Berliner Hofgärten - Kraut und Rüben im Kiez - Grüne Liga Berlin e.V.
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INTERNATIONAL<br />
Durstige Reiseindustrie<br />
Massentourismus verursacht in vielen Regionen Wasserknappheit<br />
August / September 2013<br />
19<br />
Für die schönsten Wochen des<br />
Jahres, wie die Werbung suggeriert,<br />
jettet der Erholungsuchende<br />
gern in die künstlichen Traumwelten<br />
der oft abgeschotteten Hotelanlagen in<br />
Südeuropa oder Übersee mit gebuchtem<br />
Meerblick, alles inklusive <strong>und</strong> An<strong>im</strong>ation<br />
gegen Langeweile. „Dem Alltag<br />
entfliehen, Land <strong>und</strong> Leute kennen<br />
lernen“, heißt das Motto. Außerdem:<br />
„Zwe<strong>im</strong>al am Tag duschen, ein landschaftlich<br />
gestalteter Garten in der<br />
Hotelanlage <strong>und</strong> ein mit bis zum Rand<br />
gefüllter Sw<strong>im</strong>ming Pool“, fügt Dr.<br />
Stroma Cole von der University of the<br />
West of England, Bristol, Fachbereich<br />
Geographie <strong>und</strong> Umweltmanagement<br />
auf einer Fachveranstaltung in <strong>Berlin</strong><br />
zum Thema Wasserknappheit in Urlaubsgebieten<br />
hinzu.<br />
Damit spricht sie ein durchaus<br />
vernachlässigtes Thema an, das manch<br />
einen Urlauber nachdenklich st<strong>im</strong>men<br />
könnte <strong>und</strong> das den Wunsch, Land <strong>und</strong><br />
Leute kennenzulernen, dann unerwartet<br />
anders darstellt: nämlich mit einer eher<br />
ablehnenden Haltung der Einhe<strong>im</strong>ischen<br />
gegen die erholungsuchenden<br />
Massen konfrontiert zu werden, die ihnen,<br />
<strong>im</strong> wahrsten Sinne des Wortes, ihre<br />
Wasservorräte streitig machen. Denn<br />
Tourismus ist eine „durstige Industrie“,<br />
sagt Dr. Stroma Cole. Nicht selten führt<br />
Wasserknappheit sogar zu Konflikten,<br />
weil den Einwohnern die traditionellen<br />
Lebensgr<strong>und</strong>lagen geraubt würden, betont<br />
sie. Die britische Wissenschaftlerin<br />
hat zunächst die Situation in Bali <strong>und</strong><br />
Sansibar untersucht, verweist aber auf<br />
ähnliche Probleme in anderen Urlaubsregionen<br />
wie beispielsweise Malta <strong>und</strong><br />
Zypern.<br />
Allein in Bali zeichnet sich eine<br />
Wasserkrise ab, die sich schnell zu<br />
einer wirtschaftlichen <strong>und</strong> touristischen<br />
Krise entwickelt kann. Immerhin ist die<br />
Wirtschaft des Landes zu etwa 75 Prozent<br />
vom Tourismus abhängig, wovon<br />
bis zu dreieinhalb Millionen Menschen<br />
betroffen wären. Es wurde bereits ein<br />
Rückgang des Gr<strong>und</strong>wasserspiegels<br />
festgestellt. Dies führt zu der absurden<br />
Situation einer zurückgehenden<br />
Landwirtschaft auf der einen <strong>und</strong><br />
eines zunehmenden Tourismus auf der<br />
anderen Seite. „Hotels verfügen über<br />
Generatoren, mit denen sie zu jeder Zeit<br />
Wasser abpumpen können - sind sozusagen<br />
unsere Nachbarn, aber verweigern<br />
uns selbst einen E<strong>im</strong>er voll Wasser“,<br />
zitiert Dr. Cole Einhe<strong>im</strong>ische in Bali.<br />
Ökologisches <strong>und</strong><br />
soziales Problem<br />
Wasserknappheit führt zu einem<br />
Rückgang an Nahrungsmitteln. Zudem<br />
wurde eine Verschlechterung der<br />
Wasserqualität festgestellt. Der Wasserpreis<br />
hat sich weltweit um bis zu<br />
30 Prozent innerhalb von drei Jahren<br />
erhöht. Es sei ebenso absurd, wenn<br />
Urlauber amüsieren sich <strong>im</strong> hoteleigenen Sw<strong>im</strong>mingpool<br />
gut betuchte Touristen 1.500 Dollar<br />
für ein traumhaftes Z<strong>im</strong>mer zahlen,<br />
doch nicht weit entfernt ein Baby<br />
stürbe, kritisiert Dr. Cole. Zugang zu<br />
Wasser ist ein Menschenrecht nach der<br />
UN-Resolution A/HRC/15/L.14. 2010,<br />
wonach 50 bis100 Liter pro Tag als<br />
Richtlinie veranschlagt werden, verweist<br />
Dr. Cole. Die Reiseunternehmen<br />
sollten das respektieren. Deshalb fordert<br />
sie von den Unternehmen „angemessene<br />
Sorgfalt statt Komplizenschaft“, was<br />
schließlich auch den Ruf der Branche<br />
fördern <strong>und</strong> das Image erhöhen würde.<br />
Einige Unternehmen haben das bereits<br />
erkannt <strong>und</strong> handeln entsprechend. Das<br />
Ernteeinsatz auf den Feldern<br />
Foto: El Groo - www.fl ickr.com<br />
seien jedoch noch zu wenige, beklagt<br />
sie. Notwendig wäre unter anderem<br />
eine Einschränkung des Wasserflusses.<br />
„Der Massentourismus ist ein<br />
großes ökologisches <strong>und</strong> soziales Problem<br />
in vielen Ländern“, schreibt Anne<br />
Bernhardt von der Umweltschutzorganisation<br />
Greenpeace in einem Beitrag<br />
für das Internetportal des Goethe<br />
Instituts. Umweltbelastungen durch<br />
Tourismus entstünden vor allem in<br />
Ländern, die ein sensibles Ökosystem<br />
<strong>und</strong> eine mangelnde Infrastruktur aufwiesen.<br />
Dort würden oft rücksichtslos<br />
Hotelanlagen <strong>und</strong> Straßen ausgebaut.<br />
Ein ähnliches Bild, wie von Dr.<br />
Cole beschrieben, zeichnet sich auch<br />
in wasserarmen Regionen Nordarfrikas<br />
wie beispielsweise in Tunesien <strong>und</strong> Marokko<br />
ab. Der Autor Frank Kürschner-<br />
Pelkmann nennt auf TourismWatch,<br />
dem Informationsdienst Tourismus <strong>und</strong><br />
Entwicklung, die beliebten, mit Direktflug<br />
von Deutschland aus erreichbaren<br />
Oasen des Bled el Djerid <strong>im</strong> Süden<br />
Tunesiens als negatives Beispiel. Der<br />
Massentourismus dort verschlingt die<br />
fossilen Gr<strong>und</strong>wasservorräte unter<br />
der Oase.<br />
Foto: IITA Image Library - www.fl ickr.com<br />
„Mehr als 800 Jahre lang hatte es<br />
in Tozeur ein ausgeklügeltes Wasserverteilungs-<br />
<strong>und</strong> Bewässerungssystem<br />
gegeben. Die wenigen Reisenden, die<br />
die Oase besuchten, begnügten sich<br />
mit einigen Litern Quellwasser – die<br />
heutigen Touristen erwarten dagegen<br />
Sw<strong>im</strong>mingpools <strong>und</strong> grüne Rasenflächen.<br />
Dort sorgen Tiefbrunnen <strong>und</strong><br />
leistungsstarke Motorpumpen für<br />
scheinbar unbegrenzte Wassermengen,<br />
die aus bis zu 3.000 Metern Tiefe heraufgeholt<br />
werden. Allerdings sinkt der<br />
Gr<strong>und</strong>wasserspiegel, was dazu führt,<br />
dass erste Dattelpalmen vertrocknen<br />
<strong>und</strong> damit die Existenzgr<strong>und</strong>lage der<br />
Bauernfamilien bedroht ist“, beschreibt<br />
der Autor die sich verschlechternde<br />
Situation aufgr<strong>und</strong> des knapper werdenden<br />
Wassers. Der Umweltminister<br />
<strong>im</strong> benachbarten Marokko warnte<br />
bereits 2006 vor der Vernichtung der<br />
Oasen in seinem Land <strong>und</strong> regte intensives<br />
Wassersparen an.<br />
Teure<br />
Wasserverschwendung<br />
Während in Dubai, wohin jedes<br />
Jahr über sechs Millionen Touristen<br />
reisen, sowie weiteren Metropolen am<br />
Persischen Golf, wo scheinbar unbegrenzte<br />
Wassermengen verschwendet<br />
werden, leiden gleichzeitig aber<br />
45 Millionen Menschen <strong>im</strong> Nahen Osten<br />
<strong>und</strong> in Nordafrika an Wassermangel<br />
<strong>und</strong> mehr als 80 Millionen verfügen<br />
über keine Sanitärinfrastruktur. Neue<br />
Hotels schießen dort wie Pilze aus dem<br />
Boden. Sw<strong>im</strong>mingpools <strong>und</strong> künstliche<br />
Surfanlagen werden mit entsalztem<br />
Meerwasser versorgt, was wiederum<br />
sehr kostenintensiv ist.<br />
Es ist längst bekannt, dass der Massentourismus<br />
eine der gravierendsten<br />
Ursachen für diese Entwicklungen ist.<br />
Doch warum ändert sich nur wenig?<br />
Er ist in vielen Ländern ein bedeutender<br />
Wirtschaftsfaktor <strong>und</strong> somit<br />
Arbeitgeber für Viele. Weltweit sind<br />
etwa 100 Millionen Menschen in der<br />
Tourismusbranche beschäftigt. Die<br />
UN-Organisation „United Nations<br />
Environment Programme“ (UNEP) <strong>und</strong><br />
die Welttourismusorganisation (UNW-<br />
TO) haben darum Kriterien für einen<br />
nachhaltigen Tourismus entwickelt.<br />
Beispielsweise wurde in Ägypten,<br />
das jährlich von über sieben Millionen<br />
Touristen besucht wird, ein Öko-<br />
Siegel, der „Green Star“, etabliert.<br />
Diese Siegel bekommen Hotels, die<br />
best<strong>im</strong>mten Mindestanforderungen<br />
be<strong>im</strong> Energie- <strong>und</strong> Wassersparen oder<br />
bei der Abfallentsorgung genügen. Um<br />
der Wasserverschwendung in touristischen<br />
Zentren Einhalt zu gebieten, wird<br />
vorgeschlagen, den Wasserverbrauch<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich einzuschränken, in den<br />
Hotels Toiletten mit geringer Spülung<br />
sowie Feuchtigkeitssensoren zum Wasserabruf<br />
<strong>und</strong> überall ein Schmutzwasser-Recycling<br />
zu installieren. Zudem<br />
sollten Reiseunternehmen Druck auf<br />
Hoteliers ausüben.<br />
Doch sind nicht nur Reiseunternehmen,<br />
Investoren <strong>und</strong> Hoteliers<br />
gefragt, gerade Touristen sollten sich<br />
angesprochen fühlen, ihr Anspruchsdenken<br />
<strong>und</strong> künstliches, oft durch<br />
Werbung erzeugtes Luxusverständnis<br />
herunterschrauben <strong>und</strong> so zu einem<br />
sparsamen Energieverbrauch während<br />
der Reise beitragen.<br />
Volker Voss