02.11.2012 Aufrufe

das magazin 2010 - Frankfurter Presse Club

das magazin 2010 - Frankfurter Presse Club

das magazin 2010 - Frankfurter Presse Club

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

30 Jahre <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong><br />

FPC<br />

<strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

30 Jahre<br />

<strong>Frankfurter</strong><br />

<strong>Presse</strong>-<br />

<strong>Club</strong>: Was<br />

war, was<br />

wird<br />

Seite 4<br />

Im Fokus:<br />

Auslandskorrespondenten<br />

und ihre<br />

Arbeit<br />

Seite 20<br />

<strong>Club</strong>reise<br />

nach Südafrika:<br />

Eindrücke<br />

aus einem<br />

Land im<br />

Aufbruch<br />

Seite 38<br />

<strong>2010</strong><br />

6 aus 120:<br />

Korporative<br />

FPC-<br />

Mitglieder<br />

im Porträt<br />

Seite 72<br />

Starke<br />

Netzwerke:<br />

Forum<br />

Deutscher<br />

<strong>Presse</strong>clubs<br />

und<br />

Föderation<br />

Europäischer<strong>Presse</strong>clubs<br />

Seite 76


Regional verankert. International agierend.<br />

Der Helaba-Konzern.<br />

Als europäische Regionalbank setzt sich der Helaba-Konzern<br />

nach haltig für die Entwicklung des Finanzplatzes Frankfurt<br />

und der Region ein. Dazu gehört auch die gezielte Förderung<br />

von Wirtschaft, Sport, Kultur, Bildung und Sozial wesen.<br />

Ein Engagement, <strong>das</strong> uns zu einem starken Partner macht.<br />

www.helaba.de<br />

1 Editorial<br />

Die Welt betrachten<br />

„Ohne Standardisierungen,<br />

ohne Stereotypen,<br />

ohne Routine -<br />

urteile, ohne eine<br />

ziemlich rück sichtsloseVernachlässigung<br />

der Feinheiten<br />

stürbe der Redakteur<br />

bald an Aufregung.“<br />

Walter Lippmann,<br />

Soziologe<br />

Werner D’Inka, Präsident des <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong>s und Mitherausgeber der „F.A.Z.“<br />

Wenn tief im Regenwald am Amazonas ein Baum umfällt,<br />

und niemand sieht zu – ist dieser Baum dann überhaupt umgefallen?<br />

Die moderne Technik erlaubt es, in Sekundenschnelle<br />

jede Information in Wort und Bild von jedem Ort der Erde<br />

an jeden beliebigen anderen Ort zu übermitteln. Und dennoch:<br />

Von mehr als 99 Prozent der Ereignisse, die Tag für Tag<br />

auf der Erde geschehen, erfahren wir nichts. Warum nicht?<br />

Weil nichts darüber in der Zeitung steht, weil Fernsehen und<br />

Radio nicht darüber berichten – ja nicht einmal <strong>das</strong> Internet,<br />

diese Riesenfundgrube, kann auch nur annähernd ein Abbild<br />

aller Ereignisse vermitteln.<br />

„Macht nichts“, mag man einwenden. Das meiste von dem,<br />

was Tag für Tag auf der Welt geschieht, ist ohnehin uninteressant,<br />

es betrifft uns nicht, es ist zu weit entfernt von unserem<br />

Alltag. Journalisten machen daraus gelegentlich eine Art<br />

Mythos. Danach gefragt, warum sie über ein bestimmtes<br />

Thema berichten und über ein anderes nicht, sagen sie gerne,<br />

<strong>das</strong> könne man weder erklären noch lernen, <strong>das</strong> sei eine<br />

„Kunst“ oder eine spezifische „Begabung“, die man besitze<br />

oder eben nicht. Solche Metaphern erklären freilich alles und<br />

nichts. Sie machen journalistische Entscheidungen immun<br />

gegen die notwendige Diskussion darüber, nach welchen<br />

Kriterien über manche Themen groß berichtet wird und<br />

andere im Redaktionspapierkorb landen. Journalisten sollten<br />

sich freilich mit Mythen und Metaphern nicht begnügen,<br />

auch nicht in eigener Sache.<br />

Vor allem in der Auslandsberichterstattung werden – zu<br />

Recht – immer wieder bestimmte Stereotypen konstatiert,<br />

bis in die Bildsprache: Geht es um Russland, zeigen wir gern<br />

goldene Kirchenkuppeln, und Afrika ohne Armut scheint<br />

undenkbar. Andererseits dienen Klischees der raschen Orientierung.<br />

„Ohne Standardisierungen, ohne Stereotypen, ohne<br />

Routineurteile, ohne eine ziemlich rücksichtslose Vernach -<br />

lässigung der Feinheiten stürbe der Redakteur bald an Auf -<br />

regung“, stellte der Soziologe Walter Lippmann fest. Aber gilt<br />

<strong>das</strong> auch für <strong>das</strong> Publikum? Wie viel Differenzierung, wie<br />

viele „Feinheiten“ dürfen die Leser, Zuschauer, Zuhörer erwarten?<br />

Fragen, denen die Autoren dieser Ausgabe des Magazins<br />

nachgehen.<br />

Alle zwei Jahre macht sich der FPC auf die Suche nach<br />

dem Fremden, nach jenen Eindrücken und Feinheiten, die der<br />

Routine mitunter geopfert werden. Im Herbst 2009, wenige<br />

Monate vor der Fußballweltmeisterschaft, sind 32 Kolleginnen<br />

und Kollegen in Südafrika fündig geworden. Sie haben eindrucksvolle<br />

Beispiele von Engagement, Hilfe, Lebensmut und<br />

Lebensfreude erlebt. Seit 30 Jahren bietet der FPC auf diese<br />

und andere Weise seinen Mitgliedern die Möglichkeit, über<br />

ihre Redaktionstische hinaus die Welt zu betrachten. Ausstellungen,<br />

Podiumsdebatten, Veranstaltungsreihen, Feste und<br />

Reisen wie die im Heft beschriebene sind seit drei Jahrzehnten<br />

ein fester Bestandteil des <strong>Club</strong>programms. So soll es bleiben.


2<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Inhalt<br />

30 Jah re<br />

Frank -<br />

furter<br />

<strong>Presse</strong>-<br />

<strong>Club</strong>:<br />

Was war,<br />

was wird<br />

Seite 4<br />

1 Die Welt<br />

betrachten<br />

Editorial<br />

4 Bis hierher und<br />

weiter<br />

30 Jahre <strong>Frankfurter</strong><br />

<strong>Presse</strong><strong>Club</strong>; Internationaler<br />

Medienpreis<br />

Frankfurt<br />

20 Mittendrin statt<br />

von fern dabei<br />

„Man muss wissen, <strong>das</strong>s<br />

<strong>das</strong> Sterben dazugehört“;<br />

Sprachkenntnisse und<br />

Titelbild<br />

Der frühere südafrikanische Staatspräsident Nelson Mandela<br />

bejubelt am 15. Mai 2004 an der Seite von Erzbischof<br />

Desmond Tutu die Entscheidung des Welt ver bandes FIFA:<br />

Südafrika wird Austragungsort der Fußball-WM <strong>2010</strong>.<br />

Foto: dpa Picture-Alliance, Steffen Schmidt<br />

Im Fokus:<br />

Auslandskorrespondenten<br />

und<br />

ihre Arbeit<br />

Seite 20<br />

Auslandserfahrung<br />

alleine reichen nicht;<br />

Die Welt im Radio;<br />

Krise als Medienereignis<br />

38 Südafrika –<br />

Cup der Guten<br />

Hoffnung<br />

Land im Aufbruch;<br />

„Nur ein Event“;<br />

Mission <strong>2010</strong>; Hoffnung<br />

Fußball; Grü ner<br />

Daumen, großes Herz;<br />

Überleben in Beverly<br />

Hills; Ein starkes Duo;<br />

Zwischen Himmel und<br />

<strong>Club</strong>reise<br />

nach Südafrika:<br />

Eindrücke<br />

aus einem<br />

Land im<br />

Aufbruch<br />

Seite 38<br />

Erde; Sauvignon Blanc<br />

hilft; Der VIP-Service<br />

der Fraport; Die Illu für<br />

den Kap-Lifestyle; Die<br />

Strauße sind los; Fairer<br />

reisen; Ökotourismus<br />

als Job<br />

72 6 aus 120 –<br />

Korporative Mitglieder<br />

des <strong>Frankfurter</strong><br />

<strong>Presse</strong><strong>Club</strong>s<br />

im Porträt:<br />

Tetra Pak Deutschland;<br />

VKE-Kosmetikverband;<br />

<strong>Frankfurter</strong> Sparkasse<br />

6 aus 120:<br />

Korpora -<br />

tive FPC-<br />

Mitglieder<br />

im Porträt<br />

Seite 72<br />

76 Starke Netz -<br />

werke: Forum<br />

Deutscher <strong>Presse</strong>clubs<br />

und Föderation<br />

Europäischer<br />

<strong>Presse</strong>clubs<br />

Brückenbauer statt Einzelgänger;<br />

Der älteste<br />

<strong>Presse</strong>club der Welt;<br />

Eine so internationale<br />

Stadt braucht europäische<br />

Medienkontakte<br />

80 FPC-Vorstand<br />

und -Team,<br />

Impressum<br />

WIR HALTEN DINGE IN BEWEGUNG<br />

UND ACHTEN DABEI AUF DIE UMWELT:<br />

DAS VERSTEHEN WIR UNTER GOGREEN.<br />

Logistik ist lebenswichtig für die Infrastruktur unserer<br />

globali sier ten Wirtschaft, schließlich wird fast ein Drittel aller<br />

weltweit hergestellten Waren exportiert. So viel Mobilität hat<br />

Auswirkungen auf die Umwelt. Im Jahr 2000 erzeugte der<br />

Transportsektor (einschließlich privaten Transports, Autoverkehr,<br />

Fluglinien etc.) 14 Prozent aller weltweiten Treibhausgase,<br />

der Hauptursache des Klimawandels. Damit trägt die moderne<br />

Logistik nicht nur Verantwortung für Kunden und Mitarbeiter,<br />

sondern auch für die Umwelt.<br />

Als größter Logistiker und Marktführer in vielen Segmenten<br />

sind wir mit rund einer halben Million Beschäftigten in über<br />

220 Ländern aktiv. Mit unseren Fahr- und Flugzeugen<br />

tragen wir – wie andere Logistiker und Millionen Privatautos<br />

auch – zum Treibhauseffekt und zur Erderwärmung bei. Doch<br />

dank unserer Größe können wir etwas bewirken. Und <strong>das</strong><br />

wollen wir auch: Nämlich die Nr. 1 auch beim Thema Nachhaltigkeit<br />

sein. Deshalb wollen wir den CO 2-Ausstoß für jeden<br />

zugestellten Brief, jedes versendete Päckchen, jeden verschifften<br />

Container und jeden Quadratmeter Betriebsgebäude bis<br />

2020 um 30 Prozent senken.<br />

Unser wachsendes Angebot an umweltfreund lichen Dienstleistungen<br />

unterstreicht unser Bemühen um klimafreundliches<br />

Wachstum. Mit Hilfe modernster Technologien entwickeln wir<br />

kreative Lösungen, die Transporte energieeffizienter und unser<br />

gesamtes Geschäft umwelt freundlicher machen.<br />

Ein gutes Beispiel ist unser neues europäisches Luftfahrtdrehkreuz<br />

in Leipzig. Dort statten wir ca. 1.000 m 2 Dachfläche mit<br />

Solarzellen zur Stromerzeugung aus. Hocheffiziente Kraft-<br />

Wärme-Kopplung deckt unseren gesamten Bedarf an Strom,<br />

Heizung und Kühlung. Damit senken wir den CO 2-Ausstoß<br />

um mehr als 3.000 Tonnen im Vergleich zu konventionellen<br />

Technologien. Außerdem sammeln wir Regenwasser für die<br />

Reinigung unserer Flugzeuge, wozu sonst 3.000 m 3 Trink wasser<br />

nötig wären.<br />

Ausgewogenheit und Augenmaß – <strong>das</strong> muss moderne<br />

Logistik auszeichnen, will sie ihrer Verantwortung für<br />

Kunden, Mitarbeiter und Umwelt gerecht werden. Wir<br />

schonen Ressourcen und bekennen uns zum Klimaschutz.<br />

Mehr Informationen finden Sie unter www.gogreen.de.


4<br />

Bis hierher<br />

und weiter<br />

Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> wird 30 Die Gründungsgeschichte wurde schon<br />

oft erzählt, aber man liest sie immer wieder gerne: Siebzehn ehrenwerte Herrn<br />

aus der <strong>Frankfurter</strong> Medienlandschaft beschließen, <strong>das</strong>s die Stadt, die die<br />

Börse und die Banken, den Dom und den Römer, den Main und den Henningerturm<br />

hat und auch ein Bahnhofsviertel, <strong>das</strong>s diese Stadt auch einen<br />

<strong>Presse</strong>club haben sollte. Sie kamen also am 29. Mai 1980 zusammen, und<br />

sieben von ihnen unterschrieben ein Gründungsprotokoll, wählten einen Vorstand<br />

und trafen sich fortan regelmäßig in diversen Gaststätten zum Fach simpeln.<br />

Doch der ständige Ortswechsel störte die Kontinuität und erst recht <strong>das</strong><br />

Wachstum des <strong>Presse</strong>clubs, und deshalb waren die Herren sich einig: Ein<br />

<strong>Club</strong> braucht einen festen Platz, eine Art Vereinshaus. Beim damaligen Leiter<br />

des <strong>Presse</strong>- und Informationsamtes der Stadt, Joachim Peter, und auch beim<br />

damaligen Oberbürgermeister Walter Wallmann stießen die Herren auf offene<br />

Ohren, und es traf sich gut, <strong>das</strong>s die <strong>Frankfurter</strong> Stadtverordneten in den 80er<br />

Jahren beschlossen, auf dem im Krieg leergebombten Römerberg die alten<br />

Fachwerkhäuser wiederauferstehen zu lassen. Also baute man die historische<br />

Zeile mit dem großen und dem kleinen Engel und dem Restaurant „Schwarzer<br />

Stern“ auf. Und hinter dem „Schwarzen Stern“, vor dem Historischen Mu se -<br />

um, da war dann auch Platz für den <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> e.V. 1984, vier<br />

Jahre nach seiner Gründung, hatten die <strong>Club</strong>mitglieder dann ihr eigenes<br />

Dach über dem Kopf, die <strong>Presse</strong> hatte ein Haus und die Stadt den <strong>Frankfurter</strong><br />

<strong>Presse</strong><strong>Club</strong>, und zwar an der richtigen Stelle, gegenüber vom Rathaus. Zur<br />

Eröffnungsfeier kamen OB Wallmann und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts,<br />

Ernst Benda, dazu weitere 100 Gäste aus Politik, Wirtschaft,<br />

Sport, Religion und Kultur. Dazu gesellten sich die Herren und Damen, die<br />

in der Stadt etwas zu sagen haben, und natürlich auch die Medienvertreter.<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

5<br />

Rüffer<br />

Ehrengast beim FPC-<br />

Neujahrs empfang <strong>2010</strong><br />

war der Diplomatische<br />

Rainer<br />

Korrespondent des „Spiegel“,<br />

Dr. Erich Follath Fotos:


6 Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> wird 30<br />

Bei der Gründung des <strong>Club</strong>s passten die<br />

Mitglieder noch an einen großen Tisch,<br />

doch mit dem Einzug in <strong>das</strong> neue Domizil<br />

wurde die Zahl größer, und wenn heute<br />

alle Mitglieder gleichzeitig in ihren <strong>Club</strong><br />

wollten, dann wäre kein Raum mehr in den<br />

zwei Stockwerken.<br />

Rund 900 Mitglieder prägen inzwischen<br />

auf die eine oder andere Weise <strong>das</strong> <strong>Club</strong> -<br />

leben. 420 Einzelmitglieder – Medienschaffende<br />

aus allen Branchen – und 450 Mit -<br />

arbeiter der korporativen FPC-Mitglieder –<br />

Unternehmen, Verbände, Vereine und<br />

Institutionen der Region – nehmen an den<br />

Podiumsdebatten und Vernissagen teil, sie<br />

informieren sich in Veranstaltungsreihen<br />

wie „Durchstarten“ über <strong>das</strong> journalistische<br />

Handwerk, lernen bei <strong>Presse</strong>-und Informationsreisen<br />

im In- und Ausland recherchieren<br />

und knüpfen Kontakte. Außerdem treffen<br />

sie im FPC Kolleginnen und Kollegen,<br />

Politiker, Sportler, Wirtschaftsexperten,<br />

Kulturschaffende und auch Vertreter von<br />

Religion und Kirche. Sie feiern mit den<br />

Kollegen den Sommer und <strong>das</strong> Weihnachtsfest,<br />

und zum Neujahrsempfang kommen<br />

sie in ihren <strong>Club</strong>, um den Ehrengast zu<br />

erleben. <strong>2010</strong> war dies Erich Follath, Diplomatischer<br />

Korrespondent des „Spiegel“,<br />

in den Jahren davor waren es Autor Jürgen<br />

Todenhöfer, Verleger Michael Ringier,<br />

Kirchenpräsident Peter Steinacker, EU-<br />

Kommissar Günter Verheugen, Chefredakteur<br />

Nikolaus Brender, Behördenleiterin<br />

Marianne Birthler, Intendant Markus<br />

Schächter, Ministerpräsident Roland Koch<br />

oder Bundesfinanzminister Hans Eichel.<br />

Fördern und netzwerken<br />

Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> hat ein e.V.<br />

hinter seinem Namen, und <strong>das</strong> lässt er sich<br />

einiges kosten: in Form von Reisestipendien<br />

für junge Kolleginnen und Kollegen,<br />

der Vergabe eines Internationalen Medienpreises<br />

Frankfurt und der Unterstützung<br />

von Organisationen wie Reporter ohne<br />

Grenzen und Netzwerk Recherche. Auch<br />

<strong>das</strong> Radioprojekt des Medienhauses oder<br />

die Journalistentage des FAZ-Institutes<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Viel los auf allen Etagen: Die Neujahrsgäste unterhielten sich prächtig<br />

Dr. Erich<br />

Follath,<br />

Marianne<br />

Follath, Werner<br />

D’Inka,<br />

Monica<br />

Weber-Nau<br />

Aufmerk -<br />

sames<br />

Publikum im<br />

vollbesetzten<br />

Konferenzraum<br />

des FPC


8 Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> wird 30<br />

Hans-Dietrich Genscher, Ex-Außenminister, zu Besuch im FPC<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

1980-1988<br />

1980 Auf Initiative des Chefs des Informations- und<br />

<strong>Presse</strong>amts der Stadt Frankfurt, kamen am 29.5.1980<br />

<strong>Frankfurter</strong> Journa listen zusammen, um den <strong>Frankfurter</strong><br />

<strong>Presse</strong><strong>Club</strong> zu gründen. Das Protokoll unterschrieben<br />

sieben der Anwesenden (Bosse, Briechle,<br />

Grünefeld, Holzer, Nimtz, Peter und Raue) und wähl -<br />

ten als ers ten Präsidenten FR-Chefre dakteur Werner<br />

Holzer. Erster Geschäftsführer wurde Dr. Max Ehr hardt,<br />

<strong>Presse</strong>sprecher der Esso AG.<br />

1984 Einweihung, Opening, Premiere: Nach der<br />

fertigstellung und Einrichtung des „Schwarzen Stern“<br />

feiern am 2.2.1984 rund 100 Gäste die neuen Räume<br />

des <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong>s. Auf dem fast schon<br />

„legendären“ <strong>Club</strong>foto (v.l.): Frankfurts Ober bürgermeister<br />

Dr. Walter Wallmann, Festredner Professor<br />

Dr. Ernst Benda, langjähriger Präsident des Bundes verfassungsgerichts,<br />

und FPC-Präsident Werner Holzer.<br />

1985 „<strong>Club</strong>abend mit Gerhard Schröder, Spitzen<br />

kandidat der SPD in Hannover“, so lautet die<br />

Pro grammankündigung für den 9.7.1985. Wer hätte<br />

gedacht, <strong>das</strong>s an diesem Abend der zukünftige Bun deskanzler<br />

im <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> vorbeischaut?<br />

1988 Am 28.3.1988 vergibt der FPC erstmals<br />

den Frankfurt-Preis: Matthias Horx (r.) gewinnt<br />

den 1. Preis für eine TEMPO-Story über Frankfurt.<br />

Den 2. Preis holen Edith Lange und Harald Lüders<br />

(HR), der Förderpreis geht an Annette Ramelsberger<br />

(l.) von AP.


10 Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> wird 30<br />

60 Jahre BRD – 20 Jahre Mauerfall, Ex-Außenminister Hans Dietrich Genscher hatte viel zu erzählen<br />

Der Fotograf Stephan Morgenstern und Gäste bei der Eröffnung seiner Ausstellung „Mauerfälle“<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

1992-2000<br />

1992 In Barcelona gründen zwölf <strong>Presse</strong>-<strong>Club</strong>s aus<br />

neun Ländern die Föderation Europäischer <strong>Presse</strong>-<br />

<strong>Club</strong>s. Von Anfang an aktiv dabei: der FPC. Die Föderation<br />

will den europäischen Gedanken pflegen und<br />

insbesondere an der Entwicklung der freien <strong>Presse</strong> mitwirken.<br />

Schöner Neben effekt: FPC-Mitglieder können<br />

nun auch die Angebote aller Partnerclubs nutzen.<br />

1993 Auf dem Neujahrsem pfang 1993 sagt Werner<br />

Holzer Le bewohl. Er hat eine neue jounalistische Aufgabe<br />

in den USA übernommen, bleibt dem <strong>Club</strong> aber<br />

als Ehrenprä sident erhalten. Zum neuen FPC-Präsidenten<br />

wird Gernot Raue (HR) gewählt.<br />

1999 Das Geleitwort zur zehnten Ausgabe des <strong>Club</strong>-<br />

Magazins schreibt Hans-Helmut Kohl, stellvertretender<br />

Chefre dakteur der <strong>Frankfurter</strong> Rundschau und<br />

neuer Präsident des <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong> <strong>Club</strong>s. Er löst<br />

Gernot Raue ab, der von 1993-99 Präsident war.<br />

2000 Im Juni 2000 bekommt der FPC eine neue<br />

Geschäftsführung. Monica Weber-Nau ist die erste<br />

Frau und die erste Journalistin in diesem Amt,<br />

<strong>das</strong> zuvor vier Mal nacheinander von <strong>Presse</strong>sprechern<br />

bekannter <strong>Frankfurter</strong> Institutionen bekleidet wurde.


12 Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> wird 30<br />

Sebastian Weigle, musikalischer Leiter der Oper Frankfurt. Moderator war FPC-Vorstandsmitglied Nikolaus Münster<br />

Dr. Wilm Herlyn wurde von FPC-Vorstandsmitglied Katja Marx zu seiner Zeit als Chefredakteur der dpa befragt<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

2001-2000<br />

2001 Großes Interesse weckt die Reihe „Kultur und<br />

Medien – eine spannungsreiche Beziehung“. Zum Start<br />

erklärt Prof. Jean-Christophe Ammann, „Wer bestimmt,<br />

was Kunst ist“, danach gastieren Ossi Urchs,<br />

Prof. Peter Weibel, Max Hollein u. a.<br />

2002 Ab 2002 erscheint <strong>das</strong> FPC-<strong>Club</strong>-Magazin in<br />

neuer Gestalt und Konzeption: als großformatige und<br />

zeitgemäß layoutete Kombination aus <strong>Club</strong>zeitschrift<br />

und medienreflektierendem Branchenblatt. Motto der<br />

Oktober-Ausgabe 02: „Medien Macher Netzwerke“.<br />

2003 Beim ersten Treffen deutscher <strong>Presse</strong>clubs<br />

kommen auf FPC-Initiative neun Vertreter aus sechs<br />

<strong>Club</strong>s zum Erfahrungsaustausch in Frankfurt zusammen.<br />

2004 folgt ein zweites Treffen, <strong>das</strong> zur Gründung<br />

des Forums Deutscher <strong>Presse</strong>clubs führt.


14 Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> wird 30<br />

Wolfgang Tiefensee (SPD), noch im Amt als Bundesverkehrsminister, diskutierte nach der Podiumsdebatte<br />

über die Entwicklung der Städte und des Verkehrs mit den FPC-Mitgliedern munter weiter<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

US-Generalkonsul<br />

Edward M. Alford<br />

Dr. Wolfgang Donsbach,<br />

Professor für Kommunikationswissenshaften<br />

an der Uni<br />

Dres den, lauscht den Ausführungen<br />

der FPC-Geschäfts -<br />

führerin Monica Weber-Nau<br />

Der neue Fraportchef<br />

Dr. Stefan Schulte im Gespräch<br />

im Oliver Günther („hr-info“)<br />

15<br />

Gerhart Baum<br />

(Ex-Bundesinnenminster) und<br />

Prof. Dr. Winfried Hassemer<br />

(Expräsident des Bundesverfassungsgerichts),<br />

interviewt<br />

von FPC-Ehrenpräsident<br />

Werner Holzer<br />

Jörg-Uwe Hahn,<br />

stellv. Ministerpräsident und<br />

Justizminister Hessen<br />

2004-2008<br />

2004 Zu den umstrittensten und gefragtesten<br />

Bundes politikern gehört Finanzminister Hans Eichel.<br />

Mehr als 250 Gäste lauschen beim Neujahrsempfang<br />

seinen Erklärungen. Mit süffisanten Worten, etwa zur<br />

Gebur tenrate der Franzosen, beweist er auch Humor.<br />

2005 Wechsel an der FPC-Spitze: Um sich ganz<br />

den Heraus for de run gen seiner neuen Position als Fernsehdi<br />

rek tor des Hessischen Rundfunks widmen zu<br />

können, gibt Manfred Krupp <strong>das</strong> Präsidentenamt auf.<br />

Zu seinem Nachfolger wird FAZ-Mitherausgeber<br />

Werner D’Inka gewählt.<br />

2008 Mit der im Februar 2008 gestarteten Veranstaltungsreihe<br />

„Durchstarten“ richtet sich der FPC gezielt<br />

an junge Journalisten. Das Konzept: Hochkaräter<br />

wie Autor Jan Weiler und Moderator Steffen Seibert<br />

geben Tipps zum Berufseinstieg, beleuchten aktuelle<br />

Medientrends und erzählen von ihren Erfahrungen.<br />

Die von FPC-Vorstandsmitglied Michaela Schmehl<br />

und Nils Bremer („Journal Frankfurt“) moderierte<br />

Reihe entwickelt sich zum Dauerbrenner.


16 Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> wird 30<br />

fallen unter die geförderten Projekte des<br />

<strong>Club</strong>s. Von den Anfängen am <strong>Frankfurter</strong><br />

Stammtisch bis zum bundes- und europaweit<br />

vernetzten <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> war der Weg<br />

mitunter mühsam, aber erfolgreich. Seit<br />

1990 existiert die vom FPC mitbegründete<br />

Föderation europäischer <strong>Presse</strong>clubs und<br />

seit 2002 <strong>das</strong> Forum deutscher <strong>Presse</strong>clubs.<br />

Auch in diesem Falle war der <strong>Frankfurter</strong><br />

<strong>Presse</strong><strong>Club</strong> Initiator und Wegbereiter des<br />

Netzwerks. 23 <strong>Club</strong>s gehören dem deutschen<br />

Netzwerk an, und zwischen ihnen besteht<br />

längst eine intensive Zusammenarbeit.<br />

Ort der unmittelbaren Kommunikation<br />

In Zeiten des Abbaus von Arbeitsplätzen –<br />

auch oder gerade in den Medien –, in denen<br />

jungen Journalistinnen und Journalisten<br />

der Einstieg schwer gemacht wird, die<br />

Arbeitsbedingungen sich verschärfen, in<br />

solchen Zeiten können <strong>Presse</strong>clubs für viele<br />

neue Bedeutung erhalten. Längst sind sie<br />

nicht mehr Orte, wo alte Herren mit Beziehungen<br />

<strong>das</strong> Netzwerk darstellen, sondern<br />

lebendige Treffpunkte, an denen Alt und<br />

Jung zum Gedankenaustausch zusammenkommen,<br />

wo der Kommunikationsexperte<br />

auf den Rechercheur, der Zeitungsmacher<br />

auf die Onlineszene stößt, wo der <strong>Presse</strong> -<br />

sprecher zwanglos mit dem Chefredakteur<br />

plaudern kann. In Zeiten, in denen sich<br />

die Kommunikation rasant geändert hat<br />

und täglich ändert, wo Blogs und Twitter,<br />

Facebook, Xing und andere Plattformen<br />

<strong>das</strong> persönliche Gespräch häufig ersetzen,<br />

hat ein <strong>Presse</strong>club die Aufgabe, ein Ort<br />

der unmittelbaren Kommunikation zu sein.<br />

Monica<br />

Weber-<br />

Nau<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Geschäftsführerin<br />

FPC<br />

info@frankfurterpresseclub.de<br />

Buchautorin Ingrid Schick und Fotografin Angelika Zinzow<br />

(„<strong>Frankfurter</strong> Hotelgeplauder“)<br />

Dr. Christoph Bieber, Medienwissenschaftler der Uni Gießen, erörterte <strong>das</strong> Twitter-Phänomen<br />

V.l.n.r.: Frank-Holger Appel, „F.A.Z.“, Matthias W. Send, FPC-Vorstandsmitglied und Klaus Franz,<br />

Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates Opel, diskutierten über die Krise des Autobauers<br />

17<br />

V.l.n.r.: Michael Konken, Vorsitzender DJV, Joachim Blum, Journalistikprofessor, mit Moderator Nils Bremer<br />

nach einem <strong>Club</strong>abend der Reihe „Durchstarten“<br />

UNSER PROGRAMM FÜR DIE ZUKUNFT:<br />

Individuelle Vorhaben fördern, die der Gesellschaft<br />

und Wirtschaft nachhaltig nutzen.<br />

Die KfW Bankengruppe gibt Impulse für Wirtschaft, Gesellschaft und Ökologie. Wir fördern<br />

zukunftsfähige Projekte und bekennen uns zu unserer gesellschaftlichen Verantwortung – in<br />

Deutschland, Europa und der Welt. Mehr Informationen über die KfW Bankengruppe erhalten<br />

Sie unter www.kfw.de<br />

Die Zukunftsförderer<br />

2009-<strong>2010</strong><br />

2009 Nach langer Zeit gibt es auch im FPC-Vorstand<br />

einen Wechsel. Für neuen Schwung sorgen ZDF-<br />

Redakteurin Michaela Schmehl, „FR“-Chefredakteur<br />

Rouven Schellenberger und HR-Hörfunk-Chefredakteurin<br />

Katja Marx.


18 Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> wird 30<br />

Internationaler<br />

Medienpreis<br />

Frankfurt<br />

Der Internationale Medienpreis Frankfurt ist<br />

der bedeutendste Medienpreis in der<br />

Region Rhein-Main und wird vom <strong>Frankfurter</strong><br />

<strong>Presse</strong><strong>Club</strong> e.V. verliehen.<br />

Ob eine spannende Reportage, ein kritischer<br />

Bericht, eine emotionale Geschichte<br />

oder ein innovatives Format – ausgezeichnet<br />

werden herausragende Beiträge,<br />

die sich mit Frankfurt und/oder der<br />

Rhein-Main-Region beschäftigen. Die<br />

Themen sind frei wählbar und können<br />

von Politik über Wirtschaft und Kultur<br />

bis hin zu Sport und Gesellschaft reichen.<br />

Neben dem Inhalt zählen auch<br />

Sprache, Stil und Verständlichkeit.<br />

Das Wichtigste im Überblick:<br />

Die Preisträger werden von einer<br />

hochkarätigen Jury aus Chefredakteuren<br />

und Ressortleitern zahlreicher in Frankfurt<br />

ansässiger Medien und Agenturen<br />

ermittelt.<br />

Teilnehmen können alle internationalen wie nationalen Journalisten mit<br />

Beiträgen aus Printmedien, TV, Radio, Onlinejournalismus und <strong>Presse</strong>foto -<br />

grafie (Veröffentlichungszeitraum: 16. Juni 2008 bis 15. Juni <strong>2010</strong>). Darüber<br />

hinaus wird ein Nachwuchspreis für Journalisten, die nicht älter als 28 Jahre<br />

sind, ausgelobt.<br />

Der Internationale Medienpreis Frankfurt ist mit Preisgeldern von insgesamt<br />

10.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung findet im Oktober <strong>2010</strong><br />

im Rahmen eines Festakts statt.<br />

Monica<br />

Weber-<br />

Nau<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Geschäftsführerin<br />

FPC<br />

info@frankfurterpresseclub.de<br />

Rückblick<br />

Die Preisträger 2008<br />

1. Preis: Ulrich Mattner und Stephan Morgenstern:<br />

„Blendende Aussichten bei guten Geschäften“ – Fotostrecke<br />

über Frankfurts Geschäftswelt, veröffentlicht im „Stern“<br />

2. Preis: Tobias Rüther: „Raus aus der Berliner Luft!“ –<br />

Feuilleton-Beitrag, der einen besonderen Blick auf Frankfurt<br />

wirft, veröffentlicht in der „<strong>Frankfurter</strong> Allgemeinen Zeitung“<br />

3. Preis: Christoph Hickmann: „Unter den Wolken“ –<br />

Reportage über den <strong>Frankfurter</strong> Flughafen, veröffentlicht<br />

in der „Süddeutschen Zeitung“<br />

und<br />

Silke Kujas und Kamil Taylan: „Innenstadtrevier“ –<br />

TV-Reportage über den Alltag zweier Polizisten mit Migrationshintergrund,<br />

veröffentlicht im Hessischen Rundfunk<br />

Nachwuchspreis: Sebastian Gehrmann, „Der Waldmensch“<br />

– Reportage über einen Obdachlosen, der rund<br />

30 Jahre im Wald lebte, veröffentlicht in der „<strong>Frankfurter</strong><br />

Rundschau“<br />

Die Preisträger 2006<br />

1. Preis: Eckhard Mieder mit Joachim Wölcken:<br />

„Der Bauch von Frankfurt – die Geschichte der Großmarkthalle“,45-minütige<br />

TV-Dokumentation, veröffentlicht im<br />

Hessischen Rundfunk<br />

2. Preis: Bernhard Borgeest: „Die Würde des Menschen<br />

ist unantastbar“, Print-Reportage, veröffentlicht in „Focus“<br />

3. Preis: Corinna Tertel: „Ode an den Main – eine Liebes -<br />

erklärung in 10 Akten“, Hörfunk-Feature, veröffentlicht im<br />

Hessischen Rundfunk<br />

Nachwuchspreis: Michael Wittershagen: „So schlimm ist<br />

es hier schon lange nicht mehr – Reportage vom <strong>Frankfurter</strong><br />

Berg“, veröffentlicht in der „<strong>Frankfurter</strong> Allgemeinen Zeitung“<br />

Sonderpreis: Thomas Schernbeck mit Volker Denkel „Das<br />

Ende des Schweigens – Der <strong>Frankfurter</strong> Auschwitz-Prozess<br />

von 1963 – 1965“, Onlinebeitrag, veröffentlicht in „hr-online“


20<br />

Auslandsjournalismus<br />

„Man<br />

muss wissen,<br />

<strong>das</strong>s<br />

<strong>das</strong> Ster -<br />

ben dazugehört“<br />

Seite 22<br />

Sprach -<br />

kenntnisse<br />

und<br />

Auslands -<br />

erfahrung<br />

alleine reichen<br />

nicht<br />

Seite 28<br />

Die Welt<br />

im Radio<br />

Seite 30<br />

Krise als<br />

Medien -<br />

ereignis<br />

Seite 32<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Mittendrin statt von fern dabei<br />

Ob Papstwahl in Rom oder Präsidentschaftswahlen in<br />

den USA, ob Hurrikan „Mitch“ in Honduras (Foto) oder<br />

Krieg in Nahost – es gibt kaum ein Weltgeschehen, von<br />

dem deutsche Medien nicht vor Ort berichten lassen.<br />

Dass die Journalisten an der Auslandsfront über handwerkliches<br />

Können verfügen sollten, versteht sich von<br />

21<br />

selbst. Doch müssen sie auch ausgesprochen mutig und flexibel sein. In der<br />

Zeit der Weimarer Republik kämpften Auslandskorrespondenten noch mit der<br />

Aufnahme- und Übertragungstechnik, heute erreichen sie binnen Sekunden<br />

die ganze Welt. Culture Clash, Extremsituationen und die Herausforderung,<br />

auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten seriös zu berichten – Schlaglichter<br />

auf einen Beruf, in dem Faszination und Grauen nah beieinander liegen.<br />

Foto: dpa Picture-Alliance, Alberto Morales


22 Auslandsjournalismus<br />

„Man muss wissen,<br />

<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Sterben<br />

dazugehört“<br />

Sie treffen Menschen in unmöglichen Situationen, sind im Idealfall dabei,<br />

wenn irgendwo in der Welt Geschichte geschrieben wird, und werden nicht<br />

selten mit dem Tod konfrontiert. Auslandskorrespondenten haben einen<br />

nicht gerade alltäglichen Job. Welche Voraussetzungen braucht man dafür?<br />

Auf was muss man sich einstellen? Und wie geht man mit schockierenden<br />

Erlebnissen um? Drei Profis berichten von ihren Erfahrungen.<br />

Ralf Krüger, Korrespondent dpa<br />

Es war im Grenzgebiet von Ruanda zur Zeit der Massaker.<br />

Ralf Krüger und TV-Kollegen waren für einen Bericht in<br />

einer Kleinstadt, stoppten vor einem Hospital mit verletzten<br />

Hutu-Milizionären. Plötzlich wurde ihr Taxi von Bewaffneten<br />

eingekreist. Die hielten den Taxifahrer für einen Angehörigen des<br />

Tutsi-Stammes. Damit galten Krüger und <strong>das</strong> Team als „Tutsi-<br />

Freunde“, als Anhänger der Rebellen. Krüger sah schon sein Ende<br />

nahen, als ein Galgen aufgebaut wurde. Die Stimmung war aggressiv.<br />

Doch dann kam ein Polizist, schoss in die Luft, nahm die<br />

Journalisten kurzerhand fest und holte sie so aus dieser gefährlichen<br />

Situation heraus. „Ich habe mich wohl noch nie so wohl<br />

gefühlt wie in diesem Knast“, sagt Krüger und grinst. Neun Jahre<br />

ist er dpa-Korrespondent fürs südliche Afrika gewesen, bevor er<br />

zum Jahreswechsel in die Heimat zurückkehrte. In dieser Zeit hat<br />

er so einiges erlebt.<br />

Es sind Situationen wie diese, die <strong>das</strong> Leben eines Auslandskorrespondenten<br />

prägen, auch wenn ihr Alltag längst nicht immer so<br />

gefährlich ist. Sie berichten vom Erdbeben in Haiti, von Aidsprojekten<br />

in Südafrika, aber auch von der Rede des US- Präsidenten<br />

oder der Geburtstagsparade der Queen. Ihre Aufgaben sind vielfältig.<br />

Genaue Zahlen gibt es nicht, da viele Kollegen frei arbeiten.<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Foto: dpa Picture-Alliance, Jens Ressing<br />

Laut einer Umfrage des Hans-Bredow-Instituts (veröffentlicht in<br />

„Medien & Kommunikationswissenschaft“ 2006/3) sind etwa 500<br />

deutsche Auslandskorrespondenten in den verschiedensten Medien<br />

und Ländern tätig. Oft sind ihre Berichtsgebiete länderübergreifend,<br />

die meisten von ihnen arbeiten in Europa und sind laut Studie<br />

Männer. Die Zugangswege sind unterschiedlich, meist jedoch<br />

gehen ein Studium, ein Auslandsaufenthalt sowie ein Volontariat<br />

oder Mitarbeit in der Heimatredaktion voraus.<br />

Ralf Krüger arbeitete acht Jahre in der dpa-Zentrale in Hamburg,<br />

bevor er 1993 in <strong>das</strong> Pariser dpa-Büro kam. Dort blieb er<br />

als wirtschaftspolitischer Korrespondent bis Anfang 2001. Seine<br />

Schwerpunkte waren etwa die Einführung des Euro, die Arbeit der<br />

OECD, der Weltbank, Luft- und Raumfahrt oder Entwicklungs -<br />

politik. Aufgaben, die zwar spannend waren, ihn aber auch ernüchterten:<br />

„An Orten wie Paris muss man in der Regel auf Ereignisse<br />

reagieren, man geht auf <strong>Presse</strong>konferenzen und berichtet darüber.<br />

Es bleibt kaum Zeit, mal auf eine ausführliche Recherchereise zu<br />

gehen. Krüger wollte raus. Nicht an Plätze wie Washington, wo er<br />

ebenfalls kaum <strong>das</strong> Büro verlassen würde. „Ich wollte eine Region<br />

wirklich erfahren, auch mal die Menschen treffen, über die ich<br />

berichte.“ So kam er nach Südafrika.<br />

Während des Studiums und seiner Mitarbeit für Zeitungen wie<br />

die „Neue Rhein/Ruhr-Zeitung“ (NRZ) hatte er über Projekte<br />

schon Kontakte nach Afrika geknüpft. Bei dpa angekommen, wurde<br />

er mehrfach nach Afrika geschickt – vor allem ins französisch<br />

sprechende Westafrika. Dann kam die Frage, ob er nach Ruanda<br />

gehen wolle. Er ging. „Ich war zum Ende der Massaker dort“, berichtet<br />

Krüger. „Das war prägend!“ Um solche Gräueltaten mental<br />

zu verarbeiten, hat jeder eine andere Lösung, glaubt er. Als passionierter<br />

Pilot machte er einen Fliegerurlaub und verbrachte Zeit bei<br />

Freunden auf einem Weingut. „Es war für mich die richtige Strategie.<br />

Ich muss mich im Cockpit ja konzentrieren, kann also nicht<br />

allzu sehr an <strong>das</strong> Grauen denken; und andererseits musste ich<br />

23<br />

unbedingt darüber sprechen – aber mit Leuten, die gar nichts mit<br />

Journalismus zu tun haben und einen gesunden Menschenverstand<br />

besitzen.“<br />

Doch diese Grenzerfahrung hielt ihn nicht vor seinem Beruf ab.<br />

2002 begann er in Südafrika, ist zuständig für 12 Länder. „In den<br />

meisten haben wir freie Mitarbeiter, sogenannte Stringer.“ Etwa<br />

in Simbabwe, wo man nur unter größten Gefahren und Risiken<br />

arbeiten könne. Zum Berichtsgebiet gehören auch Mosambik oder<br />

Malawi. Aus diesem Land wird in Krügers Augen viel zu wenig<br />

berichtet – „höchstens wenn Madonna ein Kind adoptiert“. Sonst<br />

sei es leider oft schwierig, Themen zu transportieren. „Es ist bedauerlich,<br />

aber ohne Prominenz bekommt man mitunter kaum<br />

noch etwas ins Blatt“, sagt er. Für politische Berichterstattung aus<br />

Afrika bleibe in vielen deutschen Zeitungen oft nur ein Einspalter<br />

übrig. „Man muss um jedes Wort ringen“, sagt Krüger. Das tut<br />

ihm weh. „Ich bin kein Missionar, möchte aber die Realität so gut<br />

wie möglich abbilden. Und <strong>das</strong> ist gerade bei einer so komplexen<br />

Realität wie der in Afrika in ein paar Zeilen schwer.“<br />

Wie sehr eine WM aber ein „Türöffner“ für Themen sei, habe<br />

er bereits 98 in Frankreich erfahren. „Eine WM ist ein ‚window of<br />

opportunity’“ – auf einmal wird einem der rote Teppich für Berichte<br />

aller Art ausgerollt.“ Daher sei die WM auch so wichtig für<br />

Südafrika. „Sie ist <strong>das</strong> größte Geschenk, <strong>das</strong> man dem Staat machen<br />

konnte, und hat <strong>das</strong> Land vor dem Fall in die Bedeutungslosigkeit<br />

bewahrt.“ Denn viele Medien hatten schon ihren Rückzug<br />

aus Südafrika geplant. Durch die WM sei alles anders geworden.<br />

„Es hat auch den Standort Johannesburg aufgewertet“, freut sich<br />

Krüger. „Man muss als Korrespondent vor Ort trotz aller gebotenen<br />

Distanz den Alltag mitfühlen, sich mitfreuen und auch mitleiden<br />

können“, sagt er. Wie fast alle Südafrikakorrespondenten hatte<br />

auch er sein Büro im Medienhaus in Johannesburg. Krüger wohnt<br />

nicht weit davon. In einem Haus ohne den sonst üblichen Stacheldrahtzaun.<br />

Er hat keine Angst. „Man muss die Reflexe trainieren<br />

und bekommt ein Gespür dafür, was gefährlich ist und was nicht.“<br />

Noch nie sei er bisher überfallen worden. Nur einmal geriet er unvermittelt<br />

in eine Schießerei auf offener Straße, blieb aber unverletzt.<br />

Dennoch mag er Johannesburg: „Die Stadt ist für mich Liebe<br />

auf den zweiten Blick.“<br />

Christiane Hoffmann, Redakteurin<br />

„<strong>Frankfurter</strong> Allgemeine Sonntagszeitung“<br />

Sich fremden Welten zu nähern, sie zu verstehen und zu erklären,<br />

<strong>das</strong> ist für Christiane Hoffmann, Redakteurin der<br />

„<strong>Frankfurter</strong> Allgemeinen Sonntagszeitung“, <strong>das</strong> Reizvolle<br />

an ihrem Beruf. Das sei auch der Unterschied zum Journalismus<br />

Foto: FAZ<br />

im Inland. „Es geht weniger um die exklusiven Informationen<br />

oder darum aufzudecken, sondern eher darum, <strong>das</strong> Fremde zu vermitteln<br />

und zu übersetzen“, sagt Hoffmann. Im Iran wie in der<br />

ehemaligen Sowjetunion wollte sie hinter die Kulissen der „dämonisierten,<br />

verteufelten Länder“ schauen. Mit 43 Jahren ist sie nicht<br />

nur eine der wenigen Auslandskorrespondentinnen, sondern auch<br />

den Ergebnissen der Umfrage entsprechend jung in den Beruf gekommen.<br />

Im Gegensatz zur Studie jedoch meint die Mutter zweier<br />

Kinder, <strong>das</strong>s sich Arbeit und Familie im Ausland gut vereinbaren<br />

lassen, denn die Arbeitszeiten seien weniger festgelegt als in der<br />

Zentrale. 1994 war sie als Quereinsteigerin zur „F.A.Z.“ gekommen.<br />

Im Studium hatte sie sich bereits auf Osteuropa spezialisiert<br />

und Russisch gelernt. Von einem Aufenthalt in der Ukraine<br />

schrieb sie einen Artikel – die „F.A.Z.“ druckte ihn, bot ihr ein<br />

Praktikum an, und nach dem Ende des Studiums wurde Hoffmann<br />

eingestellt. „Damals gab es großen Bedarf an Korrespondenten für<br />

Osteuropa“, erklärt sie den raschen Einstieg. Von 1999 bis 2004<br />

arbeitete Hoffmann im Iran, seitdem reist sie noch immer wochenweise<br />

in <strong>das</strong> Land und berichtete für die „F.A.Z.“/„FAS“. Zum<br />

letzten Mal im November 2009.<br />

Mit ihrem Mann, einem Diplomaten, war sie nach Iran gekommen.<br />

Als Frau dort zu arbeiten, sei nicht schwierig gewesen, es sei<br />

akzeptiert. „Viele Frauen arbeiten als Journalistinnen, die Behörden<br />

im Iran sind <strong>das</strong> gewöhnt.“ Vor Ort empfand sie es eher als<br />

Vorteil, eine Frau zu sein. Im konservativen Teil der Gesellschaft,<br />

wo Geschlechtertrennung praktiziert wird, betrachte man west -<br />

liche Frauen als „Neutrum“. „Deshalb erhalten Frauen auch Einblicke<br />

in die Männerwelt, aber für Männer ist es schwer, in die<br />

Frauenwelt vorzudringen“, sagt sie. Zudem sei der Umgang mit<br />

Frauen weniger „harsch“ als mit männlichen Kollegen. So sei sie<br />

einmal bei einem Handgemenge nur deshalb nicht verhaftet worden,<br />

weil sie eine Frau war. „Wenn man es geschickt anstellt, kann<br />

man mehr erfahren. Es hat Vorteile, <strong>das</strong>s man dort nicht immer<br />

ganz ernst genommen wird“, sagt die kompetente, selbstbewusste<br />

Journalistin.<br />

Als Frau aus Tschetschenien und Tadschikistan zu berichten, sei<br />

schwieriger gewesen. „Es ist immer schwierig, wenn eine Gesellschaft<br />

vom Krieg verroht ist. Aber im Iran hatte ich nie <strong>das</strong> Gefühl,<br />

<strong>das</strong>s es gefährlich war – abgesehen vom Straßenverkehr und<br />

der Erdbebengefahr“, sagt Hoffmann. Nur einmal habe sie sich<br />

der Forderung des Geheimdienstes gebeugt, von einem Ort zu verschwinden.<br />

„Ansonsten habe ich mich völlig frei bewegt – auch<br />

mal Autos angehalten. Als ausländische Journalistin ist man im<br />

Iran nie in Lebensgefahr. Aber die iranischen sind es sehr wohl“.<br />

Ihre Berichte schickte sie meist über <strong>das</strong> Internet an ihre Heimatredaktion.<br />

Eine iranische Zensur habe nicht stattgefunden, die<br />

Texte sind nicht geändert worden, sagt sie. „Aber es gab Versuche<br />

der Behörden, zu beeinflussen. Dann wurde ich vorgeladen und<br />

musste rechtfertigen, warum ich etwas Bestimmtes geschrieben<br />

hatte.“ Teilweise führte <strong>das</strong> zu absurden Situationen. Wie bei einem<br />

Artikel über Prostitution, nach dessen Veröffentlichung sie<br />

fast zwei Monate lang nicht arbeiten durfte. In ein Kopftuch gehüllt<br />

musste sie mit einem iranischen Beamten über Prostitution<br />

diskutieren. „Und dabei durfte ich <strong>das</strong> Wort nicht erwähnen.“<br />

Direkte Beeinflussungsversuche gebe es über die Vergabe von Visa.<br />

Als Ehefrau eines Diplomaten mit Dauervisum ausgestattet, war


24 Auslandsjournalismus<br />

sie davon nicht betroffen. Momentan sei es jedoch sehr schwer, ein<br />

Visum zu bekommen, sagt sie.<br />

Wie für alle Kollegen im Ausland sind auch für die Journalistin<br />

persönliche Kontakte für die Berichterstattung sehr wichtig. Im<br />

Iran sei die Kontaktpflege zudem sehr zeitaufwendig. „Man muss<br />

unheimlich viel Tee trinken“, sagt sie lächelnd. Wichtig waren<br />

dabei ihre Sprachkenntnisse, so kam sie näher an Menschen heran.<br />

Auch mit den Behörden habe sie oft Gespräche ohne konkrete<br />

Ergebnisse geführt. Oft spürte sie diese viel später und ganz unerwartet.<br />

Plötzlich funktionierte etwas oder es taten sich verschlossene<br />

Türen auf. Die Menschen auf der Straße seien dagegen fast alle<br />

gesprächsbereit. „Sie wollen gerne reden“, sagt sie. Dieses Bedürfnis<br />

habe sich in den vergangenen zehn Jahren sogar gesteigert.<br />

Verändert hätten sich zudem die technischen Möglichkeiten ihrer<br />

Arbeit. Heute sei es viel leichter, mit Personen in Kontakt zu<br />

bleiben, etwa über Internet. In Tadschikistan dagegen habe sie<br />

noch eineinhalb Tage lang auf ein Telefongespräch warten müssen.<br />

Am spannendsten fand Hoffmann immer die Vermittlung von<br />

Themen. „Man muss ein Gespür dafür haben, was der Leser weiß,<br />

was interessant ist.“ Letztlich, so ihre Erfahrung, „ist <strong>das</strong> allgemein<br />

Menschliche überall auf der Welt gleich. Alle hätten ähnliche<br />

Gefühle, egal aus welcher Kultur. „Es ist wichtig, sich in die<br />

Menschen hineinzuversetzen, sich mit Ihnen zu identifizieren, sie<br />

zu verstehen, gleichzeitig muss man sich aber auch abgrenzen“,<br />

weiß Hoffmann. Daher wünscht sie sich einen häufigeren Wechsel.<br />

Nach einer gewissen Zeit müssten Auslandskorrespondenten<br />

wieder in die Zentrale zurück. „Sonst verliert man irgendwie die<br />

Haftung“, resümiert sie.<br />

Klaus-Dieter Frankenberger,<br />

Leiter Außenpolitik<br />

„<strong>Frankfurter</strong> Allgemeine Zeitung“<br />

Wie sich die Rahmenbedingungen für Auslandskorrespondenten<br />

in den letzten Jahren geändert haben, weiß<br />

auch ihr ehemaliger Chef, Klaus-Dieter Frankenberger<br />

von der „F.A.Z.“. Früher habe ein Korrespondent seinen Posten oft<br />

bis zum Ende behalten, weil man die Erfahrung betonte, berichtet<br />

der Leiter der Außenpolitik. „Heute dauert ein Einsatz fünf Jahre,<br />

und dann ist er verhandelbar.“ Verlängerungen gebe es zwischen<br />

drei und zwei Jahren. Dafür seien die Redakteure jünger, viele<br />

Volontäre würden übernommen. Früher hatten Kollegen vor der<br />

Einstellung oft eine Promotion absolviert oder kamen von einem<br />

Institut. „Heute muss man neuen Kollegen oft noch etwas beibringen“,<br />

sagt Frankenberger. Auch die Arbeitsbedingungen hätten<br />

sich verändert, unter anderem sei die Schnelligkeit enorm gestiegen.<br />

Die Anforderungen seien groß, gute Artikel müssten lieber<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Foto: FAZ<br />

heute statt morgen im Blatt sein – einschließlich eines Hintergrundartikels.<br />

„Da war man früher etwas entspannter.“ Die Anforderungen<br />

an die Qualität seien hoch, der Druck größer als früher.<br />

Auch <strong>das</strong> Spektrum der Artikel innerhalb der Zeitung sei größer<br />

geworden. „Es muss gefüllt werden, und zwar oft vom gleichen<br />

Autor.“ Dies gelte auch rubrikübergreifend. Die Budgets für Reisen<br />

dagegen seien noch unverändert.<br />

Für Frankenberger gibt es – abgesehen vom Kriegsreporter –<br />

zwei Typen von Korrespondenten. „Das eine sind die Regionalspezialisten.“<br />

Sie besäßen eine Affinität zu einem bestimmten Land,<br />

hätten durch ihre Ausbildung bereits Schwerpunkte gesetzt, etwa<br />

durch einen Auslandsaufenthalt im Studium. „Wenn einer sich im<br />

arabischen Raum gut auskennt, werden wir ihn nicht nach Frankreich<br />

schicken“, sagt Frankenberger. Auch die Kenntnis der Sprache<br />

sei sehr wichtig. Das gelte besonders für Länder, deren Kultur<br />

fremd sei, wie etwa China. Die zweite Gruppe sind die Nachrichtenjournalisten.<br />

Sie würden an wichtigen Standorten wie Brüssel,<br />

London oder Washington eingesetzt. „Es müssen Personen sein,<br />

die nicht nur glänzende Reportagen schreiben, sondern auch die<br />

wichtigen Nachrichten tagtäglich analytisch aufbereitet präsentieren<br />

können.“ Ein Wechsel von einem Nachrichtenposten in eine<br />

bestimmte Region sei in Einzelfällen aber auch möglich.<br />

Zu den wichtigsten Fähigkeiten eines Auslandskorrespondenten<br />

gehört für Frankenberger Urteilsvermögen. Das beinhalte auch<br />

die Einschätzung von Gefährdungslagen, mit der „richtigen Dosis<br />

aus Wagemut und Vorsicht“ – insbesondere in Afrika. In den Irak<br />

schickt die „F.A.Z.“ ihre Korrespondenten aus Sicherheitsgründen<br />

„nur embedded, nicht auf eigene Faust“, berichtet Frankenberger.<br />

Wichtig sei auch Lebensreife, die unter anderem davon abhänge,<br />

ob auch ein Studium im Ausland absolviert wurde und wie lange<br />

man in der Nachrichtenredaktion war. Denn die Schule innerhalb<br />

der „F.A.Z.“ geht einem Auslandseinsatz immer voran.<br />

Wie sehr auch die Technik die Arbeitsbedingungen für<br />

Hörfunk- und Fernsehreporter beeinflusst, <strong>das</strong> weiß<br />

Luten Leinhos. Der 45-Jährige hat für beide Medien<br />

im Ausland gearbeitet. „Keine Angst vor dem Unbekannten und<br />

Neugier auf <strong>das</strong> Leben in all seinen Facetten“ – <strong>das</strong> sind für Leinhos<br />

die wichtigsten Fähigkeiten eines Auslandskorrespondenten.<br />

„Man wird ständig ins kalte Wasser geworfen. Mit Routine allein<br />

ist da nicht immer viel zu machen“, sagt Leinhos, der seit 2004<br />

für <strong>das</strong> ZDF-„heute journal“ als Reporter regelmäßig im Ausland<br />

arbeitet und einmal als jüngster ARD-Auslandskorrespondent anfing.<br />

Auslandsreporter zu sein, <strong>das</strong> war schon immer sein Traum.<br />

Er hat sich diesen Traum erfüllt und dabei noch <strong>das</strong> Glück, oft<br />

im richtigen Moment am rechten Ort zu sein.<br />

Als Leinhos 1984 zur Prüfung in der Deutschen Journalistenschule<br />

gefragt wurde, was er werden wolle, sagte er „Lateinamerikakorrespondent<br />

für die ‚Süddeutsche Zeitung’“. Die „Süddeutsche“<br />

wurde es zwar nicht, aber Lateinamerika. Nach dem Abitur<br />

hatte er bei Filmproduktionsfirmen in Berlin gearbeitet und war<br />

durch die Welt gereist, hatte etwa als Holzfäller in der kanadischen<br />

Wildnis gearbeitet und Blockhäuser gebaut. Zurück in<br />

Deutschland besuchte er die Deutsche Journalistenschule, arbeitete<br />

danach unter anderem als Polizeireporter für den „Tagesspiegel“<br />

in Berlin. 1988 wechselte er als Radioredakteur zum Sender Freies<br />

Neue Wege gehen<br />

„Probleme werden nie mit derselben Denkweise gelöst, durch<br />

die sie entstanden sind.“ Albert Einstein<br />

Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Zukunft des<br />

Planeten Erde und damit auf <strong>das</strong> Leben insgesamt werden in<br />

Wissenschaft, Politik und Gesellschaft kaum mehr in Zweifel gezogen.<br />

Zum Grundtatbestand eines vom Menschen gemachten<br />

Klimawandels bestehen keine Erkenntnisdefizite mehr. Defizite<br />

gibt es dagegen bei der Umsetzung nachhaltiger Formen des<br />

Wirtschaftens, die den Herausforderungen des Klimawandels<br />

gerecht werden. Verschärft werden diese Herausforderungen<br />

durch die zunehmend spürbare Ressourcenknappheit.<br />

Deshalb brauchen wir neues Denken und müssen neue Wege<br />

erforschen.<br />

Das NATURpur Institut für Klima- und Umweltschutz leistet<br />

als Plattform für die anwendungsorientierte Forschung einen<br />

Beitrag, die Umsetzungsdefizite mit Blick auf eine nachhaltige<br />

Energieversorgung zu beheben. Dazu konzentriert sich <strong>das</strong> Institut<br />

auf die Förderung von interdisziplinären Forschungsprojekten<br />

in den Bereichen Energieeffizienz, Erneuerbare Energien<br />

und Konventionelle Energien. Leitbild für <strong>das</strong> NATURpur Institut<br />

ist eine moderne Daseinsvorsorge, die den nachhaltigen Zugang<br />

zu den Grundgütern Energie und Wasser sichert.<br />

Kontakt:<br />

Matthias W. Send<br />

Vorsitzender der Geschäftsführung, NATURpur<br />

Institut für Klima- und Umweltschutz gGmbH<br />

<strong>Frankfurter</strong> Straße 110<br />

64293 Darmstadt<br />

Telefon: +49 (0) 6151 701-1060<br />

Telefax: +49 (0) 6151 701-1069<br />

matthias.w.send@naturpur-institut.de<br />

www.naturpur-institut.de<br />

NATUR pur<br />

Institut für Klima- und Umweltschutz


Foto: privat<br />

26 Auslandsjournalismus<br />

Luten Leinhos, Reporter ZDF-„heute journal“, Haiti 2004<br />

Berlin. Zum Mauerfall und der Wiedervereinigung blieb er noch<br />

da: „Es war zu spannend. Ich war der erste Hörfunkreporter an der<br />

Bornheimer Straße.“ Wenig später siegte <strong>das</strong> Fernweh. Leinhos<br />

nahm ein Jahr Auszeit. Er reiste durch Lateinamerika und arbeitete<br />

frei für den ARD-Hörfunk und für Zeitungen. Nach seiner Rückkehr<br />

begann er ein VWL-Studium an der FU Berlin und arbeitete<br />

parallel beim Hörfunk. Eine Urlaubsvertretung im ARD-Studio<br />

Mexiko ebnete ihm den weiteren Weg: Er war dort, als die deutsche<br />

Botschaft in Kuba besetzt wurde. Seine Berichte waren gut,<br />

1995 wurde er ARD-Hörfunk-Korrespondent für Mittelamerika<br />

und die Karibik – zuständig für 16 Länder. Den Rest seines VWL-<br />

Studiums absolvierte er als Fernstudium, zudem schrieb er noch<br />

für Zeitungen. Hurrikan Mitch bescherte ihm viele Aufträge und<br />

bleibende Eindrücke. Weitere Schwerpunkte waren z. B. Mexikos<br />

Wirtschaftskrise oder der Absturz der Birgen Air in der Dominikanischen<br />

Republik. Nach fünf Jahren musste er turnusgemäß<br />

zurück. „Da ist die ARD streng“, sagt Leinhos. Da er beim Radio<br />

so gut wie alles gemacht hatte, reizte ihn nun <strong>das</strong> Fernsehen, und<br />

er ging zum ZDF. In der Redaktion Außenpolitik wurde er Krisenreporter,<br />

arbeitete auch für die Aktualität. So berichtete er etwa<br />

vom Erdbeben im Iran oder der Geiselnahme in Mali. 2004 wechselte<br />

er fest ins „heute journal“. Drei bis vier Mal pro Jahr ist er zu<br />

Sondereinsätzen im Ausland unterwegs.<br />

Wie viele Auslandskorrespondenten musste sich Leinhos in der<br />

Zentrale erst mal umgewöhnen. „Als Hörfunkkorrespondent hatte<br />

man mir gegenüber einen gewissen Respekt. Aber im Fernsehfeld<br />

war ich erst mal Anfänger. Das war schon eine Umstellung.“ Dazu<br />

gehörte auch die Arbeitsweise – vom Einzelkämpfer zum Team,<br />

von einfacher zu umfangreicher Technik. Fernsehen brauche länger,<br />

bis es senden könne. Dazu komme <strong>das</strong> Budget. „Im Fernsehen<br />

stecken ganz andere Kosten dahinter. Radio ist weniger aufwendig,<br />

und es sind weniger Menschen involviert. Man ist schneller entscheidungsfähig.“<br />

Beim Fernsehen kämen noch die Produktions -<br />

bedingungen hinzu. Manchmal befinde sich die Abspielstation<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

für den Beitrag weit vom Ereignis entfernt. „Aber wenn ich eine<br />

Situation nicht richtig einschätzen kann, dann sage ich es auch.“<br />

Die Gesamtsituation könne man nicht immer im Blick haben.<br />

„Ich kann nur leisten, was vor Ort passiert. Den Überblick hat oft<br />

eher die Zentrale“, sagt Leinhos.<br />

Von den vielen Ereignissen, über die er schon berichtet hat, hat<br />

ihn besonders der Tsunami in Thailand beeindruckt „weil ich mit<br />

dem Tod in einer solch krassen Form noch nicht konfrontiert war.“<br />

Es sei eine so große Zahl von Toten gewesen, die meisten entstellte<br />

Wasserleichen. Zur Verarbeitung habe <strong>das</strong> ZDF zum ersten Mal<br />

den Besuch von Seminaren gegen posttraumatische Belastungs -<br />

störung angeboten. Er selbst nahm <strong>das</strong> Angebot nicht an, er ließ<br />

bereits im Einsatz nicht alles so nah an sich heran. „Ich glaube,<br />

meine Grenzen ganz gut zu kennen“, sagt er. Nach zwei Wochen<br />

kehrte er zurück, und verspürte auch dann noch <strong>das</strong> Bedürfnis,<br />

über <strong>das</strong> Erlebte zu berichten; in Gesprächen mit Freunden, in<br />

Fernsehsendungen und auf Konferenzen. Zwischendurch nahm er<br />

sich ein paar Tage frei und spielte viel mit seiner kleinen Tochter.<br />

„Wie man <strong>das</strong> verarbeitet, muss jeder für sich selbst wissen“, sagt<br />

Leinhos. „Man muss wissen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Sterben dazugehört. Aber ich<br />

muss schon während der Dreharbeiten beginnen, mich zu schützen<br />

– ohne oberflächlich zu werden.“ Sein gefährlichster Einsatz nach<br />

eigener Einschätzung war der Bürgerkrieg in Haiti 2004, über den<br />

er drei Wochen lang berichtete. Jetzt zum schweren Erdbeben war<br />

er wieder dort, schilderte die Katastrophe und <strong>das</strong> Leid der Menschen.<br />

Leinhos hofft, mit seinen Einsätzen auch etwas bewirken zu<br />

können. Beim Tsunami etwa habe er „erzählt, was diese Bilder mit<br />

mir machen.“ Die Art der Berichterstattung habe seiner Meinung<br />

nach auch dazu beigetragen, <strong>das</strong>s die Hilfsbereitschaft so groß gewesen<br />

sei. Als Meinungsmacher sieht Luten Leinhos sich dennoch<br />

nicht, sondern als fairen Berichterstatter, der wie ein Dolmetscher<br />

komplexe Sachverhalte übersetzt und so verständlich macht.<br />

Damit entsprechen Leinhos, Hofmann und Krüger dem Bild<br />

der Auslandskorrespondenten, <strong>das</strong> auch die Umfrage des Hans-<br />

Bredow-Instituts zeichnet: Sie wollen vor allem Zusammenhänge<br />

darstellen, Verständnis, Problembewusstsein und Interesse für <strong>das</strong><br />

Berichtsgebiet wecken – im Gegensatz zu früher, als die Bericht -<br />

erstattung stark meinungsorientiert war. Aber früher wie heute<br />

haben alle eines gemeinsam: Die Leidenschaft für <strong>das</strong> Fremde.<br />

Luten Leinhos „würde jederzeit gerne wieder als Auslandskorrespondent<br />

arbeiten.“ Auch Christiane Hoffmann, die heute halbtags<br />

arbeitet, hat „gar nicht genug Zeit, alle Ideen umzusetzen“. Hin<br />

und wieder reist sie für mehrere Tage ins Ausland – wenn die<br />

Betreuung der Kinder organisiert ist. Und auch Ralf Krüger kehrt<br />

„schweren Herzens“ der dpa-Hauspolitik folgend zurück nach<br />

Deutschland. Nur zur WM wird er noch einmal zwei Monate in<br />

Südafrika sein. Dann kommt ein neuer Einsatzort – aber der alte<br />

wird ihm wohl fehlen: „Das Schöne an Afrika ist – sie treffen Leute<br />

in unmöglichen Situationen und von unterschiedlicher Herkunft,<br />

und manchmal werden sie Helden des Alltags.“ Wie der Polizist<br />

in Ruanda, der ihm <strong>das</strong> Leben rettete.<br />

Michaela<br />

Schmehl<br />

Redakteurin ZDF<br />

office@ michaelaschmehl.de


28 Auslandsjounalismus<br />

Sprachkenntnisse<br />

und Auslands -<br />

er fah rung alleine<br />

reichen nicht<br />

Wer im Ausland erfolgreich arbeiten<br />

möchte, benötigt interkulturelle Kompetenz.<br />

Aber: Nicht jeder eignet sich<br />

für jeden Kulturraum. Dienstleister wie<br />

die ICUnet.AG helfen dabei, den Auslandseinsatz<br />

für alle Beteiligten zum<br />

Erfolg zu machen.<br />

Hunderttausende Deutsche arbeiten im Ausland, häufig wurden<br />

sie von ihrem deutschen Arbeitgeber auf Zeit entsandt. Zumeist<br />

betrauen die Unternehmen ihre Auslandsmitarbeiter, die sogenannten<br />

Expatriates, mit verantwortungsvollen Aufgaben. Sie<br />

gründen Auslandsdependancen, erschließen neue Märkte oder leiten<br />

Auslandsfertigungen. „Entsprechend hoch fallen die Kosten<br />

aus, wenn der Expatriate seinen Aufenthalt abbricht, weil er zum<br />

Beispiel an kulturellen Barrieren scheitert“, sagt Dr. Fritz Audebert,<br />

Vorstandsvorsitzender der ICUnet.AG. Die finanziellen und<br />

immateriellen Konsequenzen einer abgebrochenen oder erfolglos<br />

beendeten Entsendung sind beträchtlich, die unmittelbaren<br />

Kosten für <strong>das</strong> Unternehmen werden auf <strong>das</strong> Drei- bis Vierfache<br />

des Jahresgehalts des Mitarbeiters geschätzt.<br />

Die ICUnet.AG ist Marktführer für interkulturelle Dienstleistungen.<br />

„Es kommt entscheidend darauf an, die richtigen Leute<br />

ins Ausland zu schicken“, erläutert Audebert. Seiner Erfahrung<br />

nach wählen viele Unternehmen ihre Expatriates bis heute vor<br />

allem nach deren Fachkompetenz aus, beispielsweise als Ingenieur.<br />

Bringe die Person dazu noch Sprachkenntnisse und Auslandserfahrung<br />

mit, reiche <strong>das</strong> oft als Ausweis ihrer Eignung, so der Experte.<br />

Doch es gehört eine Menge mehr dazu. „Im Zentrum steht die<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Da staunen die Schulungsteilnehmer: So manches über die Gepflogenheiten<br />

im indischen Arbeitsalltag hatten sie noch nicht gewusst<br />

interkulturelle Kompetenz der Person. Sie ist unter Umständen<br />

wichtiger als <strong>das</strong> Fachwissen“, so Audebert.<br />

Zur interkulturellen Kompetenz zählt die ICUnet.AG fünf<br />

Eigenschaften: Die Bereitschaft, von anderen Kulturen zu lernen,<br />

sich auf unsichere Situationen einzulassen, zwischen den Zeilen<br />

lesen zu können, sich selbst ein Stück zurückzunehmen und problemorientierte<br />

Flexibilität zu beweisen. Dazu kommt, <strong>das</strong>s ein<br />

und derselbe Mitarbeiter sich von Hause aus nur selten für verschiedene<br />

Kulturräume in gleicher Weise eignet. Wer in den USA<br />

sehr gut zurechtkommt, kann in China vor großen Schwierigkeiten<br />

stehen.<br />

„Wir haben einen Test entwickelt, <strong>das</strong> Intercultural Preference<br />

Tool (IPT). Er erfasst nach psychologischen und kulturwissenschaftlichen<br />

Kriterien sieben kulturelle Dimensionen einer Person.<br />

Vergleicht man ein individuelles Testergebniss mit dem typischen<br />

Profil einer Kultur, erhält man einen starken Hinweis, in welcher<br />

Region der Teilnehmer wohl besser oder schlechter zurechtkommen<br />

wird“, erklärt Beate Huber, Leiterin des Teams Potenzialanalyse<br />

und Online-Services. Zu den sieben Kulturdimensionen<br />

gehört zum Beispiel die Entscheidung zwischen Beziehungs- und<br />

Sachorientierung. „Wir Deutschen orientieren uns in Geschäfts -<br />

Foto: ICUnet AG<br />

29<br />

beziehungen stark an der Sachebene, an Daten, Zahlen und Fakten,<br />

die persönliche Ebene spielt eine geringere Rolle“, sagt Beate<br />

Huber. In vielen anderen Kulturen – sei es in Süd- und Osteuropa<br />

oder auch Asien – gelinge <strong>das</strong> Geschäft hingegen nur, wenn<br />

zunächst eine stabile persönliche Beziehung aufgebaut werde.<br />

Eine weitere der sieben Kulturdimensionen betrifft <strong>das</strong> Hierarchiedenken:<br />

In Skandinavien oder den Niederlanden, wo in Teams<br />

jeder gleichberechtigt einbezogen wird, ist es sehr wenig ausgeprägt,<br />

in Russland dagegen sehr stark. Dort werden untergeordnete<br />

Mitarbeiter niemals alleine Entscheidungen fällen. „Die Testergebnisse<br />

bieten zudem eine Basis für interkulturelles Training. Wir<br />

können künftige Expatriates damit sehr gezielt auf die persönlichen<br />

Herausforderungen im jeweiligen Land vorbereiten“, so Huber.<br />

Interkulturelles Konfliktpotenzial wird oft unterschätzt<br />

Je exotischer <strong>das</strong> Land, desto ausgeprägter ist <strong>das</strong> Bewusstsein für<br />

mögliche Schwierigkeiten. Intensiv fragen Firmen bei der ICUnet.AG<br />

Trainings für Kulturräume im asiatischen oder arabischen<br />

Raum nach. Geht es aber in die USA oder nach Westeuropa, etwa<br />

Frankreich, England oder gar Österreich, unterschätzen viele <strong>das</strong><br />

interkulturelle Konfliktpotenzial. So missversteht mancher Deutscher<br />

in den USA etwa eine klare Anweisung des Vorgesetzten als<br />

lockere Aufforderung oder nimmt kritische Zwischentöne nicht<br />

wahr. „Viele Kulturen pflegen einen wesentlich indirekteren Kommunikationsstil<br />

als wir Deutschen, eine weitere wichtige Kultur -<br />

dimension“, sagt Audebert. „Unsere Direktheit, unsere Sachbezogenheit<br />

und unser analytisches Vorgehen sind im Ausland<br />

berühmt berüchtigt.“ Trotz gleicher Sprache lauert hier schon<br />

unmittelbar jenseits der Grenze in Österreich oder in der Schweiz<br />

ein großes Potenzial für kulturelle Konflikte.<br />

„Ganz langsam wächst aber in Chefetagen und Personalabteilungen<br />

<strong>das</strong> Bewusstsein für diese Herausforderungenwie Audebert<br />

über die letzten Jahre festgestellt hat. Schlechter sieht es bei der<br />

Rückkehr aus. „Wer zwei oder drei Jahre im Ausland gelebt und<br />

gearbeitet hat, passt sich der anderen Kultur an. Das lässt sich<br />

mit dem IPT ganz klar messen.“ Und plötzlich erscheint die altvertraute<br />

Heimat fremd. Die Rückkehr bedeutet einen ähnlichen<br />

Kulturschock wie der Aufbruch.<br />

Hinzu kommt, <strong>das</strong>s im Heimatunternehmen die Zeit nicht still<br />

stand, sich vieles verändert hat, vielleicht keine adäquate Position<br />

frei ist. Rund 75 Prozent der Rückkehrer sind nicht zufrieden mit<br />

ihrer neuen Aufgabe, besagt eine Studie der Unternehmensberatung<br />

Deloitte aus dem Jahr 2008. Hier sieht Audebert eine große<br />

Herausforderung, die Unternehmen ebenfalls viel Geld kosten<br />

kann. Denn rund ein Drittel der Unzufriedenen sucht sich binnen<br />

eines Jahres einen neuen Job und nimmt <strong>das</strong> gesamte wertvolle<br />

Wissen aus dem Auslandseinsatz mit. „Unser Rat an Unternehmen<br />

wie Mitarbeiter ist, den Rückkehrprozess schon mit dem Start<br />

ins Ausland vorzubereiten.“ So sollten die Erwartungen bezüglich<br />

Vergütung, Position und Aufgaben im Vorfeld geklärt werden.<br />

Unternehmen brauchen darüber hinaus Strategien, um <strong>das</strong> Wissen<br />

und die Fähigkeiten der Heimkehrer sinnvoll zu nutzen.<br />

Christian<br />

Omonsky<br />

PR + Werbung Ludwig Faust,<br />

Regensburg<br />

christian.omonsky@ omonsky.de<br />

Die ICUnet.AG<br />

Mit aktuell 60 festen und über 200 freien Mitarbeitern unterstützt die<br />

ICUnet.AG ihre Kunden bei der Zusammenarbeit mit internationalen Geschäftspartnern<br />

und der Optimierung von internationalen Teams. Darüber<br />

hinaus begleitet <strong>das</strong> Unternehmen alle Phasen einer Auslandsentsendung<br />

von Mitarbeitern. „Ziel ist, <strong>das</strong> unternehmerische Risiko unserer Kunden<br />

bei ihren Auslandsaktivitäten zu minimieren. Die Mitarbeiter sollen an interkultureller<br />

Kompetenz gewinnen, um sich in fremder Umgebung erfolgreich<br />

zu bewegen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Dr. Fritz Audebert.<br />

Daneben deckt <strong>das</strong> Unternehmen im Geschäftsfeld Assignment Management<br />

alle praktischen Belange einer Auslandsentsendung wie Wohnungssuche,<br />

Umzugshilfe, Behördengänge oder Vertragsabschlüsse für<br />

die Entsendeten und ihre Familien ab.<br />

Zum Kundenkreis zählt die ICUnet.AG mit Niederlassungen in Passau,<br />

Köln, Frankfurt, Berlin und Wien aktuell 21 DAX-Unternehmen sowie<br />

über 250 familiengeführte Hidden Champions der deutschen Wirtschaft.<br />

„Wir betrachten uns als europäischen Service-, Innovations- und Qualitätsführer“,<br />

so Audebert.<br />

www.icunet.ag<br />

Welche Fähig kei ten<br />

sollte heute ein<br />

Aus lands korres -<br />

pondent mitbringen,<br />

um erfolgreich und<br />

allumfassend informieren<br />

zu können?<br />

„Ein Auslandskorrespondent muss neben dem Englischen heute mehr<br />

als nur oberflächliche Kenntnisse der Landessprache haben, will er aus<br />

Russland, China, Iran oder dem arabischen Raum berichten (wenn er<br />

dazu noch gut Deutsch könnte, wäre es auch nicht schlecht). Ansonsten<br />

sollten ihn die Fähigkeiten auszeichnen, die jeder Journalist – ob im Inland<br />

oder Ausland, ob als Reporter bei einer kleinen Lokalzeitung oder einem<br />

bedeutenden Wochen<strong>magazin</strong> – besitzen muss: Neugier, Menschenkenntnis,<br />

Gespür für Geschichten. Und <strong>das</strong> robuste Selbstbewusstsein<br />

und <strong>das</strong> Standing in seiner Zentralredaktion, seine exklusiven Reportagen<br />

und Analysen auch gedruckt zu bekommen.“<br />

Erich<br />

Follath Diplomatischer<br />

Korrespondent<br />

„Spiegel“


30 Auslandsjournalismus<br />

Die Welt im Radio<br />

Der Beginn der Auslandsberichterstattung im deutschen Rundfunk<br />

Reichsaußenminister Dr. Gustav Stresemann vor dem Plenum des Völkerbunds.<br />

Seit Deutschlands Aufnahme in den Völkerbund 1926 wurden regelmäßig Sitzungen<br />

aus Genf direkt übertragen<br />

Bereits wenige Tage nach den ersten Ausstrahlungen des neuen<br />

<strong>Frankfurter</strong> Rundfunks im April 1924 gingen bei der Redaktion<br />

im alten Postgiroamt Zuschriften weit entfernter, vor allem skandinavischer<br />

Auslandshörer ein. Diese Briefe und Postkarten wurden<br />

in den Programmzeitschriften publiziert und sollten beweisen,<br />

wie weit die Ätherwellen <strong>das</strong> Programm vom Main in alle Welt<br />

verbreiteten. In umgekehrter Richtung war der Radius des neuen<br />

Mediums allerdings weit kleiner gesteckt: Aus technischen und<br />

vor allem rundfunkpolitischen Gründen fanden Direktübertragungen<br />

und Reportagen aus dem Ausland vor 1929 im deutschen<br />

Rundfunk kaum und auch danach nur sporadisch statt. Die Welt<br />

im Radio blieb in den Anfangsjahren des Mediums weitgehend<br />

auf Deutschland beschränkt.<br />

In den ersten Monaten verhinderten vor allem technische Gründe<br />

aktuelle Reportagen aus fernen Ländern; die notwendige Aufnahme-<br />

und Übertragungstechnik war schlicht nicht vorhanden<br />

oder, wie <strong>das</strong> anfangs verwendete Kohlemikrofon, hochempfindlich<br />

und chronisch unzuverlässig. Aufnahmen außerhalb eines Studios<br />

waren damit vollkommen undenkbar. Die ersten dynamischen<br />

Mikrofone machten diesem Missstand zwar bald ein Ende, aber<br />

noch gab es keine Übertragungswagen, die Aufnahmen wurden<br />

meist über einen Vorverstärker und normale Telefonleitungen auf<br />

den Sender geschickt. So etwa bei Sendeformen wie den „Verirrten<br />

Mikrophonen“ oder den „Mikrophonen auf Wanderschaft“, die<br />

ab 1925 vom Leben deutscher Großstädte oder von ausgefallenen<br />

Orten berichteten, etwa aus einem Taucherhelm am Meeresgrund<br />

vor Helgoland (Nordische Rundfunk Aktiengesellschaft/NORAG,<br />

1925), aus einer fliegenden Lufthansamaschine (Südwestdeutsche<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Rundfunkdienst-Aktiengesellschaft, Frankfurt/SÜWRAG, 1926)<br />

oder von der Zugspitze (Deutsche Stunde in Bayern, 1927).<br />

Ungeachtet technischer Schwierigkeiten: Übertragungen, Programmübernahmen<br />

und Reportagen auch aus fernen Ländern<br />

waren prinzipiell möglich und fanden sukzessive statt. Anfangs<br />

hatten sie eher experimentellen Charakter, wie die bisweilen skurril<br />

anmutende Auswahl der Themen und Veranstaltungen zeigt.<br />

Die wohl erste Auslandsübertragung überhaupt, die den <strong>Frankfurter</strong><br />

Gebührenzahlern zu Gehör gebracht wurde, war ein Bericht aus<br />

Österreich von der 88. Versammlung der Gesellschaft deutscher<br />

Naturforscher und Ärzte, die vom 21. bis 25 September 1924 in<br />

Innsbruck stattfand. Hierbei handelt es sich, und dies ist charakteristisch<br />

für <strong>das</strong> Rundfunkprogramm der Weimarer Republik, um<br />

ein dezidiert unpolitisches Thema. Der Rundfunk hatte „unpolitisch“<br />

zu sein, da man seine Wirkungsmacht als Mittel vor allem<br />

linker Propaganda fürchtete wie der Teufel <strong>das</strong> Weihwasser. So<br />

waren es vor allem seichte Unterhaltung sowie sportliche und kulturelle<br />

Ereignisse, die aus dem Ausland im deutschen Rundfunk<br />

gesendet wurden. Berühmt geworden ist die Übertragung Alfred<br />

Brauns von der Verleihung des Literaturnobelpreises an Thomas<br />

Mann in Stockholm, deren Aufnahme sich bis heute erhalten hat.<br />

Den meisten Programmverantwortlichen war jedoch klar, <strong>das</strong>s<br />

ein Rundfunk, der sich und seine Informationsaufgabe ernst nahm,<br />

schlechterdings nicht unpolitisch sein konnte. Politische Ereignisse<br />

und Streitfragen wurden von den deutschen Zeitungen ganz<br />

selbstverständlich ausführlich berichtet und in der Bevölkerung<br />

kontrovers diskutiert; von der aktuellen Berichterstattung des<br />

Rundfunks konnten sie dauerhaft nicht ausgenommen bleiben.<br />

Dem trug die <strong>Frankfurter</strong> SÜWRAG ab 1929 mit der Sendefolge<br />

„Zeitberichte“ Rechnung, in der nun vorrangig internationale<br />

Politik behandelt wurde. Noch fehlte den Beiträgen allerdings <strong>das</strong><br />

Moment des (vermeintlich) Unmittelbaren, <strong>das</strong> wir von heutigen<br />

Auslandsreportagen gewöhnt sind. Politikerreden oder wichtige<br />

Parlamentsdebatten etwa wurden nicht im Originalton mit simultaner<br />

Übersetzung gesendet, sondern komplett ins Deutsche übersetzt<br />

und von Schauspielern vorgetragen. Immerhin aber entstanden<br />

so erstmals im deutschen Rundfunk aktuelle Berichte von<br />

politischer Brisanz und hohem dokumentarischem Wert.<br />

Diese Form der Berichterstattung trug dem bereits erwähnten<br />

Umstand Rechnung, <strong>das</strong>s der Rundfunk unpolitisch zu sein habe.<br />

Daher war <strong>das</strong> Programm aller deutschen Sender vor seiner Ausstrahlung<br />

politischen Überwachungsausschüssen vorzulegen, was<br />

Direktübertragungen zumal da ausschloss, wo die Inhalte der Beiträge<br />

im Voraus nicht bekannt waren. Während aus Frankfurt kein<br />

Fall bekannt ist, in dem der Überwachungsausschuss die Ausstrahlung<br />

einer Sendung unterbunden hätte, fand in Berlin eine weit<br />

strengere Zensur statt, und es kam auch zu Sendeverboten. Mit<br />

dem Wechsel Hans Fleschs, seit 1924 erster Künstlerischer Leiter<br />

der SÜWRAG, auf den Intendantenstuhl der „Berliner Funkstun-<br />

31<br />

de“ waren die <strong>Frankfurter</strong> „Zeitberichte“ ab 1929 auch vom größten<br />

deutschen Sender übernommen worden. In der Hauptstadt<br />

saß Erich Scholz als Vertreter der Reichsinnenministers im Überwachungsausschuss,<br />

derselbe Scholz, der 1932 Rundfunkkommissar<br />

werden, Hans Flesch entlassen und als erstes NSDAP-Mitglied<br />

direkten Einfluss auf den deutschen Rundfunk gewinnen sollte.<br />

1929 gehörte Scholz zwar noch der Deutschnationalen Partei an,<br />

war jedoch bereits ein scharfer Zensor und verbissener Gegenspieler<br />

des neuen Intendanten. Die gesamte Linie des Sendeformats<br />

passte ihm nicht; regelmäßig forderte er Manuskripte an und verhinderte<br />

mehrfach die Übernahme von Sendungen aus Frankfurt.<br />

Der Rundfunk in der Hauptstadt stand sowieso weit stärker<br />

unter direkter Beobachtung der Reichsregierung, als dies bei den<br />

Provinzsendern der Fall war. Daher nahm im Falle der Auslands -<br />

berichterstattung auch <strong>das</strong> Auswärtige Amt mehrfach Einfluss und<br />

verhinderte etwa im Winter 1929/30 die Ausstrahlung einer Sendung<br />

über die Auseinandersetzungen zwischen dem polnischen<br />

Präsidenten Pilsudski und dem Sejm-Präsidenten, den Pilsudski<br />

einen „Dummkopf“ genannt hatte. Aus Angst um ein günstiges<br />

Verhandlungsklima mit dem östlichen Nachbarn wurde der<br />

Bericht nicht gesendet.<br />

Ein hauptberufliches Korrespondentennetz gab es noch nicht<br />

Weniger problematisch wurden offenbar die Übertragungen der<br />

Debatten des Völkerbunds bewertet. Bei Deutschlands Aufnahme<br />

im Jahre 1926 war die Eröffnungssitzung des Plenums mit dem<br />

Einzug der deutschen Delegation und den Reden Stresemanns,<br />

des englischen Premiers MacDonald und des französischen Außenministers<br />

Briand gesendet worden. Ab 1929 fanden solche Übertragungen<br />

aus Genf regelmäßig statt. Der Chefredakteur des<br />

Drahtlosen Dienstes (DRADAG), Josef Räuscher, der sich 1926<br />

gemeinsam mit anderen europäischen Rundfunkvertretern in Genf<br />

aufhielt, nutzte die technische Ausstattung vor Ort für eine<br />

Direktübertragung. Eine Einflussnahme der deutschen Politik<br />

und der Überwachungsausschüsse auf diesen „Sonderdienst“ der<br />

DRADAG ist nicht bekannt.<br />

Doch nicht nur politische Gründe schränkten die Auslandsberichterstattung<br />

in der Zeit der Weimarer Republik erheblich ein:<br />

Es fehlte beinahe vollständig an der personellen Ausstattung,<br />

ein hauptberufliches Korrespondentennetz gab es nicht. Reporter<br />

mussten entweder gezielt zu einem Ereignis anreisen, oder es wurde<br />

auf die Berichte der Zeitungskorrespondenten zurückgegriffen.<br />

Vereinzelt gab es auch Deutsche im Ausland, denen ihr Beruf oder<br />

Vermögen erlaubte, sich nebenbei mit Rundfunkreportagen in<br />

die Heimat zu beschäftigen. Der erste, der regelmäßig über die<br />

Vereinigten Staaten nach Deutschland berichtete, war der deutsche<br />

Journalist Kurt G. Sell, der als deutscher Honorarkonsul in<br />

Washington D.C. lebte.Von dort lieferte er nach einem Abkommen<br />

zwischen der Reichsrundfunk-Gesellschaft (RRG) und der Natio-<br />

Der in Washington D.C. lebende deutsche Journalist<br />

Kurt G. Sell berichtete ab 1931 zweimal im Monat,<br />

„worüber man in Amerika spricht“<br />

nal Broadcasting Corporation (NBC) ab 1931 unter dem Titel<br />

„Worüber man in Amerika spricht“ Kurzvorträge über inneramerikanische<br />

Angelegenheiten. Wie seine Reportagen zu ihren deutschen<br />

Hörern gelangten, beschreibt Sell zu Beginn einer seiner<br />

Sendungen selbst: „Ich spreche vom Funkraum der NBC in<br />

Washington [...] in ein Mikrofon, <strong>das</strong> mit einem Telefonkabel nach<br />

Schenectady im Staate New York direkt verbunden ist. In Schenec -<br />

tady sendet ein gewaltiger Motor meine Stimme nach Beelitz;<br />

von dort geht sie nach Berlin und nach Königswusterhausen; von<br />

dort wird sie durch ganz Deutschland, Österreich und die Schweiz<br />

verbreitet.“<br />

Die Berichterstattung über politische Ereignisse außerhalb der<br />

Reichsgrenzen geriet in den Dreißigerjahren zunehmend unter politischen<br />

Druck, 1932 zunächst nur im Rundfunk unter der Regierung<br />

Papen, die alle deutschen Sender verstaatlichte. Nach Hitlers<br />

Ernennung zum Reichskanzler wurden sowohl Rundfunk als auch<br />

<strong>Presse</strong> vollständig der Kontrolle des neuen Propagandaministers<br />

Goebbels unterworfen; <strong>das</strong> Funkprogramm wurde zum Instrument<br />

der Nazipartei, später der Kriegspropaganda. Eine regelmäßige,<br />

unzensierte und westlichen Standards genügende Auslandsberichterstattung<br />

und der Aufbau eines weltumspannenden Korrespon -<br />

dentennetzes sollten erst nach dem Zweiten Weltkrieg und mit<br />

Gründung der ARD erfolgen.<br />

Armin<br />

H. Flesch<br />

Freier Autor und<br />

Journalist<br />

ahf.ffm@ gmx.de<br />

Fotos: Deutsches Rundfunkarchiv Berlin


32 Auslandsjournalismus<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Haiti, 1994: Bewaffnet und kampfbereit<br />

verlassen Soldaten der US-Truppen<br />

nach ihrer Landung mit Militärhub -<br />

schraubern <strong>das</strong> Hafengelände in der<br />

Hauptstadt Port-au-Prince. Nach der<br />

friedlichen Einigung über den Rück tritt<br />

des haitianischen Militärregimes hat der<br />

Befehlshaber der amerikanischen Elite -<br />

truppen Shelton mit Junatchef Cedras<br />

Beratungen über die Übergabe der Macht<br />

an den Expräsidenten Aristide aufgenommen.<br />

Stets dabei: <strong>Presse</strong>fotografen<br />

Krise als<br />

Medienereignis<br />

Banale Berichte, mangelnde Recherche, Parteilichkeit:<br />

Krisenberichterstattung in der Krise<br />

33<br />

Eine Krise ist per Definition der „unerwartete und deshalb nicht<br />

vorbereitete Einbruch in <strong>das</strong> geläufige Weltbild“. Für Redaktionen<br />

ist ein solcher Ausnahmezustand jedes Mal eine neue Herausforderung.<br />

An der schnellen und sachgerechten Reaktion wird die Qualität<br />

eines Mediums gemessen. Der Berichterstatter vor Ort muss<br />

im Zeitalter der Konkurrenz durch <strong>das</strong> Internet mehr als banale<br />

Bestandsaufnahmen bieten. Gefragt ist auch in der Krise die intelligente<br />

Reportage, mit der Hintergründe aufgearbeitet werden<br />

und die der Orientierung von Lesern und Betrachtern dient.<br />

Aber sind unsere Medien dafür wirklich gerüstet? Nach meiner<br />

Erfahrung muss diese Frage inzwischen verneint werden. Selbst<br />

nach jahrzehntelanger Diskussion hat praktisch kein Medium eine<br />

sogenannte „Task-Force“ eingerichtet, die mit moderner Ausrüstung<br />

unmittelbar einsetzbar wäre. So sind fast alle Krisen in ihrem<br />

Anfangsstadium von banalen Berichten aus den Archiven der<br />

Zentrale oder des Korrespondenten gekennzeichnet. Da werden<br />

alte Beiträge oder Bilder „aktualisiert“ und zusätzlich jedes Angebot<br />

dazugekauft. Dies ist oft die große Stunde von Interessengruppen<br />

oder sogar Geheimdiensten. Ihrem Angebot haben die klassischen<br />

Medien nichts entgegenzusetzen. Für interessierte Leser oder<br />

Zuschauer ist diese Phase meist der Notstand. Sie erfahren kaum<br />

Neues über die Ursache und <strong>das</strong> Entstehen der Krise. Autoren und<br />

Redaktionen retten sich dann häufig in eine Emotionalisierung<br />

ihrer Berichte, Gefühle sollen die Mängel kaschieren. Auf der Strecke<br />

bleibt die intelligente Information. Häufig wird aus Hilflosigkeit<br />

aber auch mit Schockeffekten und Tabubruch gearbeitet. Der<br />

Terror der gelieferten Bilder setzt dann neue Normen, an der die<br />

folgende Berichterstattung gemessen wird. Leser und Zuschauer<br />

Foto: dpa Picture-Alliance, Razuri


34 Auslandsjournalismus<br />

orientieren sich bei der Einordnung der Krise immer an dem angeblichen<br />

Skandal, der sich ihnen durch diese Art der Berichterstattung<br />

eingeprägt hat. Gerade als gäbe es für solche Ausnahmesituationen<br />

nicht klare ethische Regeln, bis hin zur UNESCO-<br />

Mediendeklaration. Aber kritisches Hinterfragen der eigenen Leistung<br />

ist in vielen Redaktionen längst zur Ausnahme geworden.<br />

Meist heißt es hinterher zufrieden: „Wir haben es dann doch noch<br />

ganz gut hingekriegt.“<br />

Verwahrlosung der Sitten<br />

Ein Hauptübel in diesem regelmäßigen Versagen der Medien sind<br />

unter anderem teure „News-Desks“, die von hochdotierten Beratern<br />

als Allheilmittel gegen steigende Kosten empfohlen werden.<br />

In der Praxis bedeutet dies: Jeder Redakteur muss alles können,<br />

die journalistische Spezialisierung bleibt auf der Strecke. Doch<br />

eine alte Regel sagt: Jeder Korrespondent ist nur so gut, wie ihn<br />

eine qualifizierte Heimatredaktion führt. Es macht wenig Sinn,<br />

wenn sich der erfahrene Auslandsjournalist im gehetzten Telefongespräch<br />

zusätzlich mit dem Informationsstand und den Wünschen<br />

eines 25-jährigen Kollegen auseinandersetzen muss, der<br />

im Ressort „Landespolitik“ seine bisherige Berufserfahrung gesammelt<br />

hat. Das mag hochmütig klingen, ist aber Alltag in deutschen<br />

Redaktionen und einer der Gründe für den Verfall qualifizierter<br />

Krisenberichterstattung. Ein weiterer Grund für die<br />

Verwahrlosung der Sitten ist die Überfülle an Informationen, die<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

längst per Internet auf dem freien Markt angeboten und als Konkurrenz<br />

betrachtet werden. Wer sie in welcher Absicht produziert<br />

und einstellt, ist meist von der Redaktion nicht zu kontrollieren.<br />

Dennoch werden sie in Krisensituationen zum Vergleichsmaßstab.<br />

Einziges Gegenmittel kann für seriöse Medien nur der klassische<br />

Korrespondentenbericht sein, der auch die Grenzen der<br />

Recherchemöglichkeit vermittelt. Doch diese Tugend ist oft unerwünscht.<br />

Fast regelmäßig fragen Moderatoren nach der weiteren<br />

Entwicklung, als sei der Korrespondent ein Hellseher.<br />

Noch schlimmer wird es bei Bild und Textmaterial, <strong>das</strong> von<br />

„Stringern“ in dieser Phase zugeliefert wird. Früher waren „Stringer“<br />

einfache Mitarbeiter, die für den Korrespondenten Fahrzeuge<br />

anmieteten und Kontakte herstellten. Heute, im Zeitalter der<br />

Industrialisierung der Berichterstattung, sind sie längst zu Ersatzkorrespondenten<br />

mit eigenen Firmen und großen Autos geworden.<br />

Woher sie ihre Informationen und Bilder haben, kann nur vermutet<br />

werden. Der Druck der heimatlichen Regierung oder Geheimdienste<br />

auf sie ist ungleich intensiver, als ihn der normale Korrespondent<br />

erlebt. Oft kaufen sich „Stringer“ mit Bestechungssummen<br />

frei, um die gewünschten Texte oder Bilder liefern zu können.<br />

Da diese aus wirtschaftlichen Gründen und wegen fehlender Angebote<br />

mehrfach verwendet werden, führt die ständige Wieder -<br />

holung bei Lesern und Zuschauern schnell zur Resignation. Motto:<br />

Das hab ich doch alles schon gesehen. Es macht Sinn, einen Blick<br />

auf die Entstehung solcher Krisenberichte zu werfen. Meist sitzt<br />

35<br />

der Korrespondent im Büro seines Auslandspostens, der nicht<br />

selten ein größeres Gebiet mit mehreren Ländern umfasst, und<br />

wird von der Krise überrascht (siehe Erdbeben in Haiti oder Angriff<br />

der Taliban in Kabul). Die Redaktion erwartet aber bereits für<br />

die nächste Ausgabe einen möglichst farbigen Bericht. Selbst wenn<br />

der Berichterstatter schon ein Visum hätte und <strong>das</strong> Krisengebiet<br />

auch angeflogen würde, käme er zu spät. So ruft er den „Stringer“<br />

vor Ort an, bittet ihn, alle Bilder, Interviews und Texte zu sammeln<br />

und so schnell wie möglich weiterzureichen. Daraus entsteht<br />

dann der Bericht für die nächste Ausgabe seines Mediums. Schickt<br />

der „Stringer“ gar noch einen Scoop, ist die Freude groß. In solchen<br />

Situationen bleibt dann die journalistische Grundregel auf<br />

der Strecke, <strong>das</strong>s es für jede Enthüllung mindestens zwei, besser<br />

drei Zeugen geben muss.<br />

Als mir vor einiger Zeit eine Geschichte über angebliche Terroristen<br />

von einem „Stringer“ angeboten wurde, stellten ein Kollege<br />

von der „New York Times“ und ich sehr schnell massive Unstimmigkeiten<br />

fest. Am Ende kamen wir zu der Überzeugung, die<br />

Geschichte sei von einem Geheimdienst ausgedacht worden, der<br />

Erfolge nachweisen wollte. Wir sollten in diesem Spiel für die Desinformationskampagne<br />

missbraucht werden. Nach dieser Erkenntnis<br />

sagten wir dem „Stringer“ ab. Zu unserem großen Erstaunen<br />

erschien die angebotene Geschichte dann aber doch wenige Wochen<br />

später in zahlreichen internationalen Medien, obwohl der<br />

wichtigste Protagonist ein ehemaliger Polizist war, der nach unseren<br />

Recherchen intensiv mit dem Geheimdienst seines Landes<br />

kooperierte. Selbst von dem „Stringer“ angebotene Interviews mit<br />

einem hohen Geheimdienstler wurden übernommen, obwohl spätestens<br />

bei einem solchen Angebot bei erfahrenen Journalisten alle<br />

Alarmglocken läuten müssten. Der Grund für solche Fehlleistungen<br />

ist meist massiver Zwang von der Heimatredaktion. Man will<br />

auf jeden Fall „aktuell“ und exklusiv berichten, auch wenn dies<br />

zulasten hintergründiger und sauberer Berichterstattung geht.<br />

Ein weiterer Schwachpunkt: Viele Journalisten haben heute<br />

kaum noch einen inneren Bezug zu ihrem Beruf. Er ist ein Job wie<br />

jeder andere, bei dem politische Grundeinstellungen für die Karriere<br />

nur hinderlich sein können. Damit wird die Krise aber zum<br />

reinen Medienereignis, und immer mehr Korrespondenten sehen<br />

diese Berichterstattung nur als kurzfristige Durchlaufstation auf<br />

ihrer Karriereleiter. Wo es an Beharrlichkeit, fundiertem historischem<br />

Wissen und damit letztlich an Sachkenntnis fehlt, steigt<br />

in den letzten Jahren die Zahl der respektierten „Schönschreiber“.<br />

Mangels Erfahrung wählen sie den einfachsten Weg und schließen<br />

sich einer Krisenpartei an, die ihnen natürlich eine sehr einseitige<br />

Sicht auf die Abläufe vermittelt. Lässt sich ein solcher Kollege<br />

dann noch „embedden“, vergibt er freiwillig die Chance, <strong>das</strong> Gesehene<br />

auf der anderen Seite zu hinterfragen und sich mit den Erfolgen<br />

seiner Begleiter kritisch auseinanderzusetzen. Eine besondere<br />

Fehlleistung war vor knapp zwei Jahren die „Spiegel“-Titel geschichte<br />

zum Irak. Da wurde die „Befriedung“ durch die amerikanischen<br />

Besatzer geschildert, als handele es sich um eine Rot-<br />

Kreuz-Aktion. Für den Leser entstand der Eindruck, der Konflikt<br />

sei kurz vor dem Abschluss. Leider hielten sich die Iraker nicht an<br />

diese Darstellung und kämpften einfach weiter. Warum sie oder<br />

die Taliban heute fast nur noch eigene Landsleute umbringen, hat<br />

bislang niemand hinterfragt. Aber gerade eine solche Fragestellung


36 Auslandsjournalismus<br />

wäre die vornehmste Aufgabe einer hintergründigen Krisenbericht -<br />

erstattung. Krisenreporter haben die Chance, zum Vermittler<br />

zwischen Kulturen zu werden. Während des Vietnamkrieges haben<br />

unsere Berichte über die Vietcong gezeigt, <strong>das</strong>s die im Zeitalter<br />

des „Kalten Kriegs“ vermittelten Klischees einfach falsch waren.<br />

Vor unseren Kameras sprachen herkömmliche Freiheitskämpfer<br />

über ihre Vision nach dem Ende des Konflikts, über ihren Wunsch<br />

nach Frieden. Anfangs wurden diese Berichte nur zögernd gesendet,<br />

später waren sie Schrittmacher für die weitere Entwicklung.<br />

Eine ähnliche Situation könnte sich heute in Afghanistan anbahnen.<br />

Dabei zählt nicht <strong>das</strong> lautstarke Interview mit dem großsprecherischen<br />

„Warlord“. Wichtiger ist der intensive Dialog mit<br />

dem normalen Kämpfer, der erzählt, warum er sich den Taliban<br />

anschloss. Nur wenn wir ihre Motive hinterfragen und intensiv<br />

veröffentlichen, hat die Politik eine Chance, dem eigenen Klischeedenken<br />

zu entrinnen. Doch dazu gehört nicht nur der persönliche<br />

Mut des Krisenberichterstatters. Viel schwieriger war es in der<br />

Vergangenheit, die Hürden in den Köpfen der journalistischen<br />

Hierarchie zu überwinden. Deren Bedürfnis wird, wie der Fall von<br />

Verteidigungsminister zu Guttenberg mal wieder gezeigt hat, nur<br />

allzu häufig durch eloquent vorgetragene Sprechblasen ausreichend<br />

befriedet. Wird die Hierarchie sogar von der Politik ausgewählt,<br />

wie es in den öffentlich-rechtlichen Anstalten leider immer üblicher<br />

wird, hat der aufwendige Prozess der aufklärenden Krisenberichterstattung<br />

kaum eine Chance.<br />

„Das finde ich doch alles in Wikipedia“<br />

Überhaupt hat <strong>das</strong> Interesse der Redaktionen an jenen typischen<br />

Krisengebieten stark nachgelassen. Gesprächspartner, die die Probleme<br />

Afrikas, des Nahen Ostens oder gar Lateinamerikas wirklich<br />

kennen, sind heute in den Redaktionen eher selten anzutreffen.<br />

Diese Spezies wird im Zeitalter der „News-Desks“ eher belächelt.<br />

Ein Auslandsredakteur hat mir neulich auf die Frage, ob er die<br />

scharfsinnige Analyse in „Le Monde“ zur Verelendung Schwarzafrikas<br />

gelesen habe, geantwortet: „Das finde ich doch alles in<br />

Wikipedia.“<br />

Leider versagt hier auch die Medienforschung. Fast immer dauert<br />

es Jahrzehnte, bis die Berichterstattung über eine Krise mit<br />

den realen Entwicklungen verglichen wird. Dabei täte es der Zunft<br />

der Krisenberichterstatter nicht schlecht, wenn sie die Mängel<br />

ihrer Darstellungen zeitnah nachlesen könnten, denn leider gibt es<br />

nicht nur wie im Falle von Schwarzafrika eine unverantwortliche<br />

Stereotypisierung fremder Völker und Traditionen. Wichtige<br />

Eigenleistungen werden kaum zur Kenntnis genommen, allenfalls<br />

im Bericht über die Leistungen einer NGO erwähnt und damit<br />

natürlich Europa oder den USA zugeschlagen. Findet eine Krise<br />

in der Dritten Welt statt, so hat die Berichterstattung mit all<br />

diesen Klischees und der bisherigen Skandalisierung zu kämpfen.<br />

Die Wahrnehmung der Ereignisse wird dadurch automatisch<br />

selektiver und von den hinlänglich verbreiteten populären Vorurteilen<br />

konterkariert.<br />

Redaktionen könnten dem eine kontinuierliche Berichterstattung<br />

entgegensetzen, doch dazu fehlt in den am Erfolg orientierten<br />

Medien schon lange der Mut. Selbst Hintergrundseiten, aber auch<br />

TV-Magazine sind längst zu Anekdotenerzählern verkommen. Wo<br />

früher Leser und Zuschauer zu Recht für ihr Geld eine kritische<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

und informative Orientierung erwarten konnten, gibt es längst<br />

nur noch ein Fast Food der Banalitäten, garniert mit populären<br />

Vorurteilen. Die bekannten Raster der Konflikt- und Elendsdramaturgie<br />

unterwerfen zwangsläufig ganze pluralistische Kulturkreise<br />

einer Polarisierung, gegen die eine gute Krisenberichterstattung<br />

meist erfolglos ankämpfen muss. Kritik an fehlenden<br />

internationalen Vorbeugemaßnahmen hat, wie <strong>das</strong> Beispiel Haiti<br />

zeigt, keine Chance.<br />

Mangelnde Selbstkritik<br />

An dieser letzten Krise wurden alle Defizite und Vorurteile abgearbeitet.<br />

Anfangs wurde stark auf der Mitleidswelle gefahren.<br />

Welche Regierung der Staat hat und warum sie in der Not völlig<br />

versagte, erfuhren Leser und Zuschauer in der Primetime nicht.<br />

Als Nächstes kam die Lobpreisung der amerikanischen Anstrengung,<br />

bald darauf abgelöst von einer Beschwörung der amerikanischen<br />

Dominanz. Letzte Phase vor Abfassung dieses Beitrags war<br />

die ausführlich erörterte Vermutung, wegen dieser enormen Anstrengungen<br />

werde Haiti von den USA automatisch als Satellitenstaat<br />

annektiert werden. Belege für diese irrwitzige These gab es<br />

keine, aber die Autoren waren gut verwurzelt auf dem Humus<br />

gängiger Vorurteile.<br />

Dabei kann gute Krisenberichterstattung den Zeitgeist widerlegen,<br />

wonach alle Krisen letztlich selbstverschuldet sind. Aber<br />

nur wenige Redaktionen sind heute bereit, die differenzierten<br />

Zusammenhänge aufwendig darzustellen. Dabei wäre eine Enthüllung<br />

jener perfiden Mechanismen, die zu einer Krise führen,<br />

die vornehmste Aufgabe für Berichterstatter. Aber Recherchen<br />

über kommerzielle Interessen, Machtmissbrauch, aber auch häufig<br />

schlichte Schlamperei und Gleichgültigkeit, haben in der heutigen<br />

Medienwelt keinen Stellenwert. Die schnelle Enthüllung ist<br />

die Regel, egal, ob sie auch übermorgen noch einer Nachprüfung<br />

standhält.<br />

Die Fähigkeit, eigene Fehleinschätzungen nachträglich zu korrigieren,<br />

ist keine Stärke von Journalisten. Das gilt natürlich auch<br />

für Krisenreporter. Dieser Missstand ist hinlänglich bekannt, ohne<br />

<strong>das</strong>s eine Zentralredaktion daraus Schlüsse gezogen hätte. Diese<br />

mangelnde Selbstkritik führt aber zwangsläufig zu einer Verformung<br />

der demokratischen Öffentlichkeit. Wenn diese Erfahrungen<br />

nicht regelmäßig aufgearbeitet werden, begeben sich Reporter und<br />

Redaktionen außerhalb des politischen Diskurses mit ihren Konsumenten,<br />

von denen sie schließlich leben. Eine fundierte Analyse<br />

der Krisenberichterstattung – vom verwandten Vokabular und<br />

dem Missbrauch der Sprache bis hin zur absoluten Parteilichkeit –<br />

würde öffentliches Vertrauen wiederherstellen. Denn die Logik des<br />

Krieges war meist auch identisch mit der Logik der in der Krise<br />

verwandten Sprache. Allzu häufig befleißigen sich Reporter und<br />

Leitartikler der Sprache des Militärs und damit des Krieges. Richtig<br />

gute Krisenberichterstattung aber muss versuchen, die Sprache<br />

der Opfer zu nutzen.<br />

Christoph<br />

Maria<br />

Fröhder<br />

Freier Fernsehjournalist,<br />

Kriegsreporter, Autor<br />

CMF-TV@t-online.de


38<br />

Südafrika<br />

Land im<br />

Aufbruch<br />

Seite 40<br />

Mission<br />

<strong>2010</strong><br />

Seite 48<br />

Hoffnung<br />

Fußball<br />

Seite 50<br />

Grüner<br />

Daumen,<br />

großes<br />

Herz<br />

Seite 53<br />

Überleben<br />

in Beverly<br />

Hills<br />

Seite 56<br />

Ein starkes<br />

Duo<br />

Seite 58<br />

Zwischen<br />

Himmel<br />

und Erde<br />

Seite 60<br />

Sauvignon<br />

Blanc hilft<br />

Seite 64<br />

Lebensart<br />

am Kap<br />

Seite 66<br />

Die<br />

Strauße<br />

sind los<br />

Seite 68<br />

Fairer<br />

reisen<br />

Seite 70<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Noch wenige Wochen, dann<br />

ist es so weit: Mit der Fußballweltmeisterschaft<br />

steigt<br />

einmal mehr <strong>das</strong> neben den<br />

Olympischen Spielen größte<br />

Sportereignis der Welt. Doch<br />

werden wir diesmal kein gewöhnliches<br />

Turnier erleben:<br />

Denn zum ersten Mal in ihrer<br />

Geschichte wird die Fußballweltmeisterschaft<br />

auf dem<br />

Schwarzen Kontinent ausgetragen.<br />

Für den Ausrichter<br />

Südafrika eine ganz besondere<br />

Ehre – und zugleich eine<br />

enorme Herausforderung.<br />

Ist <strong>das</strong> von schroffen Gegensätzen<br />

gekennzeichnete<br />

Land schon bereit, die Welt<br />

zu empfangen? Kann <strong>das</strong><br />

Sportspektakel die wirtschaftliche<br />

und gesellschaftliche<br />

Entwicklung Südafrikas<br />

positiv beeinflussen? Und<br />

welche Fortschritte hat die<br />

„Rainbow Nation“ seit dem<br />

Ende der Apartheid gemacht?<br />

Fragen, auf die eine<br />

bunt gemischte Journalistentruppe<br />

bei der zweiwöchigen<br />

FPC-Reise im November<br />

2009 ebenso spannende<br />

wie überraschende Antworten<br />

fand.<br />

39<br />

Cup der Guten Hoffnung<br />

Druckgrafik: Uwe Broschk


40 Südafrika<br />

Land im Aufbruch<br />

Townships und Luxusvillen,<br />

Fair-Trade-Tourismus und Aids,<br />

Bildungsarmut und Wirtschaftswachstum,<br />

Megastädte,<br />

archaische Traditionen und<br />

eine atemberaubende Natur:<br />

Das heutige Südafrika ist nicht<br />

nur ein Land voller Gegensätze,<br />

sondern auch eine Nation<br />

im Wandel. Wenige Monate vor<br />

Beginn der Fußballweltmeisterschaft<br />

sprachen die FPC-Reisenden<br />

in der Heimat Nelson<br />

Mandelas mit Botschaftern und<br />

Wirtschaftsexperten, mit Weinbauern<br />

und Hoteliers, mit<br />

Machern von Hilfsprojekten.<br />

Und natürlich mit den Menschen<br />

auf der Straße, die<br />

trotz aller Sorgen versuchen,<br />

optimistisch in die Zukunft zu<br />

schauen.<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Sieht aus wie ein Straßenfest, ist aber eine Demo:<br />

Arbeiter vor dem Rathaus in Kapstadt<br />

41


42 Südafrika<br />

Entlang der „Garden Route“: Townships und der neue Wohlstand<br />

Aus dunklen Holzpfählen gezimmert stehen<br />

sie da, die Hütten hoch oben über der<br />

Bucht von Knysna Bay. Mit herrlichem<br />

Ausblick auf die glitzernde Lagune. Gleich<br />

daneben mit dem gleichen Ausblick liegt<br />

<strong>das</strong> Villenviertel. Und wir dazwischen mit<br />

unserem Bus. Es sind Gegensätze wie diese<br />

– oder wie die Südafrikaner sagen, diese<br />

„Vielfalt“ – die uns auf unserer Reise durch<br />

Südafrika ständig begleiten. Sichtbar, spürbar<br />

und erfahrbar gemacht durch überwältigend<br />

schöne, aber auch berührende, erschreckende<br />

Bilder, beeindruckende Gesprächspartner<br />

und nicht zuletzt Reiseführer Hajo<br />

Kowalke, den Wahlkapstädter aus Berlin,<br />

der uns viel über <strong>das</strong> Land verrät und fürsorglich<br />

auf alle 34 Reisenden achtet.<br />

Angefangen haben wir unserer Reise<br />

im Norden, in der Provinz Limpopo. Auf<br />

dem Weg dorthin vom Flughafen Johannesburg<br />

machen wir uns gleich mit südafri -<br />

kanischen Sicherheitsmaßnahmen vertraut:<br />

Unser Bus muss auf eine Wiegebrücke fahren.<br />

19.340 Kilo bringt er – uns inklusive<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

– auf die Waage. Der Uniformierte nickt,<br />

wir dürfen weiterfahren. „Viele Autos sind<br />

überladen, deshalb gibt es hier solche<br />

Kontrollen häufig“, erklärt Kowalke. Und<br />

er soll Recht behalten.<br />

Schub für die Infrastruktur<br />

Kurz vor dem ersten Ziel geht es mit dem<br />

Bus sowieso nicht mehr weiter. Auf den roten,<br />

sandigen Wegen der Thandeka Game<br />

Lodge Reserves rollen nur noch Jeeps. Zwei<br />

Ranger holen uns ab und bringen uns zu<br />

unseren Zelten. Und später auch zu unseren<br />

Safari-Touren mitten hinein in die Savanne,<br />

wo wir drei der „Big Five“ zu Gesicht<br />

bekommen: friedlich grasende Nashörner,<br />

stolzierende Giraffen und Kaffern-Büffel<br />

mit beeindruckendem Geweih. Nur Leoparden<br />

zeigen sich nicht. Sie sind nachtaktive<br />

Tiere, wie uns erzählt wird, aber dafür sehen<br />

wir um so mehr Zebras und Antilopen.<br />

Von letzteren gibt es dann abends Gegrilltes.<br />

Zum Ende des Abendessens wird es<br />

plötzlich laut. Das Personal, allesamt<br />

Schwarze, beenden <strong>das</strong> Dinner mit Gesang<br />

und Tanz. Dieses Ritual wird uns noch oft<br />

auf der Reise begegnen, aber nie mehr so<br />

fröhlich wie dort. Auch die Nächte im großen<br />

Zelt, <strong>das</strong> unter der dicken Plane mit<br />

Betten, festem Boden und Sanitäranlagen<br />

aus Keramik ausgestattet ist, sind geräuschvoll.<br />

Unter dem klaren Sternenhimmel raschelt<br />

es in den Büschen, die Grillen zirpen,<br />

und sogar ein Warzenschwein soll einem<br />

der Zelte nahe gekommen sein.<br />

Die folgenden Tage zeigen uns, <strong>das</strong>s ein<br />

solches Zelt für viele schwarze Südafrikaner<br />

Luxus wäre. Nach einem Abstecher zu<br />

Sterkfontain, einer Ausgrabungsstätte<br />

hominider Fossilien, die in <strong>das</strong> Weltkultur -<br />

erbe der UNESCO aufgenommen wurde<br />

und als „Wiege der Menschheit“ gilt, fahren<br />

wir in die Hauptstadt Pretoria und die größte<br />

Stadt, Johannesburg. Vorbei an Villen,<br />

alle mit meterhohen Mauern und Stacheldraht<br />

umzäunt, und daran anschließend<br />

an kilometerlangen Straßenzügen mit ärmlichen<br />

Hütten. Wir passieren dutzende<br />

43<br />

Blick auf die Waterfront von Kapstadt. Der Hafen und<br />

<strong>das</strong> ihn umgebende Ausgehviertel gehören zu den Touristen -<br />

attraktionen der Stadt. Im Hintergrund: der Tafelberg<br />

Baustellen mit Brückenpfeilern und auf -<br />

gerissenem Asphalt. Südafrika rüstet sich<br />

für die Fußball-WM. Sie bringt Geld für<br />

die Infrastruktur, aber auch Aufmerksamkeit<br />

für die Verhältnisse im Land, an dessen<br />

Spitze der Zulu Jacob Zuma regiert. Ein<br />

Präsident, der in der Gefangenschaft mit<br />

Nelson Mandela auf Robben Island Lesen<br />

und Schreiben gelernt hat – und dessen<br />

robuster Stil in der deutschen <strong>Presse</strong> oft ein<br />

schlechtes Echo findet.<br />

Wunden der Apartheid<br />

Ihn und sein Land aber nicht nur mit unseren<br />

Maßstäben zu messen, darum bittet<br />

Botschafter Dieter Haller bei unserem Besuch<br />

in der Deutschen Botschaft in Pretoria.<br />

Zuma habe den zerstrittenen ANC geeint,<br />

einen Buren in die Regierung geholt, und<br />

er nenne die Probleme des Landes wie Aids<br />

und Kriminalität beim Namen. Er fördere<br />

Bildung, Gesundheit und Wirtschafts bezie -<br />

hungen. Südafrika sei im Aufbruch. „Aber<br />

man muss sich dem Land aus historischer<br />

Perspektive nähern“, fordert Haller. Erst<br />

seit 15 Jahren eine Demokratie, sei <strong>das</strong> Land<br />

noch stark geprägt von den Wunden der<br />

Apartheid. Da seien noch immer tiefe Gräben,<br />

die man nicht in einer Generation<br />

überwinden könne – ein Land, in dem erste,<br />

zweite und dritte Welt zusammenkämen.<br />

Verglichen mit der Ausgangssituation habe<br />

<strong>das</strong> Land jedoch unglaubliche Fortschritte<br />

gemacht. „Die Gesellschaft hat sich ein Programm<br />

der Transformation verordnet –<br />

nicht nur in der Verfassung, sondern auch<br />

im konkreten Leben.“ Eines der wichtigsten<br />

Themen dabei ist die Bildung, die die neue<br />

Regierung vorantreiben will. Unter der<br />

Apartheid erhielten Schwarze (Afrikaner)<br />

und Farbige (Mischlinge) nur ein Minimum<br />

an schulischer Bildung, höhere Bildung<br />

war Weißen vorbehalten. Auch berufliche<br />

Ausbildung fehlte. Heute leben 13 Millionen<br />

Südafrikaner von Sozialleistungen.<br />

Hinzu kämen aufgrund der liberalen Flüchtlingspolitik<br />

noch Millionen afrikanischer<br />

Einwanderer, die Arbeit suchten.<br />

Finanziell gehe es dem Land verglichen<br />

mit anderen afrikanischen Staaten gut. Als<br />

Sprecher der afrikanischen Gruppe sei Südafrika<br />

wirtschaftlich Vorreiter des Kontinents.<br />

„Südafrika braucht keine finanziellen<br />

Ressourcen aber Angebote für Wissenstransfer.“<br />

Wichtig sei es, eigene Ressourcen<br />

zu nutzen und die Infrastruktur zu verbessern.<br />

Beispiele seien ein Kleinkreditprogramm<br />

oder der Ausbau von Einkaufsmöglichkeiten.<br />

Zum ersten Mal trägt die Fifa <strong>das</strong><br />

WM-Turnier auf dem afrikanischen Kontinent<br />

aus. Darauf sei <strong>das</strong> Land stolz, sagt<br />

der Diplomat und ist überzeugt, „<strong>das</strong>s Südafrika<br />

es schaffen wird“. Für Südafrika bedeute<br />

die WM einen „Quantensprung an<br />

Infrastruktur.“ Sie wirke als Konjunkturprogramm<br />

und helfe auch, mentale Gräben<br />

zu schließen. „Die Regierung hat großes<br />

Interesse, <strong>das</strong>s von der WM etwas im Land<br />

zurückbleibt. Auch der Tourismus soll gefördert<br />

werden.“ Journalisten mahnte er zu<br />

genauerem Hinschauen und differenzierter<br />

Berichterstattung. Dies gelte auch im Bezug<br />

auf die Kriminalität, die zwar vorhanden<br />

sei. Aber es sei sicher keine Gesellschaft,<br />

die zu Gewalt neige. Haller hat keine<br />

Zweifel, <strong>das</strong>s die Organisatoren Sicherheit<br />

für die Besucher gewährleisteten.<br />

Er jedenfalls fühle sich im Land wohl.<br />

Wie Talente gefördert werden können,<br />

berichtet uns Matthias Boddenberg von der<br />

Deutschen Industrie- und Außenhandelskammer<br />

in Johannesburg. Es gebe Projekte<br />

und Trainingsprogramme, die der schwarzen<br />

Bevölkerung helfen sollen, sich zu qualifizieren.<br />

Daran nähmen auch viele der 450<br />

deutschen Firmen im Land, insbesondere<br />

Autofirmen, teil. „Die deutsche Wirtschaft<br />

ist hier tief verankert“, berichtet er. Deutsche<br />

Firmen finanzieren auch Ausbildungsprojekte.<br />

Seit 1993 würden etwa Bauarbeiter<br />

sowie Installateure in einem Trainingszentrum<br />

in Soweto trainiert. Ein anderes<br />

Projekt fördere Studierende, um die dringend<br />

benötigten Ingenieure zu bekommen.<br />

Nach dem Ende der Apartheid seien durch<br />

den Wegzug vieler Weißer auch viele Fachkräfte<br />

im Bergbau verloren gegangen. Im<br />

Fotos: Rainer Rüffer


44 Südafrika<br />

Südlicher geht’s kaum: die FPC-Reisenden am Kap der Guten Hoffnung<br />

halbstaatlichen Bereich seien wiederum<br />

viele entlassen worden. Boddenberg hofft<br />

jetzt auf Nachwuchs von den Universitäten.<br />

Ob <strong>das</strong> reiche, wisse er nicht. Eines<br />

sei klar: „Der Faktor der Ungleichheit zwischen<br />

Arm und Reich ist in Südafrika am<br />

höchsten von allen Ländern.“ Nur die<br />

Bezahlung von Schwarzen und Weißen<br />

sei inzwischen ausgeglichen.<br />

Townships und sozialer Wohnungsbau<br />

Auch Boddenberg verbindet mit der Fußball-WM<br />

vor allem gewaltige Infrastrukturmaßnahmen.<br />

Beim Bau der Stadien oder<br />

der Bahn sei Deutschland „überproportional<br />

stark vertreten.“ Wichtig sei jedoch<br />

auch <strong>das</strong> soziale Engagement der Firmen.<br />

Dazu gehörten Schul- und Anti-Aids-Projekte.<br />

Doch auch die Regierung bemüht<br />

sich um den Aufbau von Wirtschaft und<br />

Gesellschaft. Ein Programm habe 2,7<br />

Millionen Häuser für 10 Millionen Menschen<br />

geschaffen, ein anderes Sozialwohnungen<br />

für Besserverdienende gefördert,<br />

berichtet Boddenberg. „Was noch fehlt, ist<br />

ein vom Privatmarkt getragener sozialer<br />

Wohnungsbau.“ Negativ dagegen bewertet<br />

er die mangelhafte Erschließung von<br />

Wohngebieten. Die Regierung unter Zuma<br />

verspreche viel, es passiere aber in vielen<br />

Gebieten wenig und dort gebe es Unruhen.<br />

„Dieser Effekt macht uns Sorge.“ Positiv<br />

sei dennoch <strong>das</strong> Wachsen der schwarzen<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Mittelschicht – seit 2005 immerhin um<br />

etwa 30 Prozent. Die Kaufkraft steige,<br />

30 Prozent wohnten bereits in einem festen<br />

Haus.<br />

Wie solche festen Häuser aussehen und<br />

welche Unterschiede es in den Townships<br />

gibt, davon können wir uns am nächsten<br />

Tag überzeugen. Während ein Teil der<br />

Gruppe im ärmsten Stadtviertel Mamelodi<br />

ein Schul-Projekt der GTZ besucht, fahren<br />

wir Richtung Soweto. Der Besuch im<br />

Apartheidmuseum stimmt uns mit der<br />

schonungslosen Darstellung der historischen<br />

Entwicklung des Regimes und seiner<br />

Opfer eindrucksvoll auf die Realität ein.<br />

Die gelben Abraumhalden am Stadtrand<br />

dokumentieren eine der wesentlichen Voraussetzungen<br />

der Apartheid: Gold. Um <strong>das</strong><br />

Edelmetall zu schürfen, holten weiße Minenbesitzer<br />

um die Jahrhundertwende<br />

Tausende schwarze Arbeiter nach Südafrika.<br />

Und sie sind geblieben. Noch immer arbeiten<br />

150.000 in den Minen. Sie wohnen<br />

in Wohnheimen der Townships, die ihnen<br />

zugewiesen wurden. Etwa in Soweto, dem<br />

South-West-Township – früher eines<br />

der ärmsten und hauptsächlich eine Schlafstadt.<br />

Jetzt eine eigene Stadt mit 2 Millionen<br />

Menschen, mit Familien und wachsender<br />

Infrastruktur. DPA-Korrespondent Ralf<br />

Krüger, der uns an diesem Tag begleitet,<br />

zeigt sie uns. Wir sehen kilometerlange<br />

Straßenzüge mit Häusern und Hütten.<br />

Viele von Ihnen sind erst seit 1994 elektrifiziert<br />

und mit Wasseranschluss versehen<br />

worden. In einem der Viertel stehen Häuser<br />

mit Vorgarten, Terrasse und Garage.<br />

Ein paar Straßenzüge weiter ordnen sich<br />

die vom Staat und der Stadt geförderten<br />

„Matchboxhouses“, etwa 40 Quadratmeter<br />

ummauerter staatlich geförderter Raum<br />

mit Dach, in Reih und Glied. Einige hundert<br />

Meter weiter, unter einer Brücke drängen<br />

sich dutzende Wellblechhütten dicht<br />

an dicht. Vor einigen sitzen schwarze Frauen<br />

mit Kindern auf dem Arm. Ein paar<br />

Meter weiter werden neuer Bürgersteig<br />

verlegt und Kanalisation ausgehoben.<br />

Die schwarze Mittelschicht wächst<br />

Die offensichtliche Armut ist der Hauptgrund<br />

für die hohe Kriminalitätsrate des<br />

Landes. Soweto hat <strong>das</strong> größte Krankenhaus<br />

Afrikas, nirgendwo sonst werden so viele<br />

Verwundete mit Stich- und Schusswunden<br />

behandelt. Deshalb schicken sogar Bundeswehr<br />

und die britische Armee ihre Ärzte<br />

zur Ausbildung dorthin, wie uns Krüger<br />

erzählt. Einige Straßen weiter erblicken wir<br />

eine große Shopping-Mall – die erste in<br />

Soweto, erbaut von einem schwarzen Geschäftsmann.<br />

Nicht nur die schwarze<br />

Mittelschicht wachse, es gebe sogar eine<br />

Elite, die sogenannten „Black Diamonds“,<br />

sagt Krüger. Sie sind stolz auf ihre Herkunft:<br />

„Soweto ist so etwas wie der Orden,<br />

der einem anhaftet, auch wenn man es<br />

zu etwas gebracht hat.“ Es geht voran –<br />

spürbar, aber langsam.<br />

Das zeigt sich auch im Nahverkehr, der<br />

im Zuge der WM ausgebaut wird. Bisher<br />

bestand dieser fast ausschließlich aus Minibus-Taxis,<br />

die wir überall auf den Straßen<br />

sehen. Die Apartheid hatte für Schwarze<br />

und Farbige keine Busse oder Bahnen vor -<br />

gesehen. Sie sollten laufen. Jetzt sehen wir<br />

sogar eine Straßenbahnlinie in Soweto.<br />

Doch von Bussen und Bahnen gibt es viel<br />

weniger, als geplant waren, berichtet uns<br />

Krüger. Denn die Minibus-Besitzer fürchteten<br />

um ihre Existenz und verteidigten<br />

sie mit allen Mitteln. Obwohl der Ruf der<br />

45<br />

Taxis nicht der beste sei – „als fahrende<br />

Särge“ seien sie verschrien. Noch gefährlicher<br />

sei jedoch die Bahn. „Es kann unter<br />

Umständen lebensverkürzend sein, die<br />

Eisenbahn zu nehmen“, sagt uns Krüger,<br />

der den Transport der Fans zur WM für<br />

schwierig hält.<br />

Zuvor hatte uns der Journalist und Fußballfan<br />

dank seiner Kontakte noch einen<br />

Abstecher nach Soccer City ermöglicht, dem<br />

neu gebauten Stadion am Rande Sowetos<br />

mit 95.000 Plätzen. Das riesige Rund ist<br />

nicht nur in den Farben Afrikas gestaltet,<br />

sondern auch fast fertiggestellt. Nur an den<br />

Außenanlagen werkeln noch Bauarbeiter.<br />

Einen Einblick in <strong>das</strong> Innere des Stadions<br />

erhalten wir nicht, aber dafür einen in den<br />

modernen runden Anbau der South African<br />

Broadcasting Corporation, ausgerüstet für<br />

<strong>Presse</strong> und Fernsehübertragungen. „Ich<br />

hatte nie Zweifel, <strong>das</strong>s die Stadien fertig<br />

werden“, sagt Krüger. Zweifel hat er eher<br />

daran, ob so viele Zuschauer kommen<br />

wie erhofft, ob die ärmeren auch Karten<br />

erhalten wie versprochen, und ob die WM<br />

nachhaltig <strong>das</strong> Land voranbringen kann.<br />

Doch neben einem Aufschwung könne die<br />

WM <strong>das</strong> Land zumindest in einem Punkt<br />

zusammenschweißen, meint er: „Fußball<br />

ist ein sehr afrikanischer Sport. Durch die<br />

Apartheid kam die Trennung – Weiße<br />

spielten Cricket oder Rugby, Schwarze<br />

Fußball. Jetzt, wie bereits zum Confed-Cup,<br />

zeigen zum ersten Mal auch die Weißen<br />

Interesse an Fußball.“<br />

Strenge FIFA-Auflagen<br />

Ausführlich begutachten dürfen wir dagegen<br />

<strong>das</strong> 62.000 Zuschauer fassenden Ellis<br />

Park Stadion, dessen Sponsor die Besucher<br />

gleich mit einem meterhohen rot-weißen<br />

Coca-Cola-Schild begrüßt. Ein Führer<br />

zeigt uns stolz alle Bereiche. Die strengen<br />

Auflagen der Fifa, die <strong>das</strong> Stadion vier<br />

Wochen vor der WM übernimmt, seien<br />

fast erfüllt, sagt er: Wir sehen großzügige<br />

Fluchtwege und viel Platz, im modernisiertes<br />

Stadien-Innenraum rote, teils behindertengerechte<br />

Sitzreihen, dazu die Präsidentensuite,<br />

die „Mandela-Lounge“, und<br />

ein Center für <strong>Presse</strong>konferenzen mit 122<br />

Plätzen. Der Preis für ein normales Liga-<br />

Fußballspiel ist hier mit 20-50 Rand für<br />

die ärmeren Fußballfans noch erschwinglich.<br />

Im strömenden Regen prüfen wir den<br />

Rasen jedoch nur vom Spielfeldrand aus<br />

und steigen stattdessen noch in die trockenen,<br />

wenn auch spartanisch eingerichteten<br />

Umkleidekabinen und Duschräume hinab.<br />

Ein Flug nach Port Elisabeth bringt uns<br />

am nächsten Tag in den Süden des Landes.<br />

Das Stadion, in dem auch die deutsche<br />

Mannschaft spielen wird, sehen wir nur aus<br />

der Ferne und nehmen Kurs auf die Küste.<br />

Zur Rechten die grünen Tsitsikamma-Berge,<br />

deren Bäume in früheren Zeiten viel Holz<br />

lieferten und zum Wohlstand der Region<br />

beitrugen, wie unser Guide Hajo erzählt,<br />

und zur Linken <strong>das</strong> Meer, fahren wir Richtung<br />

Plettenberg Bay. Im Weingut Bramon<br />

berichten uns Besitzer Peter Thorpe sowie<br />

die Marketingchefin der nahen Hog Hollow<br />

Lodge nicht nur von ihren Plänen, den<br />

großen Weingutsbesitzern Konkurrenz zu<br />

machen, sondern auch wie es gelingen<br />

kann, Gewinn mit sozialem Engagement<br />

für die Region zu verbinden.<br />

Die Garden Route und die Geschichte<br />

ihres Namens – den sie von den Seefahrern<br />

erhielt, weil sie sich nach langer Reise im<br />

Garten Eden glaubten – erfahren wir im<br />

Bus. Vorbei an dicht bewaldeten Hügeln<br />

und sandigen Stränden, an den umzäunten<br />

Wochenendvillen auf den einen Hügeln<br />

der Knysna Bucht und den Holzbaracken<br />

auf der anderen, die, wie wir erfahren,<br />

nicht abgerissen werden dürfen. In Süd -<br />

Im bunten Kapstädter Malay-Viertel wohnten einst die Sklaven, die im 17. Jahrhundert aus Asien nach Südafrika gebracht worden waren, und ihre Nachfahren


46 Südafrika<br />

afrika gelte <strong>das</strong> Gesetz des „Common<br />

Ground“: „Wer es schafft, über Nacht eine<br />

Hütte zu bauen, der darf dort bleiben.“<br />

Auch <strong>das</strong> ist ein Grund, warum in jedem<br />

Ort viele solcher „Shacks“ zu finden sind.<br />

Jeder Ort in Südafrika hat ein Township.<br />

Atemberaubende Natur<br />

Die einzigartige Vielfalt und Schönheit der<br />

Landschaft erfahren wir am nächsten Tag,<br />

an dem wir 500 Kilometer zurücklegen.<br />

Zunächst an der Küste entlang. Der enge<br />

Zeitplan gönnt uns nur wenige Ausstiege<br />

aus dem Bus, so oberhalb der Plettenberg<br />

Bay. Im strahlenden Sonnenlicht dehnt sich<br />

ein kilometerbreiter Strand, an dem nur<br />

zwei Spaziergänger laufen. Daneben ragt die<br />

Kaaimans River Bridge über die gleichnamige<br />

Bucht, über die früher die berühmte<br />

Eisenbahn Outeniqua Choo Tjoe rollte. Wir<br />

folgen dem Flusslauf, fahren dann über einsame<br />

Passstraßen durch die grünen Outeniqua-<br />

Berge und die karge Halb wüste „kleine<br />

Karoo“ vorbei an Straußen, die auf den<br />

kargen Böden picken, bis nach Oudtshoorn<br />

und besuchen dort eine Straußenfarm –<br />

und wieder den langen Weg zurück.<br />

Erschöpft und hungrig bleibt uns abends<br />

nur noch der letzte Blick auf den Sonnenuntergang<br />

vom Sumandge Wine Estate bei<br />

Hermanus, auf dem wir Weinkenner der<br />

Region treffen. Einige von Ihnen, wie der<br />

deutsche Sommelier Jörg Pfützner, werden<br />

uns in den kommenden Tagen begleiten.<br />

Den eindrucksvollsten Einblick in ein<br />

Leben eines solchen Gutsbesitzers gewährt<br />

uns etwa Hamilton Russel auf seiner ita -<br />

lienischen Residenz, die ihn nach eigenen<br />

Aussagen etwa so viel gekostet hat wie eine<br />

Zweizimmer-Wohnung in London. Den<br />

höchsten Überblick wiederum erlaubt uns<br />

Hans Schröder nachdem er uns mit Jeeps<br />

auf seine Weinberge bei Stellenbosch gebracht<br />

hat. Einen bleibenden Eindruck<br />

der herrschenden Klasse vermittelte Fred<br />

Uhlendorff von Palmiet Valley.<br />

Wahrhafte Größe sehen wir dann in der<br />

Walker-Bay beim Wale-Watching. In der<br />

geschützten Bucht gebären Southern Right<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Wale ihre Jungen und füttern sie. Ihre volle<br />

Schönheit können wir jedoch nur erahnen:<br />

ab und zu sehen wir ein Stück des Rückens<br />

der Tiere, ab und zu den Teil einer<br />

Schwanzflosse. Der springende Wal jedoch<br />

scheint eine Mär zu sein. Mittags haben<br />

wir wieder festen Boden unter den Füßen.<br />

Michael Lutzeyer, Besitzer des Naturreservats<br />

Grootbos und der gleichnamigen Öko-<br />

Nobellodge bei Hermanus, führt uns nicht<br />

nur durch seine Baumschule, in der er junge<br />

Schwarze ausbildet, sondern stellt uns<br />

auch sein Fußballprojekt im Township von<br />

Gansbaai vor. Damit will er die Integration<br />

zwischen Schwarzen und Weißen fördern.<br />

Pflänzchen der Hoffnung<br />

Das letzte Stück der Garden Route führt<br />

uns über den südlichsten Zipfel Afrikas<br />

entlang der False Bay, in der früher oft<br />

Schiffe strandeten, bis hin nach Kapstadt.<br />

Der Tafelberg empfängt uns mit all seiner<br />

Schönheit. Ohne „Tischdecke“, wie die<br />

häufigen Nebel genannt werden, und ohne<br />

Wind. Wir können also auf den Gipfel. In<br />

fünf Minuten bringt uns die Seilbahn auf<br />

den Berg – eine Höhendifferenz von knapp<br />

1.000 Metern. Unter uns liegen die Innenstadt,<br />

der Hafen, <strong>das</strong> Stadion „Greenpoint“,<br />

links und rechts die Berge Lions Head und<br />

Devil’s Peak – die ganze Bucht einschließlich<br />

Robben Island, wo Nelson Mandela<br />

inhaftiert war. 140.000 Deutsche leben in<br />

Kapstadt – zwischen dem Nobelviertel<br />

Camps Bay und den riesigen Armenvierteln<br />

der Stadt Capes Flat. Ein wenig von<br />

der Vielfalt der Einwanderstadt erahnen<br />

wir bei der Rundfahrt, vorbei an den bunt<br />

angestrichenen Häusern im Cap-Malay-<br />

Viertel, an der Waterfront-Einkaufsmeile,<br />

beim Gang vom Slavehouse durch den Park<br />

– dem einstigen Gemüsegarten der East-<br />

India-Company – bis zu unserem Domizil<br />

in der Longstreet, die ein wenig aussieht,<br />

als gehöre sie nach New Orleans. Und sie<br />

ist ähnlich laut. Übrigens nicht nur spät<br />

abends in der Bar „Mama Africa“, wo wir<br />

uns vom musikalischen Talent einheimi -<br />

scher Bands überzeugen lassen.<br />

Wie Einheimische und Zugewanderte<br />

den Armen helfen, <strong>das</strong> lernen wir auf eindrucksvolle<br />

Weise im Projekt von Nolita<br />

und Elke Geising im größten Township<br />

Kapstadts, in Kayelitsha. Wie die anderen<br />

Townships ist es auf den Sandbänken<br />

gebaut – den einzigen Platz den man den<br />

Schwarzen zu Zeiten der Apartheid zuwies<br />

und auf dem sie eigentlich nichts anbauen<br />

können. Wie es trotzdem gelingen kann,<br />

nicht nur grüne, sondern auch Pflänzchen<br />

der Hoffnung zu züchten, erfahren wir<br />

beim Besuch der Suppenküche für Aidskranke<br />

im Projekt.<br />

Dass Weiße mit Pioniergeist nach wie<br />

vor gute Chancen haben, sich in Kapstadt<br />

eine lukrative Existenz aufzubauen, zeigen<br />

uns etwa der Hoteldirektor Nils Heckscher,<br />

Sohn des deutschen Moderators Dieter-<br />

Thomas Heck, den wir in seinem Nobel -<br />

hotel Wincester Mansion besuchen, oder<br />

der Friseur und Stylist Matthias Scheufler.<br />

Er arbeitet im neu errichteten Cape Quartier,<br />

einem Shopping Center mit 100<br />

Geschäften, <strong>das</strong> zur WM zahlungskräftige<br />

Kunden anlocken soll und mit komplett<br />

ausgestatteten Luxus-Suiten sogar dauerhaften<br />

Wohnraum bietet.<br />

Vielfalt in Tier- und Pflanzenwelt präsentiert<br />

sich schließlich auf der Fahrt zum<br />

Kap der guten Hoffnung durch den Nationalpark.<br />

Entlang schroffer Felswände, vorbei<br />

an feinsandigen, Stränden und Feldern<br />

mit seltenen Pflanzen und wilden Affen.<br />

Wir sehen Robben, die sich auf einem Felsen<br />

im Meer räkeln und auf dem Rückweg<br />

nach Kapstadt sogar noch Pinguine. Sie,<br />

die man eher im ewigen Eis vermutet,<br />

watscheln direkt vor uns durch den heißen<br />

Sand. Zwei Dinge, die scheinbar nicht<br />

zusammenpassen und trotzdem beeindruckende<br />

Wirklichkeit sind. Wie so vieles<br />

in Südafrika.<br />

Michaela<br />

Schmehl<br />

Redakteurin ZDF<br />

office@ michaelaschmehl.de<br />

47<br />

„Nur ein Event“<br />

Hotelier Heckscher dämpft Erwartungen an die WM<br />

Hotelier Nils Heckscher sieht die Euphorie im Hinblick auf die Fußball-WM<br />

in Südafrika mit gemischten Gefühlen. „Viele sind in Goldgräberstimmung“,<br />

sagt der Mittvierziger, der in Kapstadt sein Zuhause gefunden hat.<br />

Er ist der Sohn von Dieter Thomas Heck, dem Urgestein der deutschen<br />

TV-Unterhaltung, hat selber mit dem Showbusiness aber wenig am Hut.<br />

Der Chef des Winchester Mansions, eines Viersternehotels im kapholländischen<br />

Stil mit Blick auf den Atlantik, befürchtet, <strong>das</strong>s nicht alle<br />

Geschäftsideen die WM-Zeit im Sommer <strong>2010</strong> erfolgreich überdauern.<br />

Foto: Rainer Rüffer<br />

„Meine Prognose ist, <strong>das</strong>s einige Leute heute in einem Jahr wieder zumachen<br />

müssen.“ Heckscher hat als Page im Berliner Kempinski angefangen<br />

und ist gelernter Koch. Anfang der Neunziger zog er nach Kapstadt, hier<br />

lebt der gefragte Hotelier mit seiner Frau, die aus Flensburg kommt, und<br />

seinen beiden Töchtern. Das Turnier, <strong>das</strong> dem Tourismus und der Hotelbranche<br />

einen Boom bescheren soll, sei eine große Chance, <strong>das</strong>s sich<br />

Südafrika nach außen darstellen könne, sagt Heckscher. „Aber die WM ist<br />

nur ein Event, sie wird nicht alles retten“, dämpft er gleichzeitig allzu hohe<br />

Erwartungen. Dennoch ist die Freude auch bei ihm groß – schon deshalb,<br />

weil ihn sein Vater zum Event besuchen will. In der neuen Heimat Südafrika<br />

hatte Heckscher aber auch schwere Zeit durchmachen müssen: Sieben<br />

Monate lang war er arbeitslos und fuhr Gebisse aus. Diese Zeit habe ihm<br />

auch ein wenig die Augen geöffnet. Er habe gespürt wie sehr so etwas am<br />

Selbstwertgefühl kratze, erzählt der Unternehmer, der sich Zeit für ein ausführliches<br />

Gespräch genommen hat. Vor 14 Jahren übernahm Heckscher<br />

<strong>das</strong> Hotel Winchester Mansions und baute <strong>das</strong> ein wenig altbacken wirkende<br />

Haus zu einem Viersternehotel mit heute rund 130 Angestellten um.<br />

Monika<br />

Wendel<br />

Redakteurin dpa<br />

Wendel.Monika@<br />

dpa.com


Druckgrafiken: Uwe Broschk<br />

48 Südafrika<br />

Mission <strong>2010</strong><br />

Warum die Weltmeisterschaft für Südafrika mehr als ein Fußballturnier ist<br />

So bunt wie auf den Flaggen<br />

der 32 Fußball-WM-<br />

Teilnehmer wird es vom<br />

11. Juni bis zum 11. Juli<br />

<strong>2010</strong> auch in den Stadien<br />

und auf den Straßen Südafrikas<br />

zugehen. Das Land<br />

selbst will durch <strong>das</strong> Turnier<br />

wirtschaftlich, kulturell<br />

und sozial in neue Dimensionen<br />

vorstoßen.<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

„Wichtig ist auf dem Platz.“ Sepp Herberger<br />

hat <strong>das</strong> so unverwechselbar schlicht vor<br />

einer halben Ewigkeit gesagt, und er hat<br />

dem Fußball noch einige andere Weisheiten<br />

als eine Art in Stein gemeißeltes<br />

Vermächtnis hinterlassen. Man könnte den<br />

alten Bundestrainer so verstehen: Nach<br />

neunzig und ein paar mehr Minuten, dann,<br />

wenn der Schiedsrichter ein Spiel abpfeift,<br />

zählt allein noch <strong>das</strong> Ergebnis. Nicht mehr,<br />

aber auch nicht weniger.<br />

Das galt dann natürlich auch für die<br />

Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland.<br />

Wäre der Gastgeber damals sangund<br />

klanglos in der Vorrunde gescheitert<br />

oder spätestens im Achtelfinale ausgeschieden,<br />

hätte er sich bis auf die Knochen<br />

blamiert, wer weiß, ob sich in diesem Land<br />

diese einzigartige Stimmung wie erlebt<br />

hätte entfalten können. Doch die Nationalmannschaft<br />

wurde bekanntlich aller Ehren<br />

wert am Ende Dritter.<br />

Dieser Sommer vor vier Jahren wird deshalb<br />

als Märchen in die Geschichte eingehen.<br />

Die Welt zu Gast bei Freunden reibt<br />

sich noch heute verwundert die Augen,<br />

und wir wissen: „Wichtig ist auch neben<br />

dem Platz.“ Herberger hätte <strong>das</strong> eigentlich<br />

wissen müssen, als 1954 – nach dem Wunder<br />

von Bern – der Zug mit den deutschen<br />

Weltmeistern von der Schweiz zurück nach<br />

Deutschland rollte und Hunderttausende<br />

beidseitig die Gleise säumten.<br />

Jede Fußballweltmeisterschaft hat ihre<br />

Funktion, ihre Mission, wenn man so will,<br />

und die kann mitunter weit über den Sport<br />

49<br />

hinausgehen. In Deutschland hat die WM<br />

2006 die Wahrnehmung eines ganzen Landes<br />

und die seiner Menschen verändert. Sie<br />

hat binnen weniger Tage erreicht, was millionenteure<br />

Werbe- und Imagekampagnen<br />

nicht zu leisten im Stande gewesen wären.<br />

Vielleicht ist <strong>das</strong> eine der Lehren dieses<br />

„Sommermärchens“, und vielleicht ist <strong>das</strong><br />

nun auch die Erwartung an die WM <strong>2010</strong>.<br />

Südafrika aber hat ganz andere Ziele.<br />

Denn kein Südafrikaner muss dem Rest der<br />

Welt diese neue deutsche Fröhlichkeit und<br />

diese gesunde Portion Nationalstolz beweisen.<br />

Kein Südafrikaner muss diese Herzlichkeit<br />

beweisen oder die spontane Freude,<br />

keiner muss beweisen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Land am<br />

Kap der Guten Hoffnung dazu in der Lage<br />

ist, ein Sportturnier in ein internationales<br />

Volksfest zu verwandeln. Oder wie Paulus<br />

Mokoema, ein Sportkaufmann aus Johannesburg,<br />

sagt: „Willkommen in Südafrika.<br />

Willkommen im Land des Fußballs. Willkommen<br />

zur größten Party der Welt.“<br />

Tür in eine bessere Zukuft<br />

Dass Südafrika der ausgelassene, begeis -<br />

ternde, der farbenfrohe Gastgeber sein<br />

wird, auf den der schwarze Kontinent so<br />

lange hat warten müssen, darüber gibt<br />

es unter jenen, mit denen man in diesen<br />

Tagen und Wochen vor der WM ins Gespräch<br />

kommt, keine zwei Meinungen.<br />

„Keine Ahnung, was diese WM aus Südafrika<br />

machen wird“, sagt Clinton Dunn,<br />

ein Student aus Kapstadt. „Ich glaube, <strong>das</strong>s<br />

übersteigt meine Vorstellungskraft. Ich<br />

weiß nur, es wird gewaltig.“ Und dann sagt<br />

Dunn noch diesen Satz: „Wir werden alle<br />

überraschen, alle Skeptiker eines Besseren<br />

belehren.“<br />

Natürlich gibt es die Zweifel. Unter denen,<br />

die die WM nach Südafrika vergeben<br />

haben, und unter jenen, die sie jetzt aus-<br />

richten. Dieses Land hat auch mehr als anderthalb<br />

Jahrzehnte nach dem Ende der<br />

Apartheid nicht alle sozialen und kulturellen<br />

Gräben zuschütten können. Die Unterschiede<br />

zwischen Arm und Reich sind<br />

größer denn je. Die Regenbogennation ist<br />

noch ein gutes Stück davon entfernt, zu<br />

jener Einheit zu verschmelzen, die Nelson<br />

Mandela einst als seine Vision formulierte.<br />

Aber wenn ein afrikanisches Land die Kraft<br />

hat, vor allem die wirtschaftliche, aber<br />

auch die interkulturelle, diese WM zu<br />

stemmen, dann ist es Südafrika.<br />

„Diese Weltmeisterschaft ist eine große<br />

Ehre für unser Land, ein Privileg.“ Danny<br />

Noble, ein Touristenführer aus Stellenbosch,<br />

hat <strong>das</strong> diktiert, und alle um ihn<br />

herum haben genickt. „Wir sind die ersten<br />

auf dem afrikanischen Kontinent, die dieses<br />

Turnier ausrichten dürfen, und es wird<br />

Afrika eine Tür öffnen in eine bessere Zukunft.<br />

Die Welt schaut auf uns, <strong>das</strong> wird<br />

uns motivieren.“ Das ist Südafrikas Mission<br />

und <strong>das</strong> ganz unabhängig davon, ob<br />

„Bafana Bafana“, die Nationalmannschaft,<br />

ein erfolgreichen Turnier spielen wird. Das<br />

Land will die hohen Erwartungen erfüllen.<br />

Das Land ist bereit. „Es hieß doch immer:<br />

‚Ihr könnt keine WM ausrichten.<br />

Ihr habt keine Stadien, keine Infrastruktur,<br />

Kriminalität ist ein zu großes Problem’“,<br />

sagt Clinton Dunn, der Student aus Kapstadt.<br />

Und jetzt? Mit jeder neuen Straße,<br />

jeder neuen Brücke, den neuen Geschäften<br />

und Hotels, den Flughäfen und allen voran<br />

den neuen Fußballstadien, lässt Südafrika<br />

seine Kritiker verstummen und <strong>das</strong> eigene<br />

Selbstbewusstsein lauter werden. Niemand<br />

glaubt daran, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> globale Spektakel in<br />

einem Desaster enden könnte, auch wenn<br />

die Nation nicht alle ihre Makel wird kaschieren<br />

können. Und <strong>das</strong> ist auch gut so.<br />

Südafrika ist in Teilen, gerade in den<br />

Ballungszentren, ein nach wie vor gespaltenes<br />

Land. Arbeitslosigkeit ist ein mindestens<br />

so großes Problem wie Aids und<br />

Kriminalität. Und auch wenn so viele vor<br />

Panikmache warnen, verschweigen darf<br />

man die Schattenseiten nicht. Nicht ihre<br />

Wirkung, nicht ihre Ursachen. Und schon<br />

gar nicht sollten die ausländischen Besucher<br />

einen großen Bogen um die Townships<br />

machen, jene Viertel, in denen die<br />

fast ausschließlich schwarze Bevölkerung so<br />

viele Hoffnungen mit der WM verknüpft.<br />

Nolitha Ndalase lebt und engagiert sich<br />

als Sozialarbeiterin in Khayelitsha, einer<br />

Township von Kapstadt. Ihr Gemüt ist so<br />

fröhlich wie die Farbe ihrer Kleider, und<br />

sie sagt: „Ihr seid willkommen und eure<br />

Skepsis ist unbegründet. Wir haben hier<br />

unsere Geschäfte, kleine Läden, Friseure,<br />

und es gibt viele nette Bed & Breakfasts<br />

und tolle Menschen. Wenn man uns<br />

während der WM ausgrenzen würde, dann<br />

wäre <strong>das</strong> mit Sicherheit ein herber Rückschlag.“<br />

Und so werden aus Südafrikas Mission<br />

plötzlich zwei Missionen. Die Chance,<br />

die WM ausrichten zu dürfen, ist <strong>das</strong> eine.<br />

Die Chance auch zu nutzen, <strong>das</strong> andere.<br />

Zu viel zu verlieren<br />

Viele Jobs sind in den vergangenen Monaten<br />

und Jahren entstanden. Vielen Menschen<br />

mussten qualifiziert werden, und<br />

sie bleiben qualifiziert, auch nach der WM.<br />

Sie werden dem Arbeitsmarkt zur Verfügung<br />

stehen und die verbesserte Infrastruktur<br />

nutzen. Mit der WM will Südafrika<br />

in eine neue Dimension vorstoßen. Wirtschaftlich.<br />

Kulturell. Sozial. Und <strong>das</strong> ist<br />

in der Tat keine zum Scheitern verurteilte<br />

Mission, wie Pierre Engel, Buchhändler aus<br />

Kapstadt und WM-Skeptiker, am Ende<br />

zugeben muss. „In Südafrika leben viel zu<br />

viele Menschen, die viel zu viel zu verlieren<br />

haben, wenn es nach der WM nicht weitergehen<br />

sollte. Auch ausländische Investoren.<br />

Deshalb wird die Regierung einen langen<br />

Atem haben.“ Das klang nach mehr als<br />

einem Wunsch.<br />

Sebastian<br />

Gehrmann Politikredakteur<br />

„FR“<br />

s.gehrmann@<br />

fr-online.de


50 Südafrika<br />

Hoffnung Fußball<br />

Die Weltmeisterschaft als Hoffnungsträger: Wie in Südafrikas Townships<br />

der Fußball zu einem wichtigen Sozialarbeiter wird<br />

Teil eins.<br />

Und dann lacht Taelo. Nicht aus vollem<br />

Herzen. Nicht bis über beide Ohren. Es ist<br />

<strong>das</strong> zaghafte, in sich gekehrte Lachen eines<br />

zaghaften, in sich gekehrten Mädchens.<br />

Aber immerhin. Sie lacht.<br />

Das Klassenzimmer einer Grundschule<br />

in Mamelodi, einer Township vor den<br />

Toren von Südafrikas Hauptstadt Pretoria.<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Eine Millionen Menschen leben hier<br />

nach offiziellen Angaben, doch in Wahrheit<br />

sind es, wie in vielen Elendsvierteln<br />

des Landes, viele mehr. Doch was ist die<br />

Wahrheit? Anderthalb Millionen, so heißt<br />

es, werden es in Mamelodi bestimmt sein,<br />

vielleicht sogar zwei Millionen. Acht von<br />

zehn Bewohnern haben kein regelmäßiges<br />

Einkommen, mehr als die Hälfte hat über-<br />

haupt keine Arbeit. Aids ist ein so großes<br />

Problem, <strong>das</strong>s beinahe jedes zweite Kind<br />

ohne Eltern aufwächst. Viele von ihnen,<br />

die allein mit den Großeltern unter einem<br />

Dach leben, sind selbst infiziert.<br />

Taelo sitzt auf einem der Tische, die<br />

direkt vor dem Fenster stehen, in ihren<br />

Händen hält sie einen Fußball, sie klammert<br />

sich regelrecht an ihm fest. Wenn<br />

51<br />

Für ein paar Stunden am Tag vor der Außenwelt und vor schlechten Einflüssen geschützt: Schüler der Mahlasedi-Masana-Grundschule in Mamelodi<br />

Taelo redet, flüstert sie, sie beugt sich immer<br />

leicht nach vorn, damit man sie versteht:<br />

„Wenn es diese Schule nicht geben<br />

würde“, sagt Taelo, „ich weiß nicht, was<br />

aus mir werden soll.“ Man hört solche Sätze<br />

oft in den Townships, auf den staubigen<br />

Straßen, vor den Bretterverschlägen, in den<br />

Wellblechhütten. Doch nirgendwo klingt<br />

dieser Satz so unfassbar ernüchternd wie an<br />

diesem Tag aus dem Mund eines neunjährigen<br />

Mädchens.<br />

Wer die Mahlasedi-Masana-Grundschule<br />

in Mamelodi besucht, einen flachen, unscheinbaren<br />

Bau, umgeben von Stacheldraht,<br />

der die Schüler für ein paar Stunden<br />

vor der Außenwelt, vor schlechten Einflüssen<br />

und ungebetenen Gästen schützen soll,<br />

der, sagt Taelo, „hat eine Chance“. Joe Vuma<br />

sagt <strong>das</strong> auch. Vuma ist der Schulleiter,<br />

eine imposante, herzliche Gestalt. Gemeinsam<br />

mit der Gesellschaft für Technische<br />

Zusammenarbeit (GTZ) und dem Geld der<br />

deutschen Entwicklungshilfe hat er die<br />

Schule in ein soziales Projekt verwandelt,<br />

<strong>das</strong> abgekürzt YDF heißt (Youth Development<br />

through Football). „Der Fußball soll<br />

den Schülern helfen, ihr Leben zu meistern“,<br />

sagt Vuma. Nicht mehr, aber auch<br />

nicht weniger.<br />

Draußen sitzen ein gutes Dutzend Frauen<br />

in der Mittagssonne. Am Rand eines<br />

der Fußballfelder bereiten sie <strong>das</strong> Essen vor,<br />

während die Kinder über <strong>das</strong> weite Gelände<br />

verteilt lernen. Man erkennt <strong>das</strong> Lernen<br />

in dem Trubel nicht sofort. Nicht wer zu<br />

welcher Klasse gehört und auch nicht wer<br />

gerade wen unterrichtet. „Aber darauf“,<br />

sagt Gert Potgieter, „kommt es auch nicht<br />

an. Wir haben unsere eigenen Maßstäbe.“<br />

Gert Potgieter ist 72 Jahre alt, er war<br />

1956 bei den Olympischen Spielen in Melbourne<br />

Sechster im 400-Meter-Hürdenlauf<br />

und eine Rugbylegende. Jetzt will er den<br />

Kindern aus Mamelodi beibringen, was<br />

Potgieter „life skills“ nennt. In einer Ecke<br />

zum Beispiel dribbeln Jungen durch einen<br />

Slalomparcours. Wer ihn erfolgreich bewältigt,<br />

dem drückt der Lehrer als Lohn einen<br />

Zettel in die Hand. Auf dem Zettel steht<br />

ein Wort. Die Wörter ergeben einen Satz.<br />

Der Satz einen Sinn. „Es ist eine mutige<br />

Entscheidung, jemanden um Hilfe zu bit-<br />

ten.“ Die Kinder von Mamelodi sind keine<br />

normalen Schüler, wie auch immer man<br />

normal definieren würde in einer Gegend<br />

wie dieser. „Aber sie haben Talent“, sagt<br />

Potgieter. „Sie haben Potenzial. Sie haben<br />

eine Zukunft. Wir holen die Kinder da ab,<br />

wo sie stehen. Und dann zeigen wir ihnen<br />

einen Weg.“ Taelos Weg ist weit. Taelo<br />

trommelt mit ihren Händen auf ihren Ball,<br />

sie hat Probleme, dem Rhythmus, den ihr<br />

Lehrer für die Klasse vorgegeben hat, zu<br />

folgen, sie hat Probleme, sich zu konzentrieren.<br />

„Aber genau <strong>das</strong> ist <strong>das</strong> Ziel“, sagt<br />

ihr Lehrer. „Konzentration und Gruppendynamik.<br />

Da fangen wir an. Dann geht es<br />

weiter.“<br />

Teil zwei.<br />

In der Theorie gibt es kein Schwarz oder<br />

Weiß, sondern nur Schwarz mit Weiß. In<br />

der Theorie will Michael Lutzeyer Grenzen<br />

einreißen und Gräben zuschütten, so tief<br />

sie nach dem Ende der Apartheid auch<br />

immer noch sein mögen. Lutzeyer ist ein<br />

Macher. Freunde sagen: „Er redet viel.“ Sie<br />

sagen aber auch: „Er macht viel.“ Lutzeyer


Fotos: Rainer Rüffer<br />

52 Südafrika<br />

hat die nötigen Visionen, den nötigen Enthusiasmus<br />

und die nötige Energie. Er hat<br />

auch <strong>das</strong> nötige Kapital. Doch was Michael<br />

Lutzeyer vor allem braucht, ist ein langer<br />

Atem. Denn in der Praxis ist <strong>das</strong> hier in<br />

Gansbaai, zwei Autostunden von Kapstadt<br />

entfernt, ein Turnier der Schwarzen. Kein<br />

Weißer ist an diesem Nachmittag weit und<br />

breit zu sehen. Nicht einer.<br />

Durch die mächtigen Lautsprecher<br />

dröhnt abwechselnd Musik und die Stimme<br />

eines Mannes, der die Spiele kommentiert<br />

und über jeden Witze macht, der seinen<br />

Blick kreuzt. Auf dem kleinen Hügel<br />

am Spielfeldrand tummeln sich die Zuschauer,<br />

die meisten kommen aus Masakhane,<br />

der nahegelegen Township. Es ist heiß.<br />

Vor ein paar Jahren noch gehörte die Fläche<br />

Auch für die kleine Taelo (r.) und ihre Freunde eröffnet<br />

<strong>das</strong> GTZ-Projekt eine Chance<br />

der Gemeinde, sie flimmerte brach in der<br />

Hitze. Jetzt gehört sie auf unbestimmte<br />

Zeit der Grootbos Foundation, Lutzeyer<br />

hat sie gegründet. Die Grootbos Foundation<br />

soll <strong>das</strong> einzigartige Ökosystem erhalten,<br />

auf dem unter anderem Lutzeyers<br />

Luxuslodge steht. Deshalb bildet sie seit<br />

2003 Gärtner aus. Dann entstand ein Sozialprojekt<br />

für Frauen, und auch dabei ist es<br />

nicht geblieben.<br />

„Spaces for Sport“ heißt Lutzeyers neues<br />

Projekt, 2008 hat er es vorgestellt, zu einer<br />

Zeit, als plötzlich viel Geld da war bei den<br />

nationalen und internationalen Firmen,<br />

wann immer es um Fußballprojekte in<br />

Südafrika ging. Lutzeyer hatte <strong>das</strong> richtige<br />

Gespür und die richtigen Kontakte. Er hat<br />

<strong>das</strong> Geld bekommen. Die ABSA Bank hat<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

<strong>das</strong> Projekt mitfinanziert ebenso wie die<br />

englische Premier League, die Gemeinde<br />

stellte <strong>das</strong> Gelände, Lutzeyers Mitarbeiter<br />

verwandelten es in einen schmucken Sportpark.<br />

Es gibt ein Gebäude mit Umkleidekabinen,<br />

sanitären Anlagen und Seminarräumen,<br />

es gibt Sportfelder und sogar einen<br />

eingezäunten Kunstrasenplatz. Der allein<br />

hat 300.000 Euro gekostet. Täglich trainieren<br />

hier Kinder und Jugendliche, die<br />

meisten aus Masakhane, was übersetzt<br />

heißt: „Du hilfst mir, ich helfe Dir, zusammen<br />

bauen wir etwas auf.“<br />

Michael Lutzeyers Vision aber geht weiter.<br />

„Ich möchte alle drei Gemeinschaften<br />

zusammen bringen. Die Schwarzen, die<br />

Farbigen und die Weißen. Sie alle sollen<br />

hier Fußball spielen. Miteinander.“ Das<br />

Gansbaai Communal Sport Centre soll die<br />

Menschen aus dem schwarzen Masakhane,<br />

dem farbigen Blompark und dem weißen<br />

Gansbaai verbinden. Sie sollen nicht nur<br />

miteinander trainieren, so, wie sie es bereits<br />

hin und wieder tun. Sie sollen auch<br />

miteinander spielen. Fußball. Rugby.<br />

Cricket. Hockey. Unorganisiert. Spontan.<br />

„Sie sollen alle hierher kommen. Nicht,<br />

weil sie es müssen sondern weil sie es wollen.“<br />

Am besten Tag und Nacht. Michael<br />

Lutzeyer sucht deshalb schon wieder Geldgeber.<br />

Für eine Flutlichtanlage.<br />

Teil drei.<br />

Fußball kann manchmal grandios und<br />

manchmal grausam sein. Miniawe Ndalasi<br />

hat beides erleben können und durchleben<br />

müssen – die Höhen und Tiefen. Ganz<br />

oben war er und auch ganz unten: „Ich war<br />

Profi, Mittelfeldspieler. Ich habe meinen<br />

Beruf geliebt und ich bin ihm für vieles<br />

dankbar. Dann habe ich mir in einem Spiel<br />

<strong>das</strong> Schien- und Wadenbein gebrochen,<br />

und von einem Tag auf den anderen war<br />

meine Karriere vorbei. Das war es. Ich war<br />

am Ende.“<br />

Wer wie Ndalasi aus den Townships<br />

kommt, aus Khayelitsha, der größten im<br />

Schatten von Kapstadt, der ist froh, „wenn<br />

es da etwas gibt, was Menschen davor<br />

schützt, falsche Dinge zu tun. Etwas, was<br />

sie gesund und stark macht. Ndalasi hat<br />

der Fußball zu einer kleinen Berühmtheit<br />

gemacht. Seine Familie, Freunde, die<br />

Nachbarn, alle haben sie ihn bewundert.<br />

„Aber der Fußball“, sagt Ndalasi, „kann<br />

einen nicht vor allem schützen.“ Auch<br />

nicht vor Neidern, selbst da nicht, wo man<br />

sie am wenigsten erwartet.<br />

Mitten in Khayelitsha, während Miniawe<br />

Ndalasi und seine Frau Nolitha die<br />

Gassen vom Müll befreiten, ehrenamtlich,<br />

in dem Glauben, der Gemeinschaft einen<br />

Dienst zu erweisen, gab es plötzlich Unfriede,<br />

Streit. Nolitha Ndalasi hatte die<br />

Idee mit der gemeinnützigen Aufräumaktion.<br />

Sie ist eine der Frauen, die die Deutsche<br />

Elke Geising mit ihren „Nala Partners“<br />

unterstützt. Sie ist darin ziemlich<br />

erfolgreich. Anfangs waren Zulauf und<br />

Zuspruch enorm, dann kamen immer weniger<br />

und dann kam die Angst derer, die<br />

von der Stadt als Müllmänner angestellt<br />

waren, bald arbeitslos sein zu können.<br />

So unbegründet die Sorgen waren, ganz<br />

vertreiben konnten sie die Ndalasis nie.<br />

Das Projekt aber läuft weiter.<br />

Miniawe Ndalasi ist aber auch Fußballtrainer<br />

in Khayelitscha. Widerstand gab<br />

es in diesem Fall keinen. Den Fußballer<br />

Ndalasi den respektieren sie hier. So war<br />

es immer und so wird es auch immer sein.<br />

„Ich kann mein Wissen an die Jugend<br />

weitergeben, und ich weiß, <strong>das</strong>s sie mir zuhören<br />

und <strong>das</strong>s sie von mir lernen wollen.<br />

Nur so können Projekte entstehen, mit<br />

regelmäßigem Training und mit schulbegleitenden<br />

Maßnahmen.“ Seinen Schülern<br />

fehlt es nicht an Motivation, nicht an Ehrgeiz,<br />

nicht an der Sehnsucht, irgendwann<br />

dort anzukommen, wo Miniawe Ndalasi<br />

einmal war. Was ihnen fehlt, ist die nötige<br />

Ausrüstung, Bälle, Schuhe, Trikots. Einen<br />

Lutzeyer gibt es hier nicht. Auch keine<br />

GTZ.<br />

Sebastian<br />

Gehrmann Politikredakteur<br />

„FR“<br />

s.gehrmann@<br />

fr-online.de<br />

53<br />

Ein Visionär in<br />

seinem Element:<br />

Michael Lutzeyer<br />

erklärt den aufmerksamen<br />

FPC-<br />

Reisenden die<br />

Besonderheiten der<br />

südafrikanischen<br />

Pflanzenwelt<br />

Grüner Daumen,<br />

großes Herz<br />

In einem einzigartigen Naturreservat in der Nähe von Kapstadt<br />

betreibt der Südafrikaner Michael Lutzeyer eine luxuriöse Ferienwohnanlage.<br />

Einen Teil seiner Erträge steckt der 59-Jährige<br />

in soziale und ökologische Projekte vor Ort. Eine Gärtnerschule<br />

für arbeitslose Schwarze und ein Kunstrasenfußballplatz<br />

für jedermann sind nur zwei von Lutzeyers umgesetzten Ideen.<br />

Doch der umtriebige Hotelier hat noch mehr vor – viel mehr…


54 Südafrika<br />

Michael<br />

Lutzeyer<br />

Der Südafrikaner Michael Lutzeyer betreibt auf<br />

einem 1.700 Hektar großen Naturschutzgebiet<br />

in der Nähe von Kapstadt eine luxuriöse Öko-<br />

Lodge, die Grootbos Private Nature Reserve.<br />

Ein Teil der Einnahmen fließt in seine Stiftung<br />

Grootbos Foundation. Seine Sozialprojekte<br />

umfassen eine Gärtnerschule, an der arbeitslose<br />

Schwarze zu staatlich anerkannten Gärtnern<br />

ausgebildet werden, sowie einen öffentlichen<br />

Kunstrasenfußballplatz, auf dem die Jugendlichen<br />

aus drei verschiedenen Townships<br />

miteinander kicken können. Für sein Engagement<br />

ist Michael Lutzeyer im Vorjahr mit der<br />

„Grünen Palme“ des Reise<strong>magazin</strong>s „Geo<br />

Saison“ ausgezeichnet worden. Kontakt zur<br />

Grootbos Private Nature Reserve,<br />

PO Box 148, Gansbaai, 7220, South Africa<br />

T: +27 28 384 8000, info@grootbos.com<br />

Hier befindet sich also <strong>das</strong> Paradies – hier,<br />

im äußersten Südwesten Südafrikas. Es<br />

liegt versteckt hinter weißen Sanddünen.<br />

Nur eine kleine Straße führt dorthin. Sie<br />

schlängelt sich durch <strong>das</strong> Küstenörtchen<br />

Gaansbai einen Hang hinauf. Von hier<br />

oben aus hat man einen atemberaubenden<br />

Blick hinunter auf die sichelförmige<br />

Walker-Bucht. Dort tosen die Wellen des<br />

Atlantiks, schäumen die Wellen, funkelt <strong>das</strong><br />

blaue Meer im strahlenden Sonnenschein.<br />

Eine leichte Brise weht salzige Luft hinauf<br />

ins Paradies, wo rund 1.000 Jahre alte<br />

Milkwood-Bäume angenehmen Schatten<br />

spenden. Unter einem dieser mächtigen<br />

Bäume steht Michael Lutzeyer – ihm gehört<br />

<strong>das</strong> Paradies. Gemeinsam mit seinem Bruder<br />

hat er auf rund 1700 Hektar einen einzigartigen<br />

privaten Fynbosgarten geschaffen.<br />

In diesem außergewöhnlichen Ökosystem<br />

gedeihen rund 750 Arten – darunter<br />

so klangvolle Gewächse wie Strelitzien oder<br />

Königsproteen. In seinem privaten Naturreservat,<br />

dem Grootbos Private Nature<br />

Reserve, hat Lutzeyer eine Fünfsterneanlage<br />

errichtet. Sie besteht aus zwei Lodges mit<br />

jeweils zehn edlen Suiten. Allesamt sind sie<br />

eingebettet in die prächtige Pflanzenwelt<br />

der weitläufigen Anlage, durch die schmale<br />

Pfade führen.<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Eins der Luxusgästehäuser in Michael Lutzeyers Grootbos Pivate Nature Reserve<br />

Von den Holzterrassen der Garden- oder<br />

Forest-Lodges bietet sich den Gästen ein<br />

spektakulärer Blick über die Bucht auf den<br />

Atlantik. Auch <strong>das</strong> Freizeitangebot kann<br />

sich sehen lassen, es ist ebenso vielfältig wie<br />

spektakulär: Von Walbeobachtungen per<br />

Boot oder vom Privatflugzeug aus bis hin zu<br />

geführten Wanderungen oder Ausritten<br />

reicht die Palette. Kulinarische Köstlichkeiten<br />

aus der gehobenen Küche sowie Spa-<br />

Massage-Behandlungen sind auf Lutzeyers<br />

Öko-Lodge selbstverständlich.<br />

Keineswegs selbstverständlich ist hingegen<br />

<strong>das</strong> soziale Engagement des 59-Jährigen.<br />

Er öffnet sein Paradies seinen Gästen, um<br />

dadurch benachteiligten Menschen aus den<br />

örtlichen Townships den Weg in ein besseres<br />

Leben zu ermöglichen. Sein lobenswertes<br />

Konzept: „Jeder Reisende, der auf Grootbos<br />

die Schönheit und den Luxus genießt, hilft<br />

dadurch auch mit, die Träume der Menschen<br />

hier vor Ort zu verwirklichen.“ Deshalb hat<br />

Lutzeyer die Grootbos Foundation gegründet,<br />

eine Stiftung für ökologische und soziale<br />

Projekte. Sie wird vor allem aus den Erträgen<br />

seiner Luxus-Lodge gespeist.<br />

Im Jahr 2003 hat er <strong>das</strong> Horticulture<br />

& Lifeskills College ins Leben gerufen. „Wir<br />

bilden dabei junge arbeitslose Schwarze<br />

zu staatlich anerkannten Gärtnern aus“, sagt<br />

Lutzeyer. In der für 190.000 Euro auf dem<br />

Naturreservat errichteten Gärtnerschule<br />

werden pro Jahr zwölf Schüler von zwei Biologen<br />

ausgebildet. „Damit sie einen Anreiz<br />

haben, an der Ausbildung dranzubleiben und<br />

weiterzumachen, erhalten sie von uns Frühstück,<br />

Mittagessen und einen Wochenlohn<br />

von 140 Rand“, so Lutzeyer. Das sind um -<br />

gerechnet rund 14 Euro. Sehr viel Geld für<br />

die Kinder aus den Armenvierteln.<br />

Fit für die Zukunft<br />

Außerdem werden die angehenden Gärtner<br />

für alle Lebenslagen geschult. „Wir zeigen<br />

ihnen, wie man <strong>das</strong> Internet nutzt, lassen sie<br />

mit einem Fahrschullehrer Auto fahren oder<br />

erklären ihnen, was ein Kostenvoranschlag<br />

ist. Das sind alles Dinge, die die Schüler<br />

sonst nicht kennenlernen“, sagt Lutzeyer. Seit<br />

Gründung der Schule haben hier 72 Schüler<br />

ihre Ausbildung zum Gärtner abgeschlossen<br />

– und zu einem Teil dazu beigetragen,<br />

ein Fußballprojekt Lutzeyers in Gansbaai<br />

zu realisieren.<br />

Yes, I can!<br />

Auf einem riesigen Gelände, genau zwischen<br />

den drei Townships Masakhane, Blompark<br />

und Stanford, hat er mehrere Fußballfelder<br />

anlegen lassen. „Zwischen den Farbigen,<br />

55<br />

Schwarzen und Weißen gibt es viele Probleme.<br />

Durch <strong>das</strong> Fußballspielen auf einem<br />

gemeinsamen Platz sollen Vorurteile, die<br />

noch aus der Zeit der Apartheid stammen,<br />

abgebaut werden“, erklärt Lutzeyer.<br />

Anders als bei seiner Mutter Eva, die<br />

in den 50er Jahren mit den Black Sash eine<br />

Anti-Apartheid-Bewegung der weißen<br />

Bevölkerung unterstützte, ist sein Engagement<br />

kein politisches. „Wenn ich von einer<br />

Idee überzeugt bin, dann setzte ich sie um –<br />

Punkt. Politik spielt dabei für mich keine<br />

Rolle“, sagt Lutzeyer. Wichtig seien vor<br />

allem die Kinder, gerade die ärmsten aus den<br />

Townships des rund 12.000 Einwohner<br />

starken Ortes. Das Grundstück für <strong>das</strong> Fußballprojekt<br />

stellte die Stadt zur Verfügung,<br />

zudem beteiligte sich eine hiesige Großbank<br />

an der Finanzierung. Auf dem Gelände<br />

befindet sich mittlerweile ein Gemeinschaftshaus<br />

mit sanitären Anlagen und Duschen.<br />

Das optische Prunkstück ist jedoch ein saftig<br />

Vorurteile gehören in die Tonne! Lutzeyers Fußballprojekt<br />

verbindet Farbige, Schwarze und Weiße<br />

grün leuchtender Kunst rasenplatz. Der Geldgeber<br />

des 300.000 Euro teuren Spielfeldes<br />

ist keine Geringerere als die höchste englische<br />

Fußballliga – die Premier League.<br />

Den ungewöhnlichen Deal eingefädelt hat<br />

natürlich Michael Lutzeyer. Der Südafrikaner<br />

ist nicht nur sozial engagiert, sondern auch<br />

ein umtriebiger Geschäftsmann – mit einem<br />

einnehmenden Wesen. Lutzeyer spricht viel<br />

und schnell. Während er erzählt, sprudelt er<br />

nur so vor Ideen. Und diese müssen raus, sofort,<br />

am besten schon gestern. „Als nächstes<br />

wäre es natürlich optimal, wenn wir hier<br />

auf dem Gelände noch eine Flutlichtanlage<br />

hätten“, sagt er. Oder: „Es war schon die<br />

deutsche Hockey-Nationalmannschaft hier.<br />

Seitdem gibt es auch Hockey-Kurse für<br />

die Kinder. Das lässt sich weiter ausbauen.“<br />

Lutzeyer ist ein Macher, jemand, der<br />

zu- und anpackt. Er sagt Sätze wie: „Wenn<br />

ich an etwas glaube, dann engagiere ich<br />

mich auch dafür – und zwar hundertprozen-<br />

tig.“ Man glaubt ihm sofort. Wenn Lutzeyer<br />

erzählt, scheint alles möglich… Für sein<br />

Engagement ist Michael Lutzeyer schon mehrfach<br />

ausgezeichnet worden, unter anderem<br />

im Vorjahr mit der „Grünen Palme“ des<br />

Reise<strong>magazin</strong>s „Geo Saison“. Damit werden<br />

Menschen geehrt, die sich in besonderer<br />

Weise um den Naturschutz in touristisch erschlossenen<br />

Gebieten, um Völkerverständigung<br />

oder um den Erhalt von Kulturgütern<br />

verdient machen. Menschen, wie Michael<br />

Lutzeyer. Bleibt nur noch die Frage, warum<br />

sich jemand, der bereits <strong>das</strong> Paradies auf<br />

Erden hat, mit einer Vielzahl von Projekten<br />

sozial engagiert? Seine Antwort ist kurz,<br />

präzise und für den umtriebigen Südafrikaner<br />

typisch: „Ganz einfach – weil ich es kann!“<br />

Thorsten<br />

Drenkard<br />

Redakteur „Mittelbayerische“<br />

thorsten.drenkard@<br />

mittelbayerische.de<br />

Fotos: Rainer Rüffer


56 Südafrika<br />

Überleben in<br />

Beverly Hills<br />

Die schöne Metropole Kapstadt ist umgeben von trostlosen Town ships.<br />

Anthony Kula, vor 29 Jahren in einer davon geboren, führt Touristen durch<br />

die Straßen seines Viertels – und versucht ein Vorbild zu sein.<br />

Anthony Kula kennt sich bestens aus in<br />

„Beverly Hills“. Regelmäßig führt der 29-<br />

Jährige neugierige Touristen aus aller Welt<br />

durch <strong>das</strong> Viertel. Zu Fuß geht es durch<br />

staubige Straßen, an deren Rändern schmale<br />

Steinhäuser stehen. Die kargen Gärtchen<br />

sind von trostlosen Mauern umzäunt, rostige<br />

Eisentore schützen die dahinter geparkten<br />

Mittelklassewagen vor unliebsamen<br />

Gästen. Willkommen im Nobelviertel von<br />

Langa, der ältesten schwarzen Township<br />

Kapstadts. „Das ist die beste Wohngegend<br />

Der erste Eindruck täuscht: Im selben Raum leben noch zwei weitere Familien<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

hier, deshalb wird sie von den Einwohnern<br />

auch scherzhaft ,Beverly Hills’ genannt“,<br />

sagt Anthony Kula – und lächelt.<br />

Der Mann hat Humor. Den braucht man<br />

auch, wenn man wie er in Langa lebt und<br />

sonst nicht viel besitzt. Die Siedlung wurde<br />

Anfang der 1920er Jahre von den weißen<br />

Machthabern aus dem sandigen Boden<br />

gestampft. Bis zum Ende der Apartheid im<br />

Jahr 1994 wurden hier die schwarzen arbeitenden<br />

Männer kaserniert. Heute leben in<br />

Langa rund 200.000 schwarze Frauen,<br />

Männer und Kinder. Die Siedlung befindet<br />

sich nur rund 15 Kilometer von Kapstadts<br />

schillernder Shoppingmeile „Waterfront“<br />

und den schicken Edelhotels entfernt. In<br />

der Sprache der Xhosa bedeutet Langa<br />

„Sonne“. An diesem Nachmittag verdecken<br />

allerdings graue Wolken den Himmel über<br />

dem Viertel. Edlen Chic sucht man hier<br />

vergebens.<br />

„Alkohol, Kriminalität und Arbeitslosigkeit<br />

sind ein großes Problem für die<br />

Menschen hier“, sagt Anthony Kula. Rund<br />

57<br />

45 Prozent der Einwohner Langas haben<br />

keine geregelte Arbeit, häufig halten sie<br />

sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser –<br />

oder werden eben kriminell. Kula weiß,<br />

wovon er spricht. Zehn lange Jahre hat er<br />

im Gefängnis gesessen. Mit 17 kam er hinter<br />

Gitter. „Ich habe in den Vororten Autos<br />

geklaut und dafür dann Geld kassiert. Im<br />

Monat hatte ich bis zu 2.000 Rand (200<br />

Euro). Damit war ich natürlich der König.“<br />

Der Vater einer dreijährigen Tochter<br />

sieht überhaupt nicht gefährlich aus – im<br />

Gegenteil. Sein Gesicht trägt weiche Züge,<br />

er spricht mit leiser, beinahe schüchterner<br />

Stimme. „Ich habe meine kriminelle Vergangenheit<br />

hinter mir gelassen, dieses<br />

traurige Kapitel abgeschlossen“, versichert<br />

Kula. Deshalb arbeite er heute als Touristenführer,<br />

auch wenn er dadurch wesentlich<br />

weniger Geld verdiene als zu seinen Gangs -<br />

terzeiten.<br />

„Ich will ein Vorbild für die anderen<br />

Kinder und Jugendlichen hier im Viertel<br />

sein. Ich will ihnen zeigen, <strong>das</strong>s man auf<br />

legale Art und Weise sein Leben meistern<br />

kann“, erklärt Kula.<br />

Ein geregeltes Leben zu führen, ist für<br />

viele allerdings nicht einfach. Leon Tofu ist<br />

22 Jahre alt und arbeitslos. Er kickt für den<br />

örtlichen Fußballklub Express United und<br />

hofft, <strong>das</strong>s sich durch die Fußballweltmeisterschaft<br />

die Infrastruktur in seinem Viertel<br />

verbessert, es mehr Arbeit für ihn und seine<br />

Freunde geben wird. An seiner linken<br />

Wange hat er eine Narbe, ebenso an seinem<br />

Unterarm. „Es gibt hier immer wieder Probleme<br />

mit Banden“, sagt Tofu und zuckt<br />

mit den Achseln.<br />

Auch Yuwo Landu weiß um die Pro -<br />

bleme der jungen Menschen in Langa. Der<br />

36-Jährige kennt den traurigen Werdegang<br />

vieler Jugendlicher in seinem Township.<br />

„Viele fangen mit 14, 15 Jahren <strong>das</strong> Rau-<br />

Auch mal probieren? Township-Guide Anthony Kula lässt<br />

einen Eimer Umquombothi-Bier herumgehen<br />

chen und Trinken an und gehen nicht<br />

mehr in die Schule – damit beginnen dann<br />

die wirklichen Probleme“, sagt Landu, der<br />

sich als Fußballtrainer für die Jugendlichen<br />

engagiert.<br />

Landu kennt den Fremdenführer<br />

Anthony Kula gut. Er ist in seinem Viertel<br />

angesehen. Nur so ist es möglich, <strong>das</strong>s sich<br />

Touristen sicher durch Langa bewegen<br />

können, intime Einblicke in die Lebensund<br />

Wohn verhältnisse der Menschen bekommen.<br />

„Touristen sollten den bettelnden<br />

Kindern kein Geld geben. Sie probieren<br />

sonst auf diese Art und Weise, über die<br />

Runden zu kommen, und gehen nicht<br />

mehr in die Schule“, rät Kula während<br />

des Fußwegs raus aus „Beverly Hills“ in<br />

Richtung altes Arbeiterviertel.<br />

Auf den sandigen Straßen toben Kinder,<br />

kicken mit einem alten Fußball. Die Tour<br />

führt schließlich zu einem der unzähligen<br />

Hostels. Zu Zeiten der Apartheid dienten<br />

die steinernen Wohnblöcke den schwarzen<br />

Arbeitern als bescheidene Gemeinschaftsunterkunft.<br />

Wo früher vier Männer in einer<br />

Behausung wohnten, leben heute vier<br />

Familien zusammen, teilen sich bis zu 20<br />

Menschen die beengten, kärglichen Räume.<br />

Eine Familie zahlt hier 20 Rand, umgerechnet<br />

2 Euro pro Monat für ein Bett.<br />

Privatleben? Was ist <strong>das</strong>?<br />

„Es gibt eine Dusche und eine Gemeinschaftsküche“,<br />

erklärt Kula. Den Strom für<br />

den Monat müssen die Bewohner im Voraus<br />

bezahlen. Verbraucht die Familie mehr<br />

als gezahlt und kann nicht mehr genügend<br />

Geld zum Nachkauf aufbringen, bleibt der<br />

Strom weg. In einem der knapp 12 Quadratmeter<br />

großen Räume steht ein kleiner<br />

Uraltfernseher, daneben liegen zwei rostige<br />

Kochplatten. Auf den zwei hölzernen<br />

Stockbetten liegen löchrige, durchgelegene<br />

Der Vorteil von Shacks wie diesen: Es lebt nur eine Familie<br />

darin. Die Nachteile: Es wird sehr heiß oder regnet rein<br />

Matratzen. Drei Familien müssen sich <strong>das</strong><br />

miefige Zimmer teilen – unmöglich, hier<br />

ein Privatleben zu führen. Einige Gassen<br />

weiter gehen die alten Steinbaracken in<br />

windschiefe Bretter- und Wellblechhütten<br />

über. Die Shacks werden aus allen Materialen,<br />

die sich finden lassen, zusammengebaut.<br />

Auch Anthony Kula lebt in einem<br />

dieser Verschläge. „Ich habe meine Hütte<br />

innerhalb von zwei Tagen aus Brettern und<br />

Blech aufgebaut.“ Der Vorteil der Shacks<br />

im Vergleich zu den Hostels ist, <strong>das</strong>s hier<br />

nur eine Familie lebt. Doch die Nachteile<br />

sind vielzählig. „Bei viel Sonne wird es sehr<br />

heiß, es regnet rein, oder der Wind weht<br />

<strong>das</strong> Dach davon.“ Außerdem finden sich in<br />

den Shacks keine Toiletten. Auch Duschen<br />

sucht man vergebens. Entlang einer sandigen<br />

Straße sind dafür rund zwei Dutzend<br />

Toilettenhäuschen aufgereiht. Gleich daneben<br />

befinden sich die allgemeinen Trinkwasserstellen.<br />

Wer <strong>das</strong> typische, hausgebraute Bier<br />

der Townships trinken möchte, geht in die<br />

Shebeens. Das sind schmucklose, illegal<br />

betriebene Kneipen. Hier gibt es Umqombothi<br />

zu trinken, <strong>das</strong> traditionelle Bier der<br />

Einheimischen. Es hat rund zwei Prozent<br />

Alkohol, ist relativ dickflüssig-trüb und<br />

schmeckt leicht säuerlich. Es wird in einem<br />

großen Blechtopf serviert, aus dem die<br />

Kneipengäste reihum trinken.<br />

Schließlich ist die Tour zu Ende. Es ist<br />

ein unvergesslicher Fußmarsch gewesen –<br />

eine Reise durch eine fremde Welt.<br />

Anthony Kula verabschiedet sich höflich.<br />

Bald wird er wieder Touristen durch sein<br />

Viertel führen – bis nach „Beverly Hills“.<br />

Thorsten<br />

Drenkard Redakteur<br />

„Mittelbayerische“<br />

thorsten.drenkard@<br />

mittelbayerische.de<br />

Fotos: Rainer Rüffer


58 Südafrika<br />

Ohne ein kräftiges Essen vertragen die Menschen die Aidsmedikamente nicht. Warteschlange vor der Suppenküche in Khayelitsha<br />

Ein starkes Duo<br />

Zwei ganz unterschiedliche Frauen treiben <strong>das</strong>selbe Projekt<br />

voran: Nolitha, die Häuptlingstochter vom Eastern Cape,<br />

gründete in der Township Khayelitsha die Einrichtung<br />

Sinethemba für aidskranke Kinder, Frauen und bedürftige<br />

Jugendliche. Elke Geising, die welterfahrene Geschäftsfrau<br />

aus Deutschland, unterstützt sie dabei nicht nur finanziell,<br />

sondern auch aktiv in der Jugendarbeit.<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Helfen, aufklären und die Gemeinschaft<br />

stärken: die Projektleiterinnen<br />

Nolitha Ndalasi und Elke Geising<br />

59<br />

Nolitha Ndalasi und ihr Ehemann hatten 1999 mit 200 Frauen ein<br />

Projekt zur ehrenamtlichen Straßenreinigung gestartet. „Ziel<br />

sollte sein, ein Bewusstsein für die Community zu schaffen, Eigeninitiative<br />

zu ergreifen“, berichtet sie. 2005 gründete sie <strong>das</strong> Selbsthilfeprojekt<br />

Sinethemba, richtete mit Unterstützung des Sozialministeriums,<br />

der Verwaltung und umliegender Farmen in der Town -<br />

ship einen gemeinschaftlichen Garten ein. „Dann kam die Idee, eine<br />

Suppenküche zu eröffnen“, erzählt Nolitha. Montag bis Freitag<br />

werden Frauen und Kinder hier mit Essen versorgt.“ Denn ohne<br />

ein kräftiges Essen vertragen sie die Aidsmedikamente nicht – die<br />

übrigens vom Staat bezahlt werden, wie Nolitha erklärt. Doch es<br />

geht nicht nur um <strong>das</strong> Essen. Viele der Frauen seien vergewaltigt<br />

worden und benötigten besondere Zuwendung, berichtet Nolitha.<br />

Daher gibt es zweimal pro Woche Krisenberatung, aber auch Aufklärung,<br />

denn 70 Prozent aller Bewohner der Township sind mit<br />

HIV infiziert. In Ihrer Einrichtung, die neben der Suppenküche<br />

Fotos: Rainer Rüffer<br />

auch eine Beratungsstelle umfasst, will Nolitha den Schwarzen<br />

Selbstbewusstsein geben: „Wir wollen ihnen zeigen: Wir sind<br />

stark, wir sind Menschen, wir werden eine Gemeinschaft.“ Zumindest<br />

räumlich sind sie <strong>das</strong> schon. In der spendenfinanzierten<br />

Holzhütte kauern 10 Frauen auf dem Boden. Bei einigen hocken<br />

Kinder auf dem Schoß, bei anderen nicht. Wie bei Cynthia, die<br />

seit Beginn des Projekts dabei ist und bei der Verwaltung hilft,<br />

wie sie stolz erzählt. „Ich fühle mich wohl hier“, sagt sie und lächelt.<br />

Verheiratet ist sie nicht, aber sie hat sechs Kinder. Alle sind<br />

HIV-infiziert. „Das Einzige, was wir machen können, ist aufzuklären“,<br />

sagt Nolitha und zeigt auf Broschüren und einen Computer<br />

im angrenzenden Raum. Doch auch Aufklärung konnte Aids<br />

bisher in der Township nicht stoppen. „Die Männer wollen immer<br />

noch keine Kondome nehmen“, sagt Nolitha zornig. Dabei<br />

wüssten sie genau, <strong>das</strong>s sie <strong>das</strong> Virus weitergeben.<br />

Eine mobile Krankenstation, <strong>das</strong> wär’s!<br />

Erfolgreicher ist die Jugendarbeit im Projekt. „Die Grundidee ist<br />

es, jeden von der Straße zu holen“, berichtet Elke Geising. Sie<br />

betreut einmal wöchentlich die „Silulutho“-Jugendgruppe beim<br />

Lernen, aber sie vermittelt auch soziale Kompetenzen. Wichtige<br />

Gesprächsthemen der Gruppe seien etwa Aids, Sex, Armut oder<br />

Gleichberechtigung. Mit 55 hatte die erfolgreiche Geschäftsfrau,<br />

die unter anderem in der Telekommunikationsbranche in Frankfurt,<br />

Frankreich und den USA gearbeitet und später eine eigene<br />

Firma gegründet hat, den Wunsch nach einem Neustart. Sie wollte<br />

tiefer in eine fremde Kultur einsteigen, ihr Wissen anderen weitergeben<br />

und vor allem Frauen helfen, finanziell unabhängig und<br />

selbstbewusst zu werden. Geising verkaufte ihre Firma „zu einem<br />

günstigen Zeitpunkt“, wie sie sagt, und gründete <strong>das</strong> Netzwerk<br />

Nala Partners. Seit 2002 lebt sie am Kap. Die Hälfte ihres Geldes<br />

steckt sie in Projekte, vergibt Spenden und Minidarlehen – seit zwei<br />

Jahren unterstützt sie Nolitha in ihrem Projekt in Khayelitsha. Sie<br />

will jungen Schwarzen helfen, „an der Gesellschaft teilzunehmen,<br />

einen Zugang zu ihr zu erlangen und eine Ausbildung genießen<br />

zu können“, sagt sie. Drei Sonntage im Monat trifft sie sich mit<br />

den Jugendlichen, organisiert Nachhilfe und Stipendien, nimmt<br />

sie mit auf Ausflüge oder in Museen, um ihnen etwas von jener<br />

Welt zu zeigen, die ihnen bisher verschlossen war. Zudem berät<br />

und unterstützt sie Nolitha bei weiteren Projekten. Denn die hat<br />

große Pläne. Sie möchte eine mobile Klinikstation einrichten, damit<br />

die Kranken in der Township besser versorgt werden können.<br />

Dort sind neben Aids auch Alkoholismus und Drogen ein großes<br />

Problem. „Es ist allerdings schwer, alles alleine zu machen“, sagt<br />

Nolitha und hofft auf Unterstützung – auch aus Deutschland.<br />

Michaela<br />

Schmehl<br />

Redakteurin ZDF<br />

office@ michaelaschmehl.de


60 Südafrika<br />

Zwischen Himmel<br />

und Erde<br />

Ein Dreitagetrip mit Sommelier Jörg Pfützner durch Südafrikas Weinregion<br />

Hier haben auch die Trauben gute Laune: Aus Gegenden wie diesen kann einfach kein schlechter Tropfen kommen<br />

Drei Tage mit dem FPC durch Südafrikas<br />

Weinregion. Silke Marschall, die energie -<br />

geladene Organisatorin von M&M Solutions,<br />

dem Partner von Mondius Travel in<br />

Südafrika, fragte mich, ob ich einer Gruppe<br />

deutscher Journalisten ein paar Geheimtipps<br />

des südafrikanischen Weinbaus zeigen<br />

könnte. Sofort war ich einverstanden<br />

und überlegte, womit man Gäste aus<br />

Frankfurt, nahe dem Weinbaugebiet<br />

Rheingau, überraschen kann.<br />

Auf keinen Fall wollte ich die Produzenten<br />

vorstellen, die ohnedies jeder kennt.<br />

Mein Herz schlägt für Winzer, die mit<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Liebe zum Detail feine Gewächse erzeugen,<br />

die eine Geschichte erzählen können. Und<br />

der für mich interessanteste Teil des afrikanischen<br />

Weinbaus befindet sich zwischen<br />

den Breitengraden 33 und 34.<br />

Fragen Sie den Cape Doctor!<br />

Die kühle Luft der Ozeane wird durch den<br />

legendären Cape Doctor, einen relativ starken<br />

Südostwind während der Sommermonate,<br />

ins Landesinnere getragen. Die Auswirkungen<br />

dieses Windes zeigen sich in<br />

unterschiedlichster Weise und sind ein wesentlicher<br />

Bestandteil des hiesigen Terroirs.<br />

Diese Brise sorgt auch für die Vielzahl<br />

an Makro- und Mesoklimen* und damit<br />

für eine Unzahl an Möglichkeiten, aber<br />

auch für große Herausforderungen in der<br />

Produktion lokaler Weine.<br />

Je nach Lage und Distanz zu den Ozeanen<br />

herrschen hier recht unterschiedliche<br />

klimatische Bedingungen. So könnte man<br />

Elgin mit Bordeaux, Swartland mit Spanien<br />

und Paarl mit dem Rhônetal vergleichen.<br />

Das ist natürlich sehr vereinfacht<br />

ausgedrückt, denn in jeder Region sind<br />

aufgrund von Topografie und Ausrichtung<br />

bestimmte Parzellen etwas kühler oder<br />

Foto: Sumaridge Wine Estate<br />

61<br />

auch wärmer, doch damit ideal für die<br />

unterschiedlichsten Rebsorten.<br />

Dicht am Meer sollte auch <strong>das</strong> erste<br />

Treffen mit dem <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong><br />

stattfinden. Gavin Patterson, der Winzer<br />

des Weingutes Sumaridge im Upper<br />

Hemel en Aarde Valley, organisierte einen<br />

Grillabend, und ich lud befreundete Weinproduzenten<br />

dazu ein. Als Erster traf Paul<br />

Cluver ein, wie immer pünktlich und<br />

wie aus dem Ei gepellt kam er aus Elgin.<br />

Das Mesoklima* in den Weinbergen der<br />

Region Elgin wird durch die unterschiedlichen<br />

Höhenlagen beeinflusst. Es zählt zu<br />

den kühlsten Weinbauregionen Südafrikas<br />

und weist eine hohe Niederschlagsmenge<br />

auf. Aufgrund des blühenden Apfelgeschäftes<br />

konnte sich die Cluver-Familie <strong>das</strong> damals<br />

weniger profitable Weingeschäft leisten.<br />

Unter dem Label Paul Cluver wurde<br />

bereits 1991 der erste Wein gekeltert, damals<br />

aber noch im Weinkeller von Nederburg<br />

in Paarl. Der Weinbau war zu dieser<br />

Zeit mit vielen bürokratischen Hindernissen<br />

verbunden. So mussten sich die Cluvers<br />

eine Hühnerfarm in Stellenbosch kaufen,<br />

um die notwendige Weinbauquote zu erreichen.<br />

Einige Jahre später entschied sich<br />

die Familie, ihre Weine selber zu erzeugen.<br />

Ein Keller wurde gebaut und darin 1997<br />

der erste eigene Jahrgang abgefüllt.<br />

Beim Essen erzählt uns Paul Cluver über<br />

die technischen Feinheiten der Weinbau -<br />

region Elgin. Vorherrschende Bodentypen<br />

sind Bokkeveld-Schiefer und Table-Mountain-Sandstein.<br />

Die Cluver-Weinberge<br />

liegen auf 350 bis 550 Meter Höhe. Die<br />

Schieferböden sind aufgrund der Mineralität<br />

und der darunterliegenden wasserspeichernden<br />

Tonschicht besonders für den<br />

Weinbau geeignet. Die Sandsteinböden<br />

hingegen verglich Paul mit Hydrokulturen,<br />

da die Weine viel Aroma an der Nase,<br />

aber wenig Textur im Mund zu bieten<br />

haben. Paul erklärte uns, <strong>das</strong>s eine Bewässerung<br />

der Weinberge nur in Ausnahmefällen<br />

nötig sei. Grundsätzlich versucht er,<br />

dies zu vermeiden, damit die Charaktere<br />

der unterschiedlichen Jahrgänge besser zur<br />

Geltung kommen.<br />

Bodentief aromatisch<br />

Der Ansatz der Vergärung mit natürlicher<br />

Hefe ist ein höchst pragmatischer, genauso<br />

was Weingartenarbeit wie Kellerwirtschaft<br />

betrifft: Alles, was geht, soll so natürlich<br />

wie möglich sein. Bevor aber kranke Trauben<br />

oder fehlerhafte Weine entstehen, kann<br />

und wird eingegriffen. Natürlich ist <strong>das</strong><br />

Verfahren auch von der Rebsorte abhängig.<br />

Der Chardonnay wird zum Beispiel nur<br />

mit natürlichen, im Weinberg und im Keller<br />

vorkommenden Hefen vergoren. Beim<br />

Pinot Noir versucht man „maceration carbonic“:<br />

eine Technik aus dem Beaujolais,<br />

wo <strong>das</strong> möglichst unverletzte Lesegut als<br />

ganze Traube in <strong>das</strong> Gärbehältnis eingelagert<br />

wird – ohne Entrappen (Abtrennen<br />

der Beere von den Traubenstielen vor der<br />

Gärung) und Zerquetschen. Dieser Prozess<br />

erfordert Handlese, einen schonenden<br />

Transport und behutsames Umlagern. Das<br />

Gärbehältnis wird unter CO 2-Schutzgas<br />

gestellt, um <strong>das</strong> Produkt vor Oxidation zu<br />

schützen. Mit dem Ergebnis, <strong>das</strong>s der Wein<br />

eine intensivere Frucht zeigt. Das ultimative<br />

Ziel sind elegante Weine mit Finesse,<br />

Tiefe und Komplexität. Um <strong>das</strong> zu erreichen,<br />

kommen bei allen Rebsorten verschiedene<br />

Klone zum Einsatz, welche die<br />

verschiedenen Bodenverhältnisse unterschiedlich<br />

widerspiegeln und unterschiedliche<br />

Fruchtaromen offerieren. Gavin<br />

Patterson, der Herr des Hauses Sumaridge,<br />

und Peter Finlayson, sein Nachbar, der<br />

erste Weinmacher der Region und Grandseigneur<br />

aus dem Hemel en Aarde Valley,<br />

wollten sich von Paul Cluver nicht die<br />

Show stehlen lassen und erklärten uns, <strong>das</strong>s<br />

die Weingärten des Hemel-en-Aarde-Gebietes<br />

für Rebstöcke ebenfalls kein Ferienlager<br />

sind und <strong>das</strong>s die Tonschiefer-Sandsteinböden<br />

ideale Voraussetzungen für tolle<br />

Weine mit leichtfüßiger Konzentration<br />

und Mineralität bieten. Den Beweis trat<br />

Finlayson mit einem 2008er Bouchard<br />

Finlayson Missionvale Chardonnay an. Der<br />

Wein zeigte sehr schöne Noten von Limone<br />

und fein eingewobener Vanille. Um <strong>das</strong><br />

Holz noch besser zu integrieren, braucht<br />

der Wein noch etwas Zeit.<br />

Auch sein Sohn Peter Allan Finlayson,<br />

ein klasse Typ mit dröhnender Stimme<br />

und unbändiger Lebensfreude, versteht sich<br />

im Weinmachen. Wir probierten seinen<br />

2008er Crystallum Pinot Noir, der sich<br />

Kompetenz in der Region Frankfurt /Rhein-Main<br />

Der Planungsverband Ballungsraum Frankfurt / Rhein-Main erstellt derzeit für seine 75 Mitgliedskommunen<br />

den Regionalen Flächennutzungsplan, bundesweit eine Pionierleistung. Ziel ist, die<br />

Grundlagen für Wohn- und Gewerbestandorte, wichtige Kultur- und Freizeiteinrichtungen, Landschaftsräume<br />

sowie die Verkehrsinfrastruktur zu erarbeiten. Der Plan wird bis zum Jahr 2020 gültig<br />

sein. Darüber hinaus vertritt der Planungsverband die Region in einigen nationalen wie internationalen<br />

Netzwerken, beispielsweise im Initiativkreis Europäische Metropolregionen.<br />

Planungsverband Ballungsraum Ansprechpartner für die Medien:<br />

Frankfurt / Rhein-Main Frank Tekkiliç<br />

Der Verbandsvorstand Telefon: 069 2577-1250<br />

Poststraße 16 E-Mail: frank.tekkilic@planungsverband.de<br />

60329 Frankfurt am Main www.planungsverband.de<br />

* Mesoklima: Klima eines kleineren Landschaftsauschnitts,<br />

zum Beispiel eines Hangs oder Wandrands (Kleinklima)<br />

Planungsverband Ballungsraum<br />

Frankfurt/Rhein-Main


Fotos: Craig Fraser, Andries Joubert<br />

62 Südafrika<br />

Peter Finlayson (oben) ist der Wein-Grandseigneur<br />

im Hemel en Aarde Valley.<br />

Anthony Hamilton Russell ist Spezialist<br />

für Pinot Noir und Chardonnay<br />

sehr frisch und mineralisch zeigte. Der<br />

Wein ist noch zu jung, wird aber in absehbarer<br />

Zeit sicherlich ein Kracher sein. Fantastisch<br />

im Vergleich und zur Ergänzung<br />

an diesem Abend war für mich der 2008er<br />

Sumaridge Pinotage. Er besaß eine tolle<br />

Mischung aus Finesse der alten Welt und<br />

einer Fruchtigkeit der neuen Welt. Es ist<br />

ein sehr seriöser Tropfen, der sich nach<br />

10 Minuten im Glas öffnete und Aromen<br />

von Kirschen, Himbeere und einer Erdnote<br />

entwickelte. Sagenhaft, was der aus Simbabwe<br />

geflohene Winzer Gavin Patterson<br />

aus den Sandsteinböden da rausholt.<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Es war noch ein vierter Winzer dabei.<br />

Sebastian Beaumont, 34 Jahre jung, hat<br />

gerade <strong>das</strong> Zepter auf dem Familieweingut<br />

Beaumont übernommen. Beaumont liegt<br />

genau zwischen Elgin und Hemel en Aarde<br />

in der Region Botriver. Trotz der relativen<br />

Nähe zum Meer ist es dort etwas wärmer,<br />

mit weniger Niederschlag. Vor langer Zeit,<br />

im 18. Jahrhundert, war diese Farm ein<br />

Vorposten für die Dutch East India Company.<br />

Vor mehr als dreißig Jahren wurde<br />

sie von Roul und Jane Beaumont gekauft.<br />

Es gibt nicht wirklich viel zu tun in<br />

Botriver außer einem Besuch bei den<br />

Beaumonts, aber der lohnt sich. Sebastians<br />

Mutter, Jane, ist eine fantastische Köchin<br />

und Künstlerin mit einer kleinen, aber<br />

feinen Galerie neben der Probierstube.<br />

Auf dieser Farm versucht man, <strong>das</strong> Alte<br />

zu erhalten und trotzdem offen zu sein für<br />

neue Entwicklungen. So hat man zum<br />

Beispiel die alte Wassermühle wieder in<br />

Gang gebracht und backt nach 80-jähriger<br />

Pause jetzt wieder Brot aus selbst gemahlenem<br />

Getreide.<br />

Prima Wein, doch die Vernunft siegt<br />

Die Weine der Beaumonts zeichnen sich<br />

durch eine gewisse Zeitlosigkeit aus. Der<br />

mitgebrachte Chenin Blanc Hope Marguerite<br />

ist reich und intensiv, aber nicht zu<br />

schwer, mit einer fruchtigen Note und toller<br />

Länge. Sebastian ist einer der aufsteigenden<br />

Winzer in Südafrika, und sein<br />

Wein fand viel Zustimmung bei den Gästen<br />

aus Deutschland. Der Abend wurde<br />

immer länger, und ich konnte sehen, wie<br />

ein Teil der Gruppe des <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong>-<br />

<strong>Club</strong>s sich nach dem Bett sehnte, während<br />

der andere Teil lieber noch den zwar kühlen,<br />

aber klaren Abend genießen wollte.<br />

Schlussendlich überwog die Vernunft, zumal<br />

die Aussicht auf den nächsten Tag, an<br />

dem wir zu Gast bei Anthony Hamilton<br />

Russell sein sollten, den Abschied von<br />

dem wunderbaren Ort leichter machte.<br />

Die 170-Hektar-Farm war 1975 von<br />

Tim Hamilton Russell als Brachland gekauft<br />

worden. Der Mann hatte sich in<br />

den Kopf gesetzt in einer Gegend Reben zu<br />

züchten, von der die Leute der Meinung<br />

waren, <strong>das</strong>s dort wegen des kalten Klimas<br />

nicht mal Äpfel reifen können. Mittlerweile<br />

hat Anthony die Führung übernommen<br />

und produziert ausschließlich Pinot Noir<br />

und Chardonnay unter diesem Label. Seine<br />

Weine zählen Jahr für Jahr zu den besten<br />

Südafrikas.<br />

Die FPC-Reisenden im Härtetest<br />

Der Abend begann mit einem frischen<br />

Glass Southern Right Sauvignon Blanc von<br />

der Nachbarfarm. Mit diesem spritzigen,<br />

frischen, mineralischen Tropfen wurden wir<br />

auf der Terrasse des imposanten Herrenhauses<br />

willkommen geheißen. Anthony hat in<br />

Oxford studiert und ist ein überaus kultivierter<br />

Redner, der charmanteste, den ich<br />

kenne. Mit viel Geschick und Einfühlungsvermögen<br />

präsentierte er eine kleine Vertikalprobe<br />

seiner besten Pinot-Noir-Jahrgänge,<br />

die man auch in Deutschland beziehen<br />

kann. Voller Stolz zeigte er auf seine<br />

Weinberge, um uns klarzumachen, <strong>das</strong>s<br />

<strong>das</strong>, was wir im Glas haben, nur hier in seinem<br />

Weinberg entstehen kann. Der Wein<br />

ist Ausdruck der sehr tonhaltigen kargen<br />

Böden. Sie sind Garant für die Verbindung<br />

von Kraft und Finesse.<br />

Abgerundet wurde der Abend mit den<br />

tollen Kochkünsten seiner Frau Olive.<br />

Groß, schlank und gut aussehend, stahl sie<br />

ihm ohne Schwierigkeiten die Show. Es<br />

gibt nur wenige Menschen, die mit so viel<br />

Charme wildfremden Gästen die Türen<br />

ihres Hauses öffnen und sie mit Köstlichkeiten<br />

aus Keller und Küche verwöhnen.<br />

Der weite Blick über die Weinberge, die<br />

herzliche und unkomplizierte Gastfreundschaft<br />

der beiden Russels, die uns nicht nur<br />

zu Wein und Essen einluden, sondern uns<br />

auch im gesamten Haus ihre Kunst zeigten,<br />

beeindruckten die Gäste und prägten<br />

sich als Highlight bei allen Reiseteilnehmern<br />

ein. Auch dieses Mal wurde der<br />

Abend lang, und es fiel schwer, sich zu verabschieden.<br />

Noch schwerer nach dem Genuss<br />

des vielen guten Weines an diesem<br />

63<br />

Abend aber fiel es den Teilnehmern, am<br />

nächsten Morgen um 10 Uhr in der Früh<br />

mit der nächsten Probe zu beginnen. „Abwarten“,<br />

war meine Empfehlung, denn wir<br />

fuhren zu dem höchsten Weinberg in Stellenbosch.<br />

„Wenn wir dort oben sind, habt<br />

ihr wieder Durst!“ Als wir bei Jose Conde<br />

auf seiner Stark Conde Farm im Joenkershoek-Tal<br />

ankamen, mischte sich ängstliches<br />

Staunen mit Neugierde. Denn der<br />

bequeme Reisebus musste mit den Ladeflächen<br />

von zwei Pick-up-Trucks getauscht<br />

werden. „Wir müssen doch nicht etwa dort<br />

hoch?“, fragte mich einer der Teilnehmer<br />

besorgt und zeigte auf den steilen Twin<br />

Peak. Doch genau dort ging es hin mit<br />

dem <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong>. Von dort hat<br />

man den besten Blick in die Ebene, und<br />

Winzer Jose ist voll in seinem Element,<br />

wenn er die Farm und seine Philosophie erklärt.<br />

Jose Conde hat <strong>das</strong> Weinmachen nie<br />

studiert! Er hat als erfolgreicher Designer<br />

in Tokio und New York gearbeitet. Mit der<br />

Dickköpfigkeit des Autodidakten und der<br />

Hilfe von Büchern aber hat er sich ein intensives<br />

Verständnis des Weinanbaus, vor<br />

allem von Balance und Harmonie, erarbeitet,<br />

was sich in allen seinen Weinen findet.<br />

Stark – Conde 2006. Eine tolle Frucht<br />

mit Nuancen von Blaubeeren, Cassis und<br />

schönen floralen Noten, Zedernholz und<br />

etwas Nelken an der Nase. Das Holz war<br />

noch etwas dominant, aber <strong>das</strong> wird sich<br />

mit der Zeit sicher besser integrieren. Der<br />

Wein hatte eine sehr schöne Frische und<br />

unglaublichen Fokus mit einem sehr präzisen<br />

kontrastreichen Geschmack am Gaumen,<br />

der mit einem lang anhaltenden<br />

Interesse an den hier vorgestellten Weinen? Eine Liste der<br />

Weinimporteure finden Sie auf der Website des <strong>Frankfurter</strong><br />

<strong>Presse</strong><strong>Club</strong>s<br />

Nachgeschmack endete. Ich denke, dieser<br />

Wein ist durch seine unaufdringliche Art<br />

etwas für erfahrene Weinliebhaber, die<br />

<strong>das</strong> Subtile suchen. Ein Teilnehmer meinte,<br />

<strong>das</strong> sei eine typische „Ein-Mann-Flasche“,<br />

weil er ohne Probleme eine Flasche alleine<br />

trinken könnte. Fazit: Der Wein machte<br />

riesigen Spaß.<br />

Für mich ist Jose Conde „der“ Cabernet-<br />

Sauvignon-Produzent in Südafrika. Mit<br />

unaufdringlichem Charme, tollen Weinen<br />

und der fantastischen Aussicht über <strong>das</strong><br />

Land konnte er die FPC-Teilnehmer problemlos<br />

davon überzeugen, <strong>das</strong>s man auch<br />

morgens um 10 Uhr Wein probieren kann.<br />

Jörg<br />

Pfützner<br />

Sommelier<br />

pfuetzner@<br />

mweb.co.za


64 Südafrika<br />

Sauvignon Blanc hilft<br />

Einbinden, ausbilden, Strukturen schaffen: Jo Melton Butler und Peter Thorpe<br />

zeigen, wie man mit einem Weingut und einem Hotel die nachhaltige Entwicklung<br />

einer Region fördert<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Foto: Rainer Rüffer<br />

65<br />

Peter Thorpe and Jo Melton Butler verbinden<br />

Pioniergeist mit sozialem Engagement.<br />

Sie ist Geschäftsführerin der Hog Hollow<br />

Lodge, er Winzer und Besitzer des Bramon<br />

Wine Estate. Beide verfolgen <strong>das</strong>selbe<br />

Konzept: den eigenen wirtschaftlichen<br />

Erfolg und die Entwicklung der wunderschönen,<br />

aber ursprünglich armen Region<br />

zu fördern. Hog Hollow ist ein Viersternehotel<br />

nahe Plettenberg Bay, <strong>das</strong> nur von<br />

Einheimischen betrieben, beliefert und<br />

ökologisch wirtschaftet wird. „Unsere Angestellten<br />

kommen aus den umliegenden<br />

Dörfern. Wir bilden sie aus, bieten ihnen<br />

Weiterbildungskurse und bauen eine Beziehung<br />

zu ihnen auf“, berichtet Jo Melton.<br />

Das ist wichtig, denn eine stabile Mitarbeiterschaft<br />

hilft beiden Seiten.<br />

Die Arbeiter stammen aus dem nahen<br />

Umkreis, so <strong>das</strong>s sie heimkehren können zu<br />

ihren Familien und nicht auseinandergerissen<br />

werden wie andernorts. Ebenso wichtig<br />

sibnd die Einbindung des Hauses in die<br />

Umgebung und der Schutz der Natur, die<br />

von Sandstränden über Whale-Watching<br />

bis hin zu Wandergebieten nichts an<br />

Touristenwünschen offenlässt. „Das ist <strong>das</strong><br />

Paradies hier. Jemand muss hier leben –<br />

wir tun’s“, sagt Jo lächelnd. Dabei will sie<br />

mit Hog Hollow verantwortungsbewussten<br />

Tourismus fördern.<br />

Vor 10 Jahren war Jo mit ihrem Schwager<br />

Peter nach Plettenberg Bay gekommen.<br />

Während sie in den Hotelbetrieb einstieg,<br />

besann sich der Winzersohn auf seine Wurzeln<br />

und begann zusätzlich zu seiner Arbeit<br />

als Wirtschaftsdozent mit dem Weinanbau.<br />

Nach der Motto „Trial and Error“ pflanzte<br />

er die ersten Rebstöcke und kultivierte sie.<br />

Pionierarbeit, denn die eigentliche Wein -<br />

region um Stellenbosch liegt 500 km entfernt<br />

bei Kapstadt. Doch auch wenn es hier<br />

durchschnittlich nur etwa 22 Grad sind, ist<br />

er zuversichtlich, bald ähnlich erfolgreich<br />

zu sein wie seine Kollegen. Mit dazu beitragen<br />

soll vor allem sein Sauvignon Blanc,<br />

den er als einziger nach der Champagnermethode<br />

keltert, „sehr trocken, aber mit<br />

einem Hauch von Apfelgeschmack“, wie<br />

er stolz berichtet.<br />

Seit 2005 ist die Region als Weinregion<br />

ausgewiesen, und als Vorsitzender der<br />

Wine-Association will Thorpe die Region<br />

nach vorne bringen. Sie soll als „Bubbling<br />

Route“ ein Teil der berühmten Garden<br />

Route werden. Inzwischen gibt es elf<br />

Weingüter in der Region, alle bilden auch<br />

Mitarbeiter aus. Peter selbst begann mit<br />

einem Hektar, heute hat er 55 Hektar und<br />

22 Angestellte, die er trainiert und fördert,<br />

sechs auf seinen Weinbergen. Wie Jo hält<br />

Peter Kontakt zu den umliegenden Dörfern<br />

der Schwarzen. Auch Jos Angestellte kommen<br />

von dort. Jo unterstützt außerdem<br />

den dortigen Chor mit Rat, Tat und Geld.<br />

„Ich organisiere Busfahrten zu ihren Konzerten<br />

und wir bezahlen die Uniformen.“<br />

Nicht nur die Ausbildung, auch die Aufklärung<br />

soll dafür sorgen, <strong>das</strong>s der Wein<br />

zum Lebensunterhalt beiträgt, und nicht<br />

zu seinem Ruin, wie in vielen anderen<br />

armen Familien. „Wine ist business, but no<br />

escape“, lautet der Slogan, den auch <strong>das</strong><br />

Weingut Bramon unterstützt. „Unsere<br />

Arbeiter trinken nicht“, sagt Peter. Weiterbildung<br />

soll dazu beitragen, <strong>das</strong>s es den<br />

schwarzen Familien besser geht. So bezahlen<br />

Peter und Jo etwa eine Lehrerin für<br />

die Kinder im Dorf.<br />

Der Aufbau dieser Strukturen sei nicht<br />

einfach gewesen, sagt Butler. Dazu trügen<br />

die verschiedenen Kulturen auch der<br />

Schwarzen untereinander bei. Alle müssten<br />

sich anstrengen, es sei wichtig eine Basis<br />

zu finden. „Es war schwer, aber es ist es<br />

hat sich gelohnt. Wir haben jetzt Stabilität<br />

in der Region, weil sich die Menschen<br />

angestrengt haben“, sagt Jo stolz.<br />

Michaela<br />

Schmehl<br />

Redakteurin ZDF<br />

office@ michaelaschmehl.de


66 Südafrika<br />

Der Fraport<br />

VIP-Service<br />

Die Südafrikareise des<br />

FPC begann auf angenehmste<br />

Art und<br />

Weise. Bärbel Storch,<br />

Leiterin Protokoll & VIP-<br />

Services der Fraport<br />

Bärbel Storch, Leiterin<br />

AG, teilte uns freundli-<br />

Protokoll & VIP-Services<br />

cherweise einige Tage Fraport AG<br />

vor Abflug mit, <strong>das</strong>s sie unsere Gruppe VIP betreuen<br />

wird. Die Freude darüber war riesengroß<br />

– kein Anstehen an Schaltern, keine langen<br />

Warteschlangen, die erforderlichen Formalitäten<br />

werden reibungslos erledigt. So konnten<br />

wir uns im gemütlichen Loungebereich bei einem<br />

Drink entspannen, bis uns kompetente<br />

und sehr freundliche Mitarbeiter abholten und<br />

mit einem exklusiven Bus direkt zum Flugzeug<br />

begleiteten. Ein netter Service, der <strong>das</strong> Leben<br />

erleichtert und sich wirklich lohnt!<br />

Bequemer geht es kaum: Der VIP-Service am<br />

<strong>Frankfurter</strong> Airport hält dem Fluggast die Hektik<br />

des Terminalbetriebs vom Leib und nimmt<br />

ihm alles Lästige ab. So kümmern sich freundliche<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um Einund<br />

Ausreiseformalitäten, den Check-in sowie<br />

<strong>das</strong> Gepäck-Handling. Sie geleiten den Gast<br />

zum Flugzeug oder bringen ihn auf geschützten<br />

Wegen in eine der exklusiven VIP-Lounges,<br />

die alles für einen komfortablen Aufenthalt<br />

bereithalten. Seit drei Jahrzehnten gibt es diesen<br />

Service am <strong>Frankfurter</strong> Flughafen bereits.<br />

Lange war er den Very-Very-Important-People,<br />

also den „VVIPs“, vorbehalten, doch vor einigen<br />

Jahren hat die Fraport den Zugang „demokratisiert“.<br />

Seitdem kann jeder Fluggast jedweder<br />

Airline, selbst wenn er nur ein Ticket der Economy<br />

Class besitzt, in den Genuss der privilegierten<br />

Behandlung kommen – sofern er bereit<br />

ist, ein Entgelt von 275 Euro zu zahlen. Mit -<br />

reisende können sogar schon für 100 Euro<br />

vom Passagier zum VIP werden. Inzwischen<br />

nutzten jedes Jahr etwa 25.000 Menschen<br />

<strong>das</strong> exklusive Angebot, Tendenz steigend.<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Gertrud<br />

Warnecke Chefredakteurin<br />

TAUNUS Edition<br />

Christian<br />

Sälzer<br />

gwarnecke@<br />

t-online.de<br />

Freier Journalist<br />

saelzer@niatu.net<br />

67<br />

Die Illu für den Kap-Lifestyle<br />

Während in Europa Verlage sparen, Mitarbeiter<br />

entlassen und Titel vom Markt nehmen, ist in Südafrika<br />

eine Zeitschrift für Europa auf Erfolgskurs.<br />

„G&W“ informiert genussfreudige Reisende und<br />

Investoren über die feine Lebensart in Südafrika.<br />

Seine Leser sitzen in der First und Business<br />

Class. Rene Steiner fliegt zwischen Südafrika<br />

und Europa Economy. Der junge<br />

Österreicher ist der Herausgeber und Chefredakteur<br />

von „G&W“, dem „exklusiven<br />

Südafrika<strong>magazin</strong> für Lebensart“. Das Heft<br />

ist seit sechs Jahren auf dem Markt. „Seit<br />

Ende 2009 freuen wir uns über solide<br />

Gewinne.“<br />

Rene Steiner hat Grund, stolz zu sein.<br />

Hinter „G&W“ steht kein großer Verlag.<br />

Der 35-Jährige gründete 2006 die Zeitschrift<br />

mit seinen Ersparnissen und nahm<br />

eine Hypothek für sein Apartment in<br />

Österreich auf. „G&W“ erscheint seit<br />

Oktober 2004 vierteljährlich in deutscher<br />

Sprache und seit Juli 2009 auch in einer<br />

englischen Version. Gesamtauflage: 50.000<br />

Exemplare.<br />

Neue Existenz am Kap<br />

„G&W“ ist ein Lifestyle<strong>magazin</strong>, <strong>das</strong> Lust<br />

auf Südafrika machen soll. Der Leser findet<br />

Reisereportagen zu unbekannten Reisezielen,<br />

erfährt alles über die besten Gästehäuser,<br />

Restaurants, Weingüter und Golfplätze.<br />

Südafrikanische Modedesigner und<br />

Künstler werden vorgestellt. Großer Wert<br />

wird auf die Optik gelegt. Die Heftmacher<br />

haben den Mut, bei einer Modestrecke mit<br />

ganzseitigen Fotos die gegenüberliegende<br />

Seite blank zu lassen. „G&W“ arbeitet mit<br />

den besten Fotografen des Landes.<br />

„Wir versuchen, unsere Themen fotografisch<br />

ungewöhnlich umzusetzen“, erläutert<br />

der Chefredakteur. „Wir haben einen Kellermeister,<br />

dessen Hobby <strong>das</strong> Tauchen ist,<br />

in voller Montur mit Luftflaschen in ein<br />

200-Liter-Weinfass gesteckt.“ Für einen<br />

Bericht über ein neues Restaurant stellte<br />

„G&W“ den Chefkoch mit Schlachtermesser<br />

in eine Rinderherde.<br />

Publizistik stand nicht im Lebenslauf<br />

des Salzburgers, als er 2001 nach Kapstadt<br />

kam. Steiner ist aus der Werbung „Ich war<br />

acht Jahre in der Marktforschung“, berichtet<br />

er. „Zunächst bei einer Agentur und<br />

später selbstständig.“ Ursprünglich wollte<br />

er sich eine Auszeit am Kap gönnen. Erholung<br />

in einem Land, <strong>das</strong> die Fesseln der<br />

Apartheid abgestreift hatte. Das war interessant.<br />

Der Tourismus blühte in der noch<br />

jungen Demokratie Südafrika auf. Rene<br />

Steiner erkannte <strong>das</strong> Potenzial, blieb und<br />

gründete eine Firma für Golfreisen.<br />

Rasch bemerkte der Marktforscher, <strong>das</strong>s<br />

sich der Tourismus in der Zielgruppe der<br />

wohlhabenden Individualreisenden – im<br />

Branchenjargon „Frequent Independent<br />

Traveller, FIT“ genannt – schlecht präsentierte.<br />

Sie fliegen First und Business Class<br />

und sind die bevorzugte Klientel der Werbung<br />

für Edelprodukte. Der nächste Schritt<br />

zu einer neuen Existenz am Kap der Guten<br />

Hoffnung war nur konsequent. „Golf<br />

& Wein“ erschien, <strong>das</strong> Reise<strong>magazin</strong> über<br />

Südafrika für Golfer und Weinliebhaber.<br />

Steiner bot den Fluglinien an, „Golf &<br />

Wein“ vor dem Vorhang zur Economy zu<br />

verteilen. Die Idee kam an. Bereits die erste<br />

Ausgabe war im Oktober 2004 an Bord<br />

von South African Airways auf Flügen von<br />

Deutschland nach Südafrika.<br />

Ein Jahr später holte Steiner den deutschen<br />

Fernsehjournalisten Ludger Pooth<br />

in die Redaktion. Er schlug vor, aus dem<br />

Reise<strong>magazin</strong> eine „Zeitschrift für Lebensart<br />

in Südafrika“ zu machen. „Südafrika<br />

bietet mehr als nur Golf und Wein“, sagt<br />

Pooth. „Damit konnten wir die Zielgruppe<br />

Rene Steiner (r.) wollte in Südafrika nur eine Auszeit<br />

nehmen, doch dann erkannte er <strong>das</strong> Potenzial<br />

für die Realisierung innovativer Projekte.<br />

Unten: Einblicke in Steiners Lifestyle-Magazin „G&W“<br />

der Leser und der Anzeigenkunden erweitern.“<br />

Aus „Golf & Wein“ wurde „G&W“.<br />

Die Strategie war richtig. 2007 nahmen<br />

Lufthansa und Swissair „G&W“ an Bord.<br />

Die englische Version lesen seit Juli 2009<br />

die Passagiere von British Airways, Virgin,<br />

Air Namibia, Air Seychelles und Air<br />

Mauritius. „Mit der englischen Version ist<br />

ein weiterer Markt erschlossen.“<br />

Es war ein Wagnis, mit der englischen<br />

Ausgabe mitten in der Rezession herauszukommen.<br />

Attraktives Nischenprodukt<br />

Steiner musste noch einmal finanziell zubuttern.<br />

Die ersten Ausgaben deckten<br />

kaum die Herstellungskosten. Die Ausgabe<br />

1/<strong>2010</strong> brachte immerhin keinen Verlust.<br />

„Dennoch war es die richtige Entscheidung<br />

mit Blick auf die Fußballweltmeisterschaft<br />

in Südafrika“, meint Rene Steiner. „Für die<br />

zweite Ausgabe <strong>2010</strong> haben wir bereits<br />

ausreichend Anzeigen.“<br />

„Für die Medienbranche ist ,G&W’ ein<br />

Nischenprodukt“, schmunzelt der Herausgeber.<br />

„In Europa werden Publikationen<br />

dieser Art entweder aufgekauft oder aus<br />

dem Markt gedrängt.“ Der clevere Österreicher<br />

hält sich deshalb von Zeitschriftenläden<br />

und Kiosken fern, deren Regale<br />

ohnehin die großen Verlage kontrollieren.<br />

Außer bei den Fluglinien gibt es „G&W“<br />

im Abonnement in Deutschland, Österreich,<br />

der Schweiz sowie in Großbritannien<br />

und Südafrika.<br />

Zur Fußball-WM wird „G&W“ zwei<br />

Spezialhefte herausgeben. „Wir werden<br />

darin keine Spielberichte haben“, lächelt<br />

Steiner „Das überlassen wir den aktuellen<br />

Medien.“ „G&W“ wird sich um die Leser<br />

kümmern, die mehr als nur Fußball<br />

wollen. Land und Leute genießen zum<br />

Beispiel.<br />

Ludgar<br />

Pooth<br />

Redakteur „G&W“<br />

Ludgar@ gw-mag.com<br />

Fotos: Justin Polkey, Andries Joubert


Foto: Rainer Rüffer<br />

68 Südafrika<br />

Die<br />

Strauße<br />

sind los<br />

Oudtshoorn in der „Kleinen Karoo“<br />

ist weltweit die Hochburg der<br />

Straußenzucht. Die rund vierhundert<br />

Farmen bringen etwa neunzig<br />

Prozent des Weltbestandes hervor.<br />

Die Highgate Ostrich Farm ist<br />

eine dieser Zuchtstätten und hat<br />

wie viele andere Farmen auch ihre<br />

Tore für Touristen geöffnet.<br />

Die Strauße auf der Highgate Ostrich Farm geben alles:<br />

Eier, Fleisch, Haut und Federn<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Gekonnt und unterhaltsam führt die junge Animateurin Carol<br />

Ann ihre Gäste durch die Straußenfarm. Die großen und kleinen<br />

Grüppchen werden in ein Freigehege zu einem Unterstand gebracht,<br />

wo Männer und Frauen sich auf ein Straußengelege mit<br />

sechzehn Eiern stellen dürfen. Die Straußeneier halten <strong>das</strong> aus und<br />

es macht sich gut fürs Foto. In fließendem Deutsch erzählt Carol<br />

Ann etwas zur Biologie der Tiere. Die Besucher erfahren, <strong>das</strong>s<br />

Männchen und Weibchen ein Leben lang zusammenbleiben und<br />

<strong>das</strong>s jedes Gelege immer ganz genau sechzehn Eier hat. Die Eltern<br />

bebrüten es Tag und Nacht. Klar, <strong>das</strong>s die erste Mitmachfrage lautet:<br />

Kann <strong>das</strong> Straußenweibchen rechnen? Natürlich nicht, aber<br />

unter ihr Gefieder passt genau diese Anzahl von Eiern. Mit Unterricht<br />

am lebenden Modell geht es weiter. Dafür muss ein eingepferchter<br />

Strauß einige anatomische Demonstrationen über sich ergehen<br />

lassen. Anschließend erleben die Touristen den Höhepunkt<br />

ihres Besuchs: den Ritt auf einem Strauß! Freiwillige treten vor<br />

und werden auf die Tiere gehievt. Zum Glück ist kein Schwergewicht<br />

darunter! Das Reiten in dem Freigehege sieht urkomisch aus<br />

und sehr skurril, für Reiter und Zuschauer ist es ein Heidenspaß.<br />

Doch bei manchem bleibt ein komisches Gefühl: Wie es den Tieren<br />

wohl dabei geht?<br />

Hält der Strauß <strong>das</strong> aus?<br />

Zum Programm gehört auch <strong>das</strong> Straußenrennen mit Jockeys.<br />

Sie scheuchen die Tiere durch den Parcours. Die Zuschauer dürfen<br />

wetten, welches Straußenteam gewinnt.<br />

Einblicke in die tatsächliche Produktion gibt es wenige. Tausend<br />

Zuchtstrauße bringt die Highgate Ostrich Farm jährlich hervor.<br />

Nachgeholfen wird dabei mit einer Brutstation, die aussieht<br />

wie ein modifizierter Hähnchengrill. Der Anblick lässt vermuten,<br />

<strong>das</strong>s auch die weitere Produktionskette wie am Fließband abläuft.<br />

Davon sehen die Touristen freilich so gut wie nichts. Nur am<br />

Rande bemerken wachsame Gäste, wie junge Strauße unsanft eingefangen<br />

werden und wie man ihnen trotz heftiger Gegenwehr die<br />

69<br />

Federn rupft. Carol Ann, 27, beschwichtigt jedoch sorgenvolle<br />

Nachfragen. Das Rupfen der Federn findet nur bei jungen Tieren<br />

statt, weil die Federkiele noch nicht von Blutgefäßen durchsetzt<br />

sind und daher nicht schmerzen. Die begehrten weißen Flügelfedern<br />

der Männchen werden nur einmal pro Jahr gerupft. Denn<br />

die weichen Federn sind schon nicht mehr <strong>das</strong> Hauptgeschäft.<br />

Federboas und Hüte mit dekorativen Straußenfedern hatten<br />

ihren Boom in der Jugendstilzeit. Sie waren ein Zeichen für Extravaganz<br />

und Luxus. Damals wurden die sogenannten Federbarone<br />

in Oudtshoorn reich. Heute spielen die Federn bei der Vermarktung<br />

von Straußenprodukten kaum noch eine Rolle. Ihr Anteil beträgt<br />

nur zehn Prozent des Umsatzes, und außer den Teilnehmern<br />

am Karneval in Rio gibt es fast keine nennenswerten Abnehmer.<br />

Begehrter sind <strong>das</strong> Fleisch der Tiere, <strong>das</strong> sehr wenig Fett und Cholesterin<br />

enthält, und vor allem <strong>das</strong> Leder. Nach Krokodilleder ist es<br />

die zweitteuerste Tierhaut! Taschen, Geldbörsen, Gürtel aus dem<br />

typisch genoppten Straußenleder sind sehr begehrt und teuer. Sie<br />

kosten auch auf der Highgate Ostrich Farm eine Stange Geld. Aus<br />

den Eiern werden Vasen und andere dekorative Artikel gefertigt.<br />

Trotzdem kämpfen viele Farmen ums Überleben, weshalb sie<br />

sich für Touristen öffnen. Die Führungen vermitteln im Schnelldurchlauf<br />

viel Wissenswertes über diese ungewöhnlichen Vögel.<br />

Sie bringen der Farm zusätzliches Geld ein und schaffen Arbeitsplätze.<br />

Vierzig einheimische Mitarbeiter gibt es auf der Farm.<br />

Doch von den Einnahmen scheinen sie nur wenig zu profitieren.<br />

Die dreisprachige Reiseführerin Carol Ann verdient mit ihrem<br />

Vollzeitjob keine 200 Euro im Monat, und die Jockeys bekommen<br />

gerade mal 80 Euro. Wahrscheinlich ist es Carol Ann deshalb egal,<br />

<strong>das</strong>s sie Tiere wie im Zirkus vorführt und <strong>das</strong>s Männer auf den<br />

Vögeln Rennen reiten.<br />

Annette<br />

Bögelein<br />

Freie Journalistin<br />

kontakt@annetteboegelein.de


70 Südafrika<br />

Fairer reisen<br />

Südafrika wird als Reiseziel immer beliebter. Damit die Natur keinen Schaden<br />

nimmt und die Bevölkerung sinnvoll profitiert, hat die Non-Profit-Organisation<br />

FTTSA ein Zertifizierungssystem für fairen Tourismus entwickelt. Eine weltweit<br />

wegweisende Maßnahme.<br />

Unter Fotografen ist Südafrika schon seit<br />

vielen Jahren ein Geheimtipp. Das wunderbare<br />

Licht und die atemberaubende Landschaft<br />

nutzen Medienmacher aus der ganzen<br />

Welt für Fotoshootings oder Werbefilme.<br />

Südafrika hat sich aber auch zu einem<br />

der beliebtesten Reiseziele auf der ganzen<br />

Welt entwickelt. Die landschaftliche Vielfalt<br />

und der Artenreichtum ziehen jedes<br />

Jahr mehr als acht Millionen Touristen ins<br />

Land. Auf die Besucher warten endlose<br />

weiße Sandstrände, felsige Küsten, spektakuläre<br />

Canyons, Buschsavannen und Regenwälder.<br />

Die andere Seite des Landes ist<br />

die extreme Armut vieler Menschen. Eine<br />

Brücke zwischen diesen Gegensätzen ist<br />

<strong>das</strong> Bestreben Südafrikas, seine Tourismusbranche<br />

in Richtung ökologische und Fair-<br />

Trade-Bedingungen zu dirigieren. Als<br />

Erstes und einziges Land, <strong>das</strong> sich einem<br />

nachhaltigen Tourismus verpflichtet hat.<br />

Erstes Siegel für fairen Tourismus<br />

Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor<br />

Südafrikas. Der Anteil am Bruttosozialprodukt<br />

wird auf mehr als acht Prozent<br />

geschätzt. Ungefähr 450.000 Menschen<br />

arbeiten in der Branche. Um dieses Marktpotenzial<br />

zu erhalten, verzichtet <strong>das</strong> Land<br />

bisher auf schnelles Wachstum im Tourismus.<br />

Massenunterkünfte und Hotelburgen<br />

gibt es bisher noch nicht.<br />

Die Non-Profit-Organisation Fair Trade<br />

in Tourism South Africa (FTTSA) ist die<br />

erste Einrichtung der Welt, die ein Zertifizierungssystem<br />

für „fairen“ Tourismus entwickelt<br />

hat. Sie wurde 2002 gegründet<br />

und vergibt eine Auszeichnung an Hotels,<br />

Pensionen, Museen und andere Touristen -<br />

attraktionen. Alle Bewerber für <strong>das</strong> Siegel<br />

müssen ein aufwendiges Prüfverfahren<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

durchlaufen und sich jedes Jahr wieder neu<br />

überprüfen lassen. Die Hog Hollow Lodge<br />

an der Gardenroute gehört dazu und<br />

demonstriert mit dem Siegel eine faire und<br />

verantwortliche Geschäftspraxis.<br />

Frühe Überlegungen<br />

Schon zwei Jahre nach dem Ende der Apart -<br />

heid wurde in einem „white paper“ von<br />

der damaligen Regierung festgehalten, <strong>das</strong>s<br />

Tourismus umweltfreundlich sein und in<br />

hohem Maße der verarmten Bevölkerung<br />

zugutekommen soll. In der nachfolgenden<br />

Aufbauphase Südafrikas trat dieses Ziel<br />

zunächst in den Hintergrund. Erst im Mai<br />

2002 wurden diese Vorsätze wieder aufgegriffen.<br />

Auf der Weltkonferenz für nachhaltige<br />

Entwicklung verkündete der damalige<br />

Umwelt- und Tourismusminister Mohammed<br />

Valli Moosa die Leitlinien für eine verantwortungsvolle<br />

Tourismusentwicklung.<br />

Es war die Geburt des Fair-Trade-Touris -<br />

mus in Südafrika.<br />

Doch erst mit der Anerkennung von<br />

„Fair Trade Tourism“ durch die Vereinten<br />

Nationen rückte <strong>das</strong> Siegel in den Fokus<br />

der Weltöffentlichkeit. Danach konnten<br />

Unternehmen in Südafrika für ökologischen<br />

Tourismus gewonnen werden. Bis<br />

heute schafft die Regierung ständig Anreize,<br />

damit mehr und mehr Firmen, Institutionen<br />

und Organisationen die Inhalte<br />

des fairen Ökotourismus umsetzen.<br />

Rundumpaket für Mensch und Umwelt<br />

Die Leitlinien des fairen Tourismus zielen<br />

auf drei elementare Bereiche. Die Umwelt<br />

zu schonen und zu erhalten, ist die Basis<br />

und ein wichtiger Aspekt, um Touristen<br />

auch in den nächsten Jahren mit der Natur<br />

des Landes zu beeindrucken. Die Auffors -<br />

tung des Waldes gehört in diesen Bereich,<br />

wie auch <strong>das</strong> Ziel, Wildtiere zu schützen<br />

und ihren Lebensraum zu erhalten. Brut -<br />

höhlen für die Pinguine in Boulder sind<br />

nur ein Beispiel für solche Maßnahmen.<br />

Umweltschutz bedeutet aber auch, die natürlichen<br />

Ressourcen bestmöglich zu schonen.<br />

Der Neubau von Golfplätzen wurde<br />

gestoppt, weil die Grünanlagen viel Wasser<br />

brauchen. Unternehmen mit dem Siegel<br />

setzen vorrangig umweltfreundliche Technologien<br />

ein wie Solaranlagen, Energiesparlampen<br />

oder Wärmedämmung an Versorgungsleitungen.<br />

Das soziale Engagement für Menschen<br />

in der Umgebung ist ein weiterer Baustein.<br />

Vor allem die ärmeren Schichten sollen<br />

direkter vom Tourismus profitieren. Sie<br />

haben meistens keinerlei Ausbildung und<br />

deshalb auch kaum Chancen, ihren Lebensunterhalt<br />

zu verdienen oder sich beruflich<br />

zu entwickeln. Zu den Aufgaben eines Betriebes<br />

mit dem Label für fairen Tourismus<br />

gehört es deshalb, Einheimische zu schulen<br />

und nachhaltige Arbeitsplätze für sie zu<br />

schaffen. Grundziele sind auch die Sicherung<br />

fairer Arbeitslöhne und die Schaffung<br />

humaner Arbeitsbedingungen.<br />

Der dritte zentrale Bereich ist die Verbesserung<br />

der vorhandenen Wirtschaftsstrukturen<br />

im Land. Neben dem Umweltschutz<br />

und der Schaffung von Arbeitsplät-<br />

71<br />

zen verpflichten sich die Unternehmen, vor<br />

allem regionale Ressourcen zu nutzen und<br />

beispielsweise Handwerker aus der näheren<br />

Umgebung teilhaben zu lassen oder ihre<br />

Lebensmittel aus dem Umland zu beziehen.<br />

Erste Erfolge<br />

Mit der Etablierung des Labels für fairen<br />

Tourismus gilt Südafrika weltweit als Vorreiter.<br />

Inzwischen hat <strong>das</strong> Land mehr als<br />

fünfzig Unternehmen und Organisationen<br />

vorzuweisen, die hinter dem Konzept stehen.<br />

Dank seines Engagements ist <strong>das</strong> Land<br />

am Kap weltweiter Marktführer. Kapstadt,<br />

im Oktober 2008 als die „grünste Stadt“<br />

der Welt ausgezeichnet, steht nun im Rennen<br />

mit weiteren neun Metropolen und hat<br />

gute Chancen, im Jahr 2020 eines der globalen<br />

Zentren für Nachhaltigkeit zu werden.<br />

Dann sollen zehn Prozent der Haushalte<br />

mit Solarenergie ausgestattet sein und<br />

der gleiche Anteil der städtischen Energieversorgung<br />

aus erneuerbaren Energiequellen<br />

stammen. Die Fußballweltmeisterschaft<br />

<strong>2010</strong> rückt <strong>das</strong> Land am Südzipfel des afrikanischen<br />

Kontinents für ein paar Wochen<br />

in den Fokus der Weltöffentlichkeit.<br />

Zehn Millionen Besucher werden erwartet,<br />

und es bleibt zu hoffen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Land<br />

auch danach seinem Konzept eines fairen<br />

Tourismus treu bleiben kann!<br />

Annette<br />

Bögelein<br />

Freie Journalistin<br />

kontakt@annetteboegelein.de<br />

Ökotourismus<br />

als Job<br />

Helen Turnbull arbeitet seit zwanzig Jahren<br />

in der Tourismusbranche und setzt ihr ganzes<br />

Know-how für den Ökotourismus ein. Mit<br />

drei Gleichgesinnten hat sie <strong>das</strong> Unternehmen<br />

Uluntu gegründet, <strong>das</strong> Reisebüros auf der<br />

ganzen Welt dabei unterstützt, ökologische<br />

Reisen nach Südafrika anzubieten. Uluntu<br />

stellt Touren zusammen, übernimmt die Reservierungen<br />

im Land und stellt Kontakte her.<br />

Helen Turnbull und ihre Mitstreiterinnen verfügen<br />

über einen großen Schatz an Erfahrungen<br />

rund um den ökologischen Tourismus, sie<br />

kennen die Strukturen im Land und können<br />

so ausländischen Reiseagenturen ein wertvoller<br />

Partner sein. Das Ziel: die faire Tourismusbewegung<br />

in Südafrika weltweit zu unterstützen.<br />

www.uluntuafrica.com


72<br />

6 aus 120<br />

Neben seinen mehreren Hundert Einzelmitgliedern tragen den <strong>Frankfurter</strong><br />

<strong>Presse</strong><strong>Club</strong> auch derzeit 120 korporative Mitglieder: Unternehmen, Verbände,<br />

Institutionen und Parteien aus Frankfurt und Umgebung. Nachdem wir in der<br />

letzten Ausgabe des FPC-Magazins Evonik, die GTZ und den AvD vorgestellt<br />

haben, werfen wir diesmal einen Blick auf Tetra Pak Deutschland, den VKE-<br />

Kosmetikverband und die <strong>Frankfurter</strong> Sparkasse. Dabei steht einmal mehr<br />

<strong>das</strong> Thema externe Kommunikation im Mittelpunkt.<br />

Christian<br />

Sälzer<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Freier Journalist<br />

saelzer@niatu.net<br />

73<br />

Die Kartonmacher<br />

Tetra Pak Deutschland,<br />

Hochheim am Main<br />

Die Geschichte von Tetra Pak beginnt in Schweden mit einer<br />

handgroßen Kartonpyramide. Ruben Rausing brachte 1951 diese<br />

neuartige Verpackung aus Papier und einer Kunststoffbeschichtung<br />

in Tetraederform auf den Markt, die vor allem eines garantierte:<br />

ein Maximum an Hygiene. „Es war die Mission des Unternehmensgründers,<br />

Nahrungsmittel so zu verpacken, <strong>das</strong>s sie in<br />

bester Qualität überall erhältlich sein konnten“, erzählt Dr. Heike<br />

Schiffler, Kommunikationschefin von Tetra Pak Deutschland.<br />

Dieser Wunsch hat sich weitgehend erfüllt: Das Unternehmen ist<br />

heute in mehr als 150 Ländern vertreten. Die Kartons, die in immer<br />

neuen Formaten auf den Markt gekommen sind, ummanteln<br />

längst nicht mehr nur Milch. Inzwischen werden auch Säfte, Eistee,<br />

Wein und sogar Katzenfutter von Tetra Pak „eingekleidet“.<br />

Einer der wichtigsten Märkte ist Deutschland. Im Schnitt verbraucht<br />

jeder Bundesbürger pro Jahr 87 Getränkekartons der Marke<br />

Tetra Pak. Während in Limburg und Berlin produziert wird,<br />

befindet sich die Zentrale von Tetra Pak Deutschland und der<br />

Schweiz und darüber hinaus für ganz Zentraleuropa in Hochheim.<br />

Die Bekanntheit von Tetra Pak – keine andere Verpackung hat<br />

sich so erfolgreich als Marke etabliert – wurde dem Unternehmen<br />

hierzulande Ende der 1980er-Jahre allerdings zum Problem: Angesichts<br />

eines wachsenden Umweltbewusstseins wurde Tetra Pak<br />

zum Inbegriff der Wegwerfgesellschaft, verantwortlich für Ressourcenvergeudung<br />

und wachsende Müllberge. Die praktischen<br />

Kartons hatten plötzlich ein Imageproblem. „Tetra Pak hat damals<br />

sehr schnell geschaltet und Verantwortung übernommen“, so<br />

Schiffler. 1991 kam die neue Verpackungsverordnung, und <strong>das</strong><br />

Unternehmen stieg in <strong>das</strong> Duale System ein, <strong>das</strong> aus Müll Wertstoffe<br />

werden ließ. Tatsächlich kann Tetra Pak in vielerlei Hinsicht<br />

die Karte „Umweltschutz“ ausspielen: So sind die Kartons über-<br />

wiegend aus Holz hergestellt, <strong>das</strong> aus nachhaltig bewirtschafteten<br />

Wäldern in Skandinavien stammt. Sie lassen sich nicht nur vollständig<br />

recyceln, sondern sind zudem leicht und gut stapelbar, was<br />

auch ihren Transport vergleichsweise energieschonend macht. All<br />

<strong>das</strong> führe dazu, <strong>das</strong>s Kartons von Tetra Pak in der Umweltbilanz<br />

besser abschneiden als Einweggetränke-Verpackungen aus PET<br />

oder Glas und vom Umweltbundesamt als ökologisch vorteilhafte<br />

Verpackungen bewertet werden, betont Schiffler. In jedem Fall<br />

liefert es dem Konzern Material für eine „grüne“ Öffentlichkeits -<br />

arbeit.<br />

„Neben dem Thema gesunde Ernährung stehen Nachhaltigkeit<br />

und Umweltschutz ganz klar im Mittelpunkt unserer Kommunikation“,<br />

so Schiffler. Dazu passt, <strong>das</strong>s sie den Posten einer „Direktorin<br />

für Kommunikation und Umwelt“ innehat, von Hochheim<br />

aus zuständig für Zentraleuropa. Dabei setzt <strong>das</strong> Unternehmen von<br />

Land zu Land unterschiedliche Akzente. In Deutschland etwa hat<br />

es jüngst <strong>das</strong> Thema nachwachsende Rohstoffe zum Mittelpunkt<br />

von Kampagnen gemacht. Anders ist <strong>das</strong> zum Beispiel in Serbien:<br />

„Dort beteiligen wir uns gerade daran, ein Recyclingsystem aufzubauen,<br />

und stellen daher Wiederverwertung in den Mittelpunkt<br />

unserer Kampagnen“, sagt Schiffler. Der Hintergrund: Während in<br />

Deutschland immerhin 65 Prozent aller Tetra-Pak-Kartons wiederverwertet<br />

werden, wandern international vier von fünf Kartons<br />

in den normalen Müll. Das soll sich ändern, schließlich hat man<br />

bei Tetra Pak längst gelernt: Gut entsorgt ist halb<br />

gewonnen.<br />

Dr. Heike Schiffler, Direktorin Kommunikation und Umwelt,<br />

Tetra Pak Deutschland<br />

Fotos: Tetra Pak Deutschland


74 6 aus 120<br />

Für die „Kultur des Schönen“<br />

VKE-Kosmetikverband, Berlin<br />

„Klein, aber fein“ – so beschreibt Martin Ruppmann die Branche,<br />

deren Interessen er vertritt. Er ist Geschäftsführer des VKE, des<br />

Verbandes der Vertriebsfirmen Kosmetischer Erzeugnisse. Dem<br />

Verband geht es um selektiv vertriebene Kosmetikprodukte, und<br />

damit nicht um die Konsumware aus dem Supermarkt um die<br />

Ecke. Vielmehr handelt es sich um hochwertige und entsprechend<br />

-preisige Seifen, Parfüme und Cremes, die im Fachhandel wie Parfümerien<br />

angeboten werden. Etwa 50 deutsche Kosmetikanbieter<br />

und Vertriebstöchter ausländischer Häuser sind Mitglied im VKE,<br />

darunter so renommierte Marken wie Chanel, Estée Lauder, Kenzo<br />

oder Aveda. In der Darstellung des Verbandes klingt <strong>das</strong> so: „Marken<br />

voller Anspruch und Qualität, für eine Welt, in der Luxus<br />

und Genuss, Stil und Leidenschaft, also die Kultur des Schönen<br />

gepflegt und gelebt werden darf.“<br />

Deutsche Firmen sind deutlich in der Minderheit. In der Kosmetik<br />

ist es eben wie in der Mode: Für den Glamour sind vor<br />

allem französische, italienische und US-amerikanische Häuser<br />

zuständig. Konsumiert und gekauft wird er gleichwohl auch hierzulande<br />

– und <strong>das</strong> nicht zu knapp. 2008 machten die vom VKE<br />

repräsentierten Unternehmen einen Umsatz von 1,7 Milliarden<br />

Euro. Die Mitglieder bei der Wahrung der Produktqualität, bei<br />

innovativen Entwicklungen, überdurchschnittlichen Serviceangeboten<br />

und einer entsprechenden Verkaufsästhetik zu unterstützen<br />

– <strong>das</strong> gehört zu den Aufgaben des VKE.<br />

Gegründet wurde der Verband bereits 1952, und zwar in Frankfurt.<br />

Daher rührt auch seine Mitgliedschaft im hiesigen <strong>Presse</strong>club,<br />

die fortbesteht, obwohl der VKE vor drei Jahren vom Main an die<br />

Spree übergesiedelt ist. „Wir wollten näher ran an <strong>das</strong> politische<br />

Zentrum“, begründet Ruppmann diesen Schritt. Das Feld der Lobbyarbeit<br />

ist groß. Schließlich sollen die Kundin und längst auch<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

der Kunde davon überzeugt werden, <strong>das</strong>s – so Ruppmann – „hochwertige<br />

Kosmetika immer Konjunktur haben“. So setzt sich der<br />

Verband etwa dafür ein, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Verkaufspersonal entsprechend<br />

geschult wird. Er unterstützt den Markenaufbau bzw. die -pflege,<br />

bekämpft Produktpiraterie und mischt sich ein in die öffentliche<br />

Wahrnehmung seiner Marken und Produkte.<br />

Seit 1997 verschickt er zum Beispiel regelmäßig den Newsletter<br />

„Kosmetik-Infos“ an Journalisten, <strong>Presse</strong>büros oder Handelspartner.<br />

„Ziel ist es, umfassend zu informieren und unsere Branche im<br />

Gespräch zu halten“, sagt Ruppmann. Dabei ist freilich nicht jedes<br />

Gespräch im Sinne des Verbandes. Regelmäßig liefert er sich einen<br />

Schlagabtausch mit der Zeitschrift „Öko-Test“. Diese hat nämlich<br />

wiederholt vor Inhaltsstoffen in Kosmetikprodukten gewarnt. Der<br />

VKE hat sich gegen die aus seiner Sicht unseriöse und diffamierende<br />

Berichterstattung gewehrt. Mit Erfolg, wie Ruppmann meint:<br />

„,Öko-Test’ äußert sich inzwischen zurückhaltender als früher.<br />

Das ist auch unser Verdienst.“<br />

<strong>Presse</strong>arbeit bedeutet für den VKE auch, die Medien auszuwerten,<br />

um Trends frühzeitig wahrzunehmen. Das reicht von<br />

dem Wissen, welche Farben „in“ sind, bis zu der Beobachtung,<br />

wie wichtig <strong>das</strong> Internet für die Kosmetikbranche inzwischen geworden<br />

ist. Genutzt wird es dabei nicht nur als Bestellplattform,<br />

sondern auch als Infobörse – Stichwort Social Media –, in der sich<br />

die User Schminktipps geben, Düfte empfehlen und über Cremes<br />

chatten. Ruppmann: „In Foren zählen Beauty und<br />

Kosmetik zu den Top-5-Themen.“ Die Kultur<br />

des Schönen – sie lebt auch im Internet.<br />

75<br />

In Rot in die Zukunft<br />

<strong>Frankfurter</strong> Sparkasse, Frankfurt<br />

Als eines der traditionsreichsten Kreditinstitute Deutschlands hat<br />

die <strong>Frankfurter</strong> Sparkasse schon vieles erlebt. Gleichwohl dürfte<br />

man bei der „Fraspa“ zum jüngsten Jahreswechsel aufgeatmet haben:<br />

Endlich war eines der turbulentesten Jahrzehnte ihrer Geschichte<br />

vorüber. „Wir haben in den letzten zehn Jahren sicherlich<br />

häufiger im Fokus der Öffentlichkeit gestanden, als uns lieb gewesen<br />

ist“, sagt <strong>Presse</strong>sprecher Dr. Sven Matthiesen. Doch der Reihe<br />

nach.<br />

1822 gründete eine Gruppe honoriger <strong>Frankfurter</strong> Bürger, die<br />

später zur Polytechnischen Gesellschaft wurde, die <strong>Frankfurter</strong><br />

Sparkasse von 1822. Ebenfalls noch im 19. Jahrhundert entstand<br />

die Stadtsparkasse Frankfurt, eine Bank in kommunalem Besitz.<br />

Mehr als 100 Jahre später, 1989, fusionierten die beiden zur<br />

<strong>Frankfurter</strong> Sparkasse. Die Fraspa wurde zu einer der größten Sparkassen<br />

Deutschlands und im Privatkundengeschäft zum Marktführer<br />

in der Region. Zum 175-jährigen Jubiläum rief sie 1997<br />

die 1822-Stiftung ins Leben, seitdem ein Quell guter Taten und<br />

Nachrichten. Dann aber brach <strong>das</strong> neue Jahrtausend an.<br />

Der Bank kam teuer zu stehen, <strong>das</strong>s sie als regionale Bank am<br />

großen Finanzrad mitgedreht hatte. Denn mit der großen Blase<br />

platzte auch so manch hoher Kredit. Hinzu kamen Führungsquerelen,<br />

in deren Folge der Vorstand mehrmals wechselte. Die Folge:<br />

Die Fraspa machte Verluste, Stellen wurden gestrichen und Filialen<br />

geschlossen. Stimmen wurden laut, die Fraspa würde sich nicht<br />

alleine halten können. Damit begann der Poker um ihre Zukunft.<br />

Private Banken hätten gerne zugegriffen. Doch nicht zuletzt auf<br />

Drängen der hessischen Regierung kam die Landesbank Hessen-<br />

Thüringen zum Zug und kaufte die Anteile der Stadt und der<br />

Polytechnischen Gesellschaft. Die <strong>Frankfurter</strong> Sparkasse ist seitdem<br />

Tochter der Helaba. Im Zuge dessen musste sie von einem<br />

„wirtschaftlichen Verein“ in eine „Aktiengesellschaft“ und dann<br />

in eine „Anstalt des öffentlichen Rechts“ umgewandelt werden.<br />

Um den Neuanfang auch optisch zu unterstreichen, gab sie ihren<br />

blau-gelben Markenauftritt auf und kehrte zum Sparkassendesign<br />

zurück: Sie wurde wieder rot. Damit verschwanden auch die Zahl<br />

1822 aus dem Namen und die Bezeichnung Fraspa aus dem internen<br />

Sprachgebrauch. „Der Wechsel ist uns gut gelungen“, so<br />

Matthiesen, „wir kennen keinen Kunden, der uns deswegen verlassen<br />

hat.“<br />

In den Folgejahren gelang der Sparkasse die Trendwende. Doch<br />

kaum verbuchte sie wieder kräftige Gewinne, schlug die Finanzkrise<br />

zu. Als regionale Bank hätte sie dies nicht sonderlich betroffen<br />

– hätten ihre Berater nicht 5.000 Kunden ausgerechnet Zertifikate<br />

von Lehman Brothers verkauft. Ein gefundenes Fressen für die<br />

Medien. Anfang 2009 ging die Bank in die Offensive und begann,<br />

einzelne Kunden zu entschädigen. Im Mai dann machte sie allen<br />

Lehman-Kunden <strong>das</strong> Angebot, die Papiere zu 50 Prozent des<br />

Nominalwertes zurückzukaufen.<br />

Und heute? Durch alle Turbulenzen hindurch haben die <strong>Frankfurter</strong><br />

<strong>das</strong> Vertrauen zu ihrer Sparkasse behalten. Mit 400.000<br />

Privatkunden hat sie ihre Marktführerschaft behauptet. Im Januar<br />

konnte sie vermelden, <strong>das</strong>s 92 Prozent der Lehman-Kunden ihr<br />

Angebot angenommen haben. Und über <strong>das</strong> Geschäftsjahr 2009<br />

sagt Matthiesen: „Wir sind relativ gut durch die Finanz- und<br />

Wirtschaftskrise gekommen und werden – trotz<br />

der 44 Millionen Euro für Lehman-Kunden –<br />

einen Gewinn ausweisen.“ Das sind doch gute<br />

Nachrichten am Beginn eines neuen Jahrzehnts.<br />

Martin Ruppmann, Geschäftsführer VKE Dr. Sven Matthiesen, <strong>Presse</strong>sprecher <strong>Frankfurter</strong> Sparkasse<br />

Fotos: VKE, <strong>Frankfurter</strong> Sparkasse 1822


76 Forum Deutscher <strong>Presse</strong>clubs<br />

Brückenbauer statt<br />

Einzelgänger<br />

Rückblick und Ausblick auf die Arbeit des Forums Deutscher <strong>Presse</strong>clubs<br />

FORUM<br />

Deutscher <strong>Presse</strong><strong>Club</strong>s<br />

Im Sommer 2002 trafen sich erstmals Vorsitzende und Geschäftsführer<br />

deutscher <strong>Presse</strong>clubs, um über Möglichkeiten der Zusammenarbeit<br />

zu beraten. Nach diesem ersten Treffen und einem<br />

weiteren 2003 in Frankfurt bekam der lose Verbund 2004 in Berlin<br />

den Namen Forum Deutscher <strong>Presse</strong>clubs. Die nächsten Treffen<br />

fanden 2005 in Köln, 2006 in Dresden, 2007 in München, 2008 in<br />

Bremerhaven-Unterweser und 2009 in Nürnberg statt. <strong>2010</strong> ist der<br />

<strong>Presse</strong>club Wiesbaden Gastgeber, 2011 Koblenz, und 2012 feiert<br />

<strong>das</strong> Forum dann sein Zehnjähriges in Frankfurt, da, wo alles begann.<br />

In dem berühmten Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse heißt<br />

es: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“ Davon war<br />

beim ersten Treffen der interessierten Netzwerker nichts zu spüren.<br />

Skeptische Neugier war eher die vorherrschende Stimmung. Was<br />

soll oder kann ein Zusammenschluss bringen? Wie und in welcher<br />

Form können unterschiedliche <strong>Club</strong>s zusammenarbeiten, die oft<br />

nur den Begriff „<strong>Presse</strong>club“ gemeinsam haben? Wo sind gemeinsame<br />

Interessen? Und wie kann eine Kooperation quer durch die<br />

Republik funktionieren? Bei den ersten Debatten knirschte es auch<br />

eher, und von einer reibungslosen Zusammenarbeit war nichts zu<br />

spüren. Im Gegenteil: Am Anfang waren die Treffen bestimmt von<br />

der Kontroverse über die zukünftige Form des Zusammenschlusses.<br />

Die Idee, aus dem losen Zusammenschluss einen Dachverband<br />

mit Satzung, Vorstand und einer Geschäftsstelle zu formen, wurde<br />

von der Mehrzahl der Anwesenden heftig abgelehnt und schließlich<br />

verworfen. Zu kompliziert, zu bürokratisch, zu teuer, lauteten<br />

die Argumente der Gegner dieser Organisationsform.<br />

Doch die Idee, ein funktionierendes Netzwerk zwischen den<br />

<strong>Presse</strong>clubs aufzubauen, war letztendlich stärker als der Streit über<br />

die Art des Zusammenschlusses. Und tatsächlich wächst die Zusammenarbeit<br />

zwischen den Forumsmitgliedern, auch wenn die<br />

23 <strong>Club</strong>s, die dem Forum inzwischen angehören, unterschiedlicher<br />

nicht sein könnten. Da sind <strong>Club</strong>s wie München, Nürnberg und<br />

Frankfurt mit mehreren Hundert Mitgliedern und eigenen Räumen,<br />

die neben ihrem <strong>Club</strong> (dem ideellen Bereich), für den sie<br />

Mitgliedsbeiträge erheben, einen wirtschaftlichen Bereich führen,<br />

in dem sie ihre Räume vermieten und anderen Service anbieten.<br />

Sie bringen ein eigenes Magazin heraus, vergeben regelmäßig<br />

Preise und Stipendien, bieten Informations- und Recherchereisen<br />

an und kooperieren mit anderen journalistischen Organisationen.<br />

Ihre Vereinsmitglieder sind Medienschaffende, aber auch korporative<br />

Mitglieder – meist Unternehmen –, die an den Aktivitäten<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

der <strong>Presse</strong>clubs teilnehmen können. Die korporativen Mitglieder<br />

sind es vielfach, die zu einem erheblichen Teil zur Finanzausstattung<br />

der <strong>Club</strong>s beitragen. Eine stattliche Zahl der <strong>Club</strong>s kann<br />

weder über eigene Räumlichkeiten verfügen noch einen großen<br />

Mitgliederstamm vorweisen. Dies sind oft <strong>Presse</strong>clubs in kleineren<br />

Städten wie Görlitz, Augsburg, Koblenz, Bremerhaven-Unterweser.<br />

Sie leiden oft unter der Tatsache, <strong>das</strong>s es nur eine Tageszeitung<br />

vor Ort gibt, keine Sendeanstalten und erst recht keine <strong>Presse</strong> -<br />

agenturen wie in den Ballungsräumen. Doch diese <strong>Club</strong>s sind deshalb<br />

nicht weniger rührig, was ihre Arbeit vor Ort angeht, und ihr<br />

Engagement für <strong>das</strong> Forum Deutscher <strong>Presse</strong>clubs kann sich sehen<br />

lassen. Gerade von <strong>Club</strong>s wie dem Görlitzer, dem Bremerhavener,<br />

aber auch dem Regensburger hat der FPC schon intensiv profitiert.<br />

Gemeinsam stark<br />

Das Netz wird immer dichter, die Kommunikation unter den<br />

Forumsmitgliedern immer enger. Das nutzte im Jahr 2009 Mitgliedern<br />

von Berlin, Regensburg und Nürnberg, weil sie zu Mitgliederbedingungen<br />

bei einer 14-tägigen <strong>Presse</strong>- und Informationsreise<br />

des <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong>s mitreisen konnten. Auf der<br />

Nepalreise zwei Jahre vorher hatten die Mitglieder aus München<br />

und Bremerhaven von dem Zusammenschluss profitiert. Und mit<br />

der tatkräftigen Unterstützung der Kollegen des <strong>Presse</strong>klubs Bremerhaven-Unterweser<br />

und jetzt des Regensburger <strong>Club</strong>s konnten<br />

junge Kolleginnen und Kollegen an den Reisen teilnehmen, die<br />

sich eine Recherche und <strong>das</strong> Knüpfen von Kontakten im Ausland<br />

(Vietnam, Nepal und Südafrika) nicht hätten leisten können.<br />

Dies war nicht nur von Vorteil für die Betroffenen, sondern der<br />

FPC hat damit auch seinen satzungsgemäßen Auftrag erfüllt, der<br />

da lautet: „Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> widmet sich der Förderung<br />

internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten, des<br />

Völkerverständigungsgedankens und auch der Betreuung ausländischer<br />

Journalisten und Gruppen. Er widmet sich dem Meinungsaustausch<br />

in politischen, kulturellen und sportlichen Bereichen<br />

gegenüber der Allgemeinheit sowie dem Erfahrungsaustausch<br />

zwischen in- und ausländischen Journalisten.“ Und weiter<br />

heißt es: „In Erfüllung des Vereinszwecks ist der <strong>Club</strong> berechtigt,<br />

Berufsbildung in- und ausländischer Journalisten sowie des journalistischen<br />

Nachwuchses finanziell zu fördern. Diese Förderung<br />

geschieht durch die Verleihung von Geldpreisen, durch die Vergabe<br />

von Stipendien oder durch sonstige Fördermaßnahmen.“<br />

Der Austausch von Gesprächspartnern und Podiumsgästen wird<br />

ebenfalls immer selbstverständlicher, die Verbindungen, die die<br />

einzelnen <strong>Club</strong>s haben, werden immer besser genutzt. So konnte<br />

Frankfurt den Koblenzern einen Laudator für die Verleihung des<br />

77<br />

Sophie-von-La-Roche-Preises vermitteln, die Nürnberger, Regensburger<br />

und Münchner konnten im Gegenzug mit Kontakten zu<br />

Politikern oder Medienmachern aus ihrem Umfeld aushelfen.<br />

Görlitz und Bremerhaven-Unterweser wiederum haben mit viel<br />

Enthusiasmus zwei Städtereisen für den FPC organisiert. Last but<br />

not least: Bremerhaven hat in Zusammenarbeit mit dem <strong>Presse</strong>club<br />

Saarland die Gruppenplattform Forum Deutscher <strong>Presse</strong>clubs<br />

bei Xing aufgebaut, außerdem haben die Bremerhavener 2009 die<br />

Arbeit am Internetauftritt und seine Neugestaltung übernommen<br />

(www.forum-deutscher-presseclubs.de).<br />

Aus organisatorischen Gründen befindet sich die Geschäftsstelle<br />

des Forums im <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong>. Hier laufen die Fäden zusammen,<br />

von hier aus werden die für <strong>das</strong> Forum wichtigen Informationen<br />

verteilt, wird etliches organisiert. Der Idee des Netzwerks<br />

lag der Satzungsgedanke zugrunde: „Der <strong>Club</strong> dient der Verbindung<br />

der Journalisten zu allen demokratischen Kräften und der<br />

Verbindung untereinander.“ Für Vorstand und Geschäftsführung<br />

des FPC aber sind diese Aktivitäten wichtige Legitimation gegenüber<br />

den Mitgliedern. Sie rechtfertigen sowohl <strong>das</strong> Engagement für<br />

<strong>das</strong> Forum als auch <strong>das</strong> für die Föderation Europäischer <strong>Presse</strong>clubs.<br />

„Der Starke ist am mächtigsten alleine“, legte der Dichter<br />

Friedrich Schiller vor mehr als 200 Jahren seinem Tell in den Mund.<br />

Der Einzelkämpfer ist auch heute <strong>das</strong> Ideal, <strong>das</strong> in der Literatur,<br />

der Musik und vor allem im Film gepflegt wird. Doch in der Welt<br />

der stabilen Netzwerke ist der Einzelgänger längst chancenlos. Diese<br />

Erkenntnis war der Ausgangspunkt für <strong>das</strong> Forum Deutscher <strong>Presse</strong>-<br />

clubs. Es ist letztendlich wie mit dem Beitrittswunsch mancher<br />

Staaten in die EU. Oft wird er von einem Gedanken geleitet, nämlich<br />

dem des eigenen Vorteils. Doch der Wunsch nach sofortigen<br />

Vorteilen durch die Verknüpfung ist naiv und unrealistisch. Tragfähige<br />

Zusammenschlüsse funktionieren nämlich nur auf der Basis von:<br />

Was habe ich wem zu bieten?, und nicht auf der Basis von: Was wird<br />

mir geboten, was habe ich davon? Soll die Verbindung reißfest sein,<br />

dann funktioniert sie nur nach dem Prinzip des Umkehrschlusses.<br />

Damit Netzwerke heutzutage aber wirklich erfolgreich sind,<br />

muss noch etwas anderes dazukommen. Die Menschen, die in einem<br />

Netzwerkes agieren, sollten aus verschiedenen Bereichen, Ebenen,<br />

Denkrichtungen und Disziplinen kommen. Wenn in <strong>Presse</strong>clubs<br />

nur Journalisten aus einer Region, einer Redaktion und einer<br />

Branche miteinander verkehren, können sie zwar wohlfeil über ihre<br />

Region, ihre Redaktion und ihre Branche plaudern, werden aber<br />

langfristig kaum Infos über den Bereich jenseits ihres Tellerrandes<br />

erhalten und letztendlich im eigenen Saft schmoren. Umfragen zum<br />

Thema Netzwerke zeigen, <strong>das</strong>s deren Erfolg besonders groß ist, wenn<br />

höchstens die Hälfte der Kontakte, die man pflegt, aus den eigenen<br />

Reihen kommt. Der Rest sollte aus anderen Bereichen und Branchen<br />

stammen. Das Forum mit seinen unterschiedlich ausgerichteten<br />

<strong>Club</strong>s ermöglicht genau diesen Blick über den Tellerrand.<br />

Monica<br />

Weber-<br />

Nau<br />

Geschäftsführerin<br />

FPC<br />

info@frankfurterpresseclub.de


78 Europäische Föderation<br />

Eine so internatio nale Stadt<br />

braucht europäische Medienkontakte<br />

Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> gehört zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen<br />

Föderation. Ein sinnvolles Netzwerk, aber die Kommunikation<br />

muss noch verbessert werden. Mit seinen rund 675.000 Einwohnern ist<br />

Frankfurt am Main nach Berlin, Hamburg, München und Köln zwar nur die<br />

fünftgrößte Stadt in Deutschland. Doch unbestritten gilt sie als „die“ internationale<br />

Metropole der Bundesrepublik. Hier leben 190.000 Menschen aus<br />

170 Nationen mit ausländischem Pass, hier sitzen die Europäische Zentralbank<br />

und die Deutsche Bundesbank, daneben gibt es 175 ausländische<br />

Banken und Finanzinstitute sowie rund 3.000 weitere nichtdeutsche Firmen<br />

aus Europa und anderen Kontinenten. Täglich strömen allein mit der Bahn<br />

rund 350.000 Reisende nach Frankfurt, <strong>das</strong> zudem den größten deutschen<br />

und drittgrößten europäischen Flughafen hat.<br />

Eine solch internationale Stadt braucht selbstverständlich auch Medienkontakte<br />

im In- und Ausland. In Frankfurt sind drei große Tageszeitungen,<br />

der Hessische Rundfunk, weitere regionale TV- und Radiosender, diverse<br />

Verlage, der deutsche Dienst der Nachrichtenagentur Associated Press<br />

(AP), der nach dem Verkauf an ddp jetzt DAPD heißt, und <strong>das</strong> Landesbüro<br />

der Deutschen <strong>Presse</strong>-Agentur (dpa) beheimatet. Der 1980 gegründete<br />

<strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> ist nicht nur federführend beim Forum Deutscher<br />

<strong>Presse</strong>clubs, dessen zehnjähriges Bestehen er 2012 ausrichten wird. Er<br />

gehört auch zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen <strong>Presse</strong>club-<br />

Föderation, in der er aktiv mitarbeitet. Der dort mögliche Austausch mit den<br />

<strong>Presse</strong>clubs aus Städten wie Paris, London, Barcelona, Lissabon, Straßburg,<br />

Warschau und nicht zuletzt Wien ist für uns von enormer Bedeutung.<br />

Daher sind wir auch ein klein wenig stolz darauf, den Kontakt zum <strong>Club</strong><br />

Polnischer Internationaler Kolumnisten aus Warschau vermittelt zu haben,<br />

der bei der jüngsten Tagung der Europäischen Föderation im Juni in Lissabon<br />

als Mitglied aufgenommen wurde. Zehn Jahre nach der Osterweiterung<br />

der EU sollte <strong>das</strong> nicht <strong>das</strong> Ende der Bemühungen sein, in Staaten des<br />

ehemaligen Warschauer Pakts weitere Kontakte und Mitglieder zu suchen.<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Die jährlichen Tagungen der Europäischen <strong>Presse</strong>club-Föderation bieten<br />

nicht nur ein den Horizont erweiterndes attraktives Programm aus Medienkongressen,<br />

Begegnungen mit Journalisten, Politikern und Kulturschaffenden<br />

sowie Besichtigungen und Besuchen vor Ort. Sie schaffen auch ein Forum<br />

für den Austausch von Erfahrungen und für Kontakte, die dann im Einzelfall<br />

auch Journalisten bei Besuchen zugutekommen können. Schließlich hat ja<br />

jedes Mitglied eines in der Föderation vertretenen <strong>Club</strong>s in jedem anderen<br />

Mitgliedsclub die vollen Rechte. Und wir sind auch dankbar, <strong>das</strong>s Aufrufe<br />

zur Teilnahme am Internationalen Medienpreis des <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong>clubs<br />

alle zwei Jahre von den Partnerclubs in Europa weitergegeben werden.<br />

Das heißt freilich nicht, <strong>das</strong>s schon alles perfekt wäre. So müsste vor<br />

allem eine auch über die Suchmaschinen auffindbare und für alle <strong>Club</strong>mitglieder<br />

in Europa leicht zu erreichende gemeinsame Homepage geschaffen<br />

werden – mit Links zu allen Mitgliedern der Föderation. Die von Paris angeregte<br />

Einrichtung eines Fotopreises der Europäischen Föderation mit Beiträgen<br />

aus allen Ländern der Mitgliedsclubs ist erst einmal an fehlenden Mitteln<br />

gescheitert. Aber auch in diese Richtung sollte weitergedacht werden.<br />

Natürlich hängt viel von der Initiative der einzelnen <strong>Club</strong>s selbst ab. So<br />

haben die <strong>Presse</strong>clubs aus Frankfurt am Main und Straßburg in den letzten<br />

zwei Jahren eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit aufgenommen. Die<br />

jeweiligen Vizepräsidenten haben an Vorstandssitzungen oder Veranstaltungen<br />

des jeweils anderen <strong>Club</strong>s teilgenommen. Aber auch die Mitglieder selbst<br />

sind involviert. So hat eine Abordnung des Straßburger <strong>Presse</strong>clubs letzten<br />

Herbst auf unsere Vermittlung hin die <strong>Frankfurter</strong> Buchmesse besucht und<br />

danach eine Einladung zum Besuch und einem Essen im FPC wahrgenommen.<br />

Der Gegenbesuch steht noch aus, wobei die Betonung auf „noch“ liegt.<br />

Gerhard<br />

Kneier<br />

Vizepräsident<br />

<strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong><br />

GKneier_DAPD@ap.org<br />

Warum gibt es<br />

verschiedene Wasch- und<br />

Reinigungsmittel?<br />

www.cleanright.eu gibt die Antwort<br />

Die Internetseite Cleanright bietet einen<br />

Rundgang durch ein virtuelles Haus. Per<br />

Mausklick lassen sich Informationen über<br />

die sichere, sparsame und wirksame<br />

Anwendung von Waschund<br />

Reinigungsmittel<br />

abrufen.<br />

www.cleanright.eu<br />

verkauf@gas-union.de<br />

Nutzen Sie Ihre<br />

Wachstumschancen<br />

Unser Erdgas kommt immer gut an:<br />

in der richtigen Menge, zum richtigen<br />

Zeitpunkt – und zum vereinbarten Preis!<br />

Vertrauen Sie unserer Erfahrung im<br />

Handel: Seit rund 50 Jahren beliefern<br />

wir Erdgasversorger, große Industriekunden<br />

und Kraftwerke.<br />

Konzentrieren Sie sich ganz auf<br />

Ihre Kunden und den Absatzmarkt.<br />

Wir kümmern uns um die Erdgasbescha<br />

ung. Und <strong>das</strong> gemeinsame<br />

Geschäft kommt weiter voran.<br />

Gas-Union.<br />

Mit Sicherheit mehr Energie.<br />

Strukturierte Erdgaslieferung richtig günstig!<br />

Spezielle Angebote für Industrie und lokale<br />

Energieversorger. Jetzt anfordern.<br />

Fax: 069 / 3003-129


80 Der Vorstand, Ihr FPC-Team, Impressum<br />

Der Vorstand<br />

Werner<br />

Holzer<br />

Ehrenpräsident<br />

Matthias<br />

W. Send<br />

Schatzmeister<br />

Leiter Wirtschaft<br />

und Gesellschaft<br />

HEAG-Südhessische<br />

Energie AG (HSE)<br />

FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />

Werner<br />

D’Ínka<br />

Präsident<br />

Mitherausgeber<br />

der „F.A.Z.“<br />

Michaela<br />

Schmehl<br />

Beisitzerin<br />

Redakteurin ZDF<br />

Ihr FPC-Team<br />

Monica<br />

Weber-Nau<br />

Geschäftsführerin<br />

T: 069 288800<br />

info@frankfurterpresseclub.de<br />

Tamara<br />

Sauer<br />

Projektbetreuung<br />

T: 069 282623<br />

F: 069 295803<br />

tamara.sauer@frankfurterpresseclub.de<br />

Gerhard<br />

Kneier<br />

Vizepräsident<br />

Koordinator Politik<br />

DAPD Deutscher<br />

Auslands-Depeschendienst<br />

Rouven<br />

Schellenberger<br />

Beisitzer<br />

Chefredaktion<br />

„<strong>Frankfurter</strong><br />

Rundschau“<br />

Nikolaus<br />

Münster<br />

Schriftführer<br />

Leiter <strong>Presse</strong>amt<br />

Stadt Frankfurt<br />

Katja<br />

Marx<br />

Beisitzerin<br />

Chefredaktion<br />

HR-Hörfunk<br />

Impressum<br />

FPC<br />

<strong>das</strong> <strong>magazin</strong> <strong>2010</strong><br />

© <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> e.V.<br />

Herausgeber: <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong><br />

gegr. 1980<br />

Vereinsregister. Nr. 73 VR 7632<br />

Anschrift<br />

Saalgasse 30,<br />

60311 Frankfurt am Main<br />

Tel.: 069/288800<br />

Fax: 069/295803<br />

info@frankfurterpresseclub.de<br />

www.frankfurterpresseclub.de<br />

Präsident Werner D’Inka<br />

(Mitherausgeber „F.A.Z.“)<br />

Vizepräsident Gerhard Kneier<br />

(Koordinator Politik<br />

DAPD Deutscher<br />

Auslands-Depeschendienst)<br />

Geschäftsführerin<br />

und Chefredakteurin<br />

Monica Weber-Nau<br />

(V. i. S. d. <strong>Presse</strong>rechts)<br />

Autorinnen/Autoren<br />

Annette Bögelein, Thorsten Drenkard,<br />

Werner D’Inka, Armin H. Flesch,<br />

Christoph Maria Fröhder, Sebastian<br />

Gehrmann, Gerhard Kneier, Christian<br />

Omonsky, Ludgar Pooth, Jörg Pfützner,<br />

Christian Sälzer, Michaela Schmehl,<br />

Monika Wendel<br />

Gestaltung<br />

büro bockenheim<br />

agentur für konzeptionelles design<br />

GmbH<br />

Adalbertstraße 10a<br />

60486 Frankfurt am Main<br />

Tel.: 069/970617-0<br />

mail@buerobockenheim.de<br />

Lithographie<br />

Con Composition, Frankfurt am Main<br />

Korrektorat und Schlussredaktion<br />

Dr. Michael Behrendt,<br />

Frankfurt am Main<br />

Druck<br />

Henrich Druck + Medien,<br />

Frankfurt am Main<br />

Anzeigen<br />

Odo-Ekke Bingel,<br />

Eschborn<br />

Tel.: 06173/608606<br />

Fax: 06173/608603<br />

fpc-<strong>magazin</strong>@isy4u.de<br />

Erscheinungsweise<br />

Jährlich, kostenlos

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!