Neurobiologische Forschungsergebnisse - Netzwerk-projekt.de
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Der för<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Unterricht für Hochbegabte muss weg von <strong>de</strong>m vielerlei Beson<strong>de</strong>ren hin zu<br />
<strong>de</strong>r Stufung von Überblick o<strong>de</strong>r Allgemeinem einerseits und Einzelnem (Konkretem) an<strong>de</strong>rerseits.<br />
Wie Regenwolken Kon<strong>de</strong>nsationskerne brauchen, um zu Regen zu wer<strong>de</strong>n, so<br />
braucht die Informationswolke Konzepte, um zu Wissen zu wer<strong>de</strong>n. Konzepte sind die<br />
grundlegen<strong>de</strong>n Ordner <strong>de</strong>s Wissens, sozusagen vorhan<strong>de</strong>ne Adressen, auf die das Neue<br />
trifft, um einzuziehen und erreichbar für Botschaften zu sein, dass sie nämlich zur Arbeit<br />
kommen sollen, etwa um Fragen zu klären.<br />
Die Fragen, die diese Auffor<strong>de</strong>rung zur Wissensorganisation aufwirft, sind in <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />
zu Zankäpfeln zwischen Neurobiologie und Lernpsychologie gewor<strong>de</strong>n, öffentlich<br />
sichtbar beson<strong>de</strong>rs von Elsbeth Stern, früher MPI für Bildungsforschung, Berlin, jetzt TH<br />
Zürich, einerseits und Henning Scheich, Direktor <strong>de</strong>s MPI für Neurowissenschaften, Mag<strong>de</strong>burg,<br />
an<strong>de</strong>rerseits geführt.<br />
Stern sagt, dass Lernprozesse nicht unabhängig vom Stoff gesehen wer<strong>de</strong>n dürften.<br />
Scheich sagt genau das Gegenteil: „Lernprozesse laufen völlig unabhängig vom Stoff ab.“<br />
Kin<strong>de</strong>r müssten in erster Linie Denkstrategien entwickeln und trainieren können. Scheich<br />
sieht die Fixierung auf <strong>de</strong>n Unterrichtsstoff als das Manko <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Schulsystems<br />
an. Weil <strong>de</strong>r Unterricht auf <strong>de</strong>n Durchschnitt ausgerichtet sei, kämen sowohl Begabte als<br />
auch Schüler mit Lernschwierigkeiten zu kurz.<br />
Scheich hat in dieser Kontroverse mit Stern für Exemplarisches Lernen geworben und<br />
damit eben das Konzeptlernen gemeint, das aus <strong>de</strong>m Stand <strong>de</strong>r Neurowissenschaften zu<br />
begrün<strong>de</strong>n ist.<br />
Ein berühmtes Beispiel für Konzeptlernen ist etwa das von Bruner berichtete Landkartenbeispiel:<br />
In einer Schulstun<strong>de</strong> wird <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn die geografische Landkarte von Nordamerika<br />
mit <strong>de</strong>r Auffor<strong>de</strong>rung vorgelegt, die großen Städte einzutragen. Es gab keine<br />
Namensliste, auch keine weiteren Hinweise. Die Kin<strong>de</strong>r waren daher genötigt herauszufin<strong>de</strong>n,<br />
wo Städte liegen könnten (an Flußmündungen, nicht auf <strong>de</strong>n Bergen, in geschützter<br />
klimatischer Lage ...). Sie erlernten also nicht die Namen <strong>de</strong>r Städte, diese wur<strong>de</strong>n<br />
ihnen nachgereicht, son<strong>de</strong>rn die Motive menschlichen Siedlungsverhaltens. Diese sind<br />
das Konzept, die konkreten Städte das Vielerlei <strong>de</strong>s Wissens.<br />
3. Kritisches Denken / Wissenschaftliche Grundbildung<br />
Denken wir noch einmal an die <strong>Forschungsergebnisse</strong> von Zhang Li (Einsatz höherer<br />
kognitiver Anfor<strong>de</strong>rungen führt zu gelöster Atmosphäre im Unterricht), dann ist zum<br />
Konzeptlernen anzufügen, dass sowohl <strong>de</strong>r Entwurf als auch die Nutzung <strong>de</strong>r Konzepte<br />
immer anspruchsvolle kognitive Handlungen erfor<strong>de</strong>rt: Analogisieren, vergleichen, transferieren,<br />
prüfen, subsumieren, erklären, prognostizieren, bewerten ... .<br />
In <strong>de</strong>r amerikanischen Didaktik wer<strong>de</strong>n diese Handlungen zusammengefasst unter <strong>de</strong>n<br />
Begriff <strong>de</strong>s Kritischen Denkens - hier kann nicht eine bestimmte Richtung o<strong>de</strong>r ein Namen<br />
genannt wer<strong>de</strong>n, Kritisches Denken ist ein Begriff, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Unterricht <strong>de</strong>r Schulen ab<br />
etwa <strong>de</strong>m 12. Lebensjahr bis hin in die Universitäten begleitet. Dabei geht es um Verstehen<br />
und Anwendung <strong>de</strong>r wissenschaftlichen Metho<strong>de</strong> eben so wie um die <strong>de</strong>m Laien hilfreiche<br />
Fähigkeit zur Selbstvergewisserung seines Denkens.<br />
In <strong>de</strong>r Didaktik <strong>de</strong>r angelsächsischen Län<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>n Rationalität und Emotionalität nicht<br />
wie bei uns polarisiert. Bis zu Beginn <strong>de</strong>r internationalen Bildungsvergleiche in <strong>de</strong>n 90er<br />
Jahren wur<strong>de</strong> in Deutschland (nicht in <strong>de</strong>r Schweiz und Österreich) die „ganzheitliche“<br />
Persönlichkeitsentwicklung im Konflikt mit <strong>de</strong>m Anspruch einer wissenschaftlichen<br />
Grundbildung gesehen (In einem Satz eines <strong>de</strong>r Protagonisten dieser Kritik, Horst Rumpf,<br />
1978 während einer Konferenz: ((Eine Didaktik <strong>de</strong>r Rationalitätsentwicklung)) macht <strong>de</strong>n<br />
Körper eines Kin<strong>de</strong>s zur Prothese seines Intellekts). Dieser Konflikt spielt in <strong>de</strong>n angelsächsischen<br />
Län<strong>de</strong>rn, die weniger von <strong>de</strong>r Kritischen Theorie <strong>de</strong>r Frankfurter Schule berührt<br />
wur<strong>de</strong>n, kaum eine Rolle. Hier ein Auszug aus <strong>de</strong>m berühmten Aufsatz „Theory into<br />
Practice“ von John Dewey (The middle works: Theory into Practice, übers. v. Eckerle). Er