Nr. 42 Winter 2013/14 - Uni-marburg.de
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Sie sind gefürchtet – neuro<strong>de</strong>generative<br />
Erkrankungen wie Alzheimer<br />
und Parkinson. Niemand weiß, ob<br />
es auch ihn treffen wird. Forscher<br />
<strong>de</strong>r <strong>Uni</strong>versität Marburg suchen nach<br />
Ansätzen, die Entwicklung <strong>de</strong>r<br />
Parkinson-Erkrankung zu stoppen,<br />
lange bevor die typischen Symptome<br />
überhaupt auftreten.<br />
<strong>Uni</strong>klinik in Marburg eines <strong>de</strong>r<br />
besten Schlafforschungszentren<br />
<strong>de</strong>r Welt hat!“ Der Neurologe<br />
und sein Team suchen bun<strong>de</strong>sweit<br />
nach Personen, die im<br />
Traum re<strong>de</strong>n und um sich schlagen<br />
o<strong>de</strong>r sich bewegen. Im<br />
Schlaflabor unter Leitung von<br />
Claus Franz Vogelmeier und Ulrich<br />
Köhler wird untersucht, ob<br />
die Proban<strong>de</strong>n tatsächlich unter<br />
einer Verhaltensstörung <strong>de</strong>s<br />
REM-Schlafes lei<strong>de</strong>n.<br />
Aber wollen Betroffene tatsächlich<br />
wissen, dass sie ein<br />
<strong>de</strong>utlich erhöhtes Risiko haben,<br />
an Parkinson zu erkranken? Ja,<br />
weiß Oertel zu berichten: „Die<br />
meisten sind hoch motiviert und<br />
wollen mit dazu beitragen, dass<br />
Therapien gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, damit<br />
die Erkrankung gar nicht<br />
erst ausbricht.“<br />
Wie erklärt man sich überhaupt<br />
<strong>de</strong>n Zusammenhang zwischen<br />
<strong>de</strong>m auffälligen Schlafverhalten<br />
und <strong>de</strong>r Schüttellähmung?<br />
Im Mittelpunkt <strong>de</strong>s Geschehens<br />
steht das Eiweiß<br />
Alpha-Synuclein, das Eiweißfä<strong>de</strong>n<br />
bil<strong>de</strong>n kann. „Man geht<br />
heute davon aus, dass bei <strong>de</strong>r<br />
Parkinson-Krankheit zu viel Alpha-Synuclein<br />
gebil<strong>de</strong>t, das Eiweiß<br />
zu langsam abgebaut o<strong>de</strong>r<br />
falsch hergestellt wird“, erklärt<br />
Oertel. Dadurch entstehen Eiweißfä<strong>de</strong>n,<br />
die sich immer mehr<br />
zusammenlagern und verknäulen.<br />
Der Zwischenzustand, in<br />
<strong>de</strong>m etwa vier bis fünf Eiweißfä<strong>de</strong>n<br />
zusammenhängen, ist für<br />
die Zelle extrem schädlich, sodass<br />
sie abstirbt.<br />
In <strong>de</strong>r Frühphase <strong>de</strong>r Erkrankung<br />
ist hiervon <strong>de</strong>r Riechkolben<br />
(Bulbus olfactorius) betroffen,<br />
ein Hirnareal, an <strong>de</strong>m<br />
die Riechnerven en<strong>de</strong>n, die von<br />
<strong>de</strong>r Schleimhaut <strong>de</strong>r Nase kommen.<br />
Das erklärt auch, warum<br />
ein typisches Frühzeichen einer<br />
beginnen<strong>de</strong>n neuro<strong>de</strong>generativen<br />
Erkrankung wie Alzheimer<br />
o<strong>de</strong>r Parkinson <strong>de</strong>r Verlust<br />
<strong>de</strong>s Geruchssinns ist.<br />
80 Prozent <strong>de</strong>rjenigen, die im<br />
Traum sprechen und sich bewegen,<br />
erkranken später an Parkinson.<br />
Aufgrund <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mografischen<br />
Entwicklung<br />
sind neuro<strong>de</strong>generative<br />
Erkrankungen<br />
auf <strong>de</strong>m Vormarsch.<br />
Weltweit suchen Forscher intensiv<br />
nach Möglichkeiten, diese<br />
Krankheiten zu behan<strong>de</strong>ln. So<br />
auch die Neurologen <strong>de</strong>r Philipps-<strong>Uni</strong>versität<br />
unter ihrem<br />
Chef Wolfgang Oertel.<br />
Doch <strong>de</strong>r Fokus ihrer Arbeit<br />
unterschei<strong>de</strong>t sich von <strong>de</strong>r Ausrichtung<br />
an<strong>de</strong>rer Gruppen: Der<br />
Direktor <strong>de</strong>r Klinik für Neurologie<br />
und seine Mitarbeiter befassen<br />
sich mit <strong>de</strong>r Parkinson-Erkrankung<br />
lange bevor Symptome<br />
wie Zittern, verlangsamte<br />
Bewegungen und starres Gesicht<br />
auftreten, die für die<br />
Krankheit typisch sind und ihr<br />
die <strong>de</strong>utsche Bezeichnung<br />
Schüttellähmung eingetragen<br />
haben.<br />
„Wir wissen, dass 80 bis 90<br />
Prozent <strong>de</strong>r Menschen, die im<br />
Traum sprechen und sich bewegen,<br />
die Parkinsonkrankheit<br />
entwickeln“, erklärt Oertel. Das<br />
ungewöhnliche Verhalten im<br />
Schlaf wird als REM-Schlaf-Verhaltensstörung<br />
bezeichnet. REM<br />
(Rapid Eye Movement)-Schlaf –<br />
so nennen Fachleute eine<br />
Traumphase während <strong>de</strong>s Schlafes,<br />
die durch schnelle Augenbewegungen<br />
und Aktivitätsphasen<br />
<strong>de</strong>s Gehirns gekennzeichnet ist.<br />
Während normalerweise die<br />
Skelettmuskulatur in dieser Phase<br />
eine niedrigen Spannung aufweist<br />
– die Schlafen<strong>de</strong>n liegen<br />
weitgehend bewegungslos da –<br />
leben Personen mit REM-Schlaf-<br />
Verhaltensstörung aggressive<br />
Träume aus: Sie sprechen, kicken<br />
o<strong>de</strong>r schlagen um sich –<br />
teilweise mit einer solchen<br />
Wucht, dass die Betroffenen sich<br />
selbst o<strong>de</strong>r ihre Partner dabei<br />
verletzen. Oertel hat mit seinem<br />
Team einen 13 Fragen umfassen<strong>de</strong>n<br />
Fragebogen entwickelt,<br />
mit <strong>de</strong>m sich Personen i<strong>de</strong>ntifizieren<br />
lassen, die möglicherweise<br />
unter dieser Schlafverhaltensstörung<br />
lei<strong>de</strong>n.<br />
Marburg ist <strong>de</strong>r i<strong>de</strong>ale<br />
Standort für <strong>de</strong>rartige Forschung,<br />
freut sich Oertel: „Wir<br />
haben das Riesenglück, dass die<br />
links: Unruhiger Schlaf ist meist ein Vorbote späterer Erkrankung, hat<br />
die neurologische Forschung festgestellt.<br />
rechts: Wolfgang Oertel ist Chef <strong>de</strong>r Marburger Neurologie und sitzt im<br />
Vorstand <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Fachgesellschaft DGF.<br />
Deutsche Gesellschaft für Neurologie<br />
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