Leben und Arbeiten in Indien (PDF) - German Centre Delhi.Gurgaon
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100 FRAGEN • 100 ANTWORTEN Personalbeschaffung <strong>und</strong> -führung<br />
Welche Besonderheiten bestehen h<strong>in</strong>sichtlich der<br />
Sozialversicherung für Deutsche <strong>in</strong> <strong>Indien</strong>?<br />
Unabhängig von der Nationalität des Arbeitnehmers tritt das<br />
<strong>in</strong>dische Sozialversicherungsrecht <strong>in</strong> Kraft, wenn e<strong>in</strong>e Arbeit <strong>in</strong><br />
<strong>Indien</strong> aufgenommen wird. Allerd<strong>in</strong>gs bietet dieses im Vergleich<br />
zu Deutschland ke<strong>in</strong>en ausreichenden Versicherungsschutz. Bei<br />
der Krankenversicherung gilt gr<strong>und</strong>sätzlich das Territorialpr<strong>in</strong>zip.<br />
So ist es entscheidend, ob der Arbeitnehmer beim deutschen<br />
Stammhaus angestellt ist <strong>und</strong> entsandt wurde oder ob se<strong>in</strong> Anstellungsvertrag<br />
mit der <strong>in</strong>dischen Tochtergesellschaft geschlossen<br />
wurde. In ersterem Fall ist man nach deutschem Recht versichert<br />
<strong>und</strong> muss deutsche Beiträge entrichten. Das deutsch-<strong>in</strong>dische<br />
Sozialversicherungsabkommen (2008) be<strong>in</strong>haltet, dass deutsche<br />
Arbeitnehmer <strong>in</strong> <strong>Indien</strong> weiter <strong>in</strong> Deutschland sozialversichert<br />
bleiben. E<strong>in</strong> entsandter Arbeitnehmer ist <strong>in</strong> der gleichen Form<br />
im Zielland versichert wie zu Hause. Familienangehörige, die<br />
nach §10 SGB V <strong>in</strong> der Familienversicherung mitversichert s<strong>in</strong>d,<br />
behalten diesen Versicherungsschutz. Da jedoch die deutschen<br />
Krankenkassen ke<strong>in</strong>e vertraglichen Beziehungen zu <strong>in</strong>dischen<br />
Leistungsträgern haben, erhalten die <strong>in</strong> <strong>Indien</strong> beschäftigten Arbeitnehmer<br />
im Falle e<strong>in</strong>er Erkrankung von ihrem Arbeitgeber die<br />
ihnen per Sozialversicherung zustehenden Leistungen. Der Arbeitgeber<br />
wiederum rechnet diese mit den Krankenkassen ab.<br />
Wie s<strong>in</strong>d Arbeits- <strong>und</strong> Urlaubszeiten geregelt?<br />
Die gesetzliche Arbeitszeit ist laut der Factories Act (1948) auf<br />
48 St<strong>und</strong>en pro Woche festgelegt, wobei der Arbeitstag nicht<br />
länger als neun St<strong>und</strong>en se<strong>in</strong> darf. E<strong>in</strong> Tag pro Woche muss frei<br />
se<strong>in</strong>. Mehrarbeit ist mit Zuschlägen extra zu vergüten. Nach fünf<br />
St<strong>und</strong>en Arbeit steht dem <strong>Arbeiten</strong>den e<strong>in</strong>e halbe St<strong>und</strong>e Pause<br />
zu. Gesetzlich stehen dem Arbeitnehmer 20 Urlaubstage pro Kalenderjahr<br />
zu. Weitgehende Praxis ist heute e<strong>in</strong>e Sechs-Tage-Arbeitswoche<br />
mit maximal 48 St<strong>und</strong>en für Fabrikarbeiter, während<br />
Büroangestellte im Regelfall zwischen 35 <strong>und</strong> 40 St<strong>und</strong>en pro<br />
Woche arbeiten. Urlaubsregelungen s<strong>in</strong>d je nach Unternehmen<br />
bisweilen sehr flexibel <strong>und</strong> berücksichtigen die privaten Bedürfnisse<br />
der Angestellten (zum Beispiel Teilnahme an Familienfesten,<br />
religiösen Zeremonien). Vielfach gehören großzügige Urlaubszeiten<br />
zu den zusätzlichen Sozialleistungen (fr<strong>in</strong>ge benefits), die<br />
die Mitarbeit im Unternehmen attraktiver machen. Es ist davon<br />
auszugehen, dass <strong>in</strong>dische Mitarbeiter durchschnittlich im Jahr<br />
260 bis 270 Tage arbeiten. Laut Statistik arbeiten Inder 2.350,<br />
Amerikaner 1.900 <strong>und</strong> Deutsche 1.700 St<strong>und</strong>en im Jahr.<br />
Welche gesetzlichen Feiertage gibt es?<br />
In der Feiertagsregelung spiegelt sich die kulturelle wie religiöse<br />
Heterogenität <strong>Indien</strong>s. Die Zentralregierung legt verb<strong>in</strong>dliche<br />
Rahmendaten vor, die neben den nationalen Gedenktagen<br />
(Tag der Republik am 26.1., Unabhängigkeitstag am 15.8.<br />
<strong>und</strong> Mahatma Gandhis Geburtstag am 2.10.) die Hochfeste der<br />
wichtigsten Religionsgeme<strong>in</strong>schaften berücksichtigen. Da letztere<br />
überwiegend nach dem Mondkalender berechnet werden,<br />
ändert sich das Datum von Jahr zu Jahr. Darüber h<strong>in</strong>aus gibt es<br />
regionale Feiertage. Für die Planung betrieblicher Prozesse ist<br />
es wichtig zu berücksichtigen, dass die Tage zwischen Dussehra<br />
<strong>und</strong> Diwali, dem <strong>in</strong>dischen Lichterfest (26. Oktober 2011), gern<br />
frei genommen werden. Weihnachten (25./26. Dezember) <strong>und</strong><br />
Neujahr s<strong>in</strong>d zwar offiziell ke<strong>in</strong>e gesetzlichen Feiertage, werden<br />
aber als solche begangen. In Regionen mit e<strong>in</strong>em hohen<br />
muslimischen Bevölkerungsanteil s<strong>in</strong>d der Geburtstag des Propheten<br />
(Milad-Un-Nabi), das Fastenbrechen am Ende des Ramadans<br />
(Id ul Fitr), das Opferfest Idul Zuha/Bakrid sowie das<br />
islamische Neujahr Muharram wichtig.<br />
Wie kann man der hohen Mitarbeiterfluktuation begegnen?<br />
Langfristige B<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Loyalität gegenüber dem Unternehmen<br />
können durch e<strong>in</strong> umfangreiches Maßnahmenpaket erzielt<br />
werden. Bauste<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>d unter anderem regelmäßige Gehaltssteigerungen<br />
(<strong>in</strong> manchen Branchen 15 bis 30 Prozent jährlich), Boni<br />
<strong>und</strong> fr<strong>in</strong>ge benefits. Besonders beliebt ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuell zusammengestelltes<br />
Paket, das zum Beispiel (Sozial-)Versicherungen<br />
für die Mitarbeiter <strong>und</strong> ihre Familien, Unterstützung beim Schulgeld<br />
für die K<strong>in</strong>der, z<strong>in</strong>svergünstigte Darlehen für den Kauf von<br />
Eigentumswohnungen oder Häusern beziehungsweise Mietzuschuss<br />
(manche Firmen bauen Siedlungen für ihre Arbeiter<br />
<strong>und</strong> Angestellten), Taxi-/ Busservice oder Auto mit Chauffeur,<br />
das selbstverständlich auch für private Fahrten zur Verfügung<br />
steht, großzügige Urlaubsregelungen, Auszeiten zugunsten der<br />
Familie, Fitnessstudio etc. enthält. Geschätzt werden Qualifizierungsmaßnahmen<br />
<strong>in</strong> Richtung Persönlichkeitsentwicklung<br />
<strong>und</strong> Führungsqualitäten, aber auch erweiternde Studien, die<br />
das jeweilige berufliche Profil <strong>in</strong> Richtung mehr Verantwortungsübernahme<br />
abr<strong>und</strong>en (beispielsweise e<strong>in</strong> MBA-Studiengang für<br />
e<strong>in</strong>en Ingenieur). Auslandsaufenthalte, Mitarbeit <strong>in</strong> den <strong>in</strong>ternationalen<br />
Niederlassungen der Firma, Teilnahme an Kongressen<br />
etc. fördern ebenfalls die B<strong>in</strong>dung. Das Gefühl zu e<strong>in</strong>em »<strong>in</strong>ner<br />
circle« zu gehören, der direkten Kontakt zum Top-Management<br />
hat (durch geme<strong>in</strong>same E<strong>in</strong>ladungen <strong>in</strong> angesagte Restaurants<br />
mit gutem Essen <strong>und</strong> Austausch zu wichtigen unternehmerischen<br />
Themen), <strong>in</strong>tensiviert ebenfalls die B<strong>in</strong>dung an das Unternehmen.<br />
»Career and personal growth has displaced compensation<br />
as the most important factor«, schrieb das Wirtschaftsmagaz<strong>in</strong><br />
Bus<strong>in</strong>ess today im Februar 2010 unter der Überschrift »The best<br />
companies to work for«. Da <strong>in</strong> <strong>Indien</strong> die Familie der <strong>Leben</strong>smittelpunkt<br />
ist, sollten möglichst viele dieser Angebote auf die<br />
Bedürfnisse der Angestellten <strong>und</strong> ihrer Familien <strong>in</strong> der jeweiligen<br />
biografischen Phase abgestimmt se<strong>in</strong>.<br />
Welche Besonderheiten s<strong>in</strong>d bei Entlassungen zu beachten?<br />
Als mögliche Kündigungsgründe kommen nach der Industrial<br />
Disputes Act (1947) die Verkle<strong>in</strong>erung des Betriebs, notwendige<br />
betriebsbed<strong>in</strong>gte E<strong>in</strong>sparungen, Schließung des Betriebs<br />
<strong>und</strong> schwerwiegendes Fehlverhalten des Arbeitnehmers <strong>in</strong> Frage.<br />
Den Gekündigten stehen per Gesetz fest vorgeschriebene<br />
M<strong>in</strong>destsätze an Abf<strong>in</strong>dungen zu, die sich nach der Dauer der<br />
Betriebszugehörigkeit bemessen. Muss e<strong>in</strong> defizitäres Unternehmen<br />
geschlossen werden, gel<strong>in</strong>gt dies am besten, wenn sich Unternehmer<br />
<strong>und</strong> Gewerkschaft auf e<strong>in</strong>en Sozialplan e<strong>in</strong>igen. Von<br />
leitenden Angestellten trennt man sich <strong>in</strong> der Regel mit e<strong>in</strong>em gut<br />
dotierten »golden handshake«. In vielen <strong>in</strong>dischen Unternehmen<br />
ist es üblich, e<strong>in</strong>em gekündigten Mitarbeiter bei der Suche nach<br />
e<strong>in</strong>em neuen Job behilflich zu se<strong>in</strong>.<br />
Wie sollten sich deutsche Führungskräfte auf ihren E<strong>in</strong>satz<br />
<strong>in</strong> <strong>Indien</strong> vorbereiten?<br />
In jedem Fall ist es empfehlenswert, e<strong>in</strong> mehrtägiges <strong>in</strong>terkulturelles<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g zu absolvieren <strong>und</strong> zusätzlich noch für die<br />
erste Zeit <strong>in</strong> <strong>Indien</strong> e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuelles Coach<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Anspruch zu<br />
24 INDIENCONTACT<br />
4 ⁄ 2010