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Berliner Hofgärten - Kraut und Rüben im Kiez - Grüne Liga Berlin e.V.

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16 August / September 2013 WASSER<br />

Hochwasserschutz nach der Flut 2013<br />

Nach den schweren Überflutungen<br />

in weiten Teilen<br />

Deutschlands <strong>im</strong> Mai <strong>und</strong> Juni<br />

2013 hat sich die Situation weitestgehend<br />

beruhigt. Die hohen Pegelstände<br />

sind zurückgegangen, das Wasser<br />

abgeflossen, die Menschen in ihre Häuser<br />

zurückgekehrt <strong>und</strong> vielerorts sind<br />

Schlamm <strong>und</strong> Schäden bereits beseitigt<br />

worden. Was bleibt ist die weiterhin<br />

kontroverse Diskussion um wirksamen<br />

Hochwasserschutz. Hierbei streiten sich<br />

erneut Vertreter von rein technischen<br />

Maßnahmen mit Naturschutzverbänden<br />

<strong>und</strong> Bürgerinitiativen, die nach Meinung<br />

verschiedener Politiker wichtige<br />

Schutzprojekte verhindert oder unnötig<br />

in die Länge gezogen hätten. Dem stehen<br />

Forderungen besagter<br />

Verbände entgegen, eine<br />

Verbindung von Natur<strong>und</strong><br />

Hochwasserschutz<br />

in Form von Deichrückverlegungen,<br />

weniger<br />

versiegelten Flächen <strong>und</strong><br />

Siedlungsverbot in alten<br />

Überschwemmungsgebieten<br />

zu realisieren.<br />

Im Angesicht der<br />

jüngsten Hochwasserereignisse<br />

bleibt ebenfalls<br />

zu bedenken, dass in<br />

einer Demokratie partizipative<br />

Prozesse <strong>und</strong><br />

Bürgerbeteiligung von<br />

Natur aus Zeit in Anspruch<br />

nehmen. Derzeit<br />

aufkommende Forderungen<br />

nach zügigeren<br />

Umsetzungsverfahren<br />

von Hochwasserschutzanlagen,<br />

die zur Not auch<br />

ohne Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

<strong>und</strong> über die<br />

Köpfe der betroffenen<br />

Bürger hinweg realisiert<br />

werden sollen, sind mit<br />

höchster Vorsicht zu betrachten.<br />

An vier Beispielprojekten<br />

sollen an dieser<br />

Stelle schwelende Konflikte zwischen<br />

Naturschützern, Bürgerinitiativen <strong>und</strong><br />

Politik bezüglich Hochwasserschutzsystemen<br />

betrachtet werden. Es gilt<br />

abzuschätzen, inwieweit Bürgerbeteiligung<br />

<strong>und</strong> naturnaher Hochwasserschutz<br />

zukünftig möglich sein werden.<br />

Geplante<br />

Hochwasserrückhaltebecken<br />

Der Freistaat Sachsen war als<br />

einziges B<strong>und</strong>esland in den letzten<br />

zehn Jahren nahezu flächendeckend<br />

von Hochwasserereignissen betroffen.<br />

Nach der zerstörerischen Elbeflut<br />

2002 wurden viele Hochwasserschutzmaßnahmen,<br />

darunter auch<br />

zwei Hochwasserrückhaltebecken an<br />

der Bobritzsch <strong>und</strong> am Chemnitzbach<br />

(Landkreis Mittelsachsen), geplant.<br />

Reaktionen zu geplanten, durchgeführten <strong>und</strong> verhinderten Maßnahmen<br />

Geplante Deichrückverlegung <strong>im</strong> Lödderitzer Forst, Sachsen-Anhalt<br />

Bei Hochwasserereignissen sollen die<br />

Stauanlagen flussabwärts gelegene<br />

Ortschaften entlasten, in dem sie den<br />

Hochwasserscheitel um bis zu 30 Prozent<br />

reduzieren.<br />

Schon während der Planungsphase<br />

sind viele Einwände besorgter Bürger<br />

bei den Kommunen eingegangen, wobei<br />

es sich meist um Naturschutzbedenken<br />

handelte. Vertreter des NABU Sachsen<br />

<strong>und</strong> der GRÜNEN LIGA Sachsen<br />

lehnen das Vorhaben in der geplanten<br />

Form ab <strong>und</strong> erheben nicht unberechtigte<br />

Kritik.<br />

Die Bobritzsch <strong>und</strong> der Chemnitzbach<br />

gehören mit weitestgehend unverbauten<br />

Flussläufen zu den wenigen<br />

naturnahen Fließgewässern des Erzgebirges.<br />

Um den Hochwasserscheitel um<br />

30 Prozent zu verringern, müssten die<br />

Stauanlagen bereits sehr geringe Hochwasserereignisse<br />

der Flüsse regeln.<br />

Flussgestaltende <strong>und</strong> umschichtende<br />

Flutungen würden verhindert, womit<br />

auch die natürliche Auendynamik sowie<br />

das Sed<strong>im</strong>ent- <strong>und</strong> Abfließreg<strong>im</strong>e der<br />

Gewässer <strong>und</strong> deren auentypischen<br />

Pionierlebensräume zerstört wären.<br />

Das geplante Rückhaltebecken bei<br />

Mulda liegt außerdem in einem rechtlich<br />

geschützten Flora-Fauna-Habitat<br />

(FFH-Gebiet) <strong>und</strong> behe<strong>im</strong>atet besonders<br />

gefährdete Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten. Es<br />

ist zu erwarten, dass die Beeinträchtigung<br />

von natürlichen Abflussdynamiken<br />

einen erheblichen Einfluss auf<br />

das Gebiet haben wird. Von Seiten der<br />

GRÜNEN LIGA Sachsen werden eine<br />

umfassende Alternativenprüfung sowie<br />

flächenhafter Hochwasserschutz, kleine<br />

dezentrale Hochwasserbecken in landwirtschaftlich<br />

genutzten Gebieten <strong>und</strong><br />

Niederschlagrückhalt vor Ort gefordert.<br />

Da die eingegangenen Einwände in<br />

einem Planfeststellungsverfahren geprüft<br />

werden müssen, verzögert sich die<br />

Fertigstellung voraussichtlich bis 2015.<br />

Während der Hochwasserkatastrophe<br />

<strong>im</strong> Mai <strong>und</strong> Juni stand nun<br />

die gesamte Region abermals unter<br />

Wasser. Noch vor dessen Abfluss ließen<br />

sich bereits St<strong>im</strong>men aus der Politik<br />

vernehmen, die die Umweltverbände<br />

für die einstweilige Verhinderung der<br />

Schutzmaßnahmen <strong>und</strong> entstandenen<br />

Schäden verantwortlich machten. Auf<br />

mehreren politischen Ebenen finden<br />

Foto: GRÜNE LIGA B<strong>und</strong>ekontaktstelle Wasser<br />

bereits Überlegungen statt, wie man<br />

partizipative „Hürden“ in den Planfeststellungsverfahren<br />

herunterschrauben<br />

sowie die kostspielige Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

für Hochwasserschutzkonzepte<br />

umgehen kann. Auch<br />

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw<br />

Tillich ließ <strong>im</strong> Interview verlauten, dass<br />

er nicht verstehen könne, dass ein paar<br />

schützenswerte Pflanzen den Bau der<br />

nötigen Rückhaltebecken verhindert<br />

hätten.<br />

Es bleibt zu hoffen, dass Bürger<br />

<strong>und</strong> Politiker trotz der dramatischen<br />

Bilder <strong>und</strong> Medienberichte einen kühlen<br />

Kopf bewahren <strong>und</strong> Demokratie <strong>und</strong><br />

Umweltschutz weiterhin ernst nehmen.<br />

Eine Prüfung von Bürgereinwänden <strong>und</strong><br />

alternative Hochwasserschutzkonzepte<br />

dürfen auch zukünftig nicht ignoriert<br />

werden.<br />

Verhinderung einer<br />

Flutschutzmauer in Dresden<br />

Wie zu den Hochwasserereignissen<br />

2002 <strong>und</strong> 2006 ist der Dresdener Stadtteil<br />

Laubegast in den Fluten von 2013<br />

mit einer Scheitelhöhe von 8.76 Metern<br />

wieder zur Insel geworden.<br />

Nach 2002 wurde in Laubegast die<br />

Errichtung einer 2,5 Meter hohen Hochwasserschutzmauer<br />

entlang der Elbe<br />

geplant. Das Projekt löste nicht zuletzt<br />

durch seine landschaftliche Beeinträchtigung<br />

Entsetzen <strong>und</strong> Widerstand unter<br />

den Uferanrainern aus, weswegen <strong>im</strong><br />

Jahr 2009 eine Bürgerinitiative gegen<br />

den Mauerbau ins Leben gerufen wurde.<br />

Die Uferbewohner befürchteten neben<br />

der Beeinträchtigung<br />

des Landschaftsbildes,<br />

bei Überflutungen nur<br />

unzureichenden Schutz<br />

gegen das aufsteigende<br />

Gr<strong>und</strong>wasser. Eine tiefgründende<br />

Mauer hingegen<br />

hätte zwar zum<br />

Rückhalt des Gr<strong>und</strong>wassers<br />

geführt, dafür<br />

aber die Schadstoffanreicherungen<br />

<strong>im</strong> Boden<br />

befördert. Es folgte ein<br />

Stadtgespräch unter der<br />

Prämisse „Leben mit dem<br />

Fluss“, das Diskussionsmöglichkeiten<br />

zwischen<br />

den Bürgern <strong>und</strong> der<br />

Stadt eröffnete. Der Bau<br />

einer Mauer wurde somit<br />

aktiv verhindert, wobei<br />

alternative Schutzmöglichkeiten<br />

vorgestellt<br />

wurden. Obwohl der<br />

Beteiligungsprozess von<br />

allen Seiten als Vertrauen<br />

schaffendes Erlebnis<br />

geschätzt wurde, gab es<br />

nach den jüngsten Hochwasserereignissen<br />

erneut<br />

zynische Kommentare.<br />

So zeigte sich auch hier<br />

Sachsens Ministerpräsident<br />

Stanislaw Tillich <strong>im</strong> Interview mit<br />

dem heute-journal verständnislos gegenüber<br />

den Einwänden. Tillich möchte<br />

notfalls das bürgerliche „Veto-Recht“<br />

beschneiden, um die Planfeststellungsverfahren<br />

zu beschleunigen <strong>und</strong><br />

Hochwasserschutzmaßnahmen wie die<br />

Laubegaster Mauer zügig umzusetzen.<br />

Interessant ist an dieser Stelle, dass<br />

sich die Laubegaster Bürgerbewegung<br />

auch nach der Flut 2013 <strong>im</strong>mer noch<br />

vehement gegen die Mauer ausspricht,<br />

wie auf ihrer Internetseite http://mauerzoff.de/aktuelles.html<br />

nachzulesen ist.<br />

Beispielhafte<br />

Deichrückverlegungen<br />

Deichrückverlegungen gehören zu<br />

den wichtigsten Maßnahmen des naturnahen<br />

Hochwasserschutzes. Deiche

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