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Skript Psychologie - Hr. Kunz.pdf - Bak-24.de

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<strong>Skript</strong> <strong>Psychologie</strong> für BAK Nümbrecht<br />

0. Einleitung<br />

<strong>Psychologie</strong> kann als die Wissenschaft vom Erleben und Verhalten des Menschen definiert<br />

werden. Unter Erleben versteht man alle inneren Prozesse wie Denken, Fühlen, Erinnern, etc.<br />

- während unter Verhalten alles äußerlich Beobachtbare verstanden wird. Allerdings kommen<br />

auch innere Vorgänge des Menschen als Teile seines Verhaltens zum Ausdruck.<br />

Während wir im Alltag intuitiv einen anderen Menschen „erkennen“, geht die<br />

wissenschaftliche <strong>Psychologie</strong> systematisch und planmäßig vor. Fehler in der<br />

Alltagspsychologie sind die Selbsttäuschung (Wir tendieren nur das wahrzunehmen, was wir<br />

wahrnehmen wollen) und die eigene Person als Maßstab (wir bewerten andere Menschen aus<br />

unserer subjektiven Sichtweise) zu nehmen.<br />

Die <strong>Psychologie</strong> möchte das Verhalten der Menschen erklären, es vorhersagen und es<br />

beeinflussen.<br />

Welche Faktoren bedingen nun menschliches Verhalten? Menschliches Verhalten und<br />

Erleben können auf Persönlichkeitsfaktoren und situative Reize zurückzuführen sein.<br />

Persönlichkeitsfaktoren entstehen durch Erfahrungen, Erbanlagen, Temperament,<br />

Einstellungen und Interessen. Um Daten über das Verhalten von Menschen zu gewinnen,<br />

kann man Querschnittsuntersuchungen (z.B. Befragung von Menschen zu einem Thema) oder<br />

Längsschnittuntersuchungen (z.B. Erfassung von Konstanzen und Veränderungen im<br />

Lebenslauf von Menschen) durchführen. Als Methoden können die Psychologen auf<br />

Beobachtungen, auf Experimente, auf Befragungen und auf Tests zurückgreifen.<br />

Die wissenschaftliche <strong>Psychologie</strong> unterscheidet zwischen Grundlagen der <strong>Psychologie</strong> und<br />

angewandter <strong>Psychologie</strong>. Zu den Grundlagen gehören die Studiengebiete der Allgemeinen<br />

<strong>Psychologie</strong>, der Differentiellen <strong>Psychologie</strong>, der Entwicklungspsychologie und der<br />

Sozialpsychologie. Die Angewandte <strong>Psychologie</strong> subsumiert die Pädagogische <strong>Psychologie</strong>,<br />

die Klinische <strong>Psychologie</strong>, und die Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie.<br />

Außerdem kleine spezielle Aufgabengebiete, wie Verkehrspsychologie oder Forensische<br />

<strong>Psychologie</strong>.<br />

1. Wahrnehmung und Informationsaufnahme<br />

Solange wir leben strömt eine Fülle von Reizen auf unsere Sinnesorgane zu. Die<br />

Sinnesorgane werden durch die auftretenden Reize erregt. Diese Erregungen werden dann in<br />

Form von elektrischen Impulsen weitergeleitet. Dort werden dann Empfindungen ausgelöst.<br />

Wahrnehmung im eigentlichen Sinne findet erst dann statt. Die ankommenden Reize werden<br />

gruppiert und mit Mustern verglichen, die wir in unserem Gehirn abgespeichert haben. Dann<br />

kann die Wahrnehmung eine Handlung ausführen. Sie haben also den Zweck eine Anpassung<br />

des Individuums an die Umwelt zu ermöglichen.<br />

Unsere Sinnesorgane haben nur ein beschränktes Fassungsvermögen. Alle Informationen, die<br />

auf ein Sinnesorgan treffen, gehen zunächst in einen sog. Sensorischen Speicher, wo sie für<br />

ca. 10 Sekunden verbleiben. Werden die Reize nicht verarbeitet, geht die Information<br />

verloren. Solche Informationsfilterungen erlauben es uns also, uns auf das für uns wesentliche<br />

zu konzentrieren.<br />

Wenn gleiche Reize länger andauern, verlieren die Nervenzellen unserer Sinnesorgane an<br />

Empfindlichkeit. Diesen Prozess nennt man Adaption. Wenn Reize sehr schnell aufeinander<br />

folgen und nicht mehr als einzelne Reize wahrgenommen werden spricht man von einer<br />

Verschmelzung. Von Maskierung sprechen wir, von wenn bei zwei gleichwertigen Reizen<br />

von uns nur noch einer wahrgenommen wird.<br />

Wahrnehmung dient dem Zweck, dass ein Individuum sich der Umwelt anpassen kann und<br />

auf es auf sein Handeln vorbereitet. Die Anpassung ist jedoch nur möglich, weil unser


Wahrnehmungsprozess sich gemäß gewissen Organisationsprinzipien aufbaut. Diese<br />

Gesetzmäßigkeiten nennen wir Gestaltgesetze. Sie dienen dazu, dass unsere Wahrnehmung<br />

einen physikalischen Reiz zu einem sinnvollen Objekt formt. Die Gestaltgesetze haben aber<br />

ihre Grenzen, die unserem Auge widersprüchliche Informationen liefern, die es nicht<br />

vereinbaren kann.<br />

Auf unsere Wahrnehmung wirken aber auch kognitive Einflüsse. Dazu zählen die<br />

Aufmerksamkeit, die Motivation und der Reizentzug. Verantwortlich für die<br />

Aufmerksamkeit, ist die Tatsache, dass wir verschiedenen Dingen unterschiedliche<br />

Aufmerksamkeit widmen, die hängt von persönlichen und situativen Bedingungen ab. Bei der<br />

Aufmerksamkeitslenkung spielen zwei Prozesse eine wichtige Rolle: Filtervorgänge und<br />

Verstärkervorgänge. Was uns nicht wichtig erscheint, wir ausgefiltert. Dies kann willkürlich<br />

oder unwillkürlich passieren. Ähnlich ist es mit den Verstärkern.<br />

Soziale Urteile<br />

Unsere Wahrnehmung unterliegt vielen Beschränkungen, die die Aufnahme und die<br />

Weiterverarbeitung von Informationen beeinflussen. Ergebnisse der Informationsverarbeitung<br />

können Einstellungen, Meinungen, Annahmen und Bewertungen sein. Einstellungen bestehen<br />

aus drei Komponenten: Bewertungen, Gefühlen und Verhaltensbereitschaft.<br />

Vorurteile und Stereotype beziehen sich im Gegensatz zu Einstellungen auf Personen und<br />

Personengruppen. Unter Vorurteilen versteht man herabsetzende Einstellungen gegenüber<br />

Menschen oder Gruppen. Davon abzugrenzen sind Stereotype, unter denen man vorgefasste,<br />

von Mitgliedern einer Gruppe, geteilte Meinungen über die Merkmale von Gruppen oder<br />

Menschen bezeichnet. Sie müssen nicht negativ sein.<br />

Der erste Eindruck<br />

Der erste Eindruck geht weit über das direkt Beobachtbare hinaus und entsteht durch<br />

bestimmte Fehler und Mechanismen der menschlichen Informationsverarbeitung. Die<br />

Informationen, die man zuerst erhält, werden am ehesten erinnert. Häufig werden<br />

nachfolgende widersprüchliche Mitteilungen der Erstinformation angepasst. In diesem Sinne<br />

ist das zuerst Gesehene, Gehörte und Gesprochene meinungsbildend.<br />

In unsere Personenwahrnehmung spielen hervorstehende Eigenschaften häufig eine wichtige<br />

Rolle, die andere Eigenschaften einer Person „überstrahlt“. Insgesamt richten wir unsere<br />

Personenwahrnehmung auf das hervorstehende Merkmal aus.<br />

Soziale Urteile haben Vorteile und Nachteile. Zu den Vorteilen zählen: Soziale Urteile sind<br />

sinnvoll, denn sie ordnen uns die Fülle der Informationen, die auf uns einströmen. Sie<br />

vereinfachen komplizierte Zusammenhänge. Wir können so schneller handeln und verstehen.<br />

Nachteile sind, dass sie zu schwarz – weiß Malerei verleiten können.<br />

Dass sich soziale Urteile verfestigen und man sich gegen andere Meinungen immunisiert,<br />

dafür sind 3 Mechanismen erforderlich: Leugnung, Abwertung des Senders und die<br />

Widerlegung der Argumente.<br />

Wenn sich die Einstellung doch ändert greifen 3 andere Mechanismen: Erfahrungen,<br />

Überredung und Einstellungsänderung durch Anreize.<br />

Wenn Einstellungen und Verhalten nicht miteinander übereinstimmen entsteht eine Spannung<br />

oder eine Dissonanz. Individuen erleben solche Spannungen als unangenehm und versuchen<br />

sie abzubauen.<br />

2. Lernpsychologie<br />

Lernen definiert sich als relativ überdauernde Veränderung des Verhaltenspotentials aufgrund<br />

vorausgesetzter Erfahrungen. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, wie Erfahrungen gesammelt<br />

werden können.<br />

Klassisches Konditionieren: Der russische Physiologe Iwan Pawlow entdeckte während einer<br />

Untersuchungsreihe, dass seine Versuchstiere bereits Speichel absondern, bevor sie überhaupt


Futter bekamen. Lernprozesse nach diesem Prinzip können völlig unbewusst ablaufen. So<br />

wissen viele Menschen nicht, warum sie mit bestimmten Gefühlen oder anderen Reaktionen<br />

auf gewisse Reize hinreagieren. Auch ist eine willentliche Beeinflussung einer einmal<br />

konditionierten Reaktion kaum möglich, den diese Reiz – Reaktionskette läuft automatisch<br />

ab. Dieses Prinzip lässt sich auch bei vergleichbaren Phänomenen beobachten. Diesen<br />

Umstand nennt man Generalisierung: Reize, die dem gelernten Reiz vergleichbar oder ähnlich<br />

sind, können entsprechende Reaktionen auslösen, ohne, dass ein weiterer Lernvorgang<br />

stattgefunden hat.<br />

Das Modell des klassischen Konditionierens ist besonders für die Erklärung des Lernens von<br />

emotionalen menschlichen Reaktionen wie Furcht, Affekt, Hass usw. geeignet. Starke<br />

Gefühle können oft auf Erfahrungen zurückgeführt werden, bei denen ursprünglich neutrale<br />

Reize mit emotionsgeladenen Reizen assoziiert wurden.<br />

Operantes Konditionieren:<br />

Eine weitere Lerntheorie ist das Operante Konditionieren. Zur Unterscheidung kann folgende<br />

Gedankenunterstützung dienen: Während beim klassischen Konditionieren das Augenmerk<br />

auf die Situation vor der Reaktion , nämlich auf die Reize, gerichtet wird, konzentrieren sich<br />

die Lerntheoretiker beim Operanten Konditionieren auf die Zeit nach der Reaktion, auf die<br />

Konsequenzen, die einem Verhalten folgen.<br />

Dabei wird zwischen angenehmen und unangenehmen Konsequenzen unterschieden. Unter<br />

angenehmen Konsequenzen oder Verstärker fallen Lob und Freundlichkeiten, Geschenke oder<br />

leckeres Essen. In jedem Fall wird das Verhalten, das vor dem Lob gezeigt wird, verstärkt.<br />

Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass es noch mal auftritt. Diese Lernform nennt<br />

man positive Verstärkung. Außerdem gibt es eine negative Verstärkung, Bestrafung Typ 1,<br />

Bestrafung Typ 2 und Löschung.<br />

Das Operante Konditionieren wurde intensiv von dem Psychologen Skinner erforscht. Er<br />

betont, dass nicht alle Verstärker gleichwertig sind. So unterscheidet er zwischen primären<br />

und sekundären Verstärkern. Primäre Verstärker befriedigen primäre Bedürfnisse (Nahrung,<br />

Sex, Schmerzlinderung, etc.) sekundäre Verstärker sind Zuwendung oder Geld.<br />

Modellernen<br />

Mit Modellernen ist Lernen durch Nachahmung gemeint. Unter einem Modell werden andere<br />

Menschen oder eine Repräsentation eines Verhaltensmusters verstanden. Ein Modell kann 3<br />

unterschiedliche Auswirkungen haben. Wenn wir durch das Beobachten eines Modells etwas<br />

Neues erlernen, spricht man von einem Modelling Effect. Die zweite Auswirkung der<br />

Imitation (Nachahmung) umfasst keine neuen Reaktionen. Es geht darum, ob ein Lernender<br />

ein vorher gelerntes, sozial unerwünschtes Verhalten öfter oder weniger oft zeigt, nachdem er<br />

as Modell beobachten konnte. Eine dritte Variante sind auslösende Effekte: Ein Modell kann<br />

auch nicht neuartige Reaktionen auslösen. Beispiel: Ein Nachbar fängt an sein Auto zu<br />

waschen, anschließen waschen alle ihr Auto. Das Verhalten des Nachbarn ist der auslösende<br />

Effekt.<br />

Nicht jede Person fungiert gleich gut als Modell. Bestimmte Eigenschaften erhöhen die<br />

Wahrscheinlichkeit, dass eine Person zum Modell für eine andere wird. Förderlich sind:<br />

Hoher sozialer Status, Beliebtheit, Ähnlichkeiten und Eigenschaften, die für den Beobachter<br />

attraktiv sind.<br />

Intelligenz<br />

Intelligenz ist anzusehen als eine mehr oder minder vorhandene individuelle Befähigung,<br />

neuartige Probleme zu meistern und Sinnzusammenhänge zu erfassen, herzustellen oder in die<br />

Praxis um zusetzten.<br />

Da Intelligenz, wie viele andere Themen in der <strong>Psychologie</strong> nicht direkt beobachtbar ist, wird<br />

auf sie geschlossen. Die <strong>Psychologie</strong> möchte die Intelligenz eines Menschen in Beziehung zur


Intelligenz anderer Menschen setzen. Deshalb wurden spezielle Meßmethoden entwickelt,<br />

nämlich die Intelligenztests.<br />

Eine Theorie besagt, dass sich die Intelligenz aus verschiedenen Faktoren zusammensetzt, die<br />

alle gleichzeitig, aber in unterschiedlichem Ausmaße bei jeder Aufgabe eingesetzt werden. Es<br />

können dabei 7 Faktoren wirken: Sprachverständnis, Wortflüssigkeit, Raumvorstellung,<br />

Rechengewandtheit, Gedächtnis, Wahrnehmungsgeschwindigkeit, schlussfolgerndes Denken.<br />

Viele Formen der Intelligenz findet man nicht in allen Völkern vor. So spielt die<br />

Rechenfähigkeit eigentlich nur in der industriellen Welt eine Rolle.<br />

Auf die Frage, ob die Intelligenz erblich ist, versucht die Zwillingsforschung Antworten zu<br />

geben. In Studien wurden eineiige mit zweieiigen Zwillingen verglichen. Bei Testverfahren<br />

mit eineiigen Zwillingen kam man bei den Ergebnissen zu 80 – 90 % Übereinstimmung. Wäre<br />

Intelligenz nun genetisch bedingt, würde man 100% Übereinstimmung feststellen können,<br />

dies ist aber nicht der Fall. So können wir annehmen, dass Intelligenz sowohl auf Erb- also<br />

auch auf Umwelteinflüsse zurückzuführen ist.<br />

Um möglichst genau die Intelligenzleistung zu kennzeichnen, hat man in der <strong>Psychologie</strong> den<br />

sog. Intelligenzquotienten (IQ) eingeführt. Dabei geht man davon aus, dass die Intelligenz in<br />

der Bevölkerung gleichmäßig verteilt ist. Die Mehrheit der Leute besitzt eine mittlere<br />

Intelligenz, einige wenige eine überdurchschnittliche und genauso viele Leute eine<br />

unterdurchschnittliche. Diese Verteilung wurde zuerst nur vermutet, später durch Stichproben<br />

überprüft und bestätigt.<br />

3. <strong>Psychologie</strong> der Entwicklung<br />

Die Entwicklungspsychologie beschäftigt sich mit den Veränderungsprozessen von der<br />

Zeugung bis zum Tod, also des ganzen Lebens. Sie möchte die Faktoren erfassen, die eine<br />

Veränderung ermöglichen.<br />

Schon während der pränatalen (vorgeburtlichen) Phase kann die Außenwelt erheblich auf das<br />

zukünftige Leben einwirken. Schwerwiegende Einflüsse während der Schwangerschaft,<br />

wirken auf die späteren Verhaltensmerkmale ein. Je nachdem wie intensiv und andauernd und<br />

zu welchem Zeitpunkt diese schädigenden Einflüsse auf das werdende Kind wirken, kann es<br />

zu unterschiedlichen Beeinträchtigungen kommen. Zu schädigenden Einflüssen gehören:<br />

Unter- und Fehlernährung der Mutter<br />

Metabolische Krankheiten der Mutter (z.B. Diabetes)<br />

Alter der Mutter oder des Vaters<br />

Infektionskrankheiten<br />

Stress<br />

Röntgen- oder andere Strahlen<br />

Drogen, Alkohol, Nikotin, etc.<br />

Negative Einstellung zum Kind<br />

In der Kindheitsphase spielt die sich entwickelnde Bindungsfähigkeit ein große Rolle.<br />

Besonders schwer sind in dieser Phase Trennungen zu ertragen, da sie auf 2<br />

Fehlentwicklungsprozesse stoßen, die sie verschlimmern können: Fremdeln und<br />

Trennungsängste. Fremdeln ist eine Ausdrucksform, mit der das Kleinkind auf eine Fremde<br />

Person emotional heftig reagiert. Fremdeln tritt insbesondere zwischen dem 6. und 24. Monat<br />

auf.<br />

Unter Trennungsangst versteht man die Reaktion des Kindes, wenn es in einer kaum<br />

vertrauten Umgebung längere Zeit von einer Bezugsperson zurückgelassen wird. Das Kind<br />

spielt weniger, seine Stimme sinkt, weint häufig bis hin zur dumpfen Passivität.


Eine lang andauernde Trennung, die dauerhaft die beschriebenen Symptome aufweist, kann<br />

als Hospitalismus beschrieben werden. Hospitalisierte Kinder neigen dazu sich immer mehr<br />

von der Umwelt abzukapseln, sie stimulieren sich selbst, werden häufiger krank und können<br />

starre Mimik und Körperhaltung zeigen.<br />

Zu den zentralen Entwicklungsaufgaben während der Jugendzeit gehört die Findung der<br />

eigenen Identität. Darunter fasst man zwei Aspekte: Zum einen die Identität der Person, für<br />

die man sich selbst hält, zum anderen die Person, für die einen die anderen halten. Diese<br />

Identitätssuche geht einher mit einer gesteigerten Selbstwahrnehmung. Die erheblichen<br />

körperlichen Veränderungen, die während der Pubertät stattfinden, werden von dem<br />

Jugendlichen und seiner Umwelt bemerkt, und er wird darauf hingewiesen. Dies führt dazu,<br />

dass der Jugendliche sein Augenmerk auf sich selbst richtet, also sich gesteigert selbst<br />

wahrnimmt. Eine solche gesteigerte Selbstwahrnehmung ist ein wichtiger Prozess, um zu<br />

einer gelungenen Identität zu finden. Bis es zu einer realistischen Selbsteinschätzung kommt,<br />

vergeht einer Phase häufiger Selbstüber- oder Unterschätzungen der eigenen Fähigkeiten und<br />

Grenzen.<br />

Das Erwachsenenalter wird gerne als die Periode der aktiven Gestaltung des eigenen Lebens<br />

und des Lebens anderer verstanden. In dieser Phase stehen nicht mehr so sehr Bestrebungen,<br />

sich und seine Fähigkeiten weiter auszubauen und zu expandieren im Vordergrund. Vielmehr<br />

will der Erwachsene bisher Erreichtes konsolidieren und bestätigen. Voraussetzung dafür ist<br />

das Erreichen einer eigenen Identität. Hervorstechende Themen sind Beruf und Partnerschaft.<br />

Heranwachsende Kinder nehmen erheblichen Einfluss in dieser Entwicklungsphase.<br />

Das „Hohe Alter“ ist entwicklungspsychologisch eine eigene Phase. Insbesondere, weil in<br />

Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften Menschen immer älter werden, bei<br />

gleichzeitigem Geburtenrückgang. Man kann bei der Frage „Wann ist jemand alt?“ nicht nur<br />

das kalendarische Alter, sondern auch das soziale, psychologische und biologische Alter<br />

unterscheiden. Das soziale Alter beschreibt, die sozialen Kontakte, die Mobilität und die<br />

soziale Eingebundenheit einer Person. Das psychologische Alter beschreibt, wie sich ein<br />

Mensch aufgrund seines Lebensalters subjektiv fühlt. Das biologische Alter macht Angaben<br />

zu dem Entwicklungstand eines Menschen aus Sicht de Organalterung.<br />

Langlebigkeit scheint durch eine ganze Reihe von biologisch, sozialen und psychischen<br />

Faktoren abzuhängen, die sich gegenseitig beeinflussen. So verfügen Menschen, die eine hohe<br />

Intelligenz aufweisen, meist auch über gut funktionierende Bewältigungsstrategien, um sich<br />

mit den unterschiedlichen Bedingungen des Lebens auseinanderzusetzen. Sowohl<br />

gefühlsmäßig wie auch gedanklich werden sie vermutlich mit kritischen Lebensereignissen<br />

besser fertig.<br />

Die Identitätsentwicklung nach Erik Erikson<br />

Die Stufen der psychosozialen Entwicklung<br />

Der Psychoanalytiker Erik H. Erikson hat in seinen Arbeiten versucht, den klassischen<br />

Interpretationsrahmen der Psychoanalyse um die psychosoziale und die psychohistorische<br />

Dimension zu erweitern. Dazu führte er das Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung<br />

ein, in dem er die menschliche Identitätsentwicklung als 8 Lebensphasen beschreibt, die alle<br />

einen Krisencharakter besitzen:<br />

1. orale Phase: Ur-Vertrauen vs. Ur - Misstrauen<br />

2. anale Phase: Autonomie vs. Scham und Zweifel<br />

3. genitale Phase: Initiative vs. Schuldgefühl<br />

4. Latenzzeit: Werksinn vs. Minderwertigkeitsgefühl


5. Adoleszenzphase: Identität und Ablehnung vs. Identitätsdiffusion<br />

6. Intimitätsphase: Intimität und Solidarität vs. Isolierung<br />

7. Elternphase: Generativität vs. Selbstabsorption<br />

8. Phase des reifen Erwachsenenalter: Integrität vs. Verzweiflung<br />

Erikson beschreibt in diesem Stufenmodell die Entwicklung der kindlichen bzw. der<br />

menschlichen Identität. Diese entfalte sich im Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen und<br />

Wünschen des Kindes als Individuum und den sich im Laufe der Entwicklung permanent<br />

verändernden Anforderungen der sozialen Umwelt. Innerhalb seiner Entwicklung durchläuft<br />

der Mensch phasenspezifische Krisen und Konflikte durch die Konfrontation mit den<br />

gegensätzlichen Anforderungen und Bedürfnissen ausgelöst werden.<br />

Jede der acht Stufen stellt einen Konflikt dar, mit dem das Individuum sich aktiv<br />

auseinandersetzt. Die erfolgreiche Bewältigung einer Entwicklungsstufe ist für die<br />

Bewältigung der nächsten zwar nicht unbedingt erforderlich, aber hilfreich. Die<br />

vorangegangenen Phasen bilden somit das Fundament für die kommenden Phasen, und<br />

angesammelte Erfahrungen werden verwendet, um neue Identitätskrisen zu verarbeiten. Dabei<br />

wird ein Konflikt nie vollständig gelöst, sondern bleibt ein Leben lang aktuell, war aber auch<br />

schon vor dem jeweiligen Stadium als Problematik vorhanden. Für die Entwicklung ist es<br />

aber notwendig, dass er auf einer bestimmten Stufe ausreichend bearbeitet wird, um die<br />

nächste Stufe erfolgreich zu bewältigen.<br />

1. Phase: Urvertrauen vs. Ur-Misstrauen (1. Lebensjahr)<br />

Das Gefühl des Urvertrauens ist ein „Gefühl des Sicht-Verlassen-Dürfens“. Hierzu ist das<br />

Kind auf die Verlässlichkeit der Bezugspersonen angewiesen. Die Bindung zu der Mutter und<br />

die damit verbundene Nahrungsaufnahme spielt eine bedeutende Rolle, da die erste<br />

Bezugsperson die Welt repräsentiert. Werden dem Kind Forderungen nach körperlicher Nähe,<br />

Sicherheit, Geborgenheit, Nahrung etc. verweigert, entwickelt es Bedrohungsgefühle und<br />

Ängste, da eine weitgehende Erfüllung dieser Bedürfnisse lebenswichtig ist. Außerdem<br />

verinnerlicht es das Gefühl, seine Umwelt nicht beeinflussen zu können und ihr hilflos<br />

ausgeliefert zu sein. Hier entsteht die Gefahr der Etablierung eines Ur-Misstrauens. Es können<br />

infantile Ängste des „Leergelassenseins“ und „Verlassenwerdens“ entstehen. Fixierung durch<br />

zu starke orale Frustration zeigt sich in oralen Charakterzügen wie Reizhunger, Gier, Leere-<br />

Gefühle, Depression, Ur-Misstrauen, starken Abhängigkeitswünschen.<br />

2. Phase: Autonomie vs. Scham und Zweifel (2. bis 3. Lebensjahr)<br />

Diese Phase ist entscheidend für das Verhältnis zwischen Liebe und Hass, Bereitwilligkeit<br />

und Trotz, freier Selbstäußerung und Gedrücktheit. Beschrieben werden die zunehmende<br />

Autonomieentwicklung des Kindes und ihre Bedeutung für die Manifestierung eines positiven<br />

Selbstkonzeptes bzw. einer Identität. Die Bedingung für Autonomie wurzelt in einem festen<br />

Vertrauen in die Bezugspersonen und sich selbst, setzt also die Bewältigung der Phase<br />

„Vertrauen versus Misstrauen“ voraus. Das Kind muss das Gefühl haben, seinen Willen<br />

durchsetzen zu dürfen, ohne dass dadurch der erworbene „Schatz“ des Vertrauen Könnens<br />

und Geborgen-Seins in Gefahr gerät. Die körperliche Ausscheidung sieht das Kind als<br />

Geschenk an die Eltern, als Dankesgeste für die Hilfe und Versorgung, da es in den ersten<br />

Lebensjahren von Ihnen abhängig ist. Hier spielt die Emotion Scham eine wichtige Rolle.<br />

Was sich beim Kind etabliert, ist schließlich Scham und der Zweifel an der Richtigkeit der<br />

eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Fixierungen ergeben sich durch strenge Erziehung und<br />

zeigen sich in zwanghaften Charakterzügen: kleinlich oder geizig in Bezug auf Liebe, Zeit


und Geld; Betonung von Recht und Ordnung, Pünktlichkeit und Fleiß; perfektionistische<br />

Ansprüche; frühreifes strenges Gewissen, sehr selbstkritisch; Unsicherheit und Zweifel an<br />

sich selbst; Putzzwang oder Waschzwang.<br />

3. Phase: Initiative vs. Schuldgefühl (4. bis 6. Lebensjahr)<br />

Die symbiotische Beziehung zwischen Mutter und Kind öffnet sich und das Kind erkennt die<br />

Bedeutung anderer Personen im Leben der Mutter. Weiter geht es in erster Linie um eine<br />

gesunde Meisterung der kindlichen Moralentwicklung. Die Grundlage für die Entwicklung<br />

des Gewissens ist gelegt. Fixierungen können durch Angst und Schuldgefühle entstehen, die<br />

dann zu einer Selbsteinschränkung führen, gemäß den eigenen Fähigkeiten, Gefühlen,<br />

Wünschen zu leben. Es kann auch zu einer Überkompensation kommen, ständig initiativ sein<br />

zu müssen als bestehe ihr Wert nur in der eigenen Leistung. Schuldkomplexe,<br />

Übergewissenhaftigkeit sowie hysterische Symptome können hier ebenso entstehen.<br />

4. Phase: Werksinn vs. Minderwertigkeitsgefühl (6. Lebensjahr bis Pubertät)]<br />

Kinder in diesem Alter wollen zuschauen und mitmachen, beobachten und teilnehmen;<br />

wollen, dass man ihnen zeigt, wie sie sich mit etwas beschäftigen und mit anderen<br />

zusammenarbeiten können. Das Bedürfnis des Kindes, etwas Nützliches und Gutes zu<br />

machen, bezeichnet Erikson als Werksinn bzw. Kompetenz. Es kann in dieser Phase die<br />

Entwicklung eines Gefühls der Unzulänglichkeit und Minderwertigkeit entstehen. Dieses<br />

Gefühl kann sich immer dann etablieren, wenn der Werksinn des Kindes überstrapaziert wird.<br />

Überschätzung - ob vom Kind oder von seiner Umwelt ausgehend - führt zum Scheitern,<br />

Unterschätzung zum Minderwertigkeitsgefühl. Auf beiden Seiten (Werksinn und<br />

Minderwertigkeit) können Fixierungen entstehen: Überkompensation durch Arbeit und<br />

Leistung, Anerkennung vor allem über Leistung zu holen, Arbeits- und Pflichtversessenheit,<br />

Angst vor dem Arbeiten und Leisten, Angst vor Versagen.<br />

5. Phase: Identität und Ablehnung vs. Identitätsdiffusion (Jugendalter)]<br />

Identität bedeutet, dass man weiß, wer man ist und wie man in diese Gesellschaft passt.<br />

Aufgabe des Jugendlichen ist es, all sein Wissen über sich und die Welt zusammenzufügen<br />

und ein Selbstbild zu formen, das für ihn gut ist. Seine soziale Rolle gilt es zu finden.<br />

Mit einer noch nicht gefestigten eigenen Identität kann der Jugendliche sich im seltensten Fall<br />

von der Meinung seiner Peer-Group absetzen und seine eigene Meinung bilden. Schafft der<br />

Jugendliche es nicht, seine Rolle in der Gesellschaft und seine Identität zu finden, führt das zu<br />

Zurückweisung. Menschen mit dieser Neigung ziehen sich von der Gesellschaft zurück und<br />

schließen sich unter Umständen Gruppen an, die ihnen eine gemeinsame Identität anbieten.<br />

6. Phase: Intimität und Solidarität vs. Isolierung (frühes Erwachsenenalter)<br />

Aufgabe dieser Entwicklungsstufe ist es, ein gewisses Maß an Intimität zu erreichen, anstatt<br />

isoliert zu bleiben. Es gibt viele Dinge, die dem Aufbau von Intimität entgegenstehen (z. B.<br />

Betonung der Karriere, großstädtisches Leben, die zunehmende Mobilität). Wird zu wenig<br />

Wert auf den Aufbau intimer Beziehungen gelegt, kann das zur Isolation von Freundschaften,<br />

Liebe und Gemeinschaften führen. Wird diese Stufe erfolgreich gemeistert, ist der junge


Erwachsene fähig zur Liebesbeziehungen. Fixierungen können sich zeigen in: Selbst-<br />

Bezogenheit und sozialer Isolierung, Selbstaufopferung und Verschmelzung mit anderen.<br />

7. Phase: Generativität vs. Stagnation und Selbstabsorption (Erwachsenenalter)<br />

Generativität bedeutet die Liebe in die Zukunft zu tragen, sich um zukünftige Generationen zu<br />

kümmern, eigene Kinder großzuziehen. Alles, was für zukünftige Generationen „brauchbar“<br />

sein könnte. Stagnation ist das Gegenteil von Generativität: sich um sich selbst kümmern und<br />

um niemanden sonst. Fixierungen können sich zeigen: in einer übermäßigen Bemutterung, in<br />

Leere und Langweile oder in zwischenmenschlicher Verarmung.<br />

8. Phase: Integrität vs. Verzweiflung (reifes Erwachsenenalter)<br />

Der letzte Lebensabschnitt stellt den Menschen vor die Aufgabe, auf sein Leben<br />

zurückzublicken. Anzunehmen, was er getan hat und geworden ist und den Tod als sein Ende<br />

nicht zu fürchten. Setzt sich der Mensch in dieser Phase nicht mit Alter und Tod auseinander,<br />

kann das zur Anmaßung und Verachtung dem Leben gegenüber führen.<br />

4. Persönlichkeitspsychologie<br />

Die Persönlichkeitspsychologie beschäftigt sich vorrangig mit dem Aspekt der<br />

„Persönlichkeit“. Unter Persönlichkeit verstehen wir das Zusammenspiel der Psychologischen<br />

Merkmale, die das Verhalten und Erleben eines Menschen überdauernd, d.h. über<br />

verschiedene Situationen und verschiedene Zeitpunkte gestalten.<br />

Besonders das psychoanalytische Modell nach Sigmund Freud beschäftigt sich mit der<br />

menschlichen Persönlichkeit. Nach Freud lassen sich die Persönlichkeitsunterschiede durch<br />

einen ständigen Kampf zwischen 2 Instanzen im Menschen erklären: Dem ES und dem<br />

ÜBER-ICH. Die Instanz ICH vermittelt zwischen diesen beiden Instanzen. Das ES ist der Sitz<br />

der Triebe. Es arbeitet irrational und impulsiv, es strebt nach einer sofortigen Befriedigung<br />

der Bedürfnisse. Das ES wird dabei von dem sog. LUST- Prinzip gesteuert. Dem Streben<br />

nach Lust (sexuell, körperlich und emotional) und dem Vermeiden von Unlust (z. B.<br />

Schmerz). Das ÜBER-ICH ist der Sitz der Werte, der moralischen Vorstellungen, man könnte<br />

sagen, es umschreibt das Gewissen. Es entwickelt sich, indem das Kind von den Eltern deren<br />

moralische Vorstellungen nach und nach übernimmt. Seine Arbeitsweise ist das<br />

Moralitätsprinzip, also den Vorstellungen darüber, was jemand darf oder nicht darf. Das ICH<br />

wird von dem sog. Realitätsprinzip gesteuert, das vernünftige Entscheidung über die<br />

Erfüllung von Lust stellt. Eine Aufgabe des ICHs ist es, Handlungen auszuwählen, die<br />

einerseits die Impulse des ES befriedigen, andererseits mit dem ÜBER – ICH vereinbar und<br />

außerdem realistisch sind.<br />

Freud unterscheidet dabei zwischen den unbewussten und bewussten Funktionen des ICH.<br />

Bewusste Funktionen des ICH sind beispielsweise Wahrnehmen, Erinnern, Denken, Lernen<br />

und Handeln. Eine unbewusste Funktion des ICH ist die Abwehr gegen das ES.<br />

Derartige Konflikte zwischen ES und ÜBER-ICH werden nach Freud häufiger unbewusst<br />

gelöst. Dazu stehen dem ICH folgende Abwehrmechanismen zur Verfügung:<br />

Verdrängung: Der elementarste Abwehrmechanismus ist die Verdrängung. Hierbei werden<br />

die Triebbedürfnisse, Gedanken, Gefühle und Motive ins Unbewusste zurückgedrängt, so<br />

dass man von diesen Bedürfnissen bewusst nichts mehr weiß.<br />

Projektion: Bei diesem Abwehrmechanismus verlagert oder projiziert man die eigenen, selbst<br />

– verbotenen Treibbedürfnisse in andere Personen hinein.<br />

Realitätsleugnung: Wie der Begriff schon verdeutlicht, wird bei diesem Abwehrmechanismus<br />

die Realität abgestritten. Eine Tatsache wird nicht wahrgenommen und existiert folglich nicht.<br />

Damit bleibt das unerwünschte Triebbedürfnis im Unbewussten.


Rationalisierung: Hierbei bemüht man sich ganz besonders darum, für das eigene Verhalten,<br />

Gefühle etc. vernunftmäßige Gründe zu finden, die die eigentlichen Beweggründe verdecken.<br />

Regression: Damit ist der Prozess gemeint, der einen Menschen auf eine frühere<br />

Entwicklungsstufe zurückzufallen oder „regredieren“ lässt.<br />

Im späteren Leben können sich nun verschiedene 3 Charaktere herausbilden:<br />

Der erotische Charakter: Ein Mensch mit erotischem Charakter orientierte sich vorrangig an<br />

den Wünschen und Bedürfnissen des ES.<br />

Der eher normorientierte, also durch das ÜBER – ICH geprägte Charakter. Freud nennt ihn<br />

den zwanghaften Charakter.<br />

Der Charakter, der die eigene Person, also das ICH, in den Mittelpunkt rückt. Nach Freud<br />

wird dieser den narzisstischen Charakter genannt.<br />

Wenn eine Person nun lebenslang seine innerpsychischen Prozesse nach nur eine der drei<br />

Instanzen vorrangig ausrichtet, kommt es zu einer Charakter- oder Persönlichkeitsstörung.<br />

Persönlichkeitsstörungen<br />

Menschen, die an einer Störung der Persönlichkeit leiden, zeigen deutliche Abweichungen im<br />

wahrnehmen, Denken, Fühlen und in Beziehungen zu anderen. Nicht alle gestörten<br />

Persönlichkeiten leiden selbst unter ihrer Krankheit, sie fallen aber anderen im sozialen<br />

Bereich auf. Persönlichkeitsabweichungen beginnen meist in der Kindheit oder Adoleszenz<br />

und dauern bis ins Erwachsenenalter an.<br />

Menschen mit einer paranoid gestörten Persönlichkeit reagieren übertrieben empfindlich<br />

bei Rückschlägen oder Zurücksetzungen. Sie neigen zu ständigem Groll, weil sie eventuelle<br />

Missachtungen nicht verzeihen. Sie zeichnen sich durch großes Misstrauen aus und neigen<br />

dazu, freundliche Handlungen anderer als feindselig oder verächtlich mißzuverstehen.<br />

Sie beharren auf ihrem Recht, auch in Situationen, in denen es nicht angebracht wäre.<br />

Außerdem tendieren sie zu einem überhöhten Selbstwertgefühl, das sich durch eine ständige<br />

Selbstbezogenheit ausdrückt.<br />

Menschen mit einer schizoiden Persönlichkeitsstörung berichten im allgemeinen wenig über<br />

Tätigkeiten, die ihnen Vergnügen bereiten. Emotional wirken sie kühl und distanziert.<br />

Überhaupt verfügen sie über wenige Fähigkeiten warme Gefühle oder auch Ärger anderen<br />

gegenüber zu zeigen. Lob oder Kritik scheinen sie nicht sonderlich zu berühren. Sie zeigen<br />

wenig Interesse an sexuellen Erfahrungen mit einer anderen Person. Ihre einzelgängerischen<br />

Beschäftigungen werden durch eine Betonung von Phantasie und ein IN – sich Schauen<br />

unterstützt.<br />

Eine antisoziale Persönlichkeitsstörung wird als Diagnose nur gestellt, wenn das 18.<br />

Lebensjahr vollendet ist und vor dem 15. Lebensjahr eine Störung des Sozialverhaltens<br />

beobachtet wurde. Typische Anzeichen in der Kindheit sind Lügen, Stehlen,<br />

Schuleschwänzen, Vandalismus, Prügeleien, Fortlaufen von zu Hause und körperliche<br />

Grausamkeiten gegenüber Menschen und Tieren. Die antisozialen Verhaltensweisen dauern<br />

im Erwachsenenalter an und manifestieren sich dort möglicherweise in der Nichterfüllung von<br />

finanziellen Verpflichtungen, in der Unfähigkeit Verantwortung als Elternteil zu übernehmen<br />

oder vorausschauend zu planen oder eine dauerhafte Tätigkeit auszuführen.<br />

Emotional instabile Persönlichkeitsstörungen unterscheidet man in dem impulsiven und<br />

dem boderline Typus.<br />

Der impulsive Typus: Sie sind vor allem durch emotionale Instabilität und mangelnde<br />

Impulskontrolle gekennzeichnet. Sie neigen zu Ausbrüchen von gewalttätigem und<br />

bedrohlichem Verhalten, insbesondere, wenn sie kritisiert oder angegriffen werden.<br />

Boderline – Typus: Auch diese Menschen zeigen emotionale Instabilität, zusätzlich sind oft<br />

das eigene Selbstbild, eigene Ziele und „innere Präferenzen“ unklar oder gestört. So wissen<br />

sie häufig nicht wodurch sie sich sexuell angezogen fühlen. Meist besteht bei ihnen ein


ständiges Gefühl der Leere. Sie neigen zu intensiven, jedoch wechselhaften Beziehungen.<br />

Diese sind häufig Anlass für wiederholte emotionale Krisen, in denen sie sich übermäßig<br />

anstrengen, nicht verlassen zu werden. Suiziddrohungen und selbstschädigende Handlungen<br />

begleiten diese Krisen.<br />

Histrionische (hysterische) Persönlichkeitsstörung. Histrionische abweichende Personen<br />

sind dadurch gekennzeichnet, dass sie Dramatisierungen neigen, d. h. sie legen ein<br />

theatralisches Verhalten und eine übertrieben starken Ausdruck von Gefühlen an de Tag. Sie<br />

sind sehr leicht beeinflussbar, werden von ihrer Umwelt als oberflächlich und emotional labil<br />

eingestuft.<br />

Anankastische Persönlichkeitsstörung. Eine Person, die unter einer anankastischen oder<br />

zwanghaften Persönlichkeitsstörung leidet, ist ständig von übermäßigem Zweifel und<br />

Vorsicht geplagt. Sie beschäftigt sich unentwegt mit Details, Regeln, Listen, Ordnung,<br />

Organisation und Plänen. Dabei tendiert sie zu großem Perfektionismus, so dass sie die<br />

Aufgabe kaum fertig stellen kann. Alles muss von so einer Person extrem gewissenhaft<br />

durchgeführt werden. Pedantisch werden Übereinkünfte befolgt.<br />

Ängstliche Persönlichkeitsstörung: Sie fühlt sich fortwährend angespannt und besorgt. Sie<br />

ist überzeugt, selbst sozial unbeholfen, unattraktiv und minderwertig im Vergleich zu anderen<br />

zu sein. Sie sorgt sich immer vor Ablehnung und Kritik. Dies kann zur Vermeidung von<br />

zwischenmenschlichen Kontakten führen, wenn Missbilligung und Ablehnung befürchtet<br />

wird.<br />

Abhängige Persönlichkeitsstörungen: Diese Störung beschreibt Menschen, die in den<br />

meisten Lebensentscheidungen an die Hilfe anderer appellieren oder derartige<br />

Entscheidungen anderen überlassen. Sie ordnen eigene Bedürfnisse unter die der anderen<br />

Personen zu denen eine Abhängigkeit besteht. Sie sind Wünschen anderer gegenüber äußerst<br />

nachgiebig. Den Menschen gegenüber, von denen sie abhängig sind, trauen sie sich kaum,<br />

eigene Bedürfnisse oder Ansprüche zu äußern.<br />

5. Kommunikationspsychologie<br />

Kommunikation findet dann statt, wenn eine Person einer anderen Person eine Information<br />

übermittelt. Sie ist durch zwei Merkmale gekennzeichnet: Erstens erfordert Kommunikation<br />

immer ein gewisses Maß an Absicht bzw. Bewusstsein. Durch die Absicht grenzt sich<br />

Kommunikation vom einfachen verhalten ab. Unter Kommunikation versteht man immer<br />

einen Prozess. Damit ist gemeint, dass immer mindestens 2 Menschen an einer<br />

Kommunikation beteiligt sein müssen.<br />

Eine Person teilt eine Information mit. Dabei handelt es sich um den Sender. Adressat dieser<br />

Information ist der sog. Empfänger. Um eine Information zu übermitteln, benützt der Sender<br />

ein Medium, das heißt ein Übertragungsmittel. Diese können sprachlicher oder<br />

nichtsprachlicher Natur sein. Zur Sprachlichen (verbalen) Kommunikation gehören Inhalt und<br />

Sprachstil. Zur nicht sprachlichen (Non – verbalen) Kommunikation gehören: Mimik, Gestik,<br />

physiologische Reaktionen, Körperhaltung, motorisches Verhalten, Lautstärke,<br />

Sprechgeschwindigkeit, Betonungen, äußeres Erscheinungsbild und Statussymbole.<br />

Das 4 - Ohrenmodell nach Friedemann Schulz von Thun<br />

Mit Hilfe dieses Modells können wir Kommunikationsstörungen erkennen und verhindern.<br />

Schulz von Thun geht davon aus, dass der Mensch 4 Ebenen hat, mit denen er eine Nachricht<br />

senden und empfangen kann.<br />

Sachebene: Auf der Sachebene werden die reinen Sachaussagen ausgetauscht. Gefühle und<br />

subjektive Dinge bleiben außen vor.<br />

Selbstoffenbarungsebene: Mit seiner Nachricht sagt der Sender auch etwas über sich selbst<br />

und seine Person aus.


Beziehungsebene: Der Sender drückt mit seiner Botschaft etwas über sein Verhältnis zum<br />

Empfänger aus.<br />

Appellebene: Diese Ebene der Botschaft ruft den Empfänger dazu auf, etwas zu tun oder zu<br />

lassen.<br />

Besonders schnell kommt es zu Konflikten, wenn sich die verschiedenen Ebenen mischen.<br />

Der auf der Sachebene ausgesprochene Hinweis kann zu starken Konflikten führen, wenn er<br />

auf einer anderen Ebene aufgenommen wird. Zugleich wird der Sender über die Reaktion<br />

überrascht sein. Für eine störungsfreie Kommunikation ist immer der Sender verantwortlich.<br />

Um diese Problematik zu verdeutlichen hat die Psychoanalytikerin Ruth Cohn, das<br />

Eisbergmodell eingeführt. Gut erkennbar in der Kommunikation ist die offen getragene<br />

Sachebene, doch unter dieser liegt die weitaus größere, unsichtbare Beziehungsebene.<br />

Paul Watzlawick hat die Wichtigkeit der Beziehungsseite in der Kommunikation untersucht<br />

und 5 zentrale Annahmen festgestellt, die sie die 5 Axiome der Kommunikation nenne:<br />

1.Axiom: " Man kann nicht nicht kommunizieren" Man kann nicht nicht kommunizieren<br />

heißt, dass es in unserer menschlichen Gesellschaft nicht möglich ist, sich dem Umgang mit<br />

dem anderen, der Kommunikation als solcher zu entziehen. Das Axiom meint, dass selbst<br />

dann, wenn jemand die Kommunikation verweigert dennoch eine Kommunikation stattfindet.<br />

2. Axiom " Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, dass<br />

letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist. Dieses Axiom ist ein<br />

sehr wesentliches, weil es unsere übliche Vermutung, Kommunikation sei wesentlich<br />

Informationsvermittlung, außer Kraft und den Beziehungsaspekt "über" den Inhaltsaspekt<br />

setzt. Mit allem, was wir sagen, wird auch deutlich, welche Beziehung wir zum Empfänger<br />

einnehmen. Der Beziehungsaspekt in der Kommunikation informiert, wie der Inhalt zu<br />

verstehen ist. Auch, wenn wir nur über Sachverhalte sprechen, definieren wir gleichzeitig<br />

unsere Beziehung zu der anderen Person. Die Art, wie wir fragen oder sprechen (Tonfall,<br />

Mimik, Gestik) wird dabei unsere Einstellung zur anderen ausdrücken.<br />

3. Axiom " Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der<br />

Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt". Das Axiom zeigt, dass wir in einer<br />

konstruierten Wirklichkeit leben. Die von Watzlawick vertretene These der Interpunktion von<br />

Ereignisfolgen ist mit der Ausgangspunkt des radikalen Konstruktivismus gewesen, der von<br />

vielen Soziologen, Philosophen, Psychologen und Kommunikationswissenschaftlern vertreten<br />

wird. Unter Konstruktivismus versteht man, dass die Menschen sich ihre Wirklichkeit<br />

aufgrund von persönlichen, subjektiven Erfahrungen und Urteilen bilden, und diese dann für<br />

"wahr" halten. Diese "subjektive" Wirklichkeit, die wir zugleich für objektiv halten, bestimmt<br />

dann unser weiteres Handeln. Wir legen auf bestimmte Ereignisse besonderen Wert,<br />

betrachten diese gewissermaßen als Ursache, Anlass für weitere Ereignisse, die für uns daraus<br />

folgen. Watzlawick gibt ein Beispiel für Interpunktionen aus dem Bereich der<br />

Partnerbeziehungen: Ein Ehepaar hat dauernd Streit. Sie, die Ehefrau nörgelt dauernd an<br />

ihrem Mann herum, der Ehemann zieht sich zurück und sie nörgelt. Beiden denken, dass das<br />

Verhalten des anderen, das eigene herausfordert. Aus der Sicht des anderen ist es aber genau<br />

umgekehrt.<br />

4. Axiom" Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten.“<br />

Digitale Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige logische Syntax, aber eine<br />

auf dem Gebiet der Beziehungen unzulängliche Semantik. Analoge Kommunikationen<br />

hingegen besitzen dieses semantische Potential, ermangeln aber die, für die eindeutige


Kommunikation erforderliche, logische Syntax". Im Axiom über die Modalitäten der<br />

Kommunikation kommt der weite, über den rein sprachlich hinausgehenden<br />

Kommunikationsbegriff deutlich heraus. Neben dem Miteinander-Sprechen ist auch die<br />

Körpersprache, Gestik und Mimik, die Körperhaltung, die Sprechweise und der gesamte<br />

weitere Kontext zu berücksichtigen, wobei gerade die nichtsprachlichen analogen Elemente<br />

die beziehungssemantischen und damit die Beziehungsaussagen tragenden sind.<br />

Die Berücksichtigung dieser analogen Kommunikation dient zur besseren Deutung der<br />

inhaltlichen, sprachlichen Aussage. Zu warnen vermag uns die Tatsache, dass sie manchmal<br />

im Widerspruch zum Gesagten steht: gequältes Lachen, wilde Drohung bei zugleich<br />

schüchterner Körperhaltung, ängstliche Stimmlage in einer Verhandlung.<br />

5. Axiom "Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch<br />

(gleichwertig) oder komplementär (ergänzend), je nachdem ob die Beziehung zwischen den<br />

Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht". Zwischen dem Erscheinungsbild<br />

einer ggfs. sogar institutionellen Sozialbeziehung, die z. B. auf Gleichheit oder Ungleichheit<br />

beruht und der Führung in kommunikativen Interaktionen besteht oft ein Unterschied. So<br />

kann ein Patient, der sich gegenüber dem Krankenhauspersonal in einer<br />

Abhängigkeitsbeziehung befindet durchaus die Führung der Kommunikation übernehmen. Er<br />

kann als Patient immer wieder Forderungen stellen. Die Sozialbeziehung und die aktuelle<br />

Kommunikationsstruktur decken sich nicht. Wir leben in einer Vielzahl von<br />

Sozialbeziehungen und Rollen, in denen wir zwischen Symmetrie und Komplementarität<br />

abwechseln, z.T. sind diese institutionell oder durch soziale Kontexte vorgegeben.<br />

Komplementarität bedeutet keineswegs immer Unterlegenheit oder immer Passivität. Aber<br />

nicht nur in der Symmetrie gibt es krankhafte Vereinseitigung sondern auch im Bereich der<br />

Komplementarität: Wenn Komplementarität als Überlegen- vs. Unterlegensein empfunden<br />

wird und zum bestimmenden Selbstbild/Fremdbild wird, entsteht eine gefährliche und<br />

instabile Sozialbeziehung.<br />

Der Psychoanalytiker Eric Berne hat in seiner Transaktionsanalyse zwischenmenschliche<br />

Kommunikation untersucht und versucht diese zu erklären. Grundlage der<br />

Transaktionsanalyse sind die 3 ICH – Zustände, die das Verhalten, aber auch das Denken und<br />

Fühlen bestimmen. Er unterscheidet zwischen dem<br />

Eltern – Ich: Das Eltern Ich tritt in 2 Ausprägungen auf. Das kritische Eltern ich wertet<br />

negativ, befiehlt, straft und moralisiert. Das schützende Eltern – Ich hört zu, hat Verständnis,<br />

beruhigt und tröstet.<br />

Erwachsenen Ich: Das Erwachsenen – Ich ist rational, bewertet, wägt ab und schätzt<br />

Wahrscheinlichkeiten ab.<br />

Kind – Ich: Das Kind – Ich tritt in 3 Ausprägungsformen auf: Das angepasste Kind ist<br />

unsicher, zerfließt vor Selbstmitleid und wartet häufig einfach ab. Das rebellische Kind lässt<br />

sich von den Forderungen der anderen beeinflussen, in dem es das Gegenteil tut, in<br />

Widerständen lebt und auf Konfrontation geht. Das freie Kind ich ist spontan, offen und<br />

ungezwungen.<br />

Wir wählen unsere Verhaltensweisen und inneren Reaktionen aus diesem Repertoire, in dem<br />

wir einen der ICH Zustände mit Energie besetzten. Die Grundanlage dieser psychischen<br />

Struktur ist bei allen Menschen gleich. Die meisten Menschen bevorzugen einen der ICH –<br />

Zustände auf Grund ihrer persönlichen Lebensgeschichte, meist, ohne sich dessen bewusst zu<br />

sein. Welcher Ich – Zustand gerade geladen ist, drückt sich nicht nur in Worten aus, sondern<br />

vor allem auch atmosphärisch in Gestik, Mimik und Tonfall. Auf dieser Grundlage der<br />

Analyse setzte Berne seine Transaktionsanalyse an. Dabei werden im Wesentlichen folgende<br />

Muster unterschieden: Parallele und gekreuzte Transaktionen. Mit der gekreuzten Transaktion<br />

wird in der Regel unbewusst zu einer komplementären Beziehung eingeladen, dabei geht es


um Über – und Unterordnung, um Machtspiele und Manipulationen. In der Kommunikation<br />

erfolgt zunächst eine Schaltpause. Damit eine Verständigung wieder in gang kommt, muss die<br />

andere Person ihren Ich – Zustand wechseln und die Einladung annehmen. Die Freiheit<br />

bewusst zwischen den ICH – Zuständen situativ zu wählen, ist ein Ziel der<br />

Persönlichkeitsentwicklung. Persönlichkeitsentwicklung meint hier: Stärkung des<br />

Erwachsenen ICHs als der Instanz, die eine bewusste Wahl erst ermöglicht. Dies geschieht<br />

durch kritische Selbstbeobachtung, insbesondere in Konfliktsituationen und durch<br />

systematische Ausweitung des Verhaltensrepertoires.<br />

6. Psychohygiene<br />

Voraussetzung für viele soziale Berufe ist eine gewisse psychische Belastbarkeit, weil diese<br />

Menschen ständig mit Leid, Sterben, Hoffnungslosigkeit und anderen menschlichen<br />

Grenzsituationen konfrontiert sind.<br />

Um derartige Situationen bewältigen zu können, braucht man eine gewisse psychische Stärke.<br />

Ähnlich wie Gesundheit oder Fitness muss eine psychische Ausgeglichenheit erlernt, trainiert<br />

und immer wieder aufgefrischt werden.<br />

Psychohygiene versteht sich dabei als eine multidisziplinierte Wissenschaft, die der Pflege der<br />

psychischen Gesundheit dient. Ihr Ziel ist es, Erkenntnisse darüber zu erlangen, wie<br />

ungünstige, über die Psyche wirkende Einflüsse, von Menschen fernzuhalten sind, wie ein<br />

Mensch widerstandsfähiger werden kann und wie man Entstehung von Krankheiten vorbeugt.<br />

Am Anfang können wir stressfördernde Einstellungen und Verhaltensweisen beobachten.<br />

Wolfgang Schmidtbauer erkannte das sog. „Helfer – Syndrom“, eine Form der<br />

Beziehungsgestaltung, die häufig bei Menschen in sozialen Berufen vorkommt. Es gibt<br />

Menschen, die aufgrund unglücklicher Erfahrungen in vergangenen Zeiten sich nicht<br />

vorstellen können, dass sie um ihrer selbst willen liebenswerte Menschen sind. Folglich<br />

kennen sie auch keine gleichberechtigten Beziehungen, in den sich alle Parteien frei entfalten<br />

können. Solche Menschen können nur ganz bestimmte Formen von Beziehungen eingehen<br />

und gestalten. Die Person sucht einen hilfebedürftigen Menschen, gibt dieser Hilfe und wird<br />

so wichtig für sie. Erst darüber fühlt er sich anerkannt und kann die Beziehung kontrollieren,<br />

allerdings nur solange, wie er gebraucht wird.<br />

Ein weiteres stressförderndes Verhalten, lässt sich bei Menschen beobachten, die auch als<br />

TYP –A- Persönlichkeit bezeichnet werden. Es steht im Zusammenhang mit<br />

Herzkrankheiten und Stressverhalten. Diese Menschen sind immer in Eile, können sich kaum<br />

entspannen, unterbrechen andere in ihren Reden, um den Satz selbst zu beenden, damit es<br />

schneller geht. Ihre Sprache und ihre Gesten sind abgehackt und kurz angebunden. Sie sind<br />

äußerste konkurrenzbewusst und erfolgsorientiert. Zwischenmenschliche Beziehungen fallen<br />

öfters durch. Viele Handlungen sind durch Ungeduld und Zwanghaftigkeit geprägt.<br />

Stress<br />

Im Gegensatz zur Alltagssprache beschreibt Stress in der <strong>Psychologie</strong> den Zustand, in dem<br />

wir uns befinden und nicht die Ursache, die den Stress auslöst. Diese werden Stressoren<br />

genannt.<br />

Stress ist ein Programm, das sogar in den Genen festzustellen ist. In der<br />

Menschheitsgeschichte war es für das Überleben wichtig, dass der Mensch sich möglichst<br />

schnell auf seine Umwelt einstellen kann. Dies gilt insbesondere für Gefahrensituationen. Die<br />

physiologische Stressreaktion ist sozusagen in den Menschen eingebaut. Sie hilft uns bei<br />

körperlichen Gefahren schnell und effizient zu reagieren. Dies ist ihr biologischer Sinn, der<br />

sich im Laufe der Menschheitsgeschichte bewährt hat. Leider reagiert der Körper auch auf<br />

psychische Stressoren mit diesem Programm, für dessen Bewältigung jedoch häufig keine<br />

körperlichen Aktivitäten, die zusätzlich Energie und Kraft verbrauchen, erforderlich sind.


Dauert die stressauslösende Situation an, so folgt auf die Alarmreaktion die Phase des<br />

Widerstands, während der Organismus einen Widerstand gegenüber dem Aggressor zu<br />

entwickeln scheint. Wenn der Organismus den schädlichen Stressoren zu lange ausgesetzt ist,<br />

wird ein Punkt erreicht, an dem es nicht länger möglich ist, resistent zu bleiben. Dann tritt der<br />

Körper in die Phase der Erschöpfung. Das bedeutet, der Organismus kann sich nicht mehr an<br />

den Dauerstress anpassen.<br />

Als Stressoren werden alle inneren und äußeren Reizereignisse bezeichnet, die eine adaptive<br />

Reaktion erfordern. Der Organismus teilt die auf ihn einwirkenden Reize in negative und<br />

positive ein. Negativ sind diejenigen, die als unangenehm, bedrohlich oder überfordernd<br />

gewertet werden. Stressoren können in 4 große Gruppen eingeteilt werden: Bedeutende<br />

Lebensveränderungen, kleine Ärgernisse, katastrophale Ereignisse und chronisch<br />

gesellschaftlich bedingter Stress.<br />

Burn- out – Syndrom<br />

Unter burnout versteht man die langsam schleichende Zunahme des Gefühls, nicht mehr<br />

geben zu können, keine Reserven mehr zu haben, erschöpft zu sein. Von außen betrachtet<br />

stellt sich die psychische Erschöpfung als Rückzug (z. B. von Kollegen) dar. Ausbrennen gilt<br />

als Reaktion auf ständige Überlastung oder dauernde Enttäuschung und ausbleibende Erfolge.<br />

Am Anfang des burnout – Prozess wird oft ein Überengagement beobachtet. (Wer ausbrennt<br />

muss irgendwann gebrannt haben). Unrealistische Ziele stehen am Anfang der Entwicklung.<br />

Typischerweise reagieren die Betroffenen mit mehr Engagement auf Diskrepanzen zwischen<br />

Idealen und Möglichkeiten.<br />

Es bezeichnet einen Zustand der totalen körperlichen, geistigen und psychischen Erschöpfung<br />

– und ist in seiner Komplexität, wie auch Gefährlichkeit, nicht mit einer „normalen“<br />

Erschöpfung nach anstrengenden Phasen zu vergleichen.<br />

Ausgelöst wir burnout in der Regel durch sehr starken und lang anhaltenden Stress, der<br />

sowohl durch äußere, wie innere Faktoren entsteht. Typisch ist, dass die Betroffenen keine<br />

konkreten Bewältigungs- und Besserungsmöglichkeiten sehen und sich immer hilfloser<br />

fühlen. Die negativen Veränderungen der Gefühls- wie Lebenswelt werden ignoriert und<br />

verdrängt. Häufig versucht man sogar, durch erhöhte Anstrengung und „Disziplin“ die<br />

Situation wieder in den Griff zu bekommen.<br />

Typische Symptome für burnout sind chronische Müdigkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen,<br />

erhöhte Infektanfälligkeit, körperliche Beschwerden ohne „objektiven“ Grund, überhöhte<br />

Erregbarkeit, Gereiztheit, erhöhte oder ungewohnte Ängstlichkeit, Überforderungsgefühle<br />

und Stimmungslabiltät.<br />

Bestimmte Berufsgruppen scheint der burnout überproportional häufig zu treffen: Lehrer,<br />

Ärzte, Pflegekräfte, Sozialarbeiter, etc. – also vor allem Menschen, die in sozialen, helfenden<br />

Berufen tätig sind. Aber auch, wenn Aufgaben sehr komplex und unter Zeitdruck erledigt<br />

werden müssen, kann dies zum burnout führen. Dies betrifft Führungskräfte, aber auch<br />

Mütter, die permanent Dinge gleichzeitig erledigen müssen.<br />

Es sind zu einem äußere Faktoren, z. B. Sorge um den Arbeitsplatz, wirtschaftlicher Druck,<br />

Nach- und Schichtarbeit, Zeitdruck oder Informationsflut, die täglich zu bewältigen sind und<br />

dafür sorgt, dass der Druck erhöht wird. Aber auch innere Faktoren spielen eine Rolle: Hohe<br />

Erwartungen an sich selbst, Ehrgeiz, Pflichtbewusstsein, Gewissenhaftigkeit,<br />

Perfektionismus, etc. So dass sich Menschen unter hohen Erfolgsdruck setzten. Ursachen sind<br />

oft schon in der Kindheit zu suchen: Man hat die Botschaft bekommen, dass man nicht wegen<br />

seiner Person, sondern vor allem wegen seiner Leistung Anerkennung bekommt. Diese<br />

Menschen neigen dazu alles zu tun um Leistung zu zeigen und erfolgreich zu sein. Dazu<br />

müssen sie ihre Ressourcen, wie Energie und Zeit extrem ausbeuten.<br />

Bis zum Burnout ist es ein schleichender Prozess. Freudenberger und North beschreiben die<br />

Abwärtsspirale des burnouts in 12 Phasen:


Phase 1 – Leistungszwang: Man stellt überhöhte Erwartungen an sich, will den Erfolg<br />

unbedingt um jeden Preis. Eine realistische Selbsteinschätzung, das Erkennen individueller<br />

Ressourcen fehlt, eigene Grenzen werden nicht akzeptiert.<br />

Phase 2 – Überaktivität: Man arbeitet weit aus mehr als üblich, der „12 – Stunden Tag“ ist<br />

eher die Regel. Typisch ist das Fehlen von Delegation, man macht lieber alles selbst.<br />

Phase 3 – Vernachlässigung: Die Ressourcen Zeit und Energie werden massiv ausgebeutet.<br />

Arbeit wird auch nach Hause oder ins Wochenende mitgenommen. Dinge, die früher Spaß<br />

gemacht haben, fallen flach. Eigene Bedürfnisse werden vernachlässigt.<br />

Phase 4 – Verdrängung: In dieser Phase merkt man, dass es eigentlich nicht geht. Man nimmt<br />

wahr, dass man sich schon länger nicht mehr wohl fühlt. Man fühlt sich unerholt und<br />

unausgeschlafen, verdrängt diese Gedanken, statt sich dem Konflikt zu stellen.<br />

Phase 5 – Verschiebung von Werten: Bislang wichtige Ziele und Werte verändern sich,<br />

Prioritäten verschieben sich. Spaß, Erholung, Familienleben – das war gestern. Man stellt sich<br />

die Frage, ob man diese Dinge noch braucht, die früher wichtig waren.<br />

Phase 6 – Verleugnung von Problemen: Es stellt sich eine dauerhafte Erschöpfung ein. Auch<br />

ein freies Wochenende oder ein Urlaub reichen nicht mehr zur Regeneration aus. Es kommt<br />

zu einem deutlichen Leistungsabfall. Körperliche Beschwerden treten auf, man fängt an sich<br />

zu isolieren.<br />

Phase 7 – Endgültiger Rückzug: Was vorher begann, verfestigt sich jetzt. Das bisherige<br />

soziale Netz – Partner, Freunde, Kollegen, Bekannte - wird als störend und feindselig erlebt,<br />

man fühlt sich „außen vor“, erlebt bisher Verraute Menschen innerlich distanziert.<br />

Bedürfnisse werden ohne Freude oder Genuss erledigt. Enttäuschung, Orientierungs- und<br />

Hoffungslosigkeit sind die beherrschenden Gefühle in dieser Phase.<br />

Phase 8 – Deutliche Verhaltensänderungen: Mittlerweile hat auch die Umwelt das deutlich<br />

veränderte Verhalten registriert und versucht Rat gebend und korrigierend einzugreifen.<br />

Obwohl man Zuwendung sucht, wird sie in dieser Phase als Angriff missdeutet und<br />

gefürchtet. Man zieht sich weiter zurück<br />

Phase 9 – Depersonalisierung: Es kommt das Gefühl auf, nicht mehr sich selbst zu sein und<br />

den Kontakt zu sich zu verlieren. Der eigene Körper, die eigenen Bedürfnisse und Gefühle<br />

werden verleugnet. Man funktioniert nur noch automatisch. Das Leben kommt einem sinnlos<br />

vor. Es kann die Flucht in Alkohol, Tabletten, belanglose Affären oder Drogen beginnen.<br />

Phase 10 – Innere Leere: Depersonalisierung hinterlässt das Gefühl der inneren Leere, man<br />

fühlt sich wie ausgehöhlt, nur noch auf die äußere Hülle begrenzt, mutlos, nutzlos. Massive<br />

Ersatzbefriedigungen können auftreten.<br />

Phase 11 – Depression: In dieser Phase bringen auch Ersatzbefriedigungen keinen<br />

kurzfristigen Kick mehr. Man ist zutiefst verzweifelt, depressiv und erschöpft, möchte aus<br />

dem Leben fliehen. Auch Suizidgedanken können auftreten.<br />

Phase 12 – Völliger Burnout: Das ist die völlige psychische, geistige und körperliche<br />

Erschöpfung – ein lebensbedrohlicher Zustand, der ohne Hilfe von außen nicht mehr<br />

korrigiert werden kann.<br />

7. Emotionspsychologie<br />

In der angewandten Emotionspsychologie geht man davon aus, dass jede Wahrnehmung mehr<br />

oder weniger mit Gefühlen einhergeht. Das hängt damit zusammen, dass jeder Reiz<br />

aufgenommen, verarbeitet, bewertet wird und schließlich eine Reaktion zur Folge hat.<br />

Bei der Bewertung von Reizen fließen natürlich Erfahrungen, Erwartungen, Einstellungen<br />

usw. mit ein. Diese ermöglichen uns, da Wahrgenommene als angenehm oder unangenehm,<br />

erfreulich oder traurig etc. einzustufen. Daraus entstehen Emotionen, die wiederum unser<br />

Verhalten beeinflussen. Das Verhalten verändert die Situation. Die Situation wir neu<br />

wahrgenommen und bewertet und verändert wiederum die Gefühle.


Beispiel Aggression<br />

Unter Aggressionen verstehen wir Verhaltensweisen, die absichtlich eine Person oder einen<br />

Gegenstand schädigen wollen. Wichtig dabei ist die Absicht, unerheblich hingegen, ob die<br />

Verhaltensweise zum Erfolg führt oder nicht. Dabei kann zwischen aktiver und passiver<br />

Aggression unterschieden werden. Bei passiver Aggression unterlässt man etwas, bei der<br />

aktiven Aggression tut man absichtlich etwas Schädigendes. Außerdem unterscheidet man<br />

zwischen feindlicher und instrumenteller Aggression. Die feindliche Aggression dient<br />

vorrangig dem Zweck, jemand anderen zu schädigen. Häufig spielen Gefühle wie Ärger, Wut<br />

und Angst eine Rolle. Unter instrumenteller Aggression verstehen wir eine Aggression, die<br />

als Mittel zum Zweck dient. Man will ein bestimmtes Ziel erreichen, das man lediglich oder<br />

einfacher über die Schädigung einer Person oder einer Sache erreichen kann.<br />

Um zu erklären, wie Aggressionen entstehen, werden immer wieder 3 Erklärungsansätze<br />

herangezogen: Lerntheorien, Aggressions- – Frustrations- – Hypothese und triebtheoretische<br />

Modelle.<br />

Die Lerntheorie geht davon aus, dass Aggressionen erlernte Verhaltensweisen sind. Dabei<br />

spielt das Lernen durch Nachahmung eine wichtige Rolle. Modelle führen einem vor, in<br />

welcher Situation und auf welche Art man aggressiv sein kann. Auch das Operante<br />

Konditionieren kann die Entstehung von Aggressionen erklären. Wenn aggressives Verhalten<br />

positive Konsequenzen hat, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das aggressive Verhalten<br />

wieder auftritt. Häufig versuchen Menschen ihre eigenen Bedürfnisse durch Aggressionen<br />

durch zusetzten oder Nachteile abzuwehren. Auch Anerkennung und Beachtung sind häufig<br />

positive Konsequenzen auf aggressive Verhaltensweisen.<br />

Nach der Frustrations- – Aggressionshypothese führen Frustrationen stets zu Aggressionen<br />

und Aggressionen sind immer abhängig von Frustrationen. Unter Frustrationen versteht man<br />

jede Situation, in der ein Organismus an der Erreichung seines Ziels gehindert wird.<br />

In dieser absoluten Form ist die Theorie nicht haltbar. Es gibt auch Frustrationen, die keine<br />

Aggressionen zur Folge haben.<br />

Wissenschaftlich umstritten sind die sog. Triebtheorien. Konrad Lorenz und Sigmund Freud<br />

vertraten diese Annahmen, dass Aggressionen Triebe mit einer ähnlichen Qualität wie<br />

Überlebenswille oder Sexualität seien, und unabhängig von ihrer Umwelt existieren können.<br />

Zuerst sah Freud Aggression nicht als eigenständigen Trieb an. Er ging davon aus, dass die<br />

Aggression als instrumentelle Begleiterscheinung zur Libido auftritt. Dabei diente sie der<br />

Überwindung von Hindernissen auf dem Weg zum Lustgewinn. Freud sah hier eine Art<br />

„Bemächtigungstrieb“ des Sexualtriebes der im Falle des Sadismus an die „Hauptstelle“<br />

gerückt ist. Beim Masochismus meinte er, ziele diese Komponente durch Fehlentwicklungen<br />

auf die eigene Person. Später trennte sich Freud von dem Gedanken, dass Aggression<br />

grundsätzlich mit der Libido verbunden sei. Es wird heute davon ausgegangen, dass er sie<br />

noch unter dem Eindruck des ersten Weltkrieges mit seinen Grausamkeiten entwickelte. Im<br />

ES finden sich nach Freud zwei verschiedene Triebe. Dies ist zum einen die Libido (Eros),<br />

welcher auf Lebenserhaltung und Fortpflanzung ausgerichtet ist. Zum anderen Thanatos<br />

(Destrudo), der auf die Umwandlung des Lebendigen auf die anorganische Ruhe zielt, also<br />

auf Vernichtung. Diese beiden Gegenspieler bestimmen in seinem Modell das Leben jedes<br />

Menschen. Je nach gerade vorhandener Energiemenge sind Personen bereit, gegen Objekte<br />

ihrer Umwelt aggressiv vorzugehen. Aggression ist somit naturgegeben und ein<br />

unvermeidbarer Bestandteil des Lebens, allerdings durch Erziehungsprozesse steuerbar.<br />

Der Tierverhaltensforscher Konrad Lorenz argumentiert ähnlich wie die Psychoanalytiker. Er<br />

nimmt wie Freud an, dass der Trieb oder Instinkt angeboren ist. Anders als Freud betont er<br />

aber den von Auslösern abhängigen und arterhaltenden Charakter der Aggression. Lorenz


versteht unter Aggression einen auf Artgenossen gerichteten Kampftrieb von Tier und<br />

Mensch. Der Begriff Aggression wird von ihm also ausschließlich für Auseinandersetzungen<br />

innerhalb einer Art verwendet und ist damit wesentlich spezifischer als die Definition von<br />

Freud. Seiner Meinung nach werden aggressive Energien vom Organismus aufgebaut, stauen<br />

sich auf und suchen einen Stimulus, der sie zum Ausbruch bringt. Wenn dieser Reiz ausbleibt,<br />

kann aggressives Verhalten auch spontan auftreten. Den Zweck dieser Aggression sieht<br />

Lorenz in folgenden Punkten:<br />

» Gegenseitige Abstoßung der Artgenossen; hierdurch verteilen sie sich in ihrem Lebensraum,<br />

so das jeder sein notwendiges Auskommen hat<br />

» Auswahl der Besten einer Art, um die Fortpflanzung und damit den Fortbestand der Art zu<br />

sichern.<br />

» Herausbildung eines Familienverteidigers<br />

» Aggression dient innerhalb von Tiergruppen der Bildung einer Hierarchie<br />

In seiner Theorie versuchte Lorenz das am Tier beobachtete Verhalten auf den Menschen zu<br />

übertragen. Aggressives Verhalten sieht er als Relikt aus der grauen Vorzeit, das Erworben<br />

wurde um das Überleben der Art zu sichern. Beim Menschen bestehe wie beim Tier eine<br />

angeborene Hemmung zur Tötung der eigenen Art. So wende z.B. ein unterlegenes Tier dem<br />

Gegner eine besonders verwundbare Körperstelle zu, dieser beißt den Unterlegenen aber<br />

aufgrund der angeborenen Tötungshemmung nicht. Beim Menschen könne diese<br />

Tötungshemmung nicht mehr wirken, weil Waffen über große Entfernung eingesetzt werden<br />

können.<br />

Lorenz Vorschläge zur Aggressionshemmung folgen der Logik seiner Theorie. Eine<br />

Maßnahme sei die Umlenkung der Aggression auf Ersatzobjekte, wie z.B. sportliche<br />

Wettkämpfe. Er vertritt somit auch die sog. Katharsis - Hypothese. Unter Katharsis versteht<br />

man in der Aggressionsforschung die verminderte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von<br />

Aggressionen nach einer aggressiven Handlung. Dabei ist es erst mal ohne Bedeutung, ob es<br />

sich bei dieser Entladung um „echte“ Aggression, z.B. einen Wutausbruch, oder um<br />

„unechte“ Aggression, z.B. Sport, handelt. Obwohl die Katharsis – Hypothese plausibel und<br />

nachvollziehbar Klingt, ist sie sehr Umstritten und noch nicht Erwiesen. Insbesondere<br />

Lerntheoretiker meinen, dass durch das sozial gebilligte Ausleben der Aggression<br />

möglicherweise eine Einübung dieses Verhaltens erfolgt.<br />

Lösungsansätze<br />

Die erste Schlussfolgerung aus der Frustrations- Aggressions- Hypothese ist, dass man<br />

Frustrationen vermeiden oder zumindest reduzieren soll. Auch wenn diese Hypothese nach<br />

ihrer Veröffentlichung relativiert wurde, ist dieser Lösungsansatz mit Sicherheit noch Gültig.<br />

Wichtig ist der eigene Einfluss auf die Frustrationen.<br />

Das Verhalten einer Person hängt grundsätzlich nicht von der objektiven Situation ab, sondern<br />

wie die Situation subjektiv bewertet wird.<br />

Kognitive Prozesse schwächen die Auslöser für aggressives Verhalten. Der Grundgedanke<br />

dieser Theorie liegt in der Neuinterpretationen und Neubewertungen. Generell geht es nicht<br />

um Bagatellisieren, Abschwächen oder Verharmlosen durch andere, sondern darum, dass der<br />

Verärgerte von allein zu einer Nebenbewertung der Situation gelangt. Einige Therapien<br />

basieren auf der Grundidee, dass Gefühle durch ständige und gewohnheitsmäßige irrationale<br />

Überzeugungen entstehen, die dann eine überschießende, nicht situationsadäquate Aktion zur<br />

Folge haben. Ein inneres Selbstgespräch könnte dabei helfen diese gewohnheitsmäßigen und<br />

irrationalen Ansichten abzubauen. Aber allein die gezielte Selbstbeobachtung und -<br />

beeinflussung kann beachtliche Erfolge bringen, da sie zu einem gelassenen Umgang mit<br />

Ärgersituationen führt.


In der Praxis ist der Aufbau von Hemmungen ein notwendiger und sinnvoller Beitrag zur Aggressionsbewältigung.<br />

Aggressionshemmung meint, die Situationen in denen eine<br />

Aggressionstendenz vorliegt, die Handlung jedoch nicht ausgeführt wird. Ob Hemmungen<br />

überhaupt auftreten, hängt einerseits von der Situation ab, andererseits auch von den<br />

jeweiligen personalen Merkmalen. Hemmungen aus Angst vor Bestrafung sind wohl am<br />

häufigsten anzutreffen.<br />

Lerntheoretiker betrachten aggressives Verhalten wie jedes andere Verhalten als erlernt und<br />

damit auch als veränderbar.<br />

Viele Personen die häufig zu Aggression neigen, besitzen keine anderen (komplexeren)<br />

Handlungsalternativen in Konfliktsituationen. Ihnen bleibt also nur „Angriff“ oder „Flucht“.<br />

Folglich ist das bewusste aufzeigen und einüben von Handlungsalternativen ein<br />

unentbehrlicher Schritt zur Aggressionsminderung.<br />

Beispiel Angst:<br />

Angst ist ein unangenehmes Gefühl und tritt auf, wenn man sich bedroht fühlt. Körperliche<br />

Symptome sind Schwitzen, beschleunigte Atmung und erhöhter Pulsschlag. Stärkere Ängste<br />

bewirken, dass man die Kontrolle über sich zunehmend verliert. Dieser Kontrollverlust<br />

verstärkt wiederum die Angst.<br />

Man kann zwischen „normalen“ und krankhaften, also übersteigerten, Ängsten unterscheiden.<br />

So ist es für viele Menschen unangenehm, in der Gesellschaft negativ aufzufallen, manche<br />

Menschen entwickeln davor jedoch solch enorme Ängste, dass sie Schwierigkeiten im<br />

Kontakt zu anderen Menschen bekommen. Solche übersteigerten Ängste nennt man Phobien.<br />

Angst kennzeichnet auch andere Krankheiten wie Depressionen oder Zwänge.<br />

Angst entsteht, wie andere Gefühl auch durch Bewertungsprozesse. Wenn wir eine Situation<br />

als bedrohlich einstufen und keine Bewältigungsmöglichkeiten sehen, bzw. uns unsicher sind,<br />

ob wir mit der Situation fertig werden, kann es zu Angstgefühlen kommen. In de Bewertung<br />

fließen frühe Erfahrungen, also Lernprozesse ein. Außerdem spielen weitere<br />

Verstärkerprozesse eine Rolle.<br />

Man kann beobachten, dass Ängste von bestimmten Objekten schneller erlernt werden, als<br />

vor anderen. So entwickeln Menschen schneller Angst etwas vor Spinnen, Schlagen oder<br />

anderen Tieren als vor Steckdosen, obwohl diese vielleicht größere Gefahr darstellen können.<br />

Es gibt eine Theorie, die besagt, dass bestimmte Reize prädestiniert sind, Ängste auszulösen,<br />

weil diese Objekte für unsere Urahnen wichtige Signale darstellten.<br />

Unterscheiden/ Beobachten können wir folgende phobische Auffälligkeiten:<br />

Agoraphobie: Furcht vor oder Vermeidung von Menschenmengen, öffentlichen Plätzen,<br />

Reisen allein oder Reisen von Zuhause weg.<br />

Soziale Phobie: Furcht vor oder Vermeidung von sozialen Situationen, bei denen die Gefahr<br />

besteht, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, Furcht, sich peinlich oder beschämend zu<br />

verhalten.<br />

Objektbezogene Phobien: Tierphobien, situative Phobien, wie Flugangst, Höhenangst,<br />

Dunkelheit oder auch dem Anblick von Blut oder Spritzen.<br />

Panikstörungen: Spontan auftretende Angstattacken, die nicht auf ein spezifisches Objekt oder<br />

eine spezifische Situation bezogen sind. Sie beginnen abrupt, erreichen innerhalb weniger<br />

Minuten einen Höhepunkt und dauern mindestens einige Minuten an.<br />

Aus psychoanalytischer Sicht, erwähnt Freud, dass Angst durch Spannungszustände entsteht.<br />

Die vegetativen Angstreaktionen wie Schweißausbrüche, beschleunigter Herzschlag und<br />

motorische Unruhe, bauen diese Spannungen wieder ab. Normale Angst wird durch äußere<br />

Gefahren ausgelöst, während krankhafte Ängste durch aufgestaute Triebenergien entstehen.


Solche Triebenergien können aggressive Handlungen des ES sein, die jedoch vom ÜBER-<br />

ICH verboten werden. Das ÜBER – ICH löst Angst aus, um die aggressiven Impulse zu<br />

stoppen.<br />

In seiner zweiten Angsttheorie nahm Freud an, dass Angst eine Signalfunktion hat. Angst<br />

entsteht in Gefahrensituationen und dient als Warnung, damit die Gefahr abgewendet wird.<br />

Angst hat demnach eine motivierende Funktion.<br />

Am Anfang jeder Angstbewältigung steht immer eine genaue Analyse de Angst: Wovor<br />

genau hat man Angst? Wann tritt die Angst auf? Gibt es bestimmte Begleitumstände, die die<br />

Angst auslösen oder nicht zum Ausbruch bringen? Wie äußert sich die Angst? Was verhindert<br />

sie? Je genauer die Analyse gelingt, umso effektiver kann Angst erfolgreich bewältigt werden.<br />

Nach der Analyse sollte der direkte Umgang mit dem Angstobjekt gesucht werden, statt es zu<br />

vermeiden.<br />

In manchen Fällen gelingst es trotzdem nicht, sich den Angstsituationen auszusetzen. Bei<br />

einigen Ängsten stößt man da vielleicht auch an ethische Grenzen. Eine weitere Möglichkeit<br />

bildet die systematische Desensibilisierung. Diese geht so vor, dass man die am wenigsten<br />

angstauslösenden Situationen erlebt. Geht das angstfrei, kann die nächste Stufe erlebt werden.<br />

Nach und nach werden dann immer bedrohlichere Situationen angegangen. Immer, wenn<br />

Angst ausgelöst wird, wird eine Entspannung zwischengeschaltet. Die Entspannung ist<br />

nämlich unvereinbar mit Erregung und Angst.<br />

8. <strong>Psychologie</strong> der Motivation<br />

Der Begriff der Motivation geht über das alltagspsychologische Verständnis hinaus.<br />

Motivation soll einen ganzen Prozess beschreiben. Sie soll beschreiben, was eine Handlung<br />

auslöst, was die Handlung aufrechterhält und was sie beendet.<br />

Anders gesagt kann man Motivation definieren als einen verhaltensauslösenden und<br />

verhaltenssteuerndern Vorgang, der den Menschen zu einer zielgerichteten Handlung bewegt.<br />

Motive sind nicht direkt beobachtbar, sondern müssen erschlossen werden. Dabei hilft nicht<br />

immer die Sprache, häufig kennen wir nämlich unsere Motive nicht oder können sie nicht<br />

benennen.<br />

Zur Klassifikation des Verhaltens lassen sich primäre und sekundäre Motive differenzieren.<br />

Zu den primären Motiven gehören für den Menschen lebensnotwendige Bedürfnisse wie<br />

Hunger, Durst, Sexualität, Bedürfnis nach Schlaf, Sauerstoffzufuhr und Schmerzvermeidung.<br />

Sie dienen dem Überleben des Organismus. Im allgemeinen werden diese biologischen<br />

Motive durch das Gleichgewichtsprinzip (Prinzip der Homöostase) reguliert.<br />

Viele unserer biologischen Motive sind „sozial überlagert“. Das bedeutet, dass wir aufgrund<br />

von Lernprozessen solche Bedürfnisse aufschieben können. (Bsp. Diät anstatt dem Bedürfnis<br />

zu Essen)<br />

Sekundäre Motive sind nicht biologisch vorgegeben, sondern entstehen im Laufe der<br />

Entwicklung eines Individuums. Beispiele für sekundäre Motive sind das Bedürfnis nach<br />

Anerkennung, nach Macht oder der Wunsch anderen zu helfen. Dabei müssen wir zwischen<br />

intrinsischen und extrinsischen Motiven unterscheiden. Mit intrinsischer Motivation meint<br />

man, wenn jemand ein Verhalten durch inneren Antrieb an den tag legt. Extrinsisch<br />

motiviertes Verhalten zeigt sich, wenn eine Belohnung aus der Umwelt winkt. Dabei ist es<br />

interessant, wie Motivation intrinsisch oder extrinsisch wird.<br />

Der amerikanische Psychologe Abraham Maslow hat versucht die verschiedenen Motive des<br />

Menschen in eine Rangfolge zu bringen und sie in Form einer Bedürfnispyramide<br />

darzustellen.<br />

In der untersten Stufe finden sich die Motive, die dem physiologischen Gleichgewicht dienen<br />

und die zuvor als primäre Motive bezeichnet wurden.


Die zweite Stufe besteht aus sekundären Motiven grundlegender Art. Körperliche<br />

Unversehrtheit wie auch wirtschaftliche Sicherheit zählen zu Motiven auf dieser Ebene.<br />

Die nächste Stufe beinhaltet das Bedürfnis nach Zuwendung, Freundschaft, Liebe und<br />

Akzeptiert - werden. Diese Stufe beschreibt den Vorgang, dass Menschen sich nur in Gruppen<br />

wie der Familie langfristig wohl fühlen. Danach schließt das Bedürfnis nach Anerkennung an:<br />

Nur wenn andere einen schätzen, anerkennen und loben, kann man sich auch selbst schätzen<br />

und anerkennen.<br />

Während die bisher genannten Stufen Defizitmotive sind, beschreibt die nächste Stufe ein<br />

Überflussmotiv. Der Mensch will nicht mehr etwas bekommen, sondern aus einem<br />

vorhandenen Überfluss heraus etwas geben, etwas kreativ gestalten. Maslow hält die<br />

Selbstverwirklichung für das wesentliche individuelle Motiv.<br />

Ein in unserer Gesellschaft wichtiges Motiv ist das Bedürfnis etwas zu leisten.<br />

Ob jemand eher Erfolg oder Misserfolg in einer Situation verspricht, hängt von seinen<br />

bisherigen Erfahrungen ab. Durch die Menge der Erfahrungen werde ich mit der Zeit<br />

Erwartungen ausbilden, ob ich mit Erfolgen oder Misserfolgen zu rechnen habe. Wenn<br />

jemand in seiner Kindheit oft den Erfolg erleben konnte, also für eine erbrachte Leistung<br />

verstärkt wurde, so wird er sich von vorneherein zu trauen, gestellte Aufgaben zu bewältigen.<br />

Hatte jemand jedoch mehr Misserfolgserlebnisse, so wird er sich selbst von vorneherein keine<br />

großen Leistungen zu trauen. Leistungsmotivation kann also bei verschiedenen Menschen<br />

gegensätzlicher Ausprägung auftreten. Dies hat wiederum Folgen für den Umgang mit Erfolg<br />

und Misserfolg. Erwarte ich Erfolg, so werde ich den erreichten Erfolg meiner Leistung<br />

zuschrieben, einen Misserfolg den Umständen, wie Pech gehabt etc. Erwarte ich jedoch einen<br />

Misserfolg, so schreibe ich einen unerwarteten Erfolg dem Zufall oder der Leichtigkeit der<br />

Aufgabe zu, einen Misserfolg jedoch nur mir und meiner Unfähigkeit. Damit erwartet der<br />

Erfolgsorientierte weiterhin Erfolg, der Misserfolgsorientierte weiterhin Misserfolg. Es<br />

entstehen positive, aber auch negative sich selbsterfüllende Prophezeiungen.<br />

9. Psychologische Therapieschulen<br />

Es können insgesamt 5 große Gruppen unterschieden werden: Humanistische Verfahren,<br />

psychoanalytische Verfahren, systemische Verfahren, kognitiv – behaviorale Verfahren und<br />

hypnotische Verfahren.<br />

Zu den humanistischen Verfahren gehören eine ganze Reihe von Verfahren. Neben der schon<br />

in der Kommunikationspsychologie erwähnten Transaktionsanalyse, ist dies unter anderem<br />

die Gestalttherapie nach Fritz Perls. Die Gestalttherapie ist ein ganzheitlicher Ansatz, der<br />

zugleich Persönlichkeitstheorie, Theorie der Neurose, Therapie und Philosophie sein möchte.<br />

Sie geht davon aus, dass der neurotische Mensch Teile von sich abgespalten hat. Diese<br />

abgespaltenen Teile bewirken eine Entfremdung des Betroffenen. Ziel der Therapie ist es,<br />

diese Entfremdung aufzuheben, indem die abgespaltenen Teile wieder integriert werden. Es<br />

soll die Person als Gestalt vervollständigt werden. Dabei wird jedem Organismus die Kraft de<br />

Selbstregulation zugesprochen. Im Einzelnen werden 3 Ziele verfolgt:<br />

Eigene Bedürfnisse und die dafür relevanten Umweltgegebenheiten bewusster<br />

wahrzunehmen. Dabei wird nicht zwischen Körper und Gefühl unterschieden. Der Mensch<br />

hat nicht ab und zu ein Gefühl, sondern er ist das Gefühl. Dabei geht Perls davon aus, dass<br />

alles für die Person relevante sichtbar ist. Deshalb wird den nonverbalen Ausdrucksformen<br />

mindestens soviel Aufmerksamkeit gewidmet, wir den gesprochenen Worten.<br />

Körper und Psyche sollen übereinstimmend erleben. Dieses Ziel wird verfolgt, weil die<br />

Gestalttherapie glaubt, dass die Lücken zwischen Körper und Psyche neurotisches Verhalten<br />

begünstigen.<br />

Die Übernahme der Selbstverantwortung für alle Teil der eigenen Gestalt. Als Drittes setzt<br />

sich die Gestalttherapie die Übernahme der Selbstverantwortung zum Ziel. Dieses Ziel<br />

begründet sich folgendermaßen: Perls geht davon aus, dass Menschen häufig Genehmigungen


für ihr Verhalten von außen erbitten. So möchte ein Mensch beispielsweise Unterstützung von<br />

außerhalb. Um solche Hilfen zu erhalten, lebt er in Rollen und Klischees, die ihm gar nicht<br />

eigen sind.<br />

Psychoanalytische Verfahren begründen ihre Ansätze auf die Psychoanalyse von S. Freud. Sie<br />

gehen davon aus, dass neurotische Symptome Störungen der Abwehrarbeit des ICHs sind.<br />

Durch die gestörte Abwehrarbeit fallen nach Freud die betroffenen Personen auf frühere<br />

Entwicklungsphasen zurück (Regression). Neurosen entstehen beispielsweise dadurch, dass<br />

ein Individuum ein Liebesobjekt wählt, das jedoch nicht akzeptabel ist.<br />

Alle krankhaften Störungen des Geschlechtslebens hält Freud für Entwicklungshemmungen.<br />

Nach Freud entstehen Neurosen also dadurch, dass ein Individuum eine Liebesbeziehung<br />

anstrebt, die jedoch vom ICH nicht geduldet wird. Das ICH reagiert auf die Konflikte mit<br />

seine Abwehrmechanismen und dies kann so zu den sog. Psychoneurosen führen. Geht das<br />

Individuum keine Liebesbeziehung ein, sondern befriedigt den Sexualtrieb durch<br />

Masturbation, so kommt es nach Freud zu den Symptomen von Schwäche, Reizbarkeit und<br />

Nervosität.<br />

Die Verhaltenstherapie geht davon aus, dass die meisten psychischen Krankheiten erlernt<br />

sind. Diese fehlgeleiteten Lernprozesse sollen durch neue Erfahrungen, sprich Lernprozesse,<br />

revidiert werden.<br />

Die systematische Desensibilisierung (SD) ist eine verhaltenstherapeutische Methode zur<br />

Behandlung von Ängsten und Ekelgefühlen, die sich auf spezifische Situationen beziehen.<br />

Voraussetzung für die SD ist eine Problemanalyse, d.h. es müssen die unterschiedlichen<br />

Angstauslöser erkannt werden. Außerdem müssen die Bedingungen, unter der Angst<br />

ausgelöst wird festgestellt werden. Danach wird eine Angst – Hierarchie erstellt. Am Anfang<br />

stehen die Situationen, die am wenigsten Angst auslösen, am Schluss, die, die am meisten<br />

Angst auslösen. Nach und nach wird der Klient mit den Reizen konfrontiert, bis er sich an die<br />

stärkeren Reize gewöhnen kann.<br />

Kognitive Therapien zielen darauf ab, irrationale Denkmuster und unrealistische<br />

Wahrnehmungen zu verändern. Dabei wird davon ausgegangen, dass Symptome z. B. von<br />

Depressionen von persönlichen Denkmustern abhängen, sog. negative Kognitionen. Darunter<br />

versteht man negative Gedanken, Einstellungen und Informationsverarbeitungsprozesse.<br />

Systemische Verfahren bedienen sich der Idee des sozialen Konstruktivismus. Dieser<br />

beschäftigt sich mit de Frage, wie menschliche Erfahrungen zustande kommen und wie das<br />

entsteht, was wir Realität nennen. Es ist derzeit die erkenntnistheoretische Grundlage des<br />

systemischen Denkens.<br />

Die Wirklichkeit in der wir leben, finden wir nicht einfach vor, sondern wir erzeugen und<br />

konstruieren sie ständig durch unsere Wahrnehmung, Denken, Kommunikation und Handeln.<br />

Der soziale Konstruktivismus sieht alle Menschen als soziale Akteure, die an der sozialen<br />

Konstruktion von Realität in unterschiedlichsten Kontexten beteiligt sind. Menschen bilden<br />

sog. Soziale Systeme dadurch, dass sie durch sinnstiftende Kommunikation einen<br />

kommunikativen Rahmen schaffen, der die verschiedenen sozialen Systeme voneinander<br />

abgrenzt. Menschen beeinflussen Systeme und werden von Ihnen beeinflusst.<br />

Niemand kann die Gedanken und Gefühle des anderen wahrnehmen, sondern Kommunikation<br />

bringt das eigene psychische System in Bewegung. Kommunikation schafft so genannte<br />

soziale Systeme, in denen in einem bestimmten Rahmen Informationen einen Sinn ergeben.<br />

Den Sinn der Kommunikation bestimmt immer der Empfänger. Weil es so viele<br />

Wirklichkeiten wie Menschen gibt, haben wir uns in der Kommunikation auf bestimmte<br />

mentale Modelle geeinigt (Farben, Formen, Begriffe, etc), die uns die Kommunikation<br />

erleichtern. Dennoch kann unser Handeln nicht letztendlich vorausgesagt werden.


Jedes noch so bizarre Verhalten erhält einen Sinn, wenn man den Kontext betrachtet, in dem<br />

es auftritt.<br />

Für Hilfen von außen bedeutet dies, dass es kein sicheres Wissen über die objektive Wahrheit<br />

und die Sichtweisen anderer Menschen gibt. Instruktive Interaktion ist letztendlich nicht<br />

möglich. Hilfe wird deswegen nicht als eine Möglichkeit gesehen Menschen anzuleiten,<br />

sondern vielmehr um einen Kontext zu schaffen, in dem Veränderung auftritt. Ziel ist es nicht<br />

die (eine) Lösung zu finden, sondern die Anzahl der Handlungsmöglichkeiten zu vergrößern,<br />

zu denen die Beteiligten angeregt werden.<br />

10. Psychische Krankheitsbilder<br />

Ein psychisches Krankheitsbild ist eine erhebliche Abweichung von der Norm im Erleben<br />

oder Verhalten, die die Bereiche des Denkens, Fühlens und Handelns betrifft. Als weiteres<br />

Kriterium für eine Diagnose einer psychischer Krankheiten wird neben der Abweichung auch<br />

psychisches Leiden auf Seiten der Betroffenen vorausgesetzt. Der hier verwendete<br />

Krankheitsbegriff ist problematisch, weil neben der objektiv feststellbaren Abweichung von<br />

einer zuvor definierten (also an den Grenzen auch willkürlich festgelegten) Norm, das<br />

individuelle und nur subjektiv erlebte Leid im Verständnis des Begriffs nie ganz erfasst<br />

werden kann. Gerade für die Beurteilung psychischer Störungen sind die erwähnten Begriffe<br />

„Norm“, „Objektivität“ und „Subjektivität“ besonders problematisch. Am Beispiel der<br />

„Norm“ wird die Gefahr der Stigmatisierung eines objektivierbaren „Befundes“ deutlicher, als<br />

es durch einen ebenso objektiven Befund in der Organmedizin impliziert wäre.<br />

Psychisches Verhalten mag oberflächlich gesehen noch einer echten Objektivierung<br />

zugänglich sein. Jedoch resultiert es häufig aus einem subjektiven Erleben, über das wir nur<br />

durch die Auskunft des Betroffenen Kenntnis haben können. Dessen ungeachtet gibt es jedoch<br />

recht charakteristische Symptome, die festgestellt, objektiviert und psychopathologisch<br />

zugeordnet werden können, insbesondere aus dem Bereich der inhaltlichen Denkstörungen,<br />

der Störungen des Ich-Erlebens und der Wahrnehmungsstörungen.<br />

In der klinischen <strong>Psychologie</strong> wird sich bemüht psychische Störungen im Sinne eines<br />

triadischen Systems zu verstehen. Einerseits kann eine psychische Störung Ausdruck einer<br />

nachweisbaren körperlichen Störung sein. Andererseits kann eine Störung von der<br />

Symptomatik her sehr an eine körperliche Störung erinnern, ohne dass dies jedoch bisher<br />

nachzuweisen wäre.<br />

Psychischen Störungen oder Krankheiten können nach folgenden Aspekten unterteilt werden:<br />

1. Organisch bedingte psychische Störungen: Dazu gehören Alzheimer<br />

Krankheit und alle anderen Krankheiten, bei denen demente<br />

Auffälligkeiten auftreten.<br />

Eine Demenz ist ein Defizit in kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten, das zu einer<br />

Beeinträchtigung sozialer und beruflicher Funktionen führt und meist mit einer<br />

diagnostizierbaren Erkrankung des Gehirns einhergeht. Vor allem ist das Kurzzeitgedächtnis,<br />

ferner das Denkvermögen, die Sprache und die Motorik, bei einigen Formen auch die<br />

Persönlichkeitsstruktur betroffen. Maßgeblich ist der Verlust bereits erworbener<br />

Denkfähigkeiten im Unterschied zur angeborenen Minderbegabung. Heute sind verschiedene


Ursachen von Demenzen geklärt; einige Formen können in gewissem Umfang behandelt<br />

werden, d. h. die Symptome können im Anfangsstadium einer Demenz verzögert werden. Die<br />

am häufigsten auftretende Form der Demenz ist die Alzheimer-Krankheit. Eine Demenz kann<br />

auf ganz verschiedenen Ursachen beruhen; für die Therapie ist die Klärung dieser<br />

Unterscheidungsmerkmale wichtig.<br />

Die diagnostischen Kriterien für eine Demenz beinhalten Kombinationen von Defiziten in<br />

kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten, die zu einer Beeinträchtigung von sozialen<br />

und beruflichen Funktionen führen. Als Leitsymptom gilt die Gedächtnisstörung. Am Anfang<br />

der Erkrankung stehen Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und der Merkfähigkeit, in ihrem<br />

weiteren Verlauf verschwinden auch bereits eingeprägte Inhalte des Langzeitgedächtnisses, so<br />

dass die Betreffenden zunehmend die während ihres Lebens erworbenen Fähigkeiten und<br />

Fertigkeiten verlieren.<br />

Die kognitiven Defizite verursachen eine signifikante Beeinträchtigung der sozialen und<br />

beruflichen Funktionen und stellen eine deutliche Verschlechterung gegenüber einem<br />

früheren Leistungsniveau dar. Begleitend können Störungen der Sprache, Beeinträchtigungen<br />

der Planungskompetenzen und beeinträchtigte Fähigkeit, motorische Aktivitäten auszuführen.<br />

In der Bundesrepublik Deutschland ist nach neuesten Zahlen mit einem Anstieg der Demenz<br />

von heute 1,3 Millionen Betroffenen auf voraussichtlich 2,6 Millionen in 2050 zu rechnen.<br />

Hauptrisikofaktor für eine Demenz ist das hohe Lebensalter. Das Überwiegen des weiblichen<br />

Geschlechts ist wahrscheinlich vor allem in der um einige Jahre höheren Lebenserwartung<br />

von Frauen begründet. Depressionen werden als Risikofaktor für die Entwicklung einer<br />

Demenz angesehen. Sie treten vor allem in frühen Demenzstadien gehäuft auf und können<br />

einer Demenz auch vorausgehen.<br />

Die derzeitigen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten können den Verlauf einer Demenz<br />

nur in einem sehr bescheidenen Ausmaß positiv beeinflussen. Deshalb kommt der Prävention<br />

der Demenz besondere Bedeutung zu, deren Eckpfeiler in der Einschränkung der<br />

Risikofaktoren besteht. Hierbei gelten heute als aussichtsreichste Strategien in erster Linie die<br />

physische Aktivität (Sport), soziales Engagement, Kontrolle des Körpergewichts (Diät) und<br />

die frühzeitige Behandlung einer Depression.<br />

Die häufigste Form einer Demenz ist die Alzheimer-Krankheit. Die zweithäufigste Ursache<br />

mit zirka 20 Prozent ist die gefäßbedingte Demenz (Vaskuläre Demenz).Aus<br />

neuropathologischen Untersuchungen ist bekannt, dass die ersten Demenz-typischen<br />

Veränderungen im Gehirngewebe bereits im jungen Erwachsenenalter auftreten und mit<br />

zunehmendem Lebensalter stetig zunehmen. Zur Demenz kommt es erst, wenn ein großer Teil<br />

der Gehirnzellen zerstört ist.<br />

Wenn man versucht, sich in die Gefühlswelt demenzkranker Menschen hineinzuversetzen,<br />

fällt die Kommunikation mit ihnen leichter. Für Demenzkranke sieht die Welt merkwürdig<br />

und unverständlich aus, weil sie die spezifische menschliche Wahrnehmungsfähigkeit, die<br />

Orientierung, verlieren. Sie können die Gegenstände, Situationen und Personen nicht in einen<br />

größeren Kontext einordnen. Aufgrund ihrer Erinnerungsstörungen ist ihnen der Zugriff auf<br />

früheres Wissen (semantisches Gedächtnis) und Erlebnisse (episodisches Gedächtniszurücklöschend)<br />

verwehrt, um sich mit deren Hilfe in der jetzigen Situation zurechtzufinden.<br />

Es fehlt das Wissen und die Sicherheit von Ressourcen, die der Bewältigung aktueller


Situationen dienen. Oft verschwimmt der Unterschied zwischen Traum, Vergangenheit und<br />

Realität. Oft kommt es zu Halluzinationen.<br />

2. Psychische Verhaltensstörungen durch Missbrauch von Medikamenten,<br />

Alkohol und Psychotropen Substanzen<br />

3. Schizophrenie und wahnhafte Störungen<br />

Schizophrenie ist eine schwere psychische Erkrankung, die durch Störungen des Denkens,<br />

der Wahrnehmung und der Affektivität gekennzeichnet ist. Die „Negativsymptome“ der<br />

Schizophrenie beinhalten z. B. Depression und Antriebsmangel. Es werden verschiedene<br />

Erscheinungsformen unterschieden. Schizophrenie ist nicht vergleichbar mit dauerhaften<br />

kognitiven Leistungseinbußen. Es können Übersteigerungen und starke Fehlinterpretationen<br />

des normalen Erlebens bis hin zu manifesten chronischen Halluzinationen auftreten.<br />

Außerdem lassen sich bei schizophrenen Persönlichkeiten Denkstörungen, Ich – Störungen,<br />

Sinnestäuschungen und motorische Unruhe erkennen. Für den Laien wird eine psychotische<br />

Schizophrenie zumeist an der Wahnsymptomatik erkennbar: Ein Betroffener kommt im Zuge<br />

seines Erlebens beispielsweise zu dem Schluss, von Außerirdischen oder Geistern aus dem<br />

Jenseits beobachtet zu werden, dass Nachbarn oder andere ihn schädigen wollen. Häufig ist<br />

auch die wahnhafte Überzeugung, dass im Kopf ein Chip oder Ähnliches implantiert sei, mit<br />

dem die Gedanken oder das Handeln kontrolliert oder sogar gesteuert würden. Wahn bedeutet<br />

eine unerschütterliche Überzeugung, die auch durch Fakten nicht zu widerlegen ist, und ist<br />

dadurch gekennzeichnet, dass die eigene Person wesentlich darin verwickelt ist; für den<br />

Betroffenen besteht eine Gewissheit, dass das wahnhaft Vorgestellte tatsächlich geschieht.<br />

Zur Häufigkeit lässt sich sagen, dass bei etwa einer Person von 10.000 Schizophrenie<br />

festgestellt werden kann. Sie tritt bei Männern und Frauen etwa gleich häufig auf. Allerdings<br />

erkranken im Durchschnitt Frauen später (zwischen dem 25. und 30. Lebensjahr) als Männer<br />

(zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr). Schizophrenien kommen in allen Kulturen der Welt<br />

mit gleicher Häufigkeit vor, aber das jeweilige Erscheinungsbild wechselt mit den<br />

soziokulturellen Gegebenheiten.<br />

Als Ursachen geht man derzeit von einem multifaktoriellen Modell aus, bei dem genetischbiologische<br />

und psychosoziale Ursachen in einem Wechselspiel eine Schizophrenie auslösen<br />

können. Aber als zentral wird eine Störung der Regulation der Informationsverarbeitung<br />

angenommen. Es gibt auch Hinweise auf einen Zusammenhang von Schizophrenie mit<br />

frühkindlichen Hirnschädigungen, etwa durch Geburtskomplikationen. Weiterhin gibt es<br />

einige Befunde, die vermuten lassen, dass frühkindliche Infektionen eine Rolle spielen. In<br />

bestimmten Untersuchungen des Gehirns von schizophrenen Patienten kann man Anomalien<br />

feststellen – teilweise auch schon zu Beginn der Erkrankung. Dabei zeigt sich eine statistisch<br />

signifikante Häufung dieser Anomalien in Struktur- und Funktionsuntersuchungen bei<br />

schizophrenen Patienten gegenüber nicht-schizophrenen Personen.<br />

Befunde lassen vermuten, dass die neurobiologischen Grundlagen der Schizophrenie nicht auf<br />

einen bestimmten Punkt im Gehirn festzulegen sind. Möglicherweise kommt es aufgrund<br />

einer Reihe biologischer Faktoren wie genetische Faktoren, Sauerstoffmangel bei der Geburt<br />

und eventuell frühkindliche Infektionen zu einer Entwicklungsstörung des Gehirns, welche<br />

sich in einer veränderten Vernetzung von Nervenzellen in der Ultrastruktur des Hirns äußert.


Was die psychosozialen Faktoren angeht, fällt es auf, dass akute Schübe häufig in besonders<br />

belastenden und veränderungsträchtigen Lebenssituationen auftreten, etwa Auszug aus dem<br />

Elternhaus, Heirat, Arbeitsplatzwechsel, Renteneintritt, Todesfall in der Familie usw.<br />

Zusammenfassend bezeichnet man diese als „belastende Lebensereignisse“.<br />

Allgemein kann festgestellt werden, dass stark bewusstseinsverändernde Substanzen den<br />

Ausbruch einer Schizophrenie begünstigen. Pauschale Aussagen können nicht getroffen<br />

werden; es kommt sowohl auf die genetische Disposition als auch auf die jeweilige<br />

Persönlichkeit an. Es gibt starke Hinweise darauf, dass der Cannabiswirkstoff THC eine<br />

Schizophrenie auslösen kann oder den Ausbruch begünstigt, insbesondere, wenn Cannabis<br />

mit Amphetaminen kombiniert wird. Auch andere Rauschmittel können psychotische<br />

Zustände auslösen.<br />

4. Affektive Störungen<br />

Hier sind insbesondere 3 affektive Störungen genannt: Bipolare Störungen, Depressionen und<br />

Manien.<br />

Die Bipolare affektive Störung (oder „manisch-depressive Erkrankung”) zeigt sich bei den<br />

Betroffenen durch episodische, willentlich nicht kontrollierbare und extreme Auslenkungen<br />

des Antriebs, der Aktivität und der Stimmung, die weit außerhalb des Normalniveaus in<br />

Richtung Depression oder Manie schwanken.<br />

Sie ist durch einen episodischen Verlauf mit depressiven, manischen, hypomanischen oder<br />

gemischten Episoden gekennzeichnet. Zwischen den Krankheitsepisoden tritt in der Regel<br />

eine Rückkehr zum unauffälligen Normalzustand ein. Antrieb und Gemüt befinden sich dann<br />

wieder innerhalb der Normalschwankungen zwischen den beiden Extremen. Bei den von<br />

einer Bipolaren Störung Betroffenen gibt es ein großes Spektrum von Schweregraden und der<br />

Übergang zu einer „charismatischen“ oder überschwänglichen Persönlichkeit ist fließend. Es<br />

handelt sich um eine ernsthafte Erkrankung des Gehirns, die u. a. wegen des erhöhten<br />

Suizidrisikos und der sozialen Folgen gefährlich werden kann. Die Symptome entsprechen<br />

einer Störung des Hirnstoffwechsels. Meist beginnt eine Bipolare Störung in der Adoleszenz<br />

oder dem frühen Erwachsenenalter. Oftmals wird die Krankheit sowohl vom Betroffenen als<br />

auch von Medizinern erst viele Jahre nach Ausbruch erkannt, so dass Erkrankte lange Zeit<br />

leiden, bevor sie Behandlung erhalten. Da die Symptome starke Auswirkungen auf<br />

Entscheidungen und Beziehungen haben können, können zum Zeitpunkt des Erkennens der<br />

Krankheit auch die Lebenswege der Betroffenen schon erheblich beeinflusst worden sein,<br />

zumal die Symptome meist in jungen Jahren beginnen, in denen die Persönlichkeit noch nicht<br />

gefestigt ist. Häufig kommt es zu Problemen in der Ausbildung, im Arbeits- und<br />

Familienleben oder zu jähen Wechseln im Lebenslauf. Ist die Krankheit erkannt, können die<br />

Auswirkungen mit einer entsprechenden Behandlung durch Spezialisten möglicherweise<br />

gemildert werden. Eine vollständige Heilung ist nach derzeitigem Kenntnisstand der<br />

Wissenschaft (wie auch bei vielen anderen Krankheiten im psychiatrischen Bereich) nicht<br />

möglich. Die Bipolare Störung wird oft mit Kreativität in Verbindung gebracht; zu den<br />

Betroffenen zählen viele erfolgreiche Menschen. Der gesteigerte Antrieb in hypomanen<br />

Phasen kann für ungewöhnliche und gewagte Projekte begeistern, und Ziele werden oft mit<br />

großem Engagement verfolgt. Eine „Romantisierung“ der Krankheit ist aber unangebracht;<br />

ihre Folgen sind oft sehr schwerwiegend. Bei der Bipolaren Störung handelt es sich um eine<br />

recht häufige Erkrankung – werden auch leichtere Fälle berücksichtigt, so sind laut einigen<br />

Untersuchungen in den Industrieländern bis zu 3-4 % der Bevölkerung zu irgendeinem<br />

Zeitpunkt ihres Lebens von ihr betroffen.


Während einer Manie konzentriert der Betroffene oft seine volle Kapazität auf meist<br />

angenehme Teilaspekte seines Lebens, wobei andere Aspekte vernachlässigt oder völlig<br />

ignoriert werden. So kann es vorkommen, dass der Erkrankte seine gesamte Energie auf sein<br />

berufliches oder freiwilliges Engagement, für einen neuen Partner oder auf Sexualität<br />

fokussiert, gleichzeitig aber wichtige oder wichtigere Dinge wie z. B. seinen Haushalt oder<br />

seinen Beruf oder seine Familie völlig vernachlässigt. Die vermehrte Leistungsbereitschaft<br />

kann zunächst auch zu Erfolgen führen. So kann der Erkrankte während einer Manie, mehr<br />

noch aber bei einer Hypomanie, bei vorhandener Begabung sehr respektable Leistungen<br />

vollbringen. Auch die übersteigerte Geselligkeit und Schlagfertigkeit kann gut ankommen.<br />

Der Schlaf reduziert sich jedoch extrem und der Körper wird entsprechend überanstrengt.<br />

Vielen Kranken fällt es schwer, einen „Normalzustand“ oder „Normalität“ als erstrebenswert<br />

anzusehen. Es kommt deshalb nicht selten zu einer Bevorzugung des hypomanischen<br />

Zustands, was häufig zu Problemen führt.<br />

Bipolare Störungen sind bis zu einem gewissen Grad erblich veranlagt. So tragen nach<br />

heutigem Wissensstand verschiedene Gene zum Erkrankungsrisiko bei. So wurden bei<br />

manisch-depressiven Menschen Veränderungen vor allem auf den Chromosomen 18,4 und 21<br />

festgestellt. Eine große Rolle bei auslösenden Faktoren spielt ein unregelmäßiger Tag-/Nacht-<br />

Rhythmus z. B. durch Schichtarbeit oder ein einschneidender Lebenswandel, Schlafmangel,<br />

Überarbeitung, Alkohol- und sonstiger Drogenmissbrauch. Schließlich können jegliche<br />

Veränderungen phasenauslösend wirken.<br />

Depression<br />

Depressiv bezeichnet umgangssprachlich einen Zustand psychischer Niedergeschlagenheit.<br />

Die Diagnose wird allein nach Symptomen und Verlauf gestellt. Sie ist charakterisiert durch<br />

Stimmungseinengung oder bei einer schweren Depression dem Gefühl anhaltender innerer<br />

Leere. Schwer depressiv Erkrankte empfinden oft eine völlige Sinnlosigkeit des Lebens. In<br />

nicht wenigen Fällen führt dieser qualvolle Zustand zu latenter oder akuter Suizidalität.<br />

Weitere Symptome können sein: Antriebshemmung, Denkhemmung, übertriebene Sorge um<br />

die Zukunft, Hoffungslosigkeit, Minderwertigkeit, Schuldgefühle, Müdigkeit, verringerte<br />

Konzentrations- und Entscheidungsfähigkeit. Häufig bestehen Reizbarkeit und Ängstlichkeit.<br />

Negative Gedanken und Eindrücke werden über- und positive Aspekte nicht adäquat<br />

bewertet. Das Gefühlsleben ist eingeengt, was zum Verlust des Interesses an der Umwelt<br />

führen kann. Ebenso das Interesse an sexueller Aktivität. Der Schlaf kann gestört sein.<br />

Schlafstörungen sind Ausdruck eines gestörten 24-Stundenrhythmus.<br />

Depressive Erkrankungen gehen mit körperlichen Symptomen einher, so genannten<br />

Vitalstörungen, wie Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Gewichtszunahme, häufig auch mit<br />

Schmerzen in ganz unterschiedlichen Körperregionen.<br />

Die Depression ist die am häufigsten auftretende psychische Erkrankung. Das<br />

Bundesgesundheitsministerium schätzt, dass vier Millionen Deutsche von einer Depression<br />

betroffen sind und dass gut zehn Millionen Menschen bis zum 65. Lebensjahr eine Depression<br />

erlitten haben. Aber die Zahlen schwanken. Das hängt zum einen mit der hohen Dunkelziffer<br />

zusammen. Bei Frauen werden Depressionen im Durchschnitt doppelt so oft wie bei Männern<br />

diagnostiziert. Bei Männern können sich Depressionen auch anders ausdrücken als bei<br />

Frauen. Da sich Männer aber tendenziell seltener in ärztliche Behandlung begeben und dabei<br />

weniger über sich erzählen, kommt dies oft nicht zur Kenntnis.


Depressionen können unterschiedlicher Herkunft sein: Man kann zwischen endogener<br />

Depression, neurotische Depressionen (Erschöpfungsdepression) und reaktive Depression –<br />

als Reaktion auf ein aktuell belastendes Ereignis. Die Schwere der Depression wird mit<br />

leichte, mittelgradige und schwere depressive Episode unterschieden.<br />

Depressionen können in der Regel gut behandelt werden. Infrage kommen die<br />

Psychotherapie, physikalische Maßnahmen oder eine medikamentöse Behandlung mit<br />

Antidepressiva. Häufig wird auch eine Kombination aus medikamentöser und<br />

psychotherapeutischer Behandlung angewandt.<br />

Manien<br />

Bei einer Manie ist der Antrieb und die Stimmung weit über dem Normalniveau.<br />

Psychosoziale Belastungen, Störungen im Serotoninstoffwechsel werden als Faktoren<br />

angeführt. In einer Manie reduziert sich der Schlaf und es kommt zu einer Überanstrengung<br />

von Gehirnbereichen, wodurch dann, wenn es nicht zu einer Behandlung kommt,<br />

psychotische Symptome ausgelöst werden können. In vielerlei Hinsicht kann man eine Manie<br />

als das „Gegenteil einer Depression bezeichnen. Typische Merkmale sind beispielsweise:<br />

Starke Erregung, innere Getriebenheit, intensive, aber unbegründete gehobene, heitere<br />

Stimmung, teilweise aber auch Gereiztheit bzw. missmutige Umtriebigkeit, rastlose Aktivität<br />

und Unruhe, mangelnde Sensibilität für die Bedürfnisse und Gefühle der unmittelbaren<br />

Mitmenschen, hemmungsloses und unkritisches Verhalten, ins Maßlose gesteigertes<br />

Selbstbewusstsein.<br />

Der Antrieb und die Stimmung sind weit übernormal – mitunter bis ins äußerste Extrem<br />

gehoben – am Limit. Übermäßige Beschäftigung mit angenehmen Dingen ist typisch;<br />

fanatisch und exzessiv wird ein Teilbereich ausgeübt, während andere, oft wichtigere Dinge,<br />

völlig vernachlässigt werden. Häufig geben die Betroffenen mehr und schneller Geld aus als<br />

üblich. Mitunter werden von Erkrankten während einer Manie aufgrund ihrer Größenideen<br />

sogar massenweise Geschäfte getätigt, die für die Betroffenen und ihre Angehörigen sehr<br />

unangenehme Folgen wie hohe Verschuldung haben können. Die Libido ist gesteigert, die<br />

Geselligkeit und die Gesprächigkeit ebenso, die Betroffenen können allerdings auch völlig<br />

enthemmt werden, die Kontrolle über sich selbst verlieren. Selbst wenn sie dies noch<br />

wahrnehmen, verausgaben sie sich völlig, obwohl ihnen bewusst ist, dass dies schädliche<br />

Folgen haben kann.<br />

In der Manie zeigen Patienten oft völlig unangepasstes, distanzloses Verhalten: beispielsweise<br />

werden fremde Leute einfach angesprochen und in Gespräche verwickelt, die weit jenseits<br />

gesellschaftlicher Konventionen liegen. Häufig kommt es auch zu sexuell anzügliche<br />

Verhaltensweisen sowie häufigen und wahllosen sexuellen Kontakten mit fremden Personen.<br />

Freunde und enge Angehörige, der Ehepartner usw. können den Betroffenen nicht von diesen<br />

Verhaltensweisen abhalten, ein Maniker lässt sich kaum oder nicht bremsen oder belehren.<br />

An einer Manie Erkrankte haben während der manischen Phase typischerweise keinerlei<br />

Krankheitseinsicht.<br />

Der Umgang mit Menschen, die sich in einer akuten manischen Phase befinden, ist äußerst<br />

anstrengend; häufig sind die Angehörigen nach kurzer Zeit am Ende ihrer Kräfte. Da viele<br />

Betroffene keine Krankheitseinsicht haben, bleibt oft nur eine ärztliche Behandlung gegen<br />

den Willen der Betroffenen. Um den Betroffenen vor sich selbst und den Folgen seiner<br />

Aktivitäten zu schützen, ist zudem nicht selten eine geschlossene Unterbringung notwendig,<br />

bis die akute Phase etwas abgeklungen ist.


5. Neurotische Belastungsstörungen<br />

Hierzu zählen insbesondere Angststörungen, bei denen eine unspezifische Angst oder die<br />

konkrete Furcht vor einem Objekt oder einer Situation im Vordergrund steht. Im letzteren Fall<br />

einer konkreten Furcht spricht man von einer Phobie. Die Panikstörung, bei der Ängste zu<br />

Panikattacken führen, zählt zur Angststörung. Allen Angststörungen ist gemeinsam, dass die<br />

Betroffenen übermäßig starke Ängste haben vor Dingen, vor denen Menschen ohne<br />

Angststörung keine oder in weit geringerem Maß Angst oder Furcht empfinden können.<br />

Dabei erkennen die betroffenen Personen eventuell zeitweise, dass ihre Angst übermäßig oder<br />

unbegründet ist. Angst ist zunächst ein notwendiger und normaler. Als orientierende<br />

Merkmale zur Diagnose einer pathologischen Angst lassen sich zwei Kriterien nennen: Die<br />

„Unangemessenheit“ der Angstreaktion gegenüber den Bedrohungsquellen und die<br />

Symptomausprägung, wie Angstintensität, Fortbestehen der Angst (Persistenz), abnorme<br />

Angstbewältigung und subjektiver und körperlicher Beeinträchtigungsgrad.<br />

Bei phobischen Störungen erkennen wir die Agorophobie, die Furcht vor oder<br />

Vermeidung von Menschenmengen, öffentlichen Plätzen, Reisen allein oder Reisen<br />

von Zuhause weg. Die soziale Phobie , die Furcht vor oder Vermeidung von<br />

sozialen Situationen, bei denen die Gefahr besteht, im Zentrum der<br />

Aufmerksamkeit zu stehen, Furcht, sich peinlich oder beschämend zu verhalten und<br />

spezifische Phobien Diese können nach bestimmten Objekten oder Situationen<br />

unterschieden werden: Tierphobie, situative Phobien (z. B. Flugangst),sonstigen<br />

phobische Störungen.<br />

Panikstörungen sind spontan auftretende Angstattacken, die nicht auf ein spezifisches Objekt<br />

oder eine spezifische Situation bezogen sind. Sie beginnen abrupt, erreichen innerhalb<br />

weniger Minuten einen Höhepunkt und dauern mindestens einige Minuten an. Sie zeichnen<br />

sich dadurch aus, dass wiederholt schwere impulsive Angst- oder Panikzustände auftreten, die<br />

sich nicht auf spezifische Situationen beschränken und deshalb nicht vorhersehbar sind.<br />

Panikattacken gehen besonders häufig einher mit plötzlichem Herzklopfen, Herzrasen oder<br />

unregelmäßigem Herzschlag. Es können ebenfalls Brustschmerzen, Erstickungsgefühle,<br />

Zittern, Schwitzen, Schwindel und das Gefühl der Entfremdung auftreten. Die Betroffenen<br />

haben Todesangst, befürchten zum Beispiel einen Herzstillstand oder Herzinfarkt. Diese<br />

Anfälle dauern in der Regel nur wenige Minuten, manchmal etwas länger. Da diese<br />

Situationen plötzlich und unberechenbar auftreten, entsteht schließlich eine Angst vor der<br />

Angst. Spezifisch für die Panikstörung ist es, dass die Betroffenen oft den Zusammenhang<br />

zwischen den körperlichen Symptomen und ihrer Angst nicht erkennen und die Symptome<br />

fehlinterpretieren.<br />

Bei einer Zwangsstörung besteht für den Betroffenen ein innerer Drang, bestimmte Dinge zu<br />

denken oder zu tun. Der Betroffene wehrt sich gegen das Auftreten der Zwänge; er erlebt sie<br />

als übertrieben und sinnlos, kann ihnen willentlich jedoch meist nichts entgegensetzen. Die<br />

Störung bringt deutliche Belastungen und Beeinträchtigungen des Alltagslebens mit sich.<br />

Dabei treten Zwangsgedanken und Zwangshandlungen auf. Die Themen, um die sich die<br />

Zwangsgedanken drehen sind am häufigsten Schmutz oder Verseuchung, Gewalt und<br />

Aggression, Ordnung, Religion und Sex.<br />

Zwangshandlungen sind Stereotypien, die ständig wiederholt werden müssen. Die meisten<br />

Betroffenen wissen, dass ihr Verhalten übertrieben und unvernünftig ist. Danach fühlen sie<br />

sich für gewöhnlich für eine kurze Zeitspanne weniger ängstlich. Abgesehen von dieser


Spannungsreduktion empfinden die Betroffenen keine Freude am Ausführen der Handlung<br />

selbst. Beispiele sind Reinlichkeitszwang, Kontrollzwang oder Ordnungszwang, Berührzwang<br />

= Zwang, Dinge anzufassen oder gerade nicht anzufassen<br />

6. Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen<br />

Mit Essstörung bezeichnet man eine Verhaltensstörung mit meist ernsthaften und<br />

langfristigen Gesundheitsschäden. Zentral ist die ständige gedankliche und emotionale<br />

Beschäftigung mit dem Thema „Essen“. Sie betrifft die Nahrungsaufnahme oder deren<br />

Verweigerung und hängt mit psychosozialen Störungen und mit der Einstellung zum eigenen<br />

Körper zusammen.<br />

Die bekanntesten, häufigsten und anerkannten Essstörungen sind die unspezifische Ess -<br />

Sucht, die Magersucht, (Anorexia Nervosa), die Ess – Brech - Sucht (Bulimia nervosa) und<br />

die Fressattacken. Die einzelnen Störungen sind nicht klar voneinander abgrenzbar. Oft<br />

wechseln die Betroffenen von einer Form zur anderen und die Merkmale gehen ineinander<br />

über und vermischen sich. Zentral ist immer, dass die Betroffenen sich zwanghaft mit dem<br />

Thema Essen beschäftigen. Bei allen chronisch gewordenen Essstörungen sind<br />

lebensgefährliche körperliche Schäden möglich. Die Übergänge zwischen „normal“ und<br />

„krankhaft“ sind von vielen Faktoren abhängig. Ein Mensch, der aus religiösen oder<br />

ideologischen Gründen besondere Ernährungsformen pflegt, ist nicht unbedingt essgestört.<br />

Manche Ess-Süchtige sind körperlich und in ihrem Verhalten völlig unauffällig - die Sucht<br />

spielt sich bei ihnen ausschließlich im Kopf ab.<br />

Esssucht: Esssüchtige essen zwanghaft und denken dauernd an „Essen“ und an die Folgen für<br />

ihren Körper. Sie essen entweder zu viel oder sie kontrollieren ihr Gewicht mit komplizierten<br />

Systemen von Essen, Diäten, Fasten und Bewegen. Esssucht führt häufig zu Übergewicht mit<br />

den zugehörigen Problemen. Übergewichtige fühlen sich oft als Versager und Außenseiter.<br />

Magersucht ist durch einen absichtlich und selbst herbeigeführten Gewichtsverlust<br />

gekennzeichnet. Durch Hungern versucht, dem Körper möglichst wenig Nahrung zuzuführen,<br />

durch körperliche Aktivitäten soll der Energieverbrauch gesteigert werden. Die betroffene<br />

Person sieht dabei den eigenen körperlichen Zustand häufig nicht, sie empfindet sich als zu<br />

dick, auch noch mit extremem Untergewicht.<br />

Bei der Ess-Brech-Sucht (Bulimie, Bulimia nervosa) sind die Betroffenen meist<br />

normalgewichtig, haben aber große Angst vor der Gewichtszunahme, dem „Dickwerden“;<br />

man kann das als „Gewichtsphobie“ umschreiben. Sie ergreifen deshalb ungesunde<br />

Gegenmaßnahmen wie Erbrechen, exzessiven Sport, Abführmittel oder Fasten. Dadurch<br />

kommt der Körper in einen Mangelzustand und es kommt zu so genannten Ess-Attacken,<br />

wobei große Mengen Nahrung auf einmal verzehrt werden.<br />

Essattacken treten im Zusammenhang mit suchtartigen Heißhungerattacken auf, wobei der<br />

Suchtcharakter der Essstörung umstritten ist. Von Binge Eating wird gesprochen, wenn<br />

während mindestens sechs Monaten an zumindest zwei Tagen pro Woche ein Anfall von<br />

Heißhunger auftritt, bei dem in kürzester Zeit ungewöhnlich große Mengen an<br />

Nahrungsmitteln aufgenommen werden. Der Betroffene verliert die Kontrolle über die<br />

Nahrungsaufnahme.<br />

Da die Formen der einzelnen Essstörungen oft ineinander übergehen und sich vermischen,<br />

sind sie schwer zu trennen. Deshalb sind einzelne Zahlen mit Vorsicht zu betrachten. Hier


einige Zahlen für Deutschland: Magersucht: etwa 100.000 Menschen sind betroffen. 90 %<br />

der Betroffenen sind Frauen zwischen 15 und 35 Jahren. 10 % sind Männer. Essstörungen bei<br />

Männern sind bisher noch wenig erforscht. Ess-Brech-Sucht: etwa 600.000 Menschen sind<br />

betroffen. Binge Eating: etwa 2 % der Bevölkerung ist betroffen, wäre damit die häufigste<br />

Essstörung.<br />

7. Persönlichkeitsstörungen<br />

Als Persönlichkeitsstörungen werden Störungen der Persönlichkeit bezeichnet insofern<br />

bestimmte Merkmale der Persönlichkeitsstruktur in besonderer Weise ausgeprägt, unflexibel<br />

und wenig angepasst sind. Sie bezeichnen Erlebens- und Verhaltensmuster aufgrund<br />

Entwicklungsbedingungen in der Kindheit und späteren Lebensabschnitten, genetischer<br />

Faktoren und/oder erworbener Hirnschäden. Diese Verhaltensmuster weichen von einem<br />

flexiblen, situationsangemessenen Erleben und Verhalten in charakteristischer Weise ab. Die<br />

persönliche und soziale Funktions- und Leistungsfähigkeit ist meistens beeinträchtigt.<br />

Paranoide Persönlichkeitsstörung ist gekennzeichnet durch Misstrauen (bis hin zur<br />

häufigen Annahme von Verschwörungen, um Ereignisse zu erklären), Streitsucht, dauernden<br />

Groll und starke Selbstbezogenheit. Handlungen oder Äußerungen anderer Personen werden<br />

häufig als feindlich missgedeutet.<br />

Schizoide Persönlichkeitsstörung ist eine Persönlichkeitsstörung, die durch einen Rückzug<br />

von affektiven, sozialen und anderen Kontakten mit übermäßiger Vorliebe für Phantasie,<br />

einzelgängerisches Verhalten und in sich gekehrte Zurückhaltung gekennzeichnet ist. Es<br />

besteht nur ein begrenztes Vermögen, Gefühle auszudrücken und Freude zu erleben.<br />

Für dissoziale Persönlichkeitsstörung sind Verantwortungslosigkeit und Missachtung<br />

sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen, fehlendes Schuldbewusstsein sowie geringes<br />

Einfühlungsvermögen kennzeichnend. Oft besteht eine niedrige Schwelle für aggressives oder<br />

gewalttätiges Verhalten.<br />

Die wesentlichen Merkmale der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung sind<br />

impulsive Handlungen ohne Berücksichtigung der Konsequenzen; häufige, unvorhersehbare<br />

und launenhafte Stimmungsschwankungen; Neigung zu intensiven und instabilen<br />

Beziehungen, oft mit der Folge emotionaler Krisen; Störungen und Unsicherheit bezüglich<br />

des Selbstbildes, Zielen und inneren Präferenzen; anhaltendes Gefühl der Leere; heftige<br />

Zornesausbrüche mit teilweise gewalttätigem Verhalten gegen andere oder gegen sich selbst.<br />

Ferner besteht eine Tendenz zu streitsüchtigem Verhalten und Konflikten mit anderen,<br />

insbesondere, wenn impulsive Handlungen unterbunden oder getadelt werden. Ein wichtiges<br />

Kennzeichen dieser Störung ist die große Angst vor dem Alleinsein. Menschen mit dieser<br />

Erkrankung haben gelegentlich ausgeprägte Trennungsängste, Verlustängste oder Angst vor<br />

Isolation, obwohl kein konkreter Grund dazu gegeben ist.<br />

Kennzeichnend für die histrionische Persönlichkeitsstörung (früher als Hysterie<br />

bezeichnet), sind Übertreibung, theatralisches Verhalten, Tendenz zur Dramatisierung,<br />

Oberflächlichkeit, labile Stimmungslage, gesteigerte Beeinflussbarkeit, dauerndes Verlangen<br />

nach Anerkennung und der Wunsch, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, erhöhte<br />

Kränkbarkeit sowie ein übermäßiges Interesse an körperlicher Attraktivität. Personen mit<br />

dieser Struktur verfügen oftmals über hohes schauspielerisches Talent, sie schreiben sich für<br />

viele Lebenslagen eigene Rollen zu, die sie perfekt inszenieren. Falls sie in Situationen, denen<br />

sie Bedeutung beimessen, nicht die gewünschte Aufmerksamkeit bekommen, kann dies eine


edrohliche Situation für sie darstellen, in der sie sich hilflos und ausgeschlossen fühlen.<br />

Besonders in größerer Gesellschaft kann dies verheerende Reaktionen hervorrufen, denn<br />

oftmals greifen diese Persönlichkeiten zu drastischen, schockierenden Mitteln, die in ihrer<br />

Abartigkeit gefährlich werden können. Menschen mit histrionischer Persönlichkeitsstörung<br />

haben die Tendenz zu lügen, erfinden besonders extreme Geschichten oder selbst erlebte<br />

Abenteuer, um die Aufmerksamkeit anderer zu erzwingen. Von ihrem Umfeld werden diese<br />

Persönlichkeiten häufig als unglaubwürdig eingeschätzt.<br />

Die anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung ist gekennzeichnet durch Gefühle<br />

von Zweifel, Perfektionismus, übertriebener Gewissenhaftigkeit, ständige Kontrollen,<br />

allgemein große Vorsicht und Starrheit in Denken und Handeln, die sich als Unflexibilität,<br />

Pedanterie und Steifheit zeigt.<br />

Typisch ist des Weiteren die übermäßige Beschäftigung mit Details und Regeln, so dass die<br />

eigentliche Aktivität oftmals in den Hintergrund tritt. Es können beharrliche und<br />

unerwünschte Gedanken oder Impulse auftreten, die nicht die Schwere einer Zwangsstörung<br />

erreichen. Die Fähigkeit zum Ausdruck von Gefühlen ist häufig vermindert. In<br />

zwischenmenschlichen Beziehungen wirken Betroffene dementsprechend kühl und rational.<br />

Die Anpassungsfähigkeit an die Gewohnheiten und Eigenheiten der Mitmenschen ist<br />

eingeschränkt. Vielmehr wird die eigene Prinzipien- und Normentreue von anderen erwartet.<br />

Menschen mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung sind meist übermäßig leistungsorientiert<br />

und perfektionistisch. Daher erweisen sie sich im Arbeitsleben als fleißig, übermäßig<br />

gewissenhaft und übergenau, wobei der überstrenge Perfektionismus die Aufgabenerfüllung<br />

mitunter verhindert. Ihre Angst vor Fehlern behindert die Entscheidungsfähigkeit der<br />

Betroffenen. Etwa ein Prozent der Gesamtbevölkerung sind von einer anankastischen<br />

Persönlichkeitsstörung betroffen.<br />

Narzisstische Persönlichkeitsstörung zeichnet sich aus durch mangelndes Selbstbewusstsein<br />

und Ablehnung der eigenen Person nach innen, wechselnd mit übertriebenem und sehr<br />

ausgeprägtem Selbstbewusstsein nach außen. Daher sind diese Personen immer auf der Suche<br />

nach Bewunderung und Anerkennung, wobei sie anderen Menschen wenig echte<br />

Aufmerksamkeit schenken. Sie haben ein übertriebenes Gefühl von Wichtigkeit, hoffen eine<br />

Sonderstellung einzunehmen und zu verdienen. Sie zeigen ausbeutendes Verhalten und einen<br />

Mangel an Empathie. Es können wahnhafte Störungen mit Größenideen auftreten. Zudem<br />

zeigen Betroffene eine auffällige Empfindlichkeit gegenüber Kritik, die sie nicht selten global<br />

verstehen, was in ihnen Gefühle der Wut, Scham oder Demütigung hervorruft. Nicht selten<br />

wird deshalb, gerade im familiären Bereich, ein Netz aus Intrigen gesponnen, um sich ins so<br />

genannte "rechte Licht" zu rücken. Dieses geschieht meist aus Selbstschutz und Angst vor<br />

weiterer Kritik.<br />

Die Wahrnehmung für tatsächliche Begebenheiten ist zudem oft stark verschwommen und<br />

wird zugunsten der narzisstischen Persönlichkeit entweder geschönt oder es werden Teile der<br />

Realität bewusst verfälscht oder weggelassen, um das Ziel der Anerkennung wieder<br />

herzustellen, die deren Meinung nach ins Wanken geraten ist oder sein könnte. Häufig wird<br />

hier auch mit großem Selbstmitleid gearbeitet und ein Jammern und Flehen eingeflochten, um<br />

die Fürsorge der Mitmenschen zu wecken und die "Unschuld" zu bekräftigen.


8. Verhaltenstörungen mit Beginn in der Kindheit<br />

Hiermit sind insbesondere emotionale Störungen im Kindesalter, als auch Störungen im<br />

Sozialverhalten bei Kindern und Jugendlichen genannt<br />

Emotionale Störungen des Kindesalters<br />

Sie bezeichnen eine Gruppe von psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen, bei<br />

denen Angst durch bestimmte, im Allgemeinen ungefährliche Objekte, die sich außerhalb der<br />

Person befinden, hervorgerufen wird.<br />

Zu der Gruppe von Störungen, werden Störungen gezählt, die eine Verstärkung normaler<br />

Entwicklungen darstellen. Darin unterscheiden sie sich von den phobischen Störungen. Bei<br />

den Emotionalen Störungen steht die Angst vor einem bestimmten Objekt oder einer<br />

bestimmten Situation im Vordergrund, die im Allgemeinen ungefährlich ist.<br />

Es ist beispielsweise häufig so, dass Kinder eine gewisse Angst bei der Trennung mit den<br />

Eltern verspüren. Selten tritt diese Phase vor dem 6. Monat ein, ab dem 5. Lebensjahr ist<br />

dieses normale Phänomen kaum noch zu beobachten. Im Allgemeinen wird dies durch die<br />

sich entwickelnde Bindung des Kindes an die Eltern erklärt. Trennungsangst tritt häufig in<br />

Situationen auf, in denen eine Zuneigungsperson das Kind, zumeist in einer unbekannten<br />

Umgebung, kurz oder längerfristig zurückgelassen hat. Einen Störungswert erhält dieses<br />

normale Verhalten des Kindes erst, wenn eine unübliche Ausprägung, eine abnorme Dauer<br />

über die typische Altersstufe hinaus und durch deutliche Probleme in sozialen Funktionen<br />

vorhanden ist. So kann beispielsweise der Besuch der Grundschule für ein an dieser Störung<br />

leidendes Kind gänzlich unmöglich werden. Auch muss dieses Verhalten bereits in der frühen<br />

Kindheit einsetzen. Erst dann kann, wie in diesem Beispiel von einer Emotionale Störung mit<br />

Trennungsangst des Kindesalters, wie sie unten aufgeführt ist, gesprochen werden.<br />

Auch eine Phobische Störung des Kindesalters, wie sie unten aufgeführt ist, stellt eine<br />

Verstärkung von entwicklungstypischen Trends in der Kindheit dar. Es ist in der Entwicklung<br />

von Kindern typisch, dass sie vor bestimmten Dingen oder Situationen Angst haben. Bei einer<br />

Vielzahl von Kindern ist Angst vor Dunkelheit und Gewitter oder die Angst vor Gespenstern<br />

oder Hunden normal ausgeprägt und kann als typische Phase in der Entwicklung gesehen<br />

werden. Auch um diese spezielle Störung diagnostizieren zu können, muss eine besondere<br />

Ausprägung der Angst beim Kind vorhanden sein. Das Kind muss Situationen, in denen es<br />

den angstbesetzten Dingen ausgesetzt ist, deutlich vermeiden.<br />

Bei der Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters findet sich eine durchgängige oder<br />

wiederkehrende altersunangemessene Furcht vor Fremden oder Meiden von diesen. Diese<br />

Angst kann sowohl Erwachsene als auch Kinder betreffen. Erste Anzeichen einer<br />

entwicklungspsychologisch angemessenen Angst vor Fremden können im Alter von 6–8<br />

Monaten beobachtet werden. Besonders stark ist sie mit 10–12 Monaten ausgeprägt. Ab dem<br />

12. Monat nimmt diese Angst langsam wieder ab.<br />

Bei der Emotionale Störung mit Geschwisterrivalität zeigt sich ein besonders stark<br />

ausgeprägtes Konkurrieren mit einem neugeborenen Geschwister, welches in besonders<br />

schweren Fällen zu offener Feindseligkeit und körperlicher Gewalt führen kann. Auch Angst,


sozialer Rückzug sowie der Verlust der Blasen- Darmkontrolle kann eine Ausprägung dieser<br />

Störung sein.<br />

Freud ging noch von einem einfachen Modell der Entwicklung der Fremdenangst aus. Im<br />

Anblick eines Fremden, schlussfolgert das Kleinkind, dass die Mutter nicht anwesend ist und<br />

das Kind verlassen hat. Dies erlebt es so bedrohlich, da es so seinen plagenden Trieben<br />

ausgeliefert ist. Somit ist die Fremdenangst vergleichbar der Trennungsangst. Nach Freud<br />

sind viele Theorien speziell über die Trennungsangst entstanden, die sich häufig auch<br />

widersprechen.<br />

Andere Theoretiker sagen, dass ein Kind sich mit etwa neun Monaten, in Situationen mit<br />

unsicheren, zwiespältigen und widersprüchlichen Gefühlen, sich an den Affekten der Mutter<br />

zu orientieren versucht, um so mehr Informationen zur Entscheidung über den Charakter der<br />

Situation zu erlangen. Somit bekommt die emotionale Reaktion der Mutter eine<br />

herausragende Bedeutung für die Reaktion des Kindes in solchen Situationen. Unter<br />

optimalen Bedingungen reagiert ein acht Monate alter Säugling auf Fremde mit einer<br />

Mischung aus Neugier und Vorsicht, nicht mit Angst.<br />

Die Trennungsangst ist ab dem achten bis neunten Monat zu beobachten. Unbehagen bei<br />

Trennung von der Mutter tritt allerdings schon ab den ersten Tagen auf. Fast immer ist es<br />

auch möglich, dass ein Fremder, in den ersten sechs Monaten das Kind beruhigt. Danach ist<br />

dies beinahe unmöglich. Dies könnte mit der Entwicklung der Objektkonstanz nach J. Piaget<br />

zusammenhängen. Erst wenn das Kind eine genaue Vorstellung von der Mutter bekommen<br />

hat, und sich eine bleibende Vorstellung von der Mutter, auch wenn das Kind die Mutter nicht<br />

sehen kann, etabliert hat, könnte die Anwesenheit eines Fremden, der nicht dem gerade<br />

gebildeten Schema der Mutter entspricht, Angst auslösen.<br />

Störung des Sozialverhaltens<br />

Als Störungen des Sozialverhaltens werden psychische Störungen bei Kindern und<br />

Jugendlichen bezeichnet, bei denen bestimmte, auffällige Verhaltensweisen auftreten. , dass<br />

sich als ein sich wiederholendes und andauerndes Muster dissozialen, aggressiven oder<br />

aufsässigen Verhaltens zeigt. Insbesondere dann, wenn dabei die grundlegenden Rechte<br />

anderer sowie wichtige altersentsprechende Erwartungen verletzt werden.<br />

Das heißt das Kind oder der Jugendliche muss über einen Zeitraum von sechs Monaten<br />

aufsässiges oder aggressives Verhalten zeigen, z. B. Deutliches Maß an Ungehorsam, Streiten<br />

oder Tyrannisieren, Ungewöhnlich häufige oder schwere Wutausbrüche, Grausamkeit<br />

gegenüber anderen Menschen oder Tieren, Erhebliche Destruktivität gegenüber Eigentum,<br />

Zündeln, Stehlen, Häufiges Lügen, Schuleschwänzen oder Weglaufen von zu Hause<br />

Bei entsprechender Schwere der Symptome, wie beispielsweise das wiederholte mutwillige<br />

Zerstören von Eigentum anderer, kann auch ein Einziges der genannten Leitsymptome für die<br />

Diagnose ausreichen. Einzelne dissoziale oder kriminelle Handlungen dagegen, wie das<br />

einmalige Stehlen, oder eine Prügelei auf dem Schulhof rechtfertigen noch keine Diagnose.<br />

Wichtig ist, dass die Häufigkeit und Ernsthaftigkeit über „normales abweichendes“ Verhalten<br />

hinausgeht. In vielen Fällen ist das Verhalten von Gefühllosigkeit und Boshaftigkeit sowie<br />

von einem Mangel an Reue gekennzeichnet.<br />

Insgesamt scheinen bei der Entstehung von Störungen des Sozialverhaltens ungünstige<br />

psychosoziale Einflussfaktoren, insbesondere aus dem familiären Umfeld, von entscheidender


Bedeutung zu sein. Im familiären Umfeld sind besonders emotionale Vernachlässigung, das<br />

Miterleben elterlicher Streitigkeiten, ein Gewalt androhender und Gewalt anwendender<br />

Erziehungsstil ungünstig. Ebenso wirken sich Verhaltensstörungen der Eltern erschwerend<br />

aus. Hier können Regelübertretungen und dissoziale Verhaltensweisen ungünstig wirken.<br />

9. Sonstige psychische Störungen<br />

11. Gerontopsychologie<br />

Während sich die Gerontologie als übergeordnete wissenschaftliche Disziplin dem "Studium<br />

des Alterns im weitesten Sinne" widmet, ist es das Anliegen der Gerontopsychologie,<br />

psychologische Methoden, Theorien, und Faktenwissen zu erarbeiten, um Alternsprozesse im<br />

menschlichen Verhalten und Erleben beschreiben und erklären zu können. Bereits diese<br />

Umschreibung der Gerontopsychologie macht deutlich, dass ihr Gegenstandsbereich nicht auf<br />

den Lebensabschnitt des hohen Alters beschränkt werden kann, vielmehr der Prozess des<br />

Älterwerdens, also Veränderungen im menschlichen Verhalten und Erleben in<br />

psychologischer Betrachtung im Mittelpunkt stehen. Während die verwandten Begriffe<br />

"Psychologische Gerontologie" und "Psychogerontologie" die Rolle der Gerontologie als<br />

"Mutterdisziplin" sowie den multidisziplinären Charakter ihres Gegenstandes betonen,<br />

verweist die Bezeichnung "Gerontopsychologie" auf deren klare theoretische und<br />

methodische Zuordnung zur <strong>Psychologie</strong>.<br />

Grundpositionen<br />

Vor dem Hintergrund eines Entwicklungsbegriffes, der Entwicklung als Entfaltung,<br />

Wachstum und Zunahme charakterisierte, wurden Veränderungen des höheren Lebensalters in<br />

den frühen gerontopsychologischen Arbeiten häufig als Regression oder Verlust beschrieben.<br />

1) Das sog. "Defizitmodell des Alterns", das sich bis in die Antike zurückverfolgen lässt,<br />

wurde vor allem durch jene Studien gestützt, die Fähigkeiten wie Intelligenz, Gedächtnis oder<br />

Psychomotorik in den Mittelpunkt rückten. Eine Relativierung dieses Modells haben u.a.<br />

methodisch aufwendige Studien zur Entwicklung der Intelligenz im Alter bewirken können.<br />

In Untersuchungen wurde erörtert, dass ein Intelligenzabbau im Alter wesentlich durch<br />

körperliche Erkrankungen bestimmt ist und erst in der achten Lebensdekade als ein alle<br />

kognitive Fähigkeiten betreffendes, alterstypisches Geschehen gelten kann. Die von Schaie<br />

eingesetzten Datenerhebungsstrategien ("Sequenz-Modelle") haben darüber hinaus<br />

nachhaltigen Einfluss auf die Versuchsplanung, die Auswertung und Interpretation<br />

gerontopsychologischer Studien und Daten genommen: Nicht nur für den Bereich der<br />

Intelligenz konnte belegt werden, dass neben dem chronologischen Alter die an eine<br />

Geburtskohorte geknüpften epochalen Einflüsse zum Verständnis von<br />

Entwicklungsgeschehen im Alter von großer Bedeutung sind.<br />

2) Eine andere theoretische Grundposition spiegelt sich in der sog. "Disengagementstheorie<br />

des Alterns" wieder. Die Autoren beschreiben den Prozess des Alterns als einen sowohl von<br />

der Gesellschaft geforderten als auch selbstbestimmten Rückzug aus sozialen Kontakten. In<br />

verschiedenen Überarbeitungen dieses normativen Ansatzes wurde deutlich, dass<br />

Lebenszufriedenheit im Alter aus einer höchst individuellen Auseinandersetzung mit den<br />

Veränderungen im sozialen Umfeld resultiert und sich kaum als ein einheitlicher Prozess des<br />

sozialen Disengagement beschreiben lässt.


3) Kaum weniger von normativen Setzungen geprägt ist die "Aktivitätstheorie des Alters" In<br />

ihr wird postuliert, dass Lebenszufriedenheit im Alter vor allem mit sozialen Aktivitäten in<br />

Zusammenhang stehe. Der mit dem Alter einhergehende Funktions- und Rollenverlust<br />

schränke den Aktivitätsradius älterer Menschen ein und bedeute eine Gefährdung des<br />

Selbstwertes und der Lebenszufriedenheit im Alter. In Überarbeitungen der Aktivitätstheorie<br />

wird verdeutlicht, dass der Übereinstimmung von individuell gewünschter und tatsächlich<br />

realisierter sozialer Teilhabe eine Schlüsselrolle für Zufriedenheit im Alter zukommt.<br />

4) Als "Kognitive Alterstheorie" ist jener Ansatz zu bezeichnen, der die Bedeutung subjektiv<br />

erlebter Veränderungen und die motivationale Bedingtheit dieses Erlebens für eine<br />

erfolgreiche Anpassung im Alter herausstellt. Nicht so sehr objektive Veränderungen im<br />

äußeren Lebensumfeld oder hinsichtlich der Gesundheit, als vielmehr subjektive Bewertungen<br />

der vorfindbaren Lebenssituation bzw. subjektive Beurteilungen des Gesundheitszustandes<br />

bilden die Grundlage für ein aktives Altern in psycho-physischem Wohlbefinden.<br />

5) Als "Kompetenzmodelle des Altern" gelten schließlich jene Ausformulierungen, die Altern<br />

als einen dynamischen und qualitativen Anpassungsprozeß ausweisen. Altern ist aus dieser<br />

Sicht als ein komplexer Prozess der Interaktion mit situativen Gegebenheiten zu verstehen.<br />

"Kompetenz" steht für die Balance zwischen den individuellen Ressourcen und den<br />

Anforderungen einer gegebenen Situation, wobei eine "optimale Passung" von Person und<br />

Situation als Voraussetzung eines Alterns in Wohlbefinden gesehen wird. Aktuelle Ansätze<br />

thematisieren Kompetenz dabei als ein transaktionales Konstrukt: Durch Anpassungsprozesse<br />

der Selektion, der Kompensation und der Optimierung.<br />

Schlüsselthemen aktueller gerontopsychologischer Forschung<br />

Großen Einfluss in der frühen gerontopsychologischen Forschung kommt den Begriffen<br />

"Entwicklungsthema" und "Entwicklungstechnik" bzw. "Daseinstechnik" zu. Auf der<br />

Grundlage einer biographisch verankerten Lebensaufforschung konzipierte Thomae ein<br />

differenziertes Kategoriensystem, zur Beschreibung individuell unterschiedlicher Formen der<br />

Auseinandersetzung mit dem eigenen Alter. Sozialer Status, Gesundheitszustand, aber auch<br />

epochale Einflüsse erweisen sich in diesem Ansatz bedeutsamer zur Beschreibung von<br />

Altersveränderungen als das chronologische Alter selbst.<br />

Entwicklung ist damit nicht als universale Abfolge gewisser Phasen oder Stufen gefasst,<br />

sondern als hoch-individuelles, inhaltlich-thematisch zu charakterisierendes<br />

Veränderungsgeschehen konzeptualisiert. In neueren Arbeiten Thomaes kennzeichnen die<br />

Begriffe "Reaktionsformen" bzw. "Reaktionshierarchien" diese Auffassung; Entwicklung im<br />

Alter wird als Resultat einer komplexen Transaktion zwischen Reaktionsformen und dem<br />

subjektiven Lebensraum gefasst.<br />

Ein theoretisch wie empirisch nur lose verankertes Konzept der Gerontopsychologie ist jenes<br />

der "Entwicklungskrise" nach Erikson. Er geht davon aus, dass erst die Bewältigung von<br />

Krisen im Lebenslauf Weiterentwicklung im Sinne einer Bewahrung und Entwicklung von<br />

Identität gestatte. Während im mittleren Lebensalter die ausschließliche Befassung mit der<br />

eigenen Person, Entwicklungsverlangsamung und Stagnation als lebensphasenspezifische<br />

Krise zu sehen ist, beinhaltet die Krise des hohen Alters das Akzeptieren können des bislang<br />

gelebten Lebens einschließlich allem Unerreichten und Unerfüllten.


Eriksons Ansatz kann als Grundlage des von Havighurst (1963) vorgestellten Konzeptes der<br />

Entwicklungsaufgabe , gesehen werden. Havighurst legt mit dem Begriff der<br />

"Entwicklungsaufgabe" dar, dass das höhere Lebensalter mit konkreten psychosozialen<br />

Anforderungen einhergehe (z.B. Anpassung an den Ruhestand, Akzeptieren nachlassender<br />

körperlicher Kräfte, Tod des Ehepartners). Die individuelle Auseinandersetzung und<br />

Bearbeitung von Entwicklungsaufgaben sieht Havighurst dabei als Voraussetzung einer<br />

aktiven und positiven Entwicklung bis ins hohe Alter. Wenngleich der Ansatz von Havighurst<br />

häufig als vordergründig, theoriefremd und normativ kritisiert wurde, bildete er doch die<br />

Grundlage eines umfänglichen gerontopsychologischen Forschungsfeldes, in dem<br />

Entwicklung bis ins hohe Alter als ein aktiver, vom Individuum gestaltbarer Prozess<br />

herausgearbeitet wurde.<br />

Entwicklung im Alter wird vor diesem Hintergrund als in bestimmten Grenzen<br />

beeinflussbares Geschehen verstanden. So haben Studien in den Bereichen Intelligenz oder<br />

Gedächtnis belegen können, dass geeignete Förderansätze wesentlich zu einer Verbesserung<br />

oder Stabilisierung grundlegender kognitiver Fähigkeiten im Alter beitragen und damit die<br />

Alltagskompetenzen und Selbständigkeit erhalten helfen können. Psychotherapeutische<br />

Ansätze unterschiedlicher Provenienz erbrachten Belege dafür, dass bis ins hohe Alter<br />

Verhaltensänderungen, eine Reduktion von Symptomen und selbst Veränderungen in der<br />

Persönlichkeitsstruktur möglich sind. Grenzen der Plastizität zeigen sich v.a. im<br />

Zusammenhang mit dementiellen Entwicklungen im Alter. Unter Einbeziehung hochindividueller<br />

Förderansätze sind jedoch auch bei eingeschränkten kognitiven Leistungen<br />

ungenutzte Reserven zu aktivieren.

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