäts-Zu -<br />

standes gemäß dem Verursacherprinzip ist in der Praxis<br />

ebenfalls sehr schwierig; man denke an die Aushagerung<br />

gedüngter Wiesen oder die Wiedervernässung entwässerter<br />

Feuchtgebiete. Die Vielfalt der <strong>Natur</strong> verhindert, so<br />

paradox es klingt, eine einheitliche <strong>und</strong> überzeugende<br />

Biodiversitäts-Strategie!<br />

Leichter einsehbar ist die Gefahr des Biodiversitäts-<br />

Verlustes bei unseren Nutzpflanzen <strong>und</strong> Nutztieren. Wie<br />

gerade erwähnt, beruht die Ernährung der wachsenden<br />

Menschheit auf einer überraschend geringen Zahl dafür<br />

verwendeter Arten, bei denen sich durch menschliche<br />

Auslese aber eine hohe Sorten- <strong>und</strong> Qualitätsvielfalt ent -<br />

wickelt hatte. Gerade diese wird aber durch die moderne,<br />

ertragsorientierte Pflanzenzüchtung einschließlich der<br />

Gentechnik, wie viele Beispiele zeigen, stark vermindert<br />

26 |

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!