das magazin 2010 - Frankfurter Presse Club
das magazin 2010 - Frankfurter Presse Club
das magazin 2010 - Frankfurter Presse Club
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30 Jahre <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong><br />
FPC<br />
<strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
30 Jahre<br />
<strong>Frankfurter</strong><br />
<strong>Presse</strong>-<br />
<strong>Club</strong>: Was<br />
war, was<br />
wird<br />
Seite 4<br />
Im Fokus:<br />
Auslandskorrespondenten<br />
und ihre<br />
Arbeit<br />
Seite 20<br />
<strong>Club</strong>reise<br />
nach Südafrika:<br />
Eindrücke<br />
aus einem<br />
Land im<br />
Aufbruch<br />
Seite 38<br />
<strong>2010</strong><br />
6 aus 120:<br />
Korporative<br />
FPC-<br />
Mitglieder<br />
im Porträt<br />
Seite 72<br />
Starke<br />
Netzwerke:<br />
Forum<br />
Deutscher<br />
<strong>Presse</strong>clubs<br />
und<br />
Föderation<br />
Europäischer<strong>Presse</strong>clubs<br />
Seite 76
Regional verankert. International agierend.<br />
Der Helaba-Konzern.<br />
Als europäische Regionalbank setzt sich der Helaba-Konzern<br />
nach haltig für die Entwicklung des Finanzplatzes Frankfurt<br />
und der Region ein. Dazu gehört auch die gezielte Förderung<br />
von Wirtschaft, Sport, Kultur, Bildung und Sozial wesen.<br />
Ein Engagement, <strong>das</strong> uns zu einem starken Partner macht.<br />
www.helaba.de<br />
1 Editorial<br />
Die Welt betrachten<br />
„Ohne Standardisierungen,<br />
ohne Stereotypen,<br />
ohne Routine -<br />
urteile, ohne eine<br />
ziemlich rück sichtsloseVernachlässigung<br />
der Feinheiten<br />
stürbe der Redakteur<br />
bald an Aufregung.“<br />
Walter Lippmann,<br />
Soziologe<br />
Werner D’Inka, Präsident des <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong>s und Mitherausgeber der „F.A.Z.“<br />
Wenn tief im Regenwald am Amazonas ein Baum umfällt,<br />
und niemand sieht zu – ist dieser Baum dann überhaupt umgefallen?<br />
Die moderne Technik erlaubt es, in Sekundenschnelle<br />
jede Information in Wort und Bild von jedem Ort der Erde<br />
an jeden beliebigen anderen Ort zu übermitteln. Und dennoch:<br />
Von mehr als 99 Prozent der Ereignisse, die Tag für Tag<br />
auf der Erde geschehen, erfahren wir nichts. Warum nicht?<br />
Weil nichts darüber in der Zeitung steht, weil Fernsehen und<br />
Radio nicht darüber berichten – ja nicht einmal <strong>das</strong> Internet,<br />
diese Riesenfundgrube, kann auch nur annähernd ein Abbild<br />
aller Ereignisse vermitteln.<br />
„Macht nichts“, mag man einwenden. Das meiste von dem,<br />
was Tag für Tag auf der Welt geschieht, ist ohnehin uninteressant,<br />
es betrifft uns nicht, es ist zu weit entfernt von unserem<br />
Alltag. Journalisten machen daraus gelegentlich eine Art<br />
Mythos. Danach gefragt, warum sie über ein bestimmtes<br />
Thema berichten und über ein anderes nicht, sagen sie gerne,<br />
<strong>das</strong> könne man weder erklären noch lernen, <strong>das</strong> sei eine<br />
„Kunst“ oder eine spezifische „Begabung“, die man besitze<br />
oder eben nicht. Solche Metaphern erklären freilich alles und<br />
nichts. Sie machen journalistische Entscheidungen immun<br />
gegen die notwendige Diskussion darüber, nach welchen<br />
Kriterien über manche Themen groß berichtet wird und<br />
andere im Redaktionspapierkorb landen. Journalisten sollten<br />
sich freilich mit Mythen und Metaphern nicht begnügen,<br />
auch nicht in eigener Sache.<br />
Vor allem in der Auslandsberichterstattung werden – zu<br />
Recht – immer wieder bestimmte Stereotypen konstatiert,<br />
bis in die Bildsprache: Geht es um Russland, zeigen wir gern<br />
goldene Kirchenkuppeln, und Afrika ohne Armut scheint<br />
undenkbar. Andererseits dienen Klischees der raschen Orientierung.<br />
„Ohne Standardisierungen, ohne Stereotypen, ohne<br />
Routineurteile, ohne eine ziemlich rücksichtslose Vernach -<br />
lässigung der Feinheiten stürbe der Redakteur bald an Auf -<br />
regung“, stellte der Soziologe Walter Lippmann fest. Aber gilt<br />
<strong>das</strong> auch für <strong>das</strong> Publikum? Wie viel Differenzierung, wie<br />
viele „Feinheiten“ dürfen die Leser, Zuschauer, Zuhörer erwarten?<br />
Fragen, denen die Autoren dieser Ausgabe des Magazins<br />
nachgehen.<br />
Alle zwei Jahre macht sich der FPC auf die Suche nach<br />
dem Fremden, nach jenen Eindrücken und Feinheiten, die der<br />
Routine mitunter geopfert werden. Im Herbst 2009, wenige<br />
Monate vor der Fußballweltmeisterschaft, sind 32 Kolleginnen<br />
und Kollegen in Südafrika fündig geworden. Sie haben eindrucksvolle<br />
Beispiele von Engagement, Hilfe, Lebensmut und<br />
Lebensfreude erlebt. Seit 30 Jahren bietet der FPC auf diese<br />
und andere Weise seinen Mitgliedern die Möglichkeit, über<br />
ihre Redaktionstische hinaus die Welt zu betrachten. Ausstellungen,<br />
Podiumsdebatten, Veranstaltungsreihen, Feste und<br />
Reisen wie die im Heft beschriebene sind seit drei Jahrzehnten<br />
ein fester Bestandteil des <strong>Club</strong>programms. So soll es bleiben.
2<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Inhalt<br />
30 Jah re<br />
Frank -<br />
furter<br />
<strong>Presse</strong>-<br />
<strong>Club</strong>:<br />
Was war,<br />
was wird<br />
Seite 4<br />
1 Die Welt<br />
betrachten<br />
Editorial<br />
4 Bis hierher und<br />
weiter<br />
30 Jahre <strong>Frankfurter</strong><br />
<strong>Presse</strong><strong>Club</strong>; Internationaler<br />
Medienpreis<br />
Frankfurt<br />
20 Mittendrin statt<br />
von fern dabei<br />
„Man muss wissen, <strong>das</strong>s<br />
<strong>das</strong> Sterben dazugehört“;<br />
Sprachkenntnisse und<br />
Titelbild<br />
Der frühere südafrikanische Staatspräsident Nelson Mandela<br />
bejubelt am 15. Mai 2004 an der Seite von Erzbischof<br />
Desmond Tutu die Entscheidung des Welt ver bandes FIFA:<br />
Südafrika wird Austragungsort der Fußball-WM <strong>2010</strong>.<br />
Foto: dpa Picture-Alliance, Steffen Schmidt<br />
Im Fokus:<br />
Auslandskorrespondenten<br />
und<br />
ihre Arbeit<br />
Seite 20<br />
Auslandserfahrung<br />
alleine reichen nicht;<br />
Die Welt im Radio;<br />
Krise als Medienereignis<br />
38 Südafrika –<br />
Cup der Guten<br />
Hoffnung<br />
Land im Aufbruch;<br />
„Nur ein Event“;<br />
Mission <strong>2010</strong>; Hoffnung<br />
Fußball; Grü ner<br />
Daumen, großes Herz;<br />
Überleben in Beverly<br />
Hills; Ein starkes Duo;<br />
Zwischen Himmel und<br />
<strong>Club</strong>reise<br />
nach Südafrika:<br />
Eindrücke<br />
aus einem<br />
Land im<br />
Aufbruch<br />
Seite 38<br />
Erde; Sauvignon Blanc<br />
hilft; Der VIP-Service<br />
der Fraport; Die Illu für<br />
den Kap-Lifestyle; Die<br />
Strauße sind los; Fairer<br />
reisen; Ökotourismus<br />
als Job<br />
72 6 aus 120 –<br />
Korporative Mitglieder<br />
des <strong>Frankfurter</strong><br />
<strong>Presse</strong><strong>Club</strong>s<br />
im Porträt:<br />
Tetra Pak Deutschland;<br />
VKE-Kosmetikverband;<br />
<strong>Frankfurter</strong> Sparkasse<br />
6 aus 120:<br />
Korpora -<br />
tive FPC-<br />
Mitglieder<br />
im Porträt<br />
Seite 72<br />
76 Starke Netz -<br />
werke: Forum<br />
Deutscher <strong>Presse</strong>clubs<br />
und Föderation<br />
Europäischer<br />
<strong>Presse</strong>clubs<br />
Brückenbauer statt Einzelgänger;<br />
Der älteste<br />
<strong>Presse</strong>club der Welt;<br />
Eine so internationale<br />
Stadt braucht europäische<br />
Medienkontakte<br />
80 FPC-Vorstand<br />
und -Team,<br />
Impressum<br />
WIR HALTEN DINGE IN BEWEGUNG<br />
UND ACHTEN DABEI AUF DIE UMWELT:<br />
DAS VERSTEHEN WIR UNTER GOGREEN.<br />
Logistik ist lebenswichtig für die Infrastruktur unserer<br />
globali sier ten Wirtschaft, schließlich wird fast ein Drittel aller<br />
weltweit hergestellten Waren exportiert. So viel Mobilität hat<br />
Auswirkungen auf die Umwelt. Im Jahr 2000 erzeugte der<br />
Transportsektor (einschließlich privaten Transports, Autoverkehr,<br />
Fluglinien etc.) 14 Prozent aller weltweiten Treibhausgase,<br />
der Hauptursache des Klimawandels. Damit trägt die moderne<br />
Logistik nicht nur Verantwortung für Kunden und Mitarbeiter,<br />
sondern auch für die Umwelt.<br />
Als größter Logistiker und Marktführer in vielen Segmenten<br />
sind wir mit rund einer halben Million Beschäftigten in über<br />
220 Ländern aktiv. Mit unseren Fahr- und Flugzeugen<br />
tragen wir – wie andere Logistiker und Millionen Privatautos<br />
auch – zum Treibhauseffekt und zur Erderwärmung bei. Doch<br />
dank unserer Größe können wir etwas bewirken. Und <strong>das</strong><br />
wollen wir auch: Nämlich die Nr. 1 auch beim Thema Nachhaltigkeit<br />
sein. Deshalb wollen wir den CO 2-Ausstoß für jeden<br />
zugestellten Brief, jedes versendete Päckchen, jeden verschifften<br />
Container und jeden Quadratmeter Betriebsgebäude bis<br />
2020 um 30 Prozent senken.<br />
Unser wachsendes Angebot an umweltfreund lichen Dienstleistungen<br />
unterstreicht unser Bemühen um klimafreundliches<br />
Wachstum. Mit Hilfe modernster Technologien entwickeln wir<br />
kreative Lösungen, die Transporte energieeffizienter und unser<br />
gesamtes Geschäft umwelt freundlicher machen.<br />
Ein gutes Beispiel ist unser neues europäisches Luftfahrtdrehkreuz<br />
in Leipzig. Dort statten wir ca. 1.000 m 2 Dachfläche mit<br />
Solarzellen zur Stromerzeugung aus. Hocheffiziente Kraft-<br />
Wärme-Kopplung deckt unseren gesamten Bedarf an Strom,<br />
Heizung und Kühlung. Damit senken wir den CO 2-Ausstoß<br />
um mehr als 3.000 Tonnen im Vergleich zu konventionellen<br />
Technologien. Außerdem sammeln wir Regenwasser für die<br />
Reinigung unserer Flugzeuge, wozu sonst 3.000 m 3 Trink wasser<br />
nötig wären.<br />
Ausgewogenheit und Augenmaß – <strong>das</strong> muss moderne<br />
Logistik auszeichnen, will sie ihrer Verantwortung für<br />
Kunden, Mitarbeiter und Umwelt gerecht werden. Wir<br />
schonen Ressourcen und bekennen uns zum Klimaschutz.<br />
Mehr Informationen finden Sie unter www.gogreen.de.
4<br />
Bis hierher<br />
und weiter<br />
Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> wird 30 Die Gründungsgeschichte wurde schon<br />
oft erzählt, aber man liest sie immer wieder gerne: Siebzehn ehrenwerte Herrn<br />
aus der <strong>Frankfurter</strong> Medienlandschaft beschließen, <strong>das</strong>s die Stadt, die die<br />
Börse und die Banken, den Dom und den Römer, den Main und den Henningerturm<br />
hat und auch ein Bahnhofsviertel, <strong>das</strong>s diese Stadt auch einen<br />
<strong>Presse</strong>club haben sollte. Sie kamen also am 29. Mai 1980 zusammen, und<br />
sieben von ihnen unterschrieben ein Gründungsprotokoll, wählten einen Vorstand<br />
und trafen sich fortan regelmäßig in diversen Gaststätten zum Fach simpeln.<br />
Doch der ständige Ortswechsel störte die Kontinuität und erst recht <strong>das</strong><br />
Wachstum des <strong>Presse</strong>clubs, und deshalb waren die Herren sich einig: Ein<br />
<strong>Club</strong> braucht einen festen Platz, eine Art Vereinshaus. Beim damaligen Leiter<br />
des <strong>Presse</strong>- und Informationsamtes der Stadt, Joachim Peter, und auch beim<br />
damaligen Oberbürgermeister Walter Wallmann stießen die Herren auf offene<br />
Ohren, und es traf sich gut, <strong>das</strong>s die <strong>Frankfurter</strong> Stadtverordneten in den 80er<br />
Jahren beschlossen, auf dem im Krieg leergebombten Römerberg die alten<br />
Fachwerkhäuser wiederauferstehen zu lassen. Also baute man die historische<br />
Zeile mit dem großen und dem kleinen Engel und dem Restaurant „Schwarzer<br />
Stern“ auf. Und hinter dem „Schwarzen Stern“, vor dem Historischen Mu se -<br />
um, da war dann auch Platz für den <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> e.V. 1984, vier<br />
Jahre nach seiner Gründung, hatten die <strong>Club</strong>mitglieder dann ihr eigenes<br />
Dach über dem Kopf, die <strong>Presse</strong> hatte ein Haus und die Stadt den <strong>Frankfurter</strong><br />
<strong>Presse</strong><strong>Club</strong>, und zwar an der richtigen Stelle, gegenüber vom Rathaus. Zur<br />
Eröffnungsfeier kamen OB Wallmann und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts,<br />
Ernst Benda, dazu weitere 100 Gäste aus Politik, Wirtschaft,<br />
Sport, Religion und Kultur. Dazu gesellten sich die Herren und Damen, die<br />
in der Stadt etwas zu sagen haben, und natürlich auch die Medienvertreter.<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
5<br />
Rüffer<br />
Ehrengast beim FPC-<br />
Neujahrs empfang <strong>2010</strong><br />
war der Diplomatische<br />
Rainer<br />
Korrespondent des „Spiegel“,<br />
Dr. Erich Follath Fotos:
6 Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> wird 30<br />
Bei der Gründung des <strong>Club</strong>s passten die<br />
Mitglieder noch an einen großen Tisch,<br />
doch mit dem Einzug in <strong>das</strong> neue Domizil<br />
wurde die Zahl größer, und wenn heute<br />
alle Mitglieder gleichzeitig in ihren <strong>Club</strong><br />
wollten, dann wäre kein Raum mehr in den<br />
zwei Stockwerken.<br />
Rund 900 Mitglieder prägen inzwischen<br />
auf die eine oder andere Weise <strong>das</strong> <strong>Club</strong> -<br />
leben. 420 Einzelmitglieder – Medienschaffende<br />
aus allen Branchen – und 450 Mit -<br />
arbeiter der korporativen FPC-Mitglieder –<br />
Unternehmen, Verbände, Vereine und<br />
Institutionen der Region – nehmen an den<br />
Podiumsdebatten und Vernissagen teil, sie<br />
informieren sich in Veranstaltungsreihen<br />
wie „Durchstarten“ über <strong>das</strong> journalistische<br />
Handwerk, lernen bei <strong>Presse</strong>-und Informationsreisen<br />
im In- und Ausland recherchieren<br />
und knüpfen Kontakte. Außerdem treffen<br />
sie im FPC Kolleginnen und Kollegen,<br />
Politiker, Sportler, Wirtschaftsexperten,<br />
Kulturschaffende und auch Vertreter von<br />
Religion und Kirche. Sie feiern mit den<br />
Kollegen den Sommer und <strong>das</strong> Weihnachtsfest,<br />
und zum Neujahrsempfang kommen<br />
sie in ihren <strong>Club</strong>, um den Ehrengast zu<br />
erleben. <strong>2010</strong> war dies Erich Follath, Diplomatischer<br />
Korrespondent des „Spiegel“,<br />
in den Jahren davor waren es Autor Jürgen<br />
Todenhöfer, Verleger Michael Ringier,<br />
Kirchenpräsident Peter Steinacker, EU-<br />
Kommissar Günter Verheugen, Chefredakteur<br />
Nikolaus Brender, Behördenleiterin<br />
Marianne Birthler, Intendant Markus<br />
Schächter, Ministerpräsident Roland Koch<br />
oder Bundesfinanzminister Hans Eichel.<br />
Fördern und netzwerken<br />
Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> hat ein e.V.<br />
hinter seinem Namen, und <strong>das</strong> lässt er sich<br />
einiges kosten: in Form von Reisestipendien<br />
für junge Kolleginnen und Kollegen,<br />
der Vergabe eines Internationalen Medienpreises<br />
Frankfurt und der Unterstützung<br />
von Organisationen wie Reporter ohne<br />
Grenzen und Netzwerk Recherche. Auch<br />
<strong>das</strong> Radioprojekt des Medienhauses oder<br />
die Journalistentage des FAZ-Institutes<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Viel los auf allen Etagen: Die Neujahrsgäste unterhielten sich prächtig<br />
Dr. Erich<br />
Follath,<br />
Marianne<br />
Follath, Werner<br />
D’Inka,<br />
Monica<br />
Weber-Nau<br />
Aufmerk -<br />
sames<br />
Publikum im<br />
vollbesetzten<br />
Konferenzraum<br />
des FPC
8 Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> wird 30<br />
Hans-Dietrich Genscher, Ex-Außenminister, zu Besuch im FPC<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
1980-1988<br />
1980 Auf Initiative des Chefs des Informations- und<br />
<strong>Presse</strong>amts der Stadt Frankfurt, kamen am 29.5.1980<br />
<strong>Frankfurter</strong> Journa listen zusammen, um den <strong>Frankfurter</strong><br />
<strong>Presse</strong><strong>Club</strong> zu gründen. Das Protokoll unterschrieben<br />
sieben der Anwesenden (Bosse, Briechle,<br />
Grünefeld, Holzer, Nimtz, Peter und Raue) und wähl -<br />
ten als ers ten Präsidenten FR-Chefre dakteur Werner<br />
Holzer. Erster Geschäftsführer wurde Dr. Max Ehr hardt,<br />
<strong>Presse</strong>sprecher der Esso AG.<br />
1984 Einweihung, Opening, Premiere: Nach der<br />
fertigstellung und Einrichtung des „Schwarzen Stern“<br />
feiern am 2.2.1984 rund 100 Gäste die neuen Räume<br />
des <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong>s. Auf dem fast schon<br />
„legendären“ <strong>Club</strong>foto (v.l.): Frankfurts Ober bürgermeister<br />
Dr. Walter Wallmann, Festredner Professor<br />
Dr. Ernst Benda, langjähriger Präsident des Bundes verfassungsgerichts,<br />
und FPC-Präsident Werner Holzer.<br />
1985 „<strong>Club</strong>abend mit Gerhard Schröder, Spitzen<br />
kandidat der SPD in Hannover“, so lautet die<br />
Pro grammankündigung für den 9.7.1985. Wer hätte<br />
gedacht, <strong>das</strong>s an diesem Abend der zukünftige Bun deskanzler<br />
im <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> vorbeischaut?<br />
1988 Am 28.3.1988 vergibt der FPC erstmals<br />
den Frankfurt-Preis: Matthias Horx (r.) gewinnt<br />
den 1. Preis für eine TEMPO-Story über Frankfurt.<br />
Den 2. Preis holen Edith Lange und Harald Lüders<br />
(HR), der Förderpreis geht an Annette Ramelsberger<br />
(l.) von AP.
10 Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> wird 30<br />
60 Jahre BRD – 20 Jahre Mauerfall, Ex-Außenminister Hans Dietrich Genscher hatte viel zu erzählen<br />
Der Fotograf Stephan Morgenstern und Gäste bei der Eröffnung seiner Ausstellung „Mauerfälle“<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
1992-2000<br />
1992 In Barcelona gründen zwölf <strong>Presse</strong>-<strong>Club</strong>s aus<br />
neun Ländern die Föderation Europäischer <strong>Presse</strong>-<br />
<strong>Club</strong>s. Von Anfang an aktiv dabei: der FPC. Die Föderation<br />
will den europäischen Gedanken pflegen und<br />
insbesondere an der Entwicklung der freien <strong>Presse</strong> mitwirken.<br />
Schöner Neben effekt: FPC-Mitglieder können<br />
nun auch die Angebote aller Partnerclubs nutzen.<br />
1993 Auf dem Neujahrsem pfang 1993 sagt Werner<br />
Holzer Le bewohl. Er hat eine neue jounalistische Aufgabe<br />
in den USA übernommen, bleibt dem <strong>Club</strong> aber<br />
als Ehrenprä sident erhalten. Zum neuen FPC-Präsidenten<br />
wird Gernot Raue (HR) gewählt.<br />
1999 Das Geleitwort zur zehnten Ausgabe des <strong>Club</strong>-<br />
Magazins schreibt Hans-Helmut Kohl, stellvertretender<br />
Chefre dakteur der <strong>Frankfurter</strong> Rundschau und<br />
neuer Präsident des <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong> <strong>Club</strong>s. Er löst<br />
Gernot Raue ab, der von 1993-99 Präsident war.<br />
2000 Im Juni 2000 bekommt der FPC eine neue<br />
Geschäftsführung. Monica Weber-Nau ist die erste<br />
Frau und die erste Journalistin in diesem Amt,<br />
<strong>das</strong> zuvor vier Mal nacheinander von <strong>Presse</strong>sprechern<br />
bekannter <strong>Frankfurter</strong> Institutionen bekleidet wurde.
12 Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> wird 30<br />
Sebastian Weigle, musikalischer Leiter der Oper Frankfurt. Moderator war FPC-Vorstandsmitglied Nikolaus Münster<br />
Dr. Wilm Herlyn wurde von FPC-Vorstandsmitglied Katja Marx zu seiner Zeit als Chefredakteur der dpa befragt<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
2001-2000<br />
2001 Großes Interesse weckt die Reihe „Kultur und<br />
Medien – eine spannungsreiche Beziehung“. Zum Start<br />
erklärt Prof. Jean-Christophe Ammann, „Wer bestimmt,<br />
was Kunst ist“, danach gastieren Ossi Urchs,<br />
Prof. Peter Weibel, Max Hollein u. a.<br />
2002 Ab 2002 erscheint <strong>das</strong> FPC-<strong>Club</strong>-Magazin in<br />
neuer Gestalt und Konzeption: als großformatige und<br />
zeitgemäß layoutete Kombination aus <strong>Club</strong>zeitschrift<br />
und medienreflektierendem Branchenblatt. Motto der<br />
Oktober-Ausgabe 02: „Medien Macher Netzwerke“.<br />
2003 Beim ersten Treffen deutscher <strong>Presse</strong>clubs<br />
kommen auf FPC-Initiative neun Vertreter aus sechs<br />
<strong>Club</strong>s zum Erfahrungsaustausch in Frankfurt zusammen.<br />
2004 folgt ein zweites Treffen, <strong>das</strong> zur Gründung<br />
des Forums Deutscher <strong>Presse</strong>clubs führt.
14 Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> wird 30<br />
Wolfgang Tiefensee (SPD), noch im Amt als Bundesverkehrsminister, diskutierte nach der Podiumsdebatte<br />
über die Entwicklung der Städte und des Verkehrs mit den FPC-Mitgliedern munter weiter<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
US-Generalkonsul<br />
Edward M. Alford<br />
Dr. Wolfgang Donsbach,<br />
Professor für Kommunikationswissenshaften<br />
an der Uni<br />
Dres den, lauscht den Ausführungen<br />
der FPC-Geschäfts -<br />
führerin Monica Weber-Nau<br />
Der neue Fraportchef<br />
Dr. Stefan Schulte im Gespräch<br />
im Oliver Günther („hr-info“)<br />
15<br />
Gerhart Baum<br />
(Ex-Bundesinnenminster) und<br />
Prof. Dr. Winfried Hassemer<br />
(Expräsident des Bundesverfassungsgerichts),<br />
interviewt<br />
von FPC-Ehrenpräsident<br />
Werner Holzer<br />
Jörg-Uwe Hahn,<br />
stellv. Ministerpräsident und<br />
Justizminister Hessen<br />
2004-2008<br />
2004 Zu den umstrittensten und gefragtesten<br />
Bundes politikern gehört Finanzminister Hans Eichel.<br />
Mehr als 250 Gäste lauschen beim Neujahrsempfang<br />
seinen Erklärungen. Mit süffisanten Worten, etwa zur<br />
Gebur tenrate der Franzosen, beweist er auch Humor.<br />
2005 Wechsel an der FPC-Spitze: Um sich ganz<br />
den Heraus for de run gen seiner neuen Position als Fernsehdi<br />
rek tor des Hessischen Rundfunks widmen zu<br />
können, gibt Manfred Krupp <strong>das</strong> Präsidentenamt auf.<br />
Zu seinem Nachfolger wird FAZ-Mitherausgeber<br />
Werner D’Inka gewählt.<br />
2008 Mit der im Februar 2008 gestarteten Veranstaltungsreihe<br />
„Durchstarten“ richtet sich der FPC gezielt<br />
an junge Journalisten. Das Konzept: Hochkaräter<br />
wie Autor Jan Weiler und Moderator Steffen Seibert<br />
geben Tipps zum Berufseinstieg, beleuchten aktuelle<br />
Medientrends und erzählen von ihren Erfahrungen.<br />
Die von FPC-Vorstandsmitglied Michaela Schmehl<br />
und Nils Bremer („Journal Frankfurt“) moderierte<br />
Reihe entwickelt sich zum Dauerbrenner.
16 Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> wird 30<br />
fallen unter die geförderten Projekte des<br />
<strong>Club</strong>s. Von den Anfängen am <strong>Frankfurter</strong><br />
Stammtisch bis zum bundes- und europaweit<br />
vernetzten <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> war der Weg<br />
mitunter mühsam, aber erfolgreich. Seit<br />
1990 existiert die vom FPC mitbegründete<br />
Föderation europäischer <strong>Presse</strong>clubs und<br />
seit 2002 <strong>das</strong> Forum deutscher <strong>Presse</strong>clubs.<br />
Auch in diesem Falle war der <strong>Frankfurter</strong><br />
<strong>Presse</strong><strong>Club</strong> Initiator und Wegbereiter des<br />
Netzwerks. 23 <strong>Club</strong>s gehören dem deutschen<br />
Netzwerk an, und zwischen ihnen besteht<br />
längst eine intensive Zusammenarbeit.<br />
Ort der unmittelbaren Kommunikation<br />
In Zeiten des Abbaus von Arbeitsplätzen –<br />
auch oder gerade in den Medien –, in denen<br />
jungen Journalistinnen und Journalisten<br />
der Einstieg schwer gemacht wird, die<br />
Arbeitsbedingungen sich verschärfen, in<br />
solchen Zeiten können <strong>Presse</strong>clubs für viele<br />
neue Bedeutung erhalten. Längst sind sie<br />
nicht mehr Orte, wo alte Herren mit Beziehungen<br />
<strong>das</strong> Netzwerk darstellen, sondern<br />
lebendige Treffpunkte, an denen Alt und<br />
Jung zum Gedankenaustausch zusammenkommen,<br />
wo der Kommunikationsexperte<br />
auf den Rechercheur, der Zeitungsmacher<br />
auf die Onlineszene stößt, wo der <strong>Presse</strong> -<br />
sprecher zwanglos mit dem Chefredakteur<br />
plaudern kann. In Zeiten, in denen sich<br />
die Kommunikation rasant geändert hat<br />
und täglich ändert, wo Blogs und Twitter,<br />
Facebook, Xing und andere Plattformen<br />
<strong>das</strong> persönliche Gespräch häufig ersetzen,<br />
hat ein <strong>Presse</strong>club die Aufgabe, ein Ort<br />
der unmittelbaren Kommunikation zu sein.<br />
Monica<br />
Weber-<br />
Nau<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Geschäftsführerin<br />
FPC<br />
info@frankfurterpresseclub.de<br />
Buchautorin Ingrid Schick und Fotografin Angelika Zinzow<br />
(„<strong>Frankfurter</strong> Hotelgeplauder“)<br />
Dr. Christoph Bieber, Medienwissenschaftler der Uni Gießen, erörterte <strong>das</strong> Twitter-Phänomen<br />
V.l.n.r.: Frank-Holger Appel, „F.A.Z.“, Matthias W. Send, FPC-Vorstandsmitglied und Klaus Franz,<br />
Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates Opel, diskutierten über die Krise des Autobauers<br />
17<br />
V.l.n.r.: Michael Konken, Vorsitzender DJV, Joachim Blum, Journalistikprofessor, mit Moderator Nils Bremer<br />
nach einem <strong>Club</strong>abend der Reihe „Durchstarten“<br />
UNSER PROGRAMM FÜR DIE ZUKUNFT:<br />
Individuelle Vorhaben fördern, die der Gesellschaft<br />
und Wirtschaft nachhaltig nutzen.<br />
Die KfW Bankengruppe gibt Impulse für Wirtschaft, Gesellschaft und Ökologie. Wir fördern<br />
zukunftsfähige Projekte und bekennen uns zu unserer gesellschaftlichen Verantwortung – in<br />
Deutschland, Europa und der Welt. Mehr Informationen über die KfW Bankengruppe erhalten<br />
Sie unter www.kfw.de<br />
Die Zukunftsförderer<br />
2009-<strong>2010</strong><br />
2009 Nach langer Zeit gibt es auch im FPC-Vorstand<br />
einen Wechsel. Für neuen Schwung sorgen ZDF-<br />
Redakteurin Michaela Schmehl, „FR“-Chefredakteur<br />
Rouven Schellenberger und HR-Hörfunk-Chefredakteurin<br />
Katja Marx.
18 Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> wird 30<br />
Internationaler<br />
Medienpreis<br />
Frankfurt<br />
Der Internationale Medienpreis Frankfurt ist<br />
der bedeutendste Medienpreis in der<br />
Region Rhein-Main und wird vom <strong>Frankfurter</strong><br />
<strong>Presse</strong><strong>Club</strong> e.V. verliehen.<br />
Ob eine spannende Reportage, ein kritischer<br />
Bericht, eine emotionale Geschichte<br />
oder ein innovatives Format – ausgezeichnet<br />
werden herausragende Beiträge,<br />
die sich mit Frankfurt und/oder der<br />
Rhein-Main-Region beschäftigen. Die<br />
Themen sind frei wählbar und können<br />
von Politik über Wirtschaft und Kultur<br />
bis hin zu Sport und Gesellschaft reichen.<br />
Neben dem Inhalt zählen auch<br />
Sprache, Stil und Verständlichkeit.<br />
Das Wichtigste im Überblick:<br />
Die Preisträger werden von einer<br />
hochkarätigen Jury aus Chefredakteuren<br />
und Ressortleitern zahlreicher in Frankfurt<br />
ansässiger Medien und Agenturen<br />
ermittelt.<br />
Teilnehmen können alle internationalen wie nationalen Journalisten mit<br />
Beiträgen aus Printmedien, TV, Radio, Onlinejournalismus und <strong>Presse</strong>foto -<br />
grafie (Veröffentlichungszeitraum: 16. Juni 2008 bis 15. Juni <strong>2010</strong>). Darüber<br />
hinaus wird ein Nachwuchspreis für Journalisten, die nicht älter als 28 Jahre<br />
sind, ausgelobt.<br />
Der Internationale Medienpreis Frankfurt ist mit Preisgeldern von insgesamt<br />
10.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung findet im Oktober <strong>2010</strong><br />
im Rahmen eines Festakts statt.<br />
Monica<br />
Weber-<br />
Nau<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Geschäftsführerin<br />
FPC<br />
info@frankfurterpresseclub.de<br />
Rückblick<br />
Die Preisträger 2008<br />
1. Preis: Ulrich Mattner und Stephan Morgenstern:<br />
„Blendende Aussichten bei guten Geschäften“ – Fotostrecke<br />
über Frankfurts Geschäftswelt, veröffentlicht im „Stern“<br />
2. Preis: Tobias Rüther: „Raus aus der Berliner Luft!“ –<br />
Feuilleton-Beitrag, der einen besonderen Blick auf Frankfurt<br />
wirft, veröffentlicht in der „<strong>Frankfurter</strong> Allgemeinen Zeitung“<br />
3. Preis: Christoph Hickmann: „Unter den Wolken“ –<br />
Reportage über den <strong>Frankfurter</strong> Flughafen, veröffentlicht<br />
in der „Süddeutschen Zeitung“<br />
und<br />
Silke Kujas und Kamil Taylan: „Innenstadtrevier“ –<br />
TV-Reportage über den Alltag zweier Polizisten mit Migrationshintergrund,<br />
veröffentlicht im Hessischen Rundfunk<br />
Nachwuchspreis: Sebastian Gehrmann, „Der Waldmensch“<br />
– Reportage über einen Obdachlosen, der rund<br />
30 Jahre im Wald lebte, veröffentlicht in der „<strong>Frankfurter</strong><br />
Rundschau“<br />
Die Preisträger 2006<br />
1. Preis: Eckhard Mieder mit Joachim Wölcken:<br />
„Der Bauch von Frankfurt – die Geschichte der Großmarkthalle“,45-minütige<br />
TV-Dokumentation, veröffentlicht im<br />
Hessischen Rundfunk<br />
2. Preis: Bernhard Borgeest: „Die Würde des Menschen<br />
ist unantastbar“, Print-Reportage, veröffentlicht in „Focus“<br />
3. Preis: Corinna Tertel: „Ode an den Main – eine Liebes -<br />
erklärung in 10 Akten“, Hörfunk-Feature, veröffentlicht im<br />
Hessischen Rundfunk<br />
Nachwuchspreis: Michael Wittershagen: „So schlimm ist<br />
es hier schon lange nicht mehr – Reportage vom <strong>Frankfurter</strong><br />
Berg“, veröffentlicht in der „<strong>Frankfurter</strong> Allgemeinen Zeitung“<br />
Sonderpreis: Thomas Schernbeck mit Volker Denkel „Das<br />
Ende des Schweigens – Der <strong>Frankfurter</strong> Auschwitz-Prozess<br />
von 1963 – 1965“, Onlinebeitrag, veröffentlicht in „hr-online“
20<br />
Auslandsjournalismus<br />
„Man<br />
muss wissen,<br />
<strong>das</strong>s<br />
<strong>das</strong> Ster -<br />
ben dazugehört“<br />
Seite 22<br />
Sprach -<br />
kenntnisse<br />
und<br />
Auslands -<br />
erfahrung<br />
alleine reichen<br />
nicht<br />
Seite 28<br />
Die Welt<br />
im Radio<br />
Seite 30<br />
Krise als<br />
Medien -<br />
ereignis<br />
Seite 32<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Mittendrin statt von fern dabei<br />
Ob Papstwahl in Rom oder Präsidentschaftswahlen in<br />
den USA, ob Hurrikan „Mitch“ in Honduras (Foto) oder<br />
Krieg in Nahost – es gibt kaum ein Weltgeschehen, von<br />
dem deutsche Medien nicht vor Ort berichten lassen.<br />
Dass die Journalisten an der Auslandsfront über handwerkliches<br />
Können verfügen sollten, versteht sich von<br />
21<br />
selbst. Doch müssen sie auch ausgesprochen mutig und flexibel sein. In der<br />
Zeit der Weimarer Republik kämpften Auslandskorrespondenten noch mit der<br />
Aufnahme- und Übertragungstechnik, heute erreichen sie binnen Sekunden<br />
die ganze Welt. Culture Clash, Extremsituationen und die Herausforderung,<br />
auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten seriös zu berichten – Schlaglichter<br />
auf einen Beruf, in dem Faszination und Grauen nah beieinander liegen.<br />
Foto: dpa Picture-Alliance, Alberto Morales
22 Auslandsjournalismus<br />
„Man muss wissen,<br />
<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Sterben<br />
dazugehört“<br />
Sie treffen Menschen in unmöglichen Situationen, sind im Idealfall dabei,<br />
wenn irgendwo in der Welt Geschichte geschrieben wird, und werden nicht<br />
selten mit dem Tod konfrontiert. Auslandskorrespondenten haben einen<br />
nicht gerade alltäglichen Job. Welche Voraussetzungen braucht man dafür?<br />
Auf was muss man sich einstellen? Und wie geht man mit schockierenden<br />
Erlebnissen um? Drei Profis berichten von ihren Erfahrungen.<br />
Ralf Krüger, Korrespondent dpa<br />
Es war im Grenzgebiet von Ruanda zur Zeit der Massaker.<br />
Ralf Krüger und TV-Kollegen waren für einen Bericht in<br />
einer Kleinstadt, stoppten vor einem Hospital mit verletzten<br />
Hutu-Milizionären. Plötzlich wurde ihr Taxi von Bewaffneten<br />
eingekreist. Die hielten den Taxifahrer für einen Angehörigen des<br />
Tutsi-Stammes. Damit galten Krüger und <strong>das</strong> Team als „Tutsi-<br />
Freunde“, als Anhänger der Rebellen. Krüger sah schon sein Ende<br />
nahen, als ein Galgen aufgebaut wurde. Die Stimmung war aggressiv.<br />
Doch dann kam ein Polizist, schoss in die Luft, nahm die<br />
Journalisten kurzerhand fest und holte sie so aus dieser gefährlichen<br />
Situation heraus. „Ich habe mich wohl noch nie so wohl<br />
gefühlt wie in diesem Knast“, sagt Krüger und grinst. Neun Jahre<br />
ist er dpa-Korrespondent fürs südliche Afrika gewesen, bevor er<br />
zum Jahreswechsel in die Heimat zurückkehrte. In dieser Zeit hat<br />
er so einiges erlebt.<br />
Es sind Situationen wie diese, die <strong>das</strong> Leben eines Auslandskorrespondenten<br />
prägen, auch wenn ihr Alltag längst nicht immer so<br />
gefährlich ist. Sie berichten vom Erdbeben in Haiti, von Aidsprojekten<br />
in Südafrika, aber auch von der Rede des US- Präsidenten<br />
oder der Geburtstagsparade der Queen. Ihre Aufgaben sind vielfältig.<br />
Genaue Zahlen gibt es nicht, da viele Kollegen frei arbeiten.<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Foto: dpa Picture-Alliance, Jens Ressing<br />
Laut einer Umfrage des Hans-Bredow-Instituts (veröffentlicht in<br />
„Medien & Kommunikationswissenschaft“ 2006/3) sind etwa 500<br />
deutsche Auslandskorrespondenten in den verschiedensten Medien<br />
und Ländern tätig. Oft sind ihre Berichtsgebiete länderübergreifend,<br />
die meisten von ihnen arbeiten in Europa und sind laut Studie<br />
Männer. Die Zugangswege sind unterschiedlich, meist jedoch<br />
gehen ein Studium, ein Auslandsaufenthalt sowie ein Volontariat<br />
oder Mitarbeit in der Heimatredaktion voraus.<br />
Ralf Krüger arbeitete acht Jahre in der dpa-Zentrale in Hamburg,<br />
bevor er 1993 in <strong>das</strong> Pariser dpa-Büro kam. Dort blieb er<br />
als wirtschaftspolitischer Korrespondent bis Anfang 2001. Seine<br />
Schwerpunkte waren etwa die Einführung des Euro, die Arbeit der<br />
OECD, der Weltbank, Luft- und Raumfahrt oder Entwicklungs -<br />
politik. Aufgaben, die zwar spannend waren, ihn aber auch ernüchterten:<br />
„An Orten wie Paris muss man in der Regel auf Ereignisse<br />
reagieren, man geht auf <strong>Presse</strong>konferenzen und berichtet darüber.<br />
Es bleibt kaum Zeit, mal auf eine ausführliche Recherchereise zu<br />
gehen. Krüger wollte raus. Nicht an Plätze wie Washington, wo er<br />
ebenfalls kaum <strong>das</strong> Büro verlassen würde. „Ich wollte eine Region<br />
wirklich erfahren, auch mal die Menschen treffen, über die ich<br />
berichte.“ So kam er nach Südafrika.<br />
Während des Studiums und seiner Mitarbeit für Zeitungen wie<br />
die „Neue Rhein/Ruhr-Zeitung“ (NRZ) hatte er über Projekte<br />
schon Kontakte nach Afrika geknüpft. Bei dpa angekommen, wurde<br />
er mehrfach nach Afrika geschickt – vor allem ins französisch<br />
sprechende Westafrika. Dann kam die Frage, ob er nach Ruanda<br />
gehen wolle. Er ging. „Ich war zum Ende der Massaker dort“, berichtet<br />
Krüger. „Das war prägend!“ Um solche Gräueltaten mental<br />
zu verarbeiten, hat jeder eine andere Lösung, glaubt er. Als passionierter<br />
Pilot machte er einen Fliegerurlaub und verbrachte Zeit bei<br />
Freunden auf einem Weingut. „Es war für mich die richtige Strategie.<br />
Ich muss mich im Cockpit ja konzentrieren, kann also nicht<br />
allzu sehr an <strong>das</strong> Grauen denken; und andererseits musste ich<br />
23<br />
unbedingt darüber sprechen – aber mit Leuten, die gar nichts mit<br />
Journalismus zu tun haben und einen gesunden Menschenverstand<br />
besitzen.“<br />
Doch diese Grenzerfahrung hielt ihn nicht vor seinem Beruf ab.<br />
2002 begann er in Südafrika, ist zuständig für 12 Länder. „In den<br />
meisten haben wir freie Mitarbeiter, sogenannte Stringer.“ Etwa<br />
in Simbabwe, wo man nur unter größten Gefahren und Risiken<br />
arbeiten könne. Zum Berichtsgebiet gehören auch Mosambik oder<br />
Malawi. Aus diesem Land wird in Krügers Augen viel zu wenig<br />
berichtet – „höchstens wenn Madonna ein Kind adoptiert“. Sonst<br />
sei es leider oft schwierig, Themen zu transportieren. „Es ist bedauerlich,<br />
aber ohne Prominenz bekommt man mitunter kaum<br />
noch etwas ins Blatt“, sagt er. Für politische Berichterstattung aus<br />
Afrika bleibe in vielen deutschen Zeitungen oft nur ein Einspalter<br />
übrig. „Man muss um jedes Wort ringen“, sagt Krüger. Das tut<br />
ihm weh. „Ich bin kein Missionar, möchte aber die Realität so gut<br />
wie möglich abbilden. Und <strong>das</strong> ist gerade bei einer so komplexen<br />
Realität wie der in Afrika in ein paar Zeilen schwer.“<br />
Wie sehr eine WM aber ein „Türöffner“ für Themen sei, habe<br />
er bereits 98 in Frankreich erfahren. „Eine WM ist ein ‚window of<br />
opportunity’“ – auf einmal wird einem der rote Teppich für Berichte<br />
aller Art ausgerollt.“ Daher sei die WM auch so wichtig für<br />
Südafrika. „Sie ist <strong>das</strong> größte Geschenk, <strong>das</strong> man dem Staat machen<br />
konnte, und hat <strong>das</strong> Land vor dem Fall in die Bedeutungslosigkeit<br />
bewahrt.“ Denn viele Medien hatten schon ihren Rückzug<br />
aus Südafrika geplant. Durch die WM sei alles anders geworden.<br />
„Es hat auch den Standort Johannesburg aufgewertet“, freut sich<br />
Krüger. „Man muss als Korrespondent vor Ort trotz aller gebotenen<br />
Distanz den Alltag mitfühlen, sich mitfreuen und auch mitleiden<br />
können“, sagt er. Wie fast alle Südafrikakorrespondenten hatte<br />
auch er sein Büro im Medienhaus in Johannesburg. Krüger wohnt<br />
nicht weit davon. In einem Haus ohne den sonst üblichen Stacheldrahtzaun.<br />
Er hat keine Angst. „Man muss die Reflexe trainieren<br />
und bekommt ein Gespür dafür, was gefährlich ist und was nicht.“<br />
Noch nie sei er bisher überfallen worden. Nur einmal geriet er unvermittelt<br />
in eine Schießerei auf offener Straße, blieb aber unverletzt.<br />
Dennoch mag er Johannesburg: „Die Stadt ist für mich Liebe<br />
auf den zweiten Blick.“<br />
Christiane Hoffmann, Redakteurin<br />
„<strong>Frankfurter</strong> Allgemeine Sonntagszeitung“<br />
Sich fremden Welten zu nähern, sie zu verstehen und zu erklären,<br />
<strong>das</strong> ist für Christiane Hoffmann, Redakteurin der<br />
„<strong>Frankfurter</strong> Allgemeinen Sonntagszeitung“, <strong>das</strong> Reizvolle<br />
an ihrem Beruf. Das sei auch der Unterschied zum Journalismus<br />
Foto: FAZ<br />
im Inland. „Es geht weniger um die exklusiven Informationen<br />
oder darum aufzudecken, sondern eher darum, <strong>das</strong> Fremde zu vermitteln<br />
und zu übersetzen“, sagt Hoffmann. Im Iran wie in der<br />
ehemaligen Sowjetunion wollte sie hinter die Kulissen der „dämonisierten,<br />
verteufelten Länder“ schauen. Mit 43 Jahren ist sie nicht<br />
nur eine der wenigen Auslandskorrespondentinnen, sondern auch<br />
den Ergebnissen der Umfrage entsprechend jung in den Beruf gekommen.<br />
Im Gegensatz zur Studie jedoch meint die Mutter zweier<br />
Kinder, <strong>das</strong>s sich Arbeit und Familie im Ausland gut vereinbaren<br />
lassen, denn die Arbeitszeiten seien weniger festgelegt als in der<br />
Zentrale. 1994 war sie als Quereinsteigerin zur „F.A.Z.“ gekommen.<br />
Im Studium hatte sie sich bereits auf Osteuropa spezialisiert<br />
und Russisch gelernt. Von einem Aufenthalt in der Ukraine<br />
schrieb sie einen Artikel – die „F.A.Z.“ druckte ihn, bot ihr ein<br />
Praktikum an, und nach dem Ende des Studiums wurde Hoffmann<br />
eingestellt. „Damals gab es großen Bedarf an Korrespondenten für<br />
Osteuropa“, erklärt sie den raschen Einstieg. Von 1999 bis 2004<br />
arbeitete Hoffmann im Iran, seitdem reist sie noch immer wochenweise<br />
in <strong>das</strong> Land und berichtete für die „F.A.Z.“/„FAS“. Zum<br />
letzten Mal im November 2009.<br />
Mit ihrem Mann, einem Diplomaten, war sie nach Iran gekommen.<br />
Als Frau dort zu arbeiten, sei nicht schwierig gewesen, es sei<br />
akzeptiert. „Viele Frauen arbeiten als Journalistinnen, die Behörden<br />
im Iran sind <strong>das</strong> gewöhnt.“ Vor Ort empfand sie es eher als<br />
Vorteil, eine Frau zu sein. Im konservativen Teil der Gesellschaft,<br />
wo Geschlechtertrennung praktiziert wird, betrachte man west -<br />
liche Frauen als „Neutrum“. „Deshalb erhalten Frauen auch Einblicke<br />
in die Männerwelt, aber für Männer ist es schwer, in die<br />
Frauenwelt vorzudringen“, sagt sie. Zudem sei der Umgang mit<br />
Frauen weniger „harsch“ als mit männlichen Kollegen. So sei sie<br />
einmal bei einem Handgemenge nur deshalb nicht verhaftet worden,<br />
weil sie eine Frau war. „Wenn man es geschickt anstellt, kann<br />
man mehr erfahren. Es hat Vorteile, <strong>das</strong>s man dort nicht immer<br />
ganz ernst genommen wird“, sagt die kompetente, selbstbewusste<br />
Journalistin.<br />
Als Frau aus Tschetschenien und Tadschikistan zu berichten, sei<br />
schwieriger gewesen. „Es ist immer schwierig, wenn eine Gesellschaft<br />
vom Krieg verroht ist. Aber im Iran hatte ich nie <strong>das</strong> Gefühl,<br />
<strong>das</strong>s es gefährlich war – abgesehen vom Straßenverkehr und<br />
der Erdbebengefahr“, sagt Hoffmann. Nur einmal habe sie sich<br />
der Forderung des Geheimdienstes gebeugt, von einem Ort zu verschwinden.<br />
„Ansonsten habe ich mich völlig frei bewegt – auch<br />
mal Autos angehalten. Als ausländische Journalistin ist man im<br />
Iran nie in Lebensgefahr. Aber die iranischen sind es sehr wohl“.<br />
Ihre Berichte schickte sie meist über <strong>das</strong> Internet an ihre Heimatredaktion.<br />
Eine iranische Zensur habe nicht stattgefunden, die<br />
Texte sind nicht geändert worden, sagt sie. „Aber es gab Versuche<br />
der Behörden, zu beeinflussen. Dann wurde ich vorgeladen und<br />
musste rechtfertigen, warum ich etwas Bestimmtes geschrieben<br />
hatte.“ Teilweise führte <strong>das</strong> zu absurden Situationen. Wie bei einem<br />
Artikel über Prostitution, nach dessen Veröffentlichung sie<br />
fast zwei Monate lang nicht arbeiten durfte. In ein Kopftuch gehüllt<br />
musste sie mit einem iranischen Beamten über Prostitution<br />
diskutieren. „Und dabei durfte ich <strong>das</strong> Wort nicht erwähnen.“<br />
Direkte Beeinflussungsversuche gebe es über die Vergabe von Visa.<br />
Als Ehefrau eines Diplomaten mit Dauervisum ausgestattet, war
24 Auslandsjournalismus<br />
sie davon nicht betroffen. Momentan sei es jedoch sehr schwer, ein<br />
Visum zu bekommen, sagt sie.<br />
Wie für alle Kollegen im Ausland sind auch für die Journalistin<br />
persönliche Kontakte für die Berichterstattung sehr wichtig. Im<br />
Iran sei die Kontaktpflege zudem sehr zeitaufwendig. „Man muss<br />
unheimlich viel Tee trinken“, sagt sie lächelnd. Wichtig waren<br />
dabei ihre Sprachkenntnisse, so kam sie näher an Menschen heran.<br />
Auch mit den Behörden habe sie oft Gespräche ohne konkrete<br />
Ergebnisse geführt. Oft spürte sie diese viel später und ganz unerwartet.<br />
Plötzlich funktionierte etwas oder es taten sich verschlossene<br />
Türen auf. Die Menschen auf der Straße seien dagegen fast alle<br />
gesprächsbereit. „Sie wollen gerne reden“, sagt sie. Dieses Bedürfnis<br />
habe sich in den vergangenen zehn Jahren sogar gesteigert.<br />
Verändert hätten sich zudem die technischen Möglichkeiten ihrer<br />
Arbeit. Heute sei es viel leichter, mit Personen in Kontakt zu<br />
bleiben, etwa über Internet. In Tadschikistan dagegen habe sie<br />
noch eineinhalb Tage lang auf ein Telefongespräch warten müssen.<br />
Am spannendsten fand Hoffmann immer die Vermittlung von<br />
Themen. „Man muss ein Gespür dafür haben, was der Leser weiß,<br />
was interessant ist.“ Letztlich, so ihre Erfahrung, „ist <strong>das</strong> allgemein<br />
Menschliche überall auf der Welt gleich. Alle hätten ähnliche<br />
Gefühle, egal aus welcher Kultur. „Es ist wichtig, sich in die<br />
Menschen hineinzuversetzen, sich mit Ihnen zu identifizieren, sie<br />
zu verstehen, gleichzeitig muss man sich aber auch abgrenzen“,<br />
weiß Hoffmann. Daher wünscht sie sich einen häufigeren Wechsel.<br />
Nach einer gewissen Zeit müssten Auslandskorrespondenten<br />
wieder in die Zentrale zurück. „Sonst verliert man irgendwie die<br />
Haftung“, resümiert sie.<br />
Klaus-Dieter Frankenberger,<br />
Leiter Außenpolitik<br />
„<strong>Frankfurter</strong> Allgemeine Zeitung“<br />
Wie sich die Rahmenbedingungen für Auslandskorrespondenten<br />
in den letzten Jahren geändert haben, weiß<br />
auch ihr ehemaliger Chef, Klaus-Dieter Frankenberger<br />
von der „F.A.Z.“. Früher habe ein Korrespondent seinen Posten oft<br />
bis zum Ende behalten, weil man die Erfahrung betonte, berichtet<br />
der Leiter der Außenpolitik. „Heute dauert ein Einsatz fünf Jahre,<br />
und dann ist er verhandelbar.“ Verlängerungen gebe es zwischen<br />
drei und zwei Jahren. Dafür seien die Redakteure jünger, viele<br />
Volontäre würden übernommen. Früher hatten Kollegen vor der<br />
Einstellung oft eine Promotion absolviert oder kamen von einem<br />
Institut. „Heute muss man neuen Kollegen oft noch etwas beibringen“,<br />
sagt Frankenberger. Auch die Arbeitsbedingungen hätten<br />
sich verändert, unter anderem sei die Schnelligkeit enorm gestiegen.<br />
Die Anforderungen seien groß, gute Artikel müssten lieber<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Foto: FAZ<br />
heute statt morgen im Blatt sein – einschließlich eines Hintergrundartikels.<br />
„Da war man früher etwas entspannter.“ Die Anforderungen<br />
an die Qualität seien hoch, der Druck größer als früher.<br />
Auch <strong>das</strong> Spektrum der Artikel innerhalb der Zeitung sei größer<br />
geworden. „Es muss gefüllt werden, und zwar oft vom gleichen<br />
Autor.“ Dies gelte auch rubrikübergreifend. Die Budgets für Reisen<br />
dagegen seien noch unverändert.<br />
Für Frankenberger gibt es – abgesehen vom Kriegsreporter –<br />
zwei Typen von Korrespondenten. „Das eine sind die Regionalspezialisten.“<br />
Sie besäßen eine Affinität zu einem bestimmten Land,<br />
hätten durch ihre Ausbildung bereits Schwerpunkte gesetzt, etwa<br />
durch einen Auslandsaufenthalt im Studium. „Wenn einer sich im<br />
arabischen Raum gut auskennt, werden wir ihn nicht nach Frankreich<br />
schicken“, sagt Frankenberger. Auch die Kenntnis der Sprache<br />
sei sehr wichtig. Das gelte besonders für Länder, deren Kultur<br />
fremd sei, wie etwa China. Die zweite Gruppe sind die Nachrichtenjournalisten.<br />
Sie würden an wichtigen Standorten wie Brüssel,<br />
London oder Washington eingesetzt. „Es müssen Personen sein,<br />
die nicht nur glänzende Reportagen schreiben, sondern auch die<br />
wichtigen Nachrichten tagtäglich analytisch aufbereitet präsentieren<br />
können.“ Ein Wechsel von einem Nachrichtenposten in eine<br />
bestimmte Region sei in Einzelfällen aber auch möglich.<br />
Zu den wichtigsten Fähigkeiten eines Auslandskorrespondenten<br />
gehört für Frankenberger Urteilsvermögen. Das beinhalte auch<br />
die Einschätzung von Gefährdungslagen, mit der „richtigen Dosis<br />
aus Wagemut und Vorsicht“ – insbesondere in Afrika. In den Irak<br />
schickt die „F.A.Z.“ ihre Korrespondenten aus Sicherheitsgründen<br />
„nur embedded, nicht auf eigene Faust“, berichtet Frankenberger.<br />
Wichtig sei auch Lebensreife, die unter anderem davon abhänge,<br />
ob auch ein Studium im Ausland absolviert wurde und wie lange<br />
man in der Nachrichtenredaktion war. Denn die Schule innerhalb<br />
der „F.A.Z.“ geht einem Auslandseinsatz immer voran.<br />
Wie sehr auch die Technik die Arbeitsbedingungen für<br />
Hörfunk- und Fernsehreporter beeinflusst, <strong>das</strong> weiß<br />
Luten Leinhos. Der 45-Jährige hat für beide Medien<br />
im Ausland gearbeitet. „Keine Angst vor dem Unbekannten und<br />
Neugier auf <strong>das</strong> Leben in all seinen Facetten“ – <strong>das</strong> sind für Leinhos<br />
die wichtigsten Fähigkeiten eines Auslandskorrespondenten.<br />
„Man wird ständig ins kalte Wasser geworfen. Mit Routine allein<br />
ist da nicht immer viel zu machen“, sagt Leinhos, der seit 2004<br />
für <strong>das</strong> ZDF-„heute journal“ als Reporter regelmäßig im Ausland<br />
arbeitet und einmal als jüngster ARD-Auslandskorrespondent anfing.<br />
Auslandsreporter zu sein, <strong>das</strong> war schon immer sein Traum.<br />
Er hat sich diesen Traum erfüllt und dabei noch <strong>das</strong> Glück, oft<br />
im richtigen Moment am rechten Ort zu sein.<br />
Als Leinhos 1984 zur Prüfung in der Deutschen Journalistenschule<br />
gefragt wurde, was er werden wolle, sagte er „Lateinamerikakorrespondent<br />
für die ‚Süddeutsche Zeitung’“. Die „Süddeutsche“<br />
wurde es zwar nicht, aber Lateinamerika. Nach dem Abitur<br />
hatte er bei Filmproduktionsfirmen in Berlin gearbeitet und war<br />
durch die Welt gereist, hatte etwa als Holzfäller in der kanadischen<br />
Wildnis gearbeitet und Blockhäuser gebaut. Zurück in<br />
Deutschland besuchte er die Deutsche Journalistenschule, arbeitete<br />
danach unter anderem als Polizeireporter für den „Tagesspiegel“<br />
in Berlin. 1988 wechselte er als Radioredakteur zum Sender Freies<br />
Neue Wege gehen<br />
„Probleme werden nie mit derselben Denkweise gelöst, durch<br />
die sie entstanden sind.“ Albert Einstein<br />
Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Zukunft des<br />
Planeten Erde und damit auf <strong>das</strong> Leben insgesamt werden in<br />
Wissenschaft, Politik und Gesellschaft kaum mehr in Zweifel gezogen.<br />
Zum Grundtatbestand eines vom Menschen gemachten<br />
Klimawandels bestehen keine Erkenntnisdefizite mehr. Defizite<br />
gibt es dagegen bei der Umsetzung nachhaltiger Formen des<br />
Wirtschaftens, die den Herausforderungen des Klimawandels<br />
gerecht werden. Verschärft werden diese Herausforderungen<br />
durch die zunehmend spürbare Ressourcenknappheit.<br />
Deshalb brauchen wir neues Denken und müssen neue Wege<br />
erforschen.<br />
Das NATURpur Institut für Klima- und Umweltschutz leistet<br />
als Plattform für die anwendungsorientierte Forschung einen<br />
Beitrag, die Umsetzungsdefizite mit Blick auf eine nachhaltige<br />
Energieversorgung zu beheben. Dazu konzentriert sich <strong>das</strong> Institut<br />
auf die Förderung von interdisziplinären Forschungsprojekten<br />
in den Bereichen Energieeffizienz, Erneuerbare Energien<br />
und Konventionelle Energien. Leitbild für <strong>das</strong> NATURpur Institut<br />
ist eine moderne Daseinsvorsorge, die den nachhaltigen Zugang<br />
zu den Grundgütern Energie und Wasser sichert.<br />
Kontakt:<br />
Matthias W. Send<br />
Vorsitzender der Geschäftsführung, NATURpur<br />
Institut für Klima- und Umweltschutz gGmbH<br />
<strong>Frankfurter</strong> Straße 110<br />
64293 Darmstadt<br />
Telefon: +49 (0) 6151 701-1060<br />
Telefax: +49 (0) 6151 701-1069<br />
matthias.w.send@naturpur-institut.de<br />
www.naturpur-institut.de<br />
NATUR pur<br />
Institut für Klima- und Umweltschutz
Foto: privat<br />
26 Auslandsjournalismus<br />
Luten Leinhos, Reporter ZDF-„heute journal“, Haiti 2004<br />
Berlin. Zum Mauerfall und der Wiedervereinigung blieb er noch<br />
da: „Es war zu spannend. Ich war der erste Hörfunkreporter an der<br />
Bornheimer Straße.“ Wenig später siegte <strong>das</strong> Fernweh. Leinhos<br />
nahm ein Jahr Auszeit. Er reiste durch Lateinamerika und arbeitete<br />
frei für den ARD-Hörfunk und für Zeitungen. Nach seiner Rückkehr<br />
begann er ein VWL-Studium an der FU Berlin und arbeitete<br />
parallel beim Hörfunk. Eine Urlaubsvertretung im ARD-Studio<br />
Mexiko ebnete ihm den weiteren Weg: Er war dort, als die deutsche<br />
Botschaft in Kuba besetzt wurde. Seine Berichte waren gut,<br />
1995 wurde er ARD-Hörfunk-Korrespondent für Mittelamerika<br />
und die Karibik – zuständig für 16 Länder. Den Rest seines VWL-<br />
Studiums absolvierte er als Fernstudium, zudem schrieb er noch<br />
für Zeitungen. Hurrikan Mitch bescherte ihm viele Aufträge und<br />
bleibende Eindrücke. Weitere Schwerpunkte waren z. B. Mexikos<br />
Wirtschaftskrise oder der Absturz der Birgen Air in der Dominikanischen<br />
Republik. Nach fünf Jahren musste er turnusgemäß<br />
zurück. „Da ist die ARD streng“, sagt Leinhos. Da er beim Radio<br />
so gut wie alles gemacht hatte, reizte ihn nun <strong>das</strong> Fernsehen, und<br />
er ging zum ZDF. In der Redaktion Außenpolitik wurde er Krisenreporter,<br />
arbeitete auch für die Aktualität. So berichtete er etwa<br />
vom Erdbeben im Iran oder der Geiselnahme in Mali. 2004 wechselte<br />
er fest ins „heute journal“. Drei bis vier Mal pro Jahr ist er zu<br />
Sondereinsätzen im Ausland unterwegs.<br />
Wie viele Auslandskorrespondenten musste sich Leinhos in der<br />
Zentrale erst mal umgewöhnen. „Als Hörfunkkorrespondent hatte<br />
man mir gegenüber einen gewissen Respekt. Aber im Fernsehfeld<br />
war ich erst mal Anfänger. Das war schon eine Umstellung.“ Dazu<br />
gehörte auch die Arbeitsweise – vom Einzelkämpfer zum Team,<br />
von einfacher zu umfangreicher Technik. Fernsehen brauche länger,<br />
bis es senden könne. Dazu komme <strong>das</strong> Budget. „Im Fernsehen<br />
stecken ganz andere Kosten dahinter. Radio ist weniger aufwendig,<br />
und es sind weniger Menschen involviert. Man ist schneller entscheidungsfähig.“<br />
Beim Fernsehen kämen noch die Produktions -<br />
bedingungen hinzu. Manchmal befinde sich die Abspielstation<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
für den Beitrag weit vom Ereignis entfernt. „Aber wenn ich eine<br />
Situation nicht richtig einschätzen kann, dann sage ich es auch.“<br />
Die Gesamtsituation könne man nicht immer im Blick haben.<br />
„Ich kann nur leisten, was vor Ort passiert. Den Überblick hat oft<br />
eher die Zentrale“, sagt Leinhos.<br />
Von den vielen Ereignissen, über die er schon berichtet hat, hat<br />
ihn besonders der Tsunami in Thailand beeindruckt „weil ich mit<br />
dem Tod in einer solch krassen Form noch nicht konfrontiert war.“<br />
Es sei eine so große Zahl von Toten gewesen, die meisten entstellte<br />
Wasserleichen. Zur Verarbeitung habe <strong>das</strong> ZDF zum ersten Mal<br />
den Besuch von Seminaren gegen posttraumatische Belastungs -<br />
störung angeboten. Er selbst nahm <strong>das</strong> Angebot nicht an, er ließ<br />
bereits im Einsatz nicht alles so nah an sich heran. „Ich glaube,<br />
meine Grenzen ganz gut zu kennen“, sagt er. Nach zwei Wochen<br />
kehrte er zurück, und verspürte auch dann noch <strong>das</strong> Bedürfnis,<br />
über <strong>das</strong> Erlebte zu berichten; in Gesprächen mit Freunden, in<br />
Fernsehsendungen und auf Konferenzen. Zwischendurch nahm er<br />
sich ein paar Tage frei und spielte viel mit seiner kleinen Tochter.<br />
„Wie man <strong>das</strong> verarbeitet, muss jeder für sich selbst wissen“, sagt<br />
Leinhos. „Man muss wissen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Sterben dazugehört. Aber ich<br />
muss schon während der Dreharbeiten beginnen, mich zu schützen<br />
– ohne oberflächlich zu werden.“ Sein gefährlichster Einsatz nach<br />
eigener Einschätzung war der Bürgerkrieg in Haiti 2004, über den<br />
er drei Wochen lang berichtete. Jetzt zum schweren Erdbeben war<br />
er wieder dort, schilderte die Katastrophe und <strong>das</strong> Leid der Menschen.<br />
Leinhos hofft, mit seinen Einsätzen auch etwas bewirken zu<br />
können. Beim Tsunami etwa habe er „erzählt, was diese Bilder mit<br />
mir machen.“ Die Art der Berichterstattung habe seiner Meinung<br />
nach auch dazu beigetragen, <strong>das</strong>s die Hilfsbereitschaft so groß gewesen<br />
sei. Als Meinungsmacher sieht Luten Leinhos sich dennoch<br />
nicht, sondern als fairen Berichterstatter, der wie ein Dolmetscher<br />
komplexe Sachverhalte übersetzt und so verständlich macht.<br />
Damit entsprechen Leinhos, Hofmann und Krüger dem Bild<br />
der Auslandskorrespondenten, <strong>das</strong> auch die Umfrage des Hans-<br />
Bredow-Instituts zeichnet: Sie wollen vor allem Zusammenhänge<br />
darstellen, Verständnis, Problembewusstsein und Interesse für <strong>das</strong><br />
Berichtsgebiet wecken – im Gegensatz zu früher, als die Bericht -<br />
erstattung stark meinungsorientiert war. Aber früher wie heute<br />
haben alle eines gemeinsam: Die Leidenschaft für <strong>das</strong> Fremde.<br />
Luten Leinhos „würde jederzeit gerne wieder als Auslandskorrespondent<br />
arbeiten.“ Auch Christiane Hoffmann, die heute halbtags<br />
arbeitet, hat „gar nicht genug Zeit, alle Ideen umzusetzen“. Hin<br />
und wieder reist sie für mehrere Tage ins Ausland – wenn die<br />
Betreuung der Kinder organisiert ist. Und auch Ralf Krüger kehrt<br />
„schweren Herzens“ der dpa-Hauspolitik folgend zurück nach<br />
Deutschland. Nur zur WM wird er noch einmal zwei Monate in<br />
Südafrika sein. Dann kommt ein neuer Einsatzort – aber der alte<br />
wird ihm wohl fehlen: „Das Schöne an Afrika ist – sie treffen Leute<br />
in unmöglichen Situationen und von unterschiedlicher Herkunft,<br />
und manchmal werden sie Helden des Alltags.“ Wie der Polizist<br />
in Ruanda, der ihm <strong>das</strong> Leben rettete.<br />
Michaela<br />
Schmehl<br />
Redakteurin ZDF<br />
office@ michaelaschmehl.de
28 Auslandsjounalismus<br />
Sprachkenntnisse<br />
und Auslands -<br />
er fah rung alleine<br />
reichen nicht<br />
Wer im Ausland erfolgreich arbeiten<br />
möchte, benötigt interkulturelle Kompetenz.<br />
Aber: Nicht jeder eignet sich<br />
für jeden Kulturraum. Dienstleister wie<br />
die ICUnet.AG helfen dabei, den Auslandseinsatz<br />
für alle Beteiligten zum<br />
Erfolg zu machen.<br />
Hunderttausende Deutsche arbeiten im Ausland, häufig wurden<br />
sie von ihrem deutschen Arbeitgeber auf Zeit entsandt. Zumeist<br />
betrauen die Unternehmen ihre Auslandsmitarbeiter, die sogenannten<br />
Expatriates, mit verantwortungsvollen Aufgaben. Sie<br />
gründen Auslandsdependancen, erschließen neue Märkte oder leiten<br />
Auslandsfertigungen. „Entsprechend hoch fallen die Kosten<br />
aus, wenn der Expatriate seinen Aufenthalt abbricht, weil er zum<br />
Beispiel an kulturellen Barrieren scheitert“, sagt Dr. Fritz Audebert,<br />
Vorstandsvorsitzender der ICUnet.AG. Die finanziellen und<br />
immateriellen Konsequenzen einer abgebrochenen oder erfolglos<br />
beendeten Entsendung sind beträchtlich, die unmittelbaren<br />
Kosten für <strong>das</strong> Unternehmen werden auf <strong>das</strong> Drei- bis Vierfache<br />
des Jahresgehalts des Mitarbeiters geschätzt.<br />
Die ICUnet.AG ist Marktführer für interkulturelle Dienstleistungen.<br />
„Es kommt entscheidend darauf an, die richtigen Leute<br />
ins Ausland zu schicken“, erläutert Audebert. Seiner Erfahrung<br />
nach wählen viele Unternehmen ihre Expatriates bis heute vor<br />
allem nach deren Fachkompetenz aus, beispielsweise als Ingenieur.<br />
Bringe die Person dazu noch Sprachkenntnisse und Auslandserfahrung<br />
mit, reiche <strong>das</strong> oft als Ausweis ihrer Eignung, so der Experte.<br />
Doch es gehört eine Menge mehr dazu. „Im Zentrum steht die<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Da staunen die Schulungsteilnehmer: So manches über die Gepflogenheiten<br />
im indischen Arbeitsalltag hatten sie noch nicht gewusst<br />
interkulturelle Kompetenz der Person. Sie ist unter Umständen<br />
wichtiger als <strong>das</strong> Fachwissen“, so Audebert.<br />
Zur interkulturellen Kompetenz zählt die ICUnet.AG fünf<br />
Eigenschaften: Die Bereitschaft, von anderen Kulturen zu lernen,<br />
sich auf unsichere Situationen einzulassen, zwischen den Zeilen<br />
lesen zu können, sich selbst ein Stück zurückzunehmen und problemorientierte<br />
Flexibilität zu beweisen. Dazu kommt, <strong>das</strong>s ein<br />
und derselbe Mitarbeiter sich von Hause aus nur selten für verschiedene<br />
Kulturräume in gleicher Weise eignet. Wer in den USA<br />
sehr gut zurechtkommt, kann in China vor großen Schwierigkeiten<br />
stehen.<br />
„Wir haben einen Test entwickelt, <strong>das</strong> Intercultural Preference<br />
Tool (IPT). Er erfasst nach psychologischen und kulturwissenschaftlichen<br />
Kriterien sieben kulturelle Dimensionen einer Person.<br />
Vergleicht man ein individuelles Testergebniss mit dem typischen<br />
Profil einer Kultur, erhält man einen starken Hinweis, in welcher<br />
Region der Teilnehmer wohl besser oder schlechter zurechtkommen<br />
wird“, erklärt Beate Huber, Leiterin des Teams Potenzialanalyse<br />
und Online-Services. Zu den sieben Kulturdimensionen<br />
gehört zum Beispiel die Entscheidung zwischen Beziehungs- und<br />
Sachorientierung. „Wir Deutschen orientieren uns in Geschäfts -<br />
Foto: ICUnet AG<br />
29<br />
beziehungen stark an der Sachebene, an Daten, Zahlen und Fakten,<br />
die persönliche Ebene spielt eine geringere Rolle“, sagt Beate<br />
Huber. In vielen anderen Kulturen – sei es in Süd- und Osteuropa<br />
oder auch Asien – gelinge <strong>das</strong> Geschäft hingegen nur, wenn<br />
zunächst eine stabile persönliche Beziehung aufgebaut werde.<br />
Eine weitere der sieben Kulturdimensionen betrifft <strong>das</strong> Hierarchiedenken:<br />
In Skandinavien oder den Niederlanden, wo in Teams<br />
jeder gleichberechtigt einbezogen wird, ist es sehr wenig ausgeprägt,<br />
in Russland dagegen sehr stark. Dort werden untergeordnete<br />
Mitarbeiter niemals alleine Entscheidungen fällen. „Die Testergebnisse<br />
bieten zudem eine Basis für interkulturelles Training. Wir<br />
können künftige Expatriates damit sehr gezielt auf die persönlichen<br />
Herausforderungen im jeweiligen Land vorbereiten“, so Huber.<br />
Interkulturelles Konfliktpotenzial wird oft unterschätzt<br />
Je exotischer <strong>das</strong> Land, desto ausgeprägter ist <strong>das</strong> Bewusstsein für<br />
mögliche Schwierigkeiten. Intensiv fragen Firmen bei der ICUnet.AG<br />
Trainings für Kulturräume im asiatischen oder arabischen<br />
Raum nach. Geht es aber in die USA oder nach Westeuropa, etwa<br />
Frankreich, England oder gar Österreich, unterschätzen viele <strong>das</strong><br />
interkulturelle Konfliktpotenzial. So missversteht mancher Deutscher<br />
in den USA etwa eine klare Anweisung des Vorgesetzten als<br />
lockere Aufforderung oder nimmt kritische Zwischentöne nicht<br />
wahr. „Viele Kulturen pflegen einen wesentlich indirekteren Kommunikationsstil<br />
als wir Deutschen, eine weitere wichtige Kultur -<br />
dimension“, sagt Audebert. „Unsere Direktheit, unsere Sachbezogenheit<br />
und unser analytisches Vorgehen sind im Ausland<br />
berühmt berüchtigt.“ Trotz gleicher Sprache lauert hier schon<br />
unmittelbar jenseits der Grenze in Österreich oder in der Schweiz<br />
ein großes Potenzial für kulturelle Konflikte.<br />
„Ganz langsam wächst aber in Chefetagen und Personalabteilungen<br />
<strong>das</strong> Bewusstsein für diese Herausforderungenwie Audebert<br />
über die letzten Jahre festgestellt hat. Schlechter sieht es bei der<br />
Rückkehr aus. „Wer zwei oder drei Jahre im Ausland gelebt und<br />
gearbeitet hat, passt sich der anderen Kultur an. Das lässt sich<br />
mit dem IPT ganz klar messen.“ Und plötzlich erscheint die altvertraute<br />
Heimat fremd. Die Rückkehr bedeutet einen ähnlichen<br />
Kulturschock wie der Aufbruch.<br />
Hinzu kommt, <strong>das</strong>s im Heimatunternehmen die Zeit nicht still<br />
stand, sich vieles verändert hat, vielleicht keine adäquate Position<br />
frei ist. Rund 75 Prozent der Rückkehrer sind nicht zufrieden mit<br />
ihrer neuen Aufgabe, besagt eine Studie der Unternehmensberatung<br />
Deloitte aus dem Jahr 2008. Hier sieht Audebert eine große<br />
Herausforderung, die Unternehmen ebenfalls viel Geld kosten<br />
kann. Denn rund ein Drittel der Unzufriedenen sucht sich binnen<br />
eines Jahres einen neuen Job und nimmt <strong>das</strong> gesamte wertvolle<br />
Wissen aus dem Auslandseinsatz mit. „Unser Rat an Unternehmen<br />
wie Mitarbeiter ist, den Rückkehrprozess schon mit dem Start<br />
ins Ausland vorzubereiten.“ So sollten die Erwartungen bezüglich<br />
Vergütung, Position und Aufgaben im Vorfeld geklärt werden.<br />
Unternehmen brauchen darüber hinaus Strategien, um <strong>das</strong> Wissen<br />
und die Fähigkeiten der Heimkehrer sinnvoll zu nutzen.<br />
Christian<br />
Omonsky<br />
PR + Werbung Ludwig Faust,<br />
Regensburg<br />
christian.omonsky@ omonsky.de<br />
Die ICUnet.AG<br />
Mit aktuell 60 festen und über 200 freien Mitarbeitern unterstützt die<br />
ICUnet.AG ihre Kunden bei der Zusammenarbeit mit internationalen Geschäftspartnern<br />
und der Optimierung von internationalen Teams. Darüber<br />
hinaus begleitet <strong>das</strong> Unternehmen alle Phasen einer Auslandsentsendung<br />
von Mitarbeitern. „Ziel ist, <strong>das</strong> unternehmerische Risiko unserer Kunden<br />
bei ihren Auslandsaktivitäten zu minimieren. Die Mitarbeiter sollen an interkultureller<br />
Kompetenz gewinnen, um sich in fremder Umgebung erfolgreich<br />
zu bewegen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Dr. Fritz Audebert.<br />
Daneben deckt <strong>das</strong> Unternehmen im Geschäftsfeld Assignment Management<br />
alle praktischen Belange einer Auslandsentsendung wie Wohnungssuche,<br />
Umzugshilfe, Behördengänge oder Vertragsabschlüsse für<br />
die Entsendeten und ihre Familien ab.<br />
Zum Kundenkreis zählt die ICUnet.AG mit Niederlassungen in Passau,<br />
Köln, Frankfurt, Berlin und Wien aktuell 21 DAX-Unternehmen sowie<br />
über 250 familiengeführte Hidden Champions der deutschen Wirtschaft.<br />
„Wir betrachten uns als europäischen Service-, Innovations- und Qualitätsführer“,<br />
so Audebert.<br />
www.icunet.ag<br />
Welche Fähig kei ten<br />
sollte heute ein<br />
Aus lands korres -<br />
pondent mitbringen,<br />
um erfolgreich und<br />
allumfassend informieren<br />
zu können?<br />
„Ein Auslandskorrespondent muss neben dem Englischen heute mehr<br />
als nur oberflächliche Kenntnisse der Landessprache haben, will er aus<br />
Russland, China, Iran oder dem arabischen Raum berichten (wenn er<br />
dazu noch gut Deutsch könnte, wäre es auch nicht schlecht). Ansonsten<br />
sollten ihn die Fähigkeiten auszeichnen, die jeder Journalist – ob im Inland<br />
oder Ausland, ob als Reporter bei einer kleinen Lokalzeitung oder einem<br />
bedeutenden Wochen<strong>magazin</strong> – besitzen muss: Neugier, Menschenkenntnis,<br />
Gespür für Geschichten. Und <strong>das</strong> robuste Selbstbewusstsein<br />
und <strong>das</strong> Standing in seiner Zentralredaktion, seine exklusiven Reportagen<br />
und Analysen auch gedruckt zu bekommen.“<br />
Erich<br />
Follath Diplomatischer<br />
Korrespondent<br />
„Spiegel“
30 Auslandsjournalismus<br />
Die Welt im Radio<br />
Der Beginn der Auslandsberichterstattung im deutschen Rundfunk<br />
Reichsaußenminister Dr. Gustav Stresemann vor dem Plenum des Völkerbunds.<br />
Seit Deutschlands Aufnahme in den Völkerbund 1926 wurden regelmäßig Sitzungen<br />
aus Genf direkt übertragen<br />
Bereits wenige Tage nach den ersten Ausstrahlungen des neuen<br />
<strong>Frankfurter</strong> Rundfunks im April 1924 gingen bei der Redaktion<br />
im alten Postgiroamt Zuschriften weit entfernter, vor allem skandinavischer<br />
Auslandshörer ein. Diese Briefe und Postkarten wurden<br />
in den Programmzeitschriften publiziert und sollten beweisen,<br />
wie weit die Ätherwellen <strong>das</strong> Programm vom Main in alle Welt<br />
verbreiteten. In umgekehrter Richtung war der Radius des neuen<br />
Mediums allerdings weit kleiner gesteckt: Aus technischen und<br />
vor allem rundfunkpolitischen Gründen fanden Direktübertragungen<br />
und Reportagen aus dem Ausland vor 1929 im deutschen<br />
Rundfunk kaum und auch danach nur sporadisch statt. Die Welt<br />
im Radio blieb in den Anfangsjahren des Mediums weitgehend<br />
auf Deutschland beschränkt.<br />
In den ersten Monaten verhinderten vor allem technische Gründe<br />
aktuelle Reportagen aus fernen Ländern; die notwendige Aufnahme-<br />
und Übertragungstechnik war schlicht nicht vorhanden<br />
oder, wie <strong>das</strong> anfangs verwendete Kohlemikrofon, hochempfindlich<br />
und chronisch unzuverlässig. Aufnahmen außerhalb eines Studios<br />
waren damit vollkommen undenkbar. Die ersten dynamischen<br />
Mikrofone machten diesem Missstand zwar bald ein Ende, aber<br />
noch gab es keine Übertragungswagen, die Aufnahmen wurden<br />
meist über einen Vorverstärker und normale Telefonleitungen auf<br />
den Sender geschickt. So etwa bei Sendeformen wie den „Verirrten<br />
Mikrophonen“ oder den „Mikrophonen auf Wanderschaft“, die<br />
ab 1925 vom Leben deutscher Großstädte oder von ausgefallenen<br />
Orten berichteten, etwa aus einem Taucherhelm am Meeresgrund<br />
vor Helgoland (Nordische Rundfunk Aktiengesellschaft/NORAG,<br />
1925), aus einer fliegenden Lufthansamaschine (Südwestdeutsche<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Rundfunkdienst-Aktiengesellschaft, Frankfurt/SÜWRAG, 1926)<br />
oder von der Zugspitze (Deutsche Stunde in Bayern, 1927).<br />
Ungeachtet technischer Schwierigkeiten: Übertragungen, Programmübernahmen<br />
und Reportagen auch aus fernen Ländern<br />
waren prinzipiell möglich und fanden sukzessive statt. Anfangs<br />
hatten sie eher experimentellen Charakter, wie die bisweilen skurril<br />
anmutende Auswahl der Themen und Veranstaltungen zeigt.<br />
Die wohl erste Auslandsübertragung überhaupt, die den <strong>Frankfurter</strong><br />
Gebührenzahlern zu Gehör gebracht wurde, war ein Bericht aus<br />
Österreich von der 88. Versammlung der Gesellschaft deutscher<br />
Naturforscher und Ärzte, die vom 21. bis 25 September 1924 in<br />
Innsbruck stattfand. Hierbei handelt es sich, und dies ist charakteristisch<br />
für <strong>das</strong> Rundfunkprogramm der Weimarer Republik, um<br />
ein dezidiert unpolitisches Thema. Der Rundfunk hatte „unpolitisch“<br />
zu sein, da man seine Wirkungsmacht als Mittel vor allem<br />
linker Propaganda fürchtete wie der Teufel <strong>das</strong> Weihwasser. So<br />
waren es vor allem seichte Unterhaltung sowie sportliche und kulturelle<br />
Ereignisse, die aus dem Ausland im deutschen Rundfunk<br />
gesendet wurden. Berühmt geworden ist die Übertragung Alfred<br />
Brauns von der Verleihung des Literaturnobelpreises an Thomas<br />
Mann in Stockholm, deren Aufnahme sich bis heute erhalten hat.<br />
Den meisten Programmverantwortlichen war jedoch klar, <strong>das</strong>s<br />
ein Rundfunk, der sich und seine Informationsaufgabe ernst nahm,<br />
schlechterdings nicht unpolitisch sein konnte. Politische Ereignisse<br />
und Streitfragen wurden von den deutschen Zeitungen ganz<br />
selbstverständlich ausführlich berichtet und in der Bevölkerung<br />
kontrovers diskutiert; von der aktuellen Berichterstattung des<br />
Rundfunks konnten sie dauerhaft nicht ausgenommen bleiben.<br />
Dem trug die <strong>Frankfurter</strong> SÜWRAG ab 1929 mit der Sendefolge<br />
„Zeitberichte“ Rechnung, in der nun vorrangig internationale<br />
Politik behandelt wurde. Noch fehlte den Beiträgen allerdings <strong>das</strong><br />
Moment des (vermeintlich) Unmittelbaren, <strong>das</strong> wir von heutigen<br />
Auslandsreportagen gewöhnt sind. Politikerreden oder wichtige<br />
Parlamentsdebatten etwa wurden nicht im Originalton mit simultaner<br />
Übersetzung gesendet, sondern komplett ins Deutsche übersetzt<br />
und von Schauspielern vorgetragen. Immerhin aber entstanden<br />
so erstmals im deutschen Rundfunk aktuelle Berichte von<br />
politischer Brisanz und hohem dokumentarischem Wert.<br />
Diese Form der Berichterstattung trug dem bereits erwähnten<br />
Umstand Rechnung, <strong>das</strong>s der Rundfunk unpolitisch zu sein habe.<br />
Daher war <strong>das</strong> Programm aller deutschen Sender vor seiner Ausstrahlung<br />
politischen Überwachungsausschüssen vorzulegen, was<br />
Direktübertragungen zumal da ausschloss, wo die Inhalte der Beiträge<br />
im Voraus nicht bekannt waren. Während aus Frankfurt kein<br />
Fall bekannt ist, in dem der Überwachungsausschuss die Ausstrahlung<br />
einer Sendung unterbunden hätte, fand in Berlin eine weit<br />
strengere Zensur statt, und es kam auch zu Sendeverboten. Mit<br />
dem Wechsel Hans Fleschs, seit 1924 erster Künstlerischer Leiter<br />
der SÜWRAG, auf den Intendantenstuhl der „Berliner Funkstun-<br />
31<br />
de“ waren die <strong>Frankfurter</strong> „Zeitberichte“ ab 1929 auch vom größten<br />
deutschen Sender übernommen worden. In der Hauptstadt<br />
saß Erich Scholz als Vertreter der Reichsinnenministers im Überwachungsausschuss,<br />
derselbe Scholz, der 1932 Rundfunkkommissar<br />
werden, Hans Flesch entlassen und als erstes NSDAP-Mitglied<br />
direkten Einfluss auf den deutschen Rundfunk gewinnen sollte.<br />
1929 gehörte Scholz zwar noch der Deutschnationalen Partei an,<br />
war jedoch bereits ein scharfer Zensor und verbissener Gegenspieler<br />
des neuen Intendanten. Die gesamte Linie des Sendeformats<br />
passte ihm nicht; regelmäßig forderte er Manuskripte an und verhinderte<br />
mehrfach die Übernahme von Sendungen aus Frankfurt.<br />
Der Rundfunk in der Hauptstadt stand sowieso weit stärker<br />
unter direkter Beobachtung der Reichsregierung, als dies bei den<br />
Provinzsendern der Fall war. Daher nahm im Falle der Auslands -<br />
berichterstattung auch <strong>das</strong> Auswärtige Amt mehrfach Einfluss und<br />
verhinderte etwa im Winter 1929/30 die Ausstrahlung einer Sendung<br />
über die Auseinandersetzungen zwischen dem polnischen<br />
Präsidenten Pilsudski und dem Sejm-Präsidenten, den Pilsudski<br />
einen „Dummkopf“ genannt hatte. Aus Angst um ein günstiges<br />
Verhandlungsklima mit dem östlichen Nachbarn wurde der<br />
Bericht nicht gesendet.<br />
Ein hauptberufliches Korrespondentennetz gab es noch nicht<br />
Weniger problematisch wurden offenbar die Übertragungen der<br />
Debatten des Völkerbunds bewertet. Bei Deutschlands Aufnahme<br />
im Jahre 1926 war die Eröffnungssitzung des Plenums mit dem<br />
Einzug der deutschen Delegation und den Reden Stresemanns,<br />
des englischen Premiers MacDonald und des französischen Außenministers<br />
Briand gesendet worden. Ab 1929 fanden solche Übertragungen<br />
aus Genf regelmäßig statt. Der Chefredakteur des<br />
Drahtlosen Dienstes (DRADAG), Josef Räuscher, der sich 1926<br />
gemeinsam mit anderen europäischen Rundfunkvertretern in Genf<br />
aufhielt, nutzte die technische Ausstattung vor Ort für eine<br />
Direktübertragung. Eine Einflussnahme der deutschen Politik<br />
und der Überwachungsausschüsse auf diesen „Sonderdienst“ der<br />
DRADAG ist nicht bekannt.<br />
Doch nicht nur politische Gründe schränkten die Auslandsberichterstattung<br />
in der Zeit der Weimarer Republik erheblich ein:<br />
Es fehlte beinahe vollständig an der personellen Ausstattung,<br />
ein hauptberufliches Korrespondentennetz gab es nicht. Reporter<br />
mussten entweder gezielt zu einem Ereignis anreisen, oder es wurde<br />
auf die Berichte der Zeitungskorrespondenten zurückgegriffen.<br />
Vereinzelt gab es auch Deutsche im Ausland, denen ihr Beruf oder<br />
Vermögen erlaubte, sich nebenbei mit Rundfunkreportagen in<br />
die Heimat zu beschäftigen. Der erste, der regelmäßig über die<br />
Vereinigten Staaten nach Deutschland berichtete, war der deutsche<br />
Journalist Kurt G. Sell, der als deutscher Honorarkonsul in<br />
Washington D.C. lebte.Von dort lieferte er nach einem Abkommen<br />
zwischen der Reichsrundfunk-Gesellschaft (RRG) und der Natio-<br />
Der in Washington D.C. lebende deutsche Journalist<br />
Kurt G. Sell berichtete ab 1931 zweimal im Monat,<br />
„worüber man in Amerika spricht“<br />
nal Broadcasting Corporation (NBC) ab 1931 unter dem Titel<br />
„Worüber man in Amerika spricht“ Kurzvorträge über inneramerikanische<br />
Angelegenheiten. Wie seine Reportagen zu ihren deutschen<br />
Hörern gelangten, beschreibt Sell zu Beginn einer seiner<br />
Sendungen selbst: „Ich spreche vom Funkraum der NBC in<br />
Washington [...] in ein Mikrofon, <strong>das</strong> mit einem Telefonkabel nach<br />
Schenectady im Staate New York direkt verbunden ist. In Schenec -<br />
tady sendet ein gewaltiger Motor meine Stimme nach Beelitz;<br />
von dort geht sie nach Berlin und nach Königswusterhausen; von<br />
dort wird sie durch ganz Deutschland, Österreich und die Schweiz<br />
verbreitet.“<br />
Die Berichterstattung über politische Ereignisse außerhalb der<br />
Reichsgrenzen geriet in den Dreißigerjahren zunehmend unter politischen<br />
Druck, 1932 zunächst nur im Rundfunk unter der Regierung<br />
Papen, die alle deutschen Sender verstaatlichte. Nach Hitlers<br />
Ernennung zum Reichskanzler wurden sowohl Rundfunk als auch<br />
<strong>Presse</strong> vollständig der Kontrolle des neuen Propagandaministers<br />
Goebbels unterworfen; <strong>das</strong> Funkprogramm wurde zum Instrument<br />
der Nazipartei, später der Kriegspropaganda. Eine regelmäßige,<br />
unzensierte und westlichen Standards genügende Auslandsberichterstattung<br />
und der Aufbau eines weltumspannenden Korrespon -<br />
dentennetzes sollten erst nach dem Zweiten Weltkrieg und mit<br />
Gründung der ARD erfolgen.<br />
Armin<br />
H. Flesch<br />
Freier Autor und<br />
Journalist<br />
ahf.ffm@ gmx.de<br />
Fotos: Deutsches Rundfunkarchiv Berlin
32 Auslandsjournalismus<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Haiti, 1994: Bewaffnet und kampfbereit<br />
verlassen Soldaten der US-Truppen<br />
nach ihrer Landung mit Militärhub -<br />
schraubern <strong>das</strong> Hafengelände in der<br />
Hauptstadt Port-au-Prince. Nach der<br />
friedlichen Einigung über den Rück tritt<br />
des haitianischen Militärregimes hat der<br />
Befehlshaber der amerikanischen Elite -<br />
truppen Shelton mit Junatchef Cedras<br />
Beratungen über die Übergabe der Macht<br />
an den Expräsidenten Aristide aufgenommen.<br />
Stets dabei: <strong>Presse</strong>fotografen<br />
Krise als<br />
Medienereignis<br />
Banale Berichte, mangelnde Recherche, Parteilichkeit:<br />
Krisenberichterstattung in der Krise<br />
33<br />
Eine Krise ist per Definition der „unerwartete und deshalb nicht<br />
vorbereitete Einbruch in <strong>das</strong> geläufige Weltbild“. Für Redaktionen<br />
ist ein solcher Ausnahmezustand jedes Mal eine neue Herausforderung.<br />
An der schnellen und sachgerechten Reaktion wird die Qualität<br />
eines Mediums gemessen. Der Berichterstatter vor Ort muss<br />
im Zeitalter der Konkurrenz durch <strong>das</strong> Internet mehr als banale<br />
Bestandsaufnahmen bieten. Gefragt ist auch in der Krise die intelligente<br />
Reportage, mit der Hintergründe aufgearbeitet werden<br />
und die der Orientierung von Lesern und Betrachtern dient.<br />
Aber sind unsere Medien dafür wirklich gerüstet? Nach meiner<br />
Erfahrung muss diese Frage inzwischen verneint werden. Selbst<br />
nach jahrzehntelanger Diskussion hat praktisch kein Medium eine<br />
sogenannte „Task-Force“ eingerichtet, die mit moderner Ausrüstung<br />
unmittelbar einsetzbar wäre. So sind fast alle Krisen in ihrem<br />
Anfangsstadium von banalen Berichten aus den Archiven der<br />
Zentrale oder des Korrespondenten gekennzeichnet. Da werden<br />
alte Beiträge oder Bilder „aktualisiert“ und zusätzlich jedes Angebot<br />
dazugekauft. Dies ist oft die große Stunde von Interessengruppen<br />
oder sogar Geheimdiensten. Ihrem Angebot haben die klassischen<br />
Medien nichts entgegenzusetzen. Für interessierte Leser oder<br />
Zuschauer ist diese Phase meist der Notstand. Sie erfahren kaum<br />
Neues über die Ursache und <strong>das</strong> Entstehen der Krise. Autoren und<br />
Redaktionen retten sich dann häufig in eine Emotionalisierung<br />
ihrer Berichte, Gefühle sollen die Mängel kaschieren. Auf der Strecke<br />
bleibt die intelligente Information. Häufig wird aus Hilflosigkeit<br />
aber auch mit Schockeffekten und Tabubruch gearbeitet. Der<br />
Terror der gelieferten Bilder setzt dann neue Normen, an der die<br />
folgende Berichterstattung gemessen wird. Leser und Zuschauer<br />
Foto: dpa Picture-Alliance, Razuri
34 Auslandsjournalismus<br />
orientieren sich bei der Einordnung der Krise immer an dem angeblichen<br />
Skandal, der sich ihnen durch diese Art der Berichterstattung<br />
eingeprägt hat. Gerade als gäbe es für solche Ausnahmesituationen<br />
nicht klare ethische Regeln, bis hin zur UNESCO-<br />
Mediendeklaration. Aber kritisches Hinterfragen der eigenen Leistung<br />
ist in vielen Redaktionen längst zur Ausnahme geworden.<br />
Meist heißt es hinterher zufrieden: „Wir haben es dann doch noch<br />
ganz gut hingekriegt.“<br />
Verwahrlosung der Sitten<br />
Ein Hauptübel in diesem regelmäßigen Versagen der Medien sind<br />
unter anderem teure „News-Desks“, die von hochdotierten Beratern<br />
als Allheilmittel gegen steigende Kosten empfohlen werden.<br />
In der Praxis bedeutet dies: Jeder Redakteur muss alles können,<br />
die journalistische Spezialisierung bleibt auf der Strecke. Doch<br />
eine alte Regel sagt: Jeder Korrespondent ist nur so gut, wie ihn<br />
eine qualifizierte Heimatredaktion führt. Es macht wenig Sinn,<br />
wenn sich der erfahrene Auslandsjournalist im gehetzten Telefongespräch<br />
zusätzlich mit dem Informationsstand und den Wünschen<br />
eines 25-jährigen Kollegen auseinandersetzen muss, der<br />
im Ressort „Landespolitik“ seine bisherige Berufserfahrung gesammelt<br />
hat. Das mag hochmütig klingen, ist aber Alltag in deutschen<br />
Redaktionen und einer der Gründe für den Verfall qualifizierter<br />
Krisenberichterstattung. Ein weiterer Grund für die<br />
Verwahrlosung der Sitten ist die Überfülle an Informationen, die<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
längst per Internet auf dem freien Markt angeboten und als Konkurrenz<br />
betrachtet werden. Wer sie in welcher Absicht produziert<br />
und einstellt, ist meist von der Redaktion nicht zu kontrollieren.<br />
Dennoch werden sie in Krisensituationen zum Vergleichsmaßstab.<br />
Einziges Gegenmittel kann für seriöse Medien nur der klassische<br />
Korrespondentenbericht sein, der auch die Grenzen der<br />
Recherchemöglichkeit vermittelt. Doch diese Tugend ist oft unerwünscht.<br />
Fast regelmäßig fragen Moderatoren nach der weiteren<br />
Entwicklung, als sei der Korrespondent ein Hellseher.<br />
Noch schlimmer wird es bei Bild und Textmaterial, <strong>das</strong> von<br />
„Stringern“ in dieser Phase zugeliefert wird. Früher waren „Stringer“<br />
einfache Mitarbeiter, die für den Korrespondenten Fahrzeuge<br />
anmieteten und Kontakte herstellten. Heute, im Zeitalter der<br />
Industrialisierung der Berichterstattung, sind sie längst zu Ersatzkorrespondenten<br />
mit eigenen Firmen und großen Autos geworden.<br />
Woher sie ihre Informationen und Bilder haben, kann nur vermutet<br />
werden. Der Druck der heimatlichen Regierung oder Geheimdienste<br />
auf sie ist ungleich intensiver, als ihn der normale Korrespondent<br />
erlebt. Oft kaufen sich „Stringer“ mit Bestechungssummen<br />
frei, um die gewünschten Texte oder Bilder liefern zu können.<br />
Da diese aus wirtschaftlichen Gründen und wegen fehlender Angebote<br />
mehrfach verwendet werden, führt die ständige Wieder -<br />
holung bei Lesern und Zuschauern schnell zur Resignation. Motto:<br />
Das hab ich doch alles schon gesehen. Es macht Sinn, einen Blick<br />
auf die Entstehung solcher Krisenberichte zu werfen. Meist sitzt<br />
35<br />
der Korrespondent im Büro seines Auslandspostens, der nicht<br />
selten ein größeres Gebiet mit mehreren Ländern umfasst, und<br />
wird von der Krise überrascht (siehe Erdbeben in Haiti oder Angriff<br />
der Taliban in Kabul). Die Redaktion erwartet aber bereits für<br />
die nächste Ausgabe einen möglichst farbigen Bericht. Selbst wenn<br />
der Berichterstatter schon ein Visum hätte und <strong>das</strong> Krisengebiet<br />
auch angeflogen würde, käme er zu spät. So ruft er den „Stringer“<br />
vor Ort an, bittet ihn, alle Bilder, Interviews und Texte zu sammeln<br />
und so schnell wie möglich weiterzureichen. Daraus entsteht<br />
dann der Bericht für die nächste Ausgabe seines Mediums. Schickt<br />
der „Stringer“ gar noch einen Scoop, ist die Freude groß. In solchen<br />
Situationen bleibt dann die journalistische Grundregel auf<br />
der Strecke, <strong>das</strong>s es für jede Enthüllung mindestens zwei, besser<br />
drei Zeugen geben muss.<br />
Als mir vor einiger Zeit eine Geschichte über angebliche Terroristen<br />
von einem „Stringer“ angeboten wurde, stellten ein Kollege<br />
von der „New York Times“ und ich sehr schnell massive Unstimmigkeiten<br />
fest. Am Ende kamen wir zu der Überzeugung, die<br />
Geschichte sei von einem Geheimdienst ausgedacht worden, der<br />
Erfolge nachweisen wollte. Wir sollten in diesem Spiel für die Desinformationskampagne<br />
missbraucht werden. Nach dieser Erkenntnis<br />
sagten wir dem „Stringer“ ab. Zu unserem großen Erstaunen<br />
erschien die angebotene Geschichte dann aber doch wenige Wochen<br />
später in zahlreichen internationalen Medien, obwohl der<br />
wichtigste Protagonist ein ehemaliger Polizist war, der nach unseren<br />
Recherchen intensiv mit dem Geheimdienst seines Landes<br />
kooperierte. Selbst von dem „Stringer“ angebotene Interviews mit<br />
einem hohen Geheimdienstler wurden übernommen, obwohl spätestens<br />
bei einem solchen Angebot bei erfahrenen Journalisten alle<br />
Alarmglocken läuten müssten. Der Grund für solche Fehlleistungen<br />
ist meist massiver Zwang von der Heimatredaktion. Man will<br />
auf jeden Fall „aktuell“ und exklusiv berichten, auch wenn dies<br />
zulasten hintergründiger und sauberer Berichterstattung geht.<br />
Ein weiterer Schwachpunkt: Viele Journalisten haben heute<br />
kaum noch einen inneren Bezug zu ihrem Beruf. Er ist ein Job wie<br />
jeder andere, bei dem politische Grundeinstellungen für die Karriere<br />
nur hinderlich sein können. Damit wird die Krise aber zum<br />
reinen Medienereignis, und immer mehr Korrespondenten sehen<br />
diese Berichterstattung nur als kurzfristige Durchlaufstation auf<br />
ihrer Karriereleiter. Wo es an Beharrlichkeit, fundiertem historischem<br />
Wissen und damit letztlich an Sachkenntnis fehlt, steigt<br />
in den letzten Jahren die Zahl der respektierten „Schönschreiber“.<br />
Mangels Erfahrung wählen sie den einfachsten Weg und schließen<br />
sich einer Krisenpartei an, die ihnen natürlich eine sehr einseitige<br />
Sicht auf die Abläufe vermittelt. Lässt sich ein solcher Kollege<br />
dann noch „embedden“, vergibt er freiwillig die Chance, <strong>das</strong> Gesehene<br />
auf der anderen Seite zu hinterfragen und sich mit den Erfolgen<br />
seiner Begleiter kritisch auseinanderzusetzen. Eine besondere<br />
Fehlleistung war vor knapp zwei Jahren die „Spiegel“-Titel geschichte<br />
zum Irak. Da wurde die „Befriedung“ durch die amerikanischen<br />
Besatzer geschildert, als handele es sich um eine Rot-<br />
Kreuz-Aktion. Für den Leser entstand der Eindruck, der Konflikt<br />
sei kurz vor dem Abschluss. Leider hielten sich die Iraker nicht an<br />
diese Darstellung und kämpften einfach weiter. Warum sie oder<br />
die Taliban heute fast nur noch eigene Landsleute umbringen, hat<br />
bislang niemand hinterfragt. Aber gerade eine solche Fragestellung
36 Auslandsjournalismus<br />
wäre die vornehmste Aufgabe einer hintergründigen Krisenbericht -<br />
erstattung. Krisenreporter haben die Chance, zum Vermittler<br />
zwischen Kulturen zu werden. Während des Vietnamkrieges haben<br />
unsere Berichte über die Vietcong gezeigt, <strong>das</strong>s die im Zeitalter<br />
des „Kalten Kriegs“ vermittelten Klischees einfach falsch waren.<br />
Vor unseren Kameras sprachen herkömmliche Freiheitskämpfer<br />
über ihre Vision nach dem Ende des Konflikts, über ihren Wunsch<br />
nach Frieden. Anfangs wurden diese Berichte nur zögernd gesendet,<br />
später waren sie Schrittmacher für die weitere Entwicklung.<br />
Eine ähnliche Situation könnte sich heute in Afghanistan anbahnen.<br />
Dabei zählt nicht <strong>das</strong> lautstarke Interview mit dem großsprecherischen<br />
„Warlord“. Wichtiger ist der intensive Dialog mit<br />
dem normalen Kämpfer, der erzählt, warum er sich den Taliban<br />
anschloss. Nur wenn wir ihre Motive hinterfragen und intensiv<br />
veröffentlichen, hat die Politik eine Chance, dem eigenen Klischeedenken<br />
zu entrinnen. Doch dazu gehört nicht nur der persönliche<br />
Mut des Krisenberichterstatters. Viel schwieriger war es in der<br />
Vergangenheit, die Hürden in den Köpfen der journalistischen<br />
Hierarchie zu überwinden. Deren Bedürfnis wird, wie der Fall von<br />
Verteidigungsminister zu Guttenberg mal wieder gezeigt hat, nur<br />
allzu häufig durch eloquent vorgetragene Sprechblasen ausreichend<br />
befriedet. Wird die Hierarchie sogar von der Politik ausgewählt,<br />
wie es in den öffentlich-rechtlichen Anstalten leider immer üblicher<br />
wird, hat der aufwendige Prozess der aufklärenden Krisenberichterstattung<br />
kaum eine Chance.<br />
„Das finde ich doch alles in Wikipedia“<br />
Überhaupt hat <strong>das</strong> Interesse der Redaktionen an jenen typischen<br />
Krisengebieten stark nachgelassen. Gesprächspartner, die die Probleme<br />
Afrikas, des Nahen Ostens oder gar Lateinamerikas wirklich<br />
kennen, sind heute in den Redaktionen eher selten anzutreffen.<br />
Diese Spezies wird im Zeitalter der „News-Desks“ eher belächelt.<br />
Ein Auslandsredakteur hat mir neulich auf die Frage, ob er die<br />
scharfsinnige Analyse in „Le Monde“ zur Verelendung Schwarzafrikas<br />
gelesen habe, geantwortet: „Das finde ich doch alles in<br />
Wikipedia.“<br />
Leider versagt hier auch die Medienforschung. Fast immer dauert<br />
es Jahrzehnte, bis die Berichterstattung über eine Krise mit<br />
den realen Entwicklungen verglichen wird. Dabei täte es der Zunft<br />
der Krisenberichterstatter nicht schlecht, wenn sie die Mängel<br />
ihrer Darstellungen zeitnah nachlesen könnten, denn leider gibt es<br />
nicht nur wie im Falle von Schwarzafrika eine unverantwortliche<br />
Stereotypisierung fremder Völker und Traditionen. Wichtige<br />
Eigenleistungen werden kaum zur Kenntnis genommen, allenfalls<br />
im Bericht über die Leistungen einer NGO erwähnt und damit<br />
natürlich Europa oder den USA zugeschlagen. Findet eine Krise<br />
in der Dritten Welt statt, so hat die Berichterstattung mit all<br />
diesen Klischees und der bisherigen Skandalisierung zu kämpfen.<br />
Die Wahrnehmung der Ereignisse wird dadurch automatisch<br />
selektiver und von den hinlänglich verbreiteten populären Vorurteilen<br />
konterkariert.<br />
Redaktionen könnten dem eine kontinuierliche Berichterstattung<br />
entgegensetzen, doch dazu fehlt in den am Erfolg orientierten<br />
Medien schon lange der Mut. Selbst Hintergrundseiten, aber auch<br />
TV-Magazine sind längst zu Anekdotenerzählern verkommen. Wo<br />
früher Leser und Zuschauer zu Recht für ihr Geld eine kritische<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
und informative Orientierung erwarten konnten, gibt es längst<br />
nur noch ein Fast Food der Banalitäten, garniert mit populären<br />
Vorurteilen. Die bekannten Raster der Konflikt- und Elendsdramaturgie<br />
unterwerfen zwangsläufig ganze pluralistische Kulturkreise<br />
einer Polarisierung, gegen die eine gute Krisenberichterstattung<br />
meist erfolglos ankämpfen muss. Kritik an fehlenden<br />
internationalen Vorbeugemaßnahmen hat, wie <strong>das</strong> Beispiel Haiti<br />
zeigt, keine Chance.<br />
Mangelnde Selbstkritik<br />
An dieser letzten Krise wurden alle Defizite und Vorurteile abgearbeitet.<br />
Anfangs wurde stark auf der Mitleidswelle gefahren.<br />
Welche Regierung der Staat hat und warum sie in der Not völlig<br />
versagte, erfuhren Leser und Zuschauer in der Primetime nicht.<br />
Als Nächstes kam die Lobpreisung der amerikanischen Anstrengung,<br />
bald darauf abgelöst von einer Beschwörung der amerikanischen<br />
Dominanz. Letzte Phase vor Abfassung dieses Beitrags war<br />
die ausführlich erörterte Vermutung, wegen dieser enormen Anstrengungen<br />
werde Haiti von den USA automatisch als Satellitenstaat<br />
annektiert werden. Belege für diese irrwitzige These gab es<br />
keine, aber die Autoren waren gut verwurzelt auf dem Humus<br />
gängiger Vorurteile.<br />
Dabei kann gute Krisenberichterstattung den Zeitgeist widerlegen,<br />
wonach alle Krisen letztlich selbstverschuldet sind. Aber<br />
nur wenige Redaktionen sind heute bereit, die differenzierten<br />
Zusammenhänge aufwendig darzustellen. Dabei wäre eine Enthüllung<br />
jener perfiden Mechanismen, die zu einer Krise führen,<br />
die vornehmste Aufgabe für Berichterstatter. Aber Recherchen<br />
über kommerzielle Interessen, Machtmissbrauch, aber auch häufig<br />
schlichte Schlamperei und Gleichgültigkeit, haben in der heutigen<br />
Medienwelt keinen Stellenwert. Die schnelle Enthüllung ist<br />
die Regel, egal, ob sie auch übermorgen noch einer Nachprüfung<br />
standhält.<br />
Die Fähigkeit, eigene Fehleinschätzungen nachträglich zu korrigieren,<br />
ist keine Stärke von Journalisten. Das gilt natürlich auch<br />
für Krisenreporter. Dieser Missstand ist hinlänglich bekannt, ohne<br />
<strong>das</strong>s eine Zentralredaktion daraus Schlüsse gezogen hätte. Diese<br />
mangelnde Selbstkritik führt aber zwangsläufig zu einer Verformung<br />
der demokratischen Öffentlichkeit. Wenn diese Erfahrungen<br />
nicht regelmäßig aufgearbeitet werden, begeben sich Reporter und<br />
Redaktionen außerhalb des politischen Diskurses mit ihren Konsumenten,<br />
von denen sie schließlich leben. Eine fundierte Analyse<br />
der Krisenberichterstattung – vom verwandten Vokabular und<br />
dem Missbrauch der Sprache bis hin zur absoluten Parteilichkeit –<br />
würde öffentliches Vertrauen wiederherstellen. Denn die Logik des<br />
Krieges war meist auch identisch mit der Logik der in der Krise<br />
verwandten Sprache. Allzu häufig befleißigen sich Reporter und<br />
Leitartikler der Sprache des Militärs und damit des Krieges. Richtig<br />
gute Krisenberichterstattung aber muss versuchen, die Sprache<br />
der Opfer zu nutzen.<br />
Christoph<br />
Maria<br />
Fröhder<br />
Freier Fernsehjournalist,<br />
Kriegsreporter, Autor<br />
CMF-TV@t-online.de
38<br />
Südafrika<br />
Land im<br />
Aufbruch<br />
Seite 40<br />
Mission<br />
<strong>2010</strong><br />
Seite 48<br />
Hoffnung<br />
Fußball<br />
Seite 50<br />
Grüner<br />
Daumen,<br />
großes<br />
Herz<br />
Seite 53<br />
Überleben<br />
in Beverly<br />
Hills<br />
Seite 56<br />
Ein starkes<br />
Duo<br />
Seite 58<br />
Zwischen<br />
Himmel<br />
und Erde<br />
Seite 60<br />
Sauvignon<br />
Blanc hilft<br />
Seite 64<br />
Lebensart<br />
am Kap<br />
Seite 66<br />
Die<br />
Strauße<br />
sind los<br />
Seite 68<br />
Fairer<br />
reisen<br />
Seite 70<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Noch wenige Wochen, dann<br />
ist es so weit: Mit der Fußballweltmeisterschaft<br />
steigt<br />
einmal mehr <strong>das</strong> neben den<br />
Olympischen Spielen größte<br />
Sportereignis der Welt. Doch<br />
werden wir diesmal kein gewöhnliches<br />
Turnier erleben:<br />
Denn zum ersten Mal in ihrer<br />
Geschichte wird die Fußballweltmeisterschaft<br />
auf dem<br />
Schwarzen Kontinent ausgetragen.<br />
Für den Ausrichter<br />
Südafrika eine ganz besondere<br />
Ehre – und zugleich eine<br />
enorme Herausforderung.<br />
Ist <strong>das</strong> von schroffen Gegensätzen<br />
gekennzeichnete<br />
Land schon bereit, die Welt<br />
zu empfangen? Kann <strong>das</strong><br />
Sportspektakel die wirtschaftliche<br />
und gesellschaftliche<br />
Entwicklung Südafrikas<br />
positiv beeinflussen? Und<br />
welche Fortschritte hat die<br />
„Rainbow Nation“ seit dem<br />
Ende der Apartheid gemacht?<br />
Fragen, auf die eine<br />
bunt gemischte Journalistentruppe<br />
bei der zweiwöchigen<br />
FPC-Reise im November<br />
2009 ebenso spannende<br />
wie überraschende Antworten<br />
fand.<br />
39<br />
Cup der Guten Hoffnung<br />
Druckgrafik: Uwe Broschk
40 Südafrika<br />
Land im Aufbruch<br />
Townships und Luxusvillen,<br />
Fair-Trade-Tourismus und Aids,<br />
Bildungsarmut und Wirtschaftswachstum,<br />
Megastädte,<br />
archaische Traditionen und<br />
eine atemberaubende Natur:<br />
Das heutige Südafrika ist nicht<br />
nur ein Land voller Gegensätze,<br />
sondern auch eine Nation<br />
im Wandel. Wenige Monate vor<br />
Beginn der Fußballweltmeisterschaft<br />
sprachen die FPC-Reisenden<br />
in der Heimat Nelson<br />
Mandelas mit Botschaftern und<br />
Wirtschaftsexperten, mit Weinbauern<br />
und Hoteliers, mit<br />
Machern von Hilfsprojekten.<br />
Und natürlich mit den Menschen<br />
auf der Straße, die<br />
trotz aller Sorgen versuchen,<br />
optimistisch in die Zukunft zu<br />
schauen.<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Sieht aus wie ein Straßenfest, ist aber eine Demo:<br />
Arbeiter vor dem Rathaus in Kapstadt<br />
41
42 Südafrika<br />
Entlang der „Garden Route“: Townships und der neue Wohlstand<br />
Aus dunklen Holzpfählen gezimmert stehen<br />
sie da, die Hütten hoch oben über der<br />
Bucht von Knysna Bay. Mit herrlichem<br />
Ausblick auf die glitzernde Lagune. Gleich<br />
daneben mit dem gleichen Ausblick liegt<br />
<strong>das</strong> Villenviertel. Und wir dazwischen mit<br />
unserem Bus. Es sind Gegensätze wie diese<br />
– oder wie die Südafrikaner sagen, diese<br />
„Vielfalt“ – die uns auf unserer Reise durch<br />
Südafrika ständig begleiten. Sichtbar, spürbar<br />
und erfahrbar gemacht durch überwältigend<br />
schöne, aber auch berührende, erschreckende<br />
Bilder, beeindruckende Gesprächspartner<br />
und nicht zuletzt Reiseführer Hajo<br />
Kowalke, den Wahlkapstädter aus Berlin,<br />
der uns viel über <strong>das</strong> Land verrät und fürsorglich<br />
auf alle 34 Reisenden achtet.<br />
Angefangen haben wir unserer Reise<br />
im Norden, in der Provinz Limpopo. Auf<br />
dem Weg dorthin vom Flughafen Johannesburg<br />
machen wir uns gleich mit südafri -<br />
kanischen Sicherheitsmaßnahmen vertraut:<br />
Unser Bus muss auf eine Wiegebrücke fahren.<br />
19.340 Kilo bringt er – uns inklusive<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
– auf die Waage. Der Uniformierte nickt,<br />
wir dürfen weiterfahren. „Viele Autos sind<br />
überladen, deshalb gibt es hier solche<br />
Kontrollen häufig“, erklärt Kowalke. Und<br />
er soll Recht behalten.<br />
Schub für die Infrastruktur<br />
Kurz vor dem ersten Ziel geht es mit dem<br />
Bus sowieso nicht mehr weiter. Auf den roten,<br />
sandigen Wegen der Thandeka Game<br />
Lodge Reserves rollen nur noch Jeeps. Zwei<br />
Ranger holen uns ab und bringen uns zu<br />
unseren Zelten. Und später auch zu unseren<br />
Safari-Touren mitten hinein in die Savanne,<br />
wo wir drei der „Big Five“ zu Gesicht<br />
bekommen: friedlich grasende Nashörner,<br />
stolzierende Giraffen und Kaffern-Büffel<br />
mit beeindruckendem Geweih. Nur Leoparden<br />
zeigen sich nicht. Sie sind nachtaktive<br />
Tiere, wie uns erzählt wird, aber dafür sehen<br />
wir um so mehr Zebras und Antilopen.<br />
Von letzteren gibt es dann abends Gegrilltes.<br />
Zum Ende des Abendessens wird es<br />
plötzlich laut. Das Personal, allesamt<br />
Schwarze, beenden <strong>das</strong> Dinner mit Gesang<br />
und Tanz. Dieses Ritual wird uns noch oft<br />
auf der Reise begegnen, aber nie mehr so<br />
fröhlich wie dort. Auch die Nächte im großen<br />
Zelt, <strong>das</strong> unter der dicken Plane mit<br />
Betten, festem Boden und Sanitäranlagen<br />
aus Keramik ausgestattet ist, sind geräuschvoll.<br />
Unter dem klaren Sternenhimmel raschelt<br />
es in den Büschen, die Grillen zirpen,<br />
und sogar ein Warzenschwein soll einem<br />
der Zelte nahe gekommen sein.<br />
Die folgenden Tage zeigen uns, <strong>das</strong>s ein<br />
solches Zelt für viele schwarze Südafrikaner<br />
Luxus wäre. Nach einem Abstecher zu<br />
Sterkfontain, einer Ausgrabungsstätte<br />
hominider Fossilien, die in <strong>das</strong> Weltkultur -<br />
erbe der UNESCO aufgenommen wurde<br />
und als „Wiege der Menschheit“ gilt, fahren<br />
wir in die Hauptstadt Pretoria und die größte<br />
Stadt, Johannesburg. Vorbei an Villen,<br />
alle mit meterhohen Mauern und Stacheldraht<br />
umzäunt, und daran anschließend<br />
an kilometerlangen Straßenzügen mit ärmlichen<br />
Hütten. Wir passieren dutzende<br />
43<br />
Blick auf die Waterfront von Kapstadt. Der Hafen und<br />
<strong>das</strong> ihn umgebende Ausgehviertel gehören zu den Touristen -<br />
attraktionen der Stadt. Im Hintergrund: der Tafelberg<br />
Baustellen mit Brückenpfeilern und auf -<br />
gerissenem Asphalt. Südafrika rüstet sich<br />
für die Fußball-WM. Sie bringt Geld für<br />
die Infrastruktur, aber auch Aufmerksamkeit<br />
für die Verhältnisse im Land, an dessen<br />
Spitze der Zulu Jacob Zuma regiert. Ein<br />
Präsident, der in der Gefangenschaft mit<br />
Nelson Mandela auf Robben Island Lesen<br />
und Schreiben gelernt hat – und dessen<br />
robuster Stil in der deutschen <strong>Presse</strong> oft ein<br />
schlechtes Echo findet.<br />
Wunden der Apartheid<br />
Ihn und sein Land aber nicht nur mit unseren<br />
Maßstäben zu messen, darum bittet<br />
Botschafter Dieter Haller bei unserem Besuch<br />
in der Deutschen Botschaft in Pretoria.<br />
Zuma habe den zerstrittenen ANC geeint,<br />
einen Buren in die Regierung geholt, und<br />
er nenne die Probleme des Landes wie Aids<br />
und Kriminalität beim Namen. Er fördere<br />
Bildung, Gesundheit und Wirtschafts bezie -<br />
hungen. Südafrika sei im Aufbruch. „Aber<br />
man muss sich dem Land aus historischer<br />
Perspektive nähern“, fordert Haller. Erst<br />
seit 15 Jahren eine Demokratie, sei <strong>das</strong> Land<br />
noch stark geprägt von den Wunden der<br />
Apartheid. Da seien noch immer tiefe Gräben,<br />
die man nicht in einer Generation<br />
überwinden könne – ein Land, in dem erste,<br />
zweite und dritte Welt zusammenkämen.<br />
Verglichen mit der Ausgangssituation habe<br />
<strong>das</strong> Land jedoch unglaubliche Fortschritte<br />
gemacht. „Die Gesellschaft hat sich ein Programm<br />
der Transformation verordnet –<br />
nicht nur in der Verfassung, sondern auch<br />
im konkreten Leben.“ Eines der wichtigsten<br />
Themen dabei ist die Bildung, die die neue<br />
Regierung vorantreiben will. Unter der<br />
Apartheid erhielten Schwarze (Afrikaner)<br />
und Farbige (Mischlinge) nur ein Minimum<br />
an schulischer Bildung, höhere Bildung<br />
war Weißen vorbehalten. Auch berufliche<br />
Ausbildung fehlte. Heute leben 13 Millionen<br />
Südafrikaner von Sozialleistungen.<br />
Hinzu kämen aufgrund der liberalen Flüchtlingspolitik<br />
noch Millionen afrikanischer<br />
Einwanderer, die Arbeit suchten.<br />
Finanziell gehe es dem Land verglichen<br />
mit anderen afrikanischen Staaten gut. Als<br />
Sprecher der afrikanischen Gruppe sei Südafrika<br />
wirtschaftlich Vorreiter des Kontinents.<br />
„Südafrika braucht keine finanziellen<br />
Ressourcen aber Angebote für Wissenstransfer.“<br />
Wichtig sei es, eigene Ressourcen<br />
zu nutzen und die Infrastruktur zu verbessern.<br />
Beispiele seien ein Kleinkreditprogramm<br />
oder der Ausbau von Einkaufsmöglichkeiten.<br />
Zum ersten Mal trägt die Fifa <strong>das</strong><br />
WM-Turnier auf dem afrikanischen Kontinent<br />
aus. Darauf sei <strong>das</strong> Land stolz, sagt<br />
der Diplomat und ist überzeugt, „<strong>das</strong>s Südafrika<br />
es schaffen wird“. Für Südafrika bedeute<br />
die WM einen „Quantensprung an<br />
Infrastruktur.“ Sie wirke als Konjunkturprogramm<br />
und helfe auch, mentale Gräben<br />
zu schließen. „Die Regierung hat großes<br />
Interesse, <strong>das</strong>s von der WM etwas im Land<br />
zurückbleibt. Auch der Tourismus soll gefördert<br />
werden.“ Journalisten mahnte er zu<br />
genauerem Hinschauen und differenzierter<br />
Berichterstattung. Dies gelte auch im Bezug<br />
auf die Kriminalität, die zwar vorhanden<br />
sei. Aber es sei sicher keine Gesellschaft,<br />
die zu Gewalt neige. Haller hat keine<br />
Zweifel, <strong>das</strong>s die Organisatoren Sicherheit<br />
für die Besucher gewährleisteten.<br />
Er jedenfalls fühle sich im Land wohl.<br />
Wie Talente gefördert werden können,<br />
berichtet uns Matthias Boddenberg von der<br />
Deutschen Industrie- und Außenhandelskammer<br />
in Johannesburg. Es gebe Projekte<br />
und Trainingsprogramme, die der schwarzen<br />
Bevölkerung helfen sollen, sich zu qualifizieren.<br />
Daran nähmen auch viele der 450<br />
deutschen Firmen im Land, insbesondere<br />
Autofirmen, teil. „Die deutsche Wirtschaft<br />
ist hier tief verankert“, berichtet er. Deutsche<br />
Firmen finanzieren auch Ausbildungsprojekte.<br />
Seit 1993 würden etwa Bauarbeiter<br />
sowie Installateure in einem Trainingszentrum<br />
in Soweto trainiert. Ein anderes<br />
Projekt fördere Studierende, um die dringend<br />
benötigten Ingenieure zu bekommen.<br />
Nach dem Ende der Apartheid seien durch<br />
den Wegzug vieler Weißer auch viele Fachkräfte<br />
im Bergbau verloren gegangen. Im<br />
Fotos: Rainer Rüffer
44 Südafrika<br />
Südlicher geht’s kaum: die FPC-Reisenden am Kap der Guten Hoffnung<br />
halbstaatlichen Bereich seien wiederum<br />
viele entlassen worden. Boddenberg hofft<br />
jetzt auf Nachwuchs von den Universitäten.<br />
Ob <strong>das</strong> reiche, wisse er nicht. Eines<br />
sei klar: „Der Faktor der Ungleichheit zwischen<br />
Arm und Reich ist in Südafrika am<br />
höchsten von allen Ländern.“ Nur die<br />
Bezahlung von Schwarzen und Weißen<br />
sei inzwischen ausgeglichen.<br />
Townships und sozialer Wohnungsbau<br />
Auch Boddenberg verbindet mit der Fußball-WM<br />
vor allem gewaltige Infrastrukturmaßnahmen.<br />
Beim Bau der Stadien oder<br />
der Bahn sei Deutschland „überproportional<br />
stark vertreten.“ Wichtig sei jedoch<br />
auch <strong>das</strong> soziale Engagement der Firmen.<br />
Dazu gehörten Schul- und Anti-Aids-Projekte.<br />
Doch auch die Regierung bemüht<br />
sich um den Aufbau von Wirtschaft und<br />
Gesellschaft. Ein Programm habe 2,7<br />
Millionen Häuser für 10 Millionen Menschen<br />
geschaffen, ein anderes Sozialwohnungen<br />
für Besserverdienende gefördert,<br />
berichtet Boddenberg. „Was noch fehlt, ist<br />
ein vom Privatmarkt getragener sozialer<br />
Wohnungsbau.“ Negativ dagegen bewertet<br />
er die mangelhafte Erschließung von<br />
Wohngebieten. Die Regierung unter Zuma<br />
verspreche viel, es passiere aber in vielen<br />
Gebieten wenig und dort gebe es Unruhen.<br />
„Dieser Effekt macht uns Sorge.“ Positiv<br />
sei dennoch <strong>das</strong> Wachsen der schwarzen<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Mittelschicht – seit 2005 immerhin um<br />
etwa 30 Prozent. Die Kaufkraft steige,<br />
30 Prozent wohnten bereits in einem festen<br />
Haus.<br />
Wie solche festen Häuser aussehen und<br />
welche Unterschiede es in den Townships<br />
gibt, davon können wir uns am nächsten<br />
Tag überzeugen. Während ein Teil der<br />
Gruppe im ärmsten Stadtviertel Mamelodi<br />
ein Schul-Projekt der GTZ besucht, fahren<br />
wir Richtung Soweto. Der Besuch im<br />
Apartheidmuseum stimmt uns mit der<br />
schonungslosen Darstellung der historischen<br />
Entwicklung des Regimes und seiner<br />
Opfer eindrucksvoll auf die Realität ein.<br />
Die gelben Abraumhalden am Stadtrand<br />
dokumentieren eine der wesentlichen Voraussetzungen<br />
der Apartheid: Gold. Um <strong>das</strong><br />
Edelmetall zu schürfen, holten weiße Minenbesitzer<br />
um die Jahrhundertwende<br />
Tausende schwarze Arbeiter nach Südafrika.<br />
Und sie sind geblieben. Noch immer arbeiten<br />
150.000 in den Minen. Sie wohnen<br />
in Wohnheimen der Townships, die ihnen<br />
zugewiesen wurden. Etwa in Soweto, dem<br />
South-West-Township – früher eines<br />
der ärmsten und hauptsächlich eine Schlafstadt.<br />
Jetzt eine eigene Stadt mit 2 Millionen<br />
Menschen, mit Familien und wachsender<br />
Infrastruktur. DPA-Korrespondent Ralf<br />
Krüger, der uns an diesem Tag begleitet,<br />
zeigt sie uns. Wir sehen kilometerlange<br />
Straßenzüge mit Häusern und Hütten.<br />
Viele von Ihnen sind erst seit 1994 elektrifiziert<br />
und mit Wasseranschluss versehen<br />
worden. In einem der Viertel stehen Häuser<br />
mit Vorgarten, Terrasse und Garage.<br />
Ein paar Straßenzüge weiter ordnen sich<br />
die vom Staat und der Stadt geförderten<br />
„Matchboxhouses“, etwa 40 Quadratmeter<br />
ummauerter staatlich geförderter Raum<br />
mit Dach, in Reih und Glied. Einige hundert<br />
Meter weiter, unter einer Brücke drängen<br />
sich dutzende Wellblechhütten dicht<br />
an dicht. Vor einigen sitzen schwarze Frauen<br />
mit Kindern auf dem Arm. Ein paar<br />
Meter weiter werden neuer Bürgersteig<br />
verlegt und Kanalisation ausgehoben.<br />
Die schwarze Mittelschicht wächst<br />
Die offensichtliche Armut ist der Hauptgrund<br />
für die hohe Kriminalitätsrate des<br />
Landes. Soweto hat <strong>das</strong> größte Krankenhaus<br />
Afrikas, nirgendwo sonst werden so viele<br />
Verwundete mit Stich- und Schusswunden<br />
behandelt. Deshalb schicken sogar Bundeswehr<br />
und die britische Armee ihre Ärzte<br />
zur Ausbildung dorthin, wie uns Krüger<br />
erzählt. Einige Straßen weiter erblicken wir<br />
eine große Shopping-Mall – die erste in<br />
Soweto, erbaut von einem schwarzen Geschäftsmann.<br />
Nicht nur die schwarze<br />
Mittelschicht wachse, es gebe sogar eine<br />
Elite, die sogenannten „Black Diamonds“,<br />
sagt Krüger. Sie sind stolz auf ihre Herkunft:<br />
„Soweto ist so etwas wie der Orden,<br />
der einem anhaftet, auch wenn man es<br />
zu etwas gebracht hat.“ Es geht voran –<br />
spürbar, aber langsam.<br />
Das zeigt sich auch im Nahverkehr, der<br />
im Zuge der WM ausgebaut wird. Bisher<br />
bestand dieser fast ausschließlich aus Minibus-Taxis,<br />
die wir überall auf den Straßen<br />
sehen. Die Apartheid hatte für Schwarze<br />
und Farbige keine Busse oder Bahnen vor -<br />
gesehen. Sie sollten laufen. Jetzt sehen wir<br />
sogar eine Straßenbahnlinie in Soweto.<br />
Doch von Bussen und Bahnen gibt es viel<br />
weniger, als geplant waren, berichtet uns<br />
Krüger. Denn die Minibus-Besitzer fürchteten<br />
um ihre Existenz und verteidigten<br />
sie mit allen Mitteln. Obwohl der Ruf der<br />
45<br />
Taxis nicht der beste sei – „als fahrende<br />
Särge“ seien sie verschrien. Noch gefährlicher<br />
sei jedoch die Bahn. „Es kann unter<br />
Umständen lebensverkürzend sein, die<br />
Eisenbahn zu nehmen“, sagt uns Krüger,<br />
der den Transport der Fans zur WM für<br />
schwierig hält.<br />
Zuvor hatte uns der Journalist und Fußballfan<br />
dank seiner Kontakte noch einen<br />
Abstecher nach Soccer City ermöglicht, dem<br />
neu gebauten Stadion am Rande Sowetos<br />
mit 95.000 Plätzen. Das riesige Rund ist<br />
nicht nur in den Farben Afrikas gestaltet,<br />
sondern auch fast fertiggestellt. Nur an den<br />
Außenanlagen werkeln noch Bauarbeiter.<br />
Einen Einblick in <strong>das</strong> Innere des Stadions<br />
erhalten wir nicht, aber dafür einen in den<br />
modernen runden Anbau der South African<br />
Broadcasting Corporation, ausgerüstet für<br />
<strong>Presse</strong> und Fernsehübertragungen. „Ich<br />
hatte nie Zweifel, <strong>das</strong>s die Stadien fertig<br />
werden“, sagt Krüger. Zweifel hat er eher<br />
daran, ob so viele Zuschauer kommen<br />
wie erhofft, ob die ärmeren auch Karten<br />
erhalten wie versprochen, und ob die WM<br />
nachhaltig <strong>das</strong> Land voranbringen kann.<br />
Doch neben einem Aufschwung könne die<br />
WM <strong>das</strong> Land zumindest in einem Punkt<br />
zusammenschweißen, meint er: „Fußball<br />
ist ein sehr afrikanischer Sport. Durch die<br />
Apartheid kam die Trennung – Weiße<br />
spielten Cricket oder Rugby, Schwarze<br />
Fußball. Jetzt, wie bereits zum Confed-Cup,<br />
zeigen zum ersten Mal auch die Weißen<br />
Interesse an Fußball.“<br />
Strenge FIFA-Auflagen<br />
Ausführlich begutachten dürfen wir dagegen<br />
<strong>das</strong> 62.000 Zuschauer fassenden Ellis<br />
Park Stadion, dessen Sponsor die Besucher<br />
gleich mit einem meterhohen rot-weißen<br />
Coca-Cola-Schild begrüßt. Ein Führer<br />
zeigt uns stolz alle Bereiche. Die strengen<br />
Auflagen der Fifa, die <strong>das</strong> Stadion vier<br />
Wochen vor der WM übernimmt, seien<br />
fast erfüllt, sagt er: Wir sehen großzügige<br />
Fluchtwege und viel Platz, im modernisiertes<br />
Stadien-Innenraum rote, teils behindertengerechte<br />
Sitzreihen, dazu die Präsidentensuite,<br />
die „Mandela-Lounge“, und<br />
ein Center für <strong>Presse</strong>konferenzen mit 122<br />
Plätzen. Der Preis für ein normales Liga-<br />
Fußballspiel ist hier mit 20-50 Rand für<br />
die ärmeren Fußballfans noch erschwinglich.<br />
Im strömenden Regen prüfen wir den<br />
Rasen jedoch nur vom Spielfeldrand aus<br />
und steigen stattdessen noch in die trockenen,<br />
wenn auch spartanisch eingerichteten<br />
Umkleidekabinen und Duschräume hinab.<br />
Ein Flug nach Port Elisabeth bringt uns<br />
am nächsten Tag in den Süden des Landes.<br />
Das Stadion, in dem auch die deutsche<br />
Mannschaft spielen wird, sehen wir nur aus<br />
der Ferne und nehmen Kurs auf die Küste.<br />
Zur Rechten die grünen Tsitsikamma-Berge,<br />
deren Bäume in früheren Zeiten viel Holz<br />
lieferten und zum Wohlstand der Region<br />
beitrugen, wie unser Guide Hajo erzählt,<br />
und zur Linken <strong>das</strong> Meer, fahren wir Richtung<br />
Plettenberg Bay. Im Weingut Bramon<br />
berichten uns Besitzer Peter Thorpe sowie<br />
die Marketingchefin der nahen Hog Hollow<br />
Lodge nicht nur von ihren Plänen, den<br />
großen Weingutsbesitzern Konkurrenz zu<br />
machen, sondern auch wie es gelingen<br />
kann, Gewinn mit sozialem Engagement<br />
für die Region zu verbinden.<br />
Die Garden Route und die Geschichte<br />
ihres Namens – den sie von den Seefahrern<br />
erhielt, weil sie sich nach langer Reise im<br />
Garten Eden glaubten – erfahren wir im<br />
Bus. Vorbei an dicht bewaldeten Hügeln<br />
und sandigen Stränden, an den umzäunten<br />
Wochenendvillen auf den einen Hügeln<br />
der Knysna Bucht und den Holzbaracken<br />
auf der anderen, die, wie wir erfahren,<br />
nicht abgerissen werden dürfen. In Süd -<br />
Im bunten Kapstädter Malay-Viertel wohnten einst die Sklaven, die im 17. Jahrhundert aus Asien nach Südafrika gebracht worden waren, und ihre Nachfahren
46 Südafrika<br />
afrika gelte <strong>das</strong> Gesetz des „Common<br />
Ground“: „Wer es schafft, über Nacht eine<br />
Hütte zu bauen, der darf dort bleiben.“<br />
Auch <strong>das</strong> ist ein Grund, warum in jedem<br />
Ort viele solcher „Shacks“ zu finden sind.<br />
Jeder Ort in Südafrika hat ein Township.<br />
Atemberaubende Natur<br />
Die einzigartige Vielfalt und Schönheit der<br />
Landschaft erfahren wir am nächsten Tag,<br />
an dem wir 500 Kilometer zurücklegen.<br />
Zunächst an der Küste entlang. Der enge<br />
Zeitplan gönnt uns nur wenige Ausstiege<br />
aus dem Bus, so oberhalb der Plettenberg<br />
Bay. Im strahlenden Sonnenlicht dehnt sich<br />
ein kilometerbreiter Strand, an dem nur<br />
zwei Spaziergänger laufen. Daneben ragt die<br />
Kaaimans River Bridge über die gleichnamige<br />
Bucht, über die früher die berühmte<br />
Eisenbahn Outeniqua Choo Tjoe rollte. Wir<br />
folgen dem Flusslauf, fahren dann über einsame<br />
Passstraßen durch die grünen Outeniqua-<br />
Berge und die karge Halb wüste „kleine<br />
Karoo“ vorbei an Straußen, die auf den<br />
kargen Böden picken, bis nach Oudtshoorn<br />
und besuchen dort eine Straußenfarm –<br />
und wieder den langen Weg zurück.<br />
Erschöpft und hungrig bleibt uns abends<br />
nur noch der letzte Blick auf den Sonnenuntergang<br />
vom Sumandge Wine Estate bei<br />
Hermanus, auf dem wir Weinkenner der<br />
Region treffen. Einige von Ihnen, wie der<br />
deutsche Sommelier Jörg Pfützner, werden<br />
uns in den kommenden Tagen begleiten.<br />
Den eindrucksvollsten Einblick in ein<br />
Leben eines solchen Gutsbesitzers gewährt<br />
uns etwa Hamilton Russel auf seiner ita -<br />
lienischen Residenz, die ihn nach eigenen<br />
Aussagen etwa so viel gekostet hat wie eine<br />
Zweizimmer-Wohnung in London. Den<br />
höchsten Überblick wiederum erlaubt uns<br />
Hans Schröder nachdem er uns mit Jeeps<br />
auf seine Weinberge bei Stellenbosch gebracht<br />
hat. Einen bleibenden Eindruck<br />
der herrschenden Klasse vermittelte Fred<br />
Uhlendorff von Palmiet Valley.<br />
Wahrhafte Größe sehen wir dann in der<br />
Walker-Bay beim Wale-Watching. In der<br />
geschützten Bucht gebären Southern Right<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Wale ihre Jungen und füttern sie. Ihre volle<br />
Schönheit können wir jedoch nur erahnen:<br />
ab und zu sehen wir ein Stück des Rückens<br />
der Tiere, ab und zu den Teil einer<br />
Schwanzflosse. Der springende Wal jedoch<br />
scheint eine Mär zu sein. Mittags haben<br />
wir wieder festen Boden unter den Füßen.<br />
Michael Lutzeyer, Besitzer des Naturreservats<br />
Grootbos und der gleichnamigen Öko-<br />
Nobellodge bei Hermanus, führt uns nicht<br />
nur durch seine Baumschule, in der er junge<br />
Schwarze ausbildet, sondern stellt uns<br />
auch sein Fußballprojekt im Township von<br />
Gansbaai vor. Damit will er die Integration<br />
zwischen Schwarzen und Weißen fördern.<br />
Pflänzchen der Hoffnung<br />
Das letzte Stück der Garden Route führt<br />
uns über den südlichsten Zipfel Afrikas<br />
entlang der False Bay, in der früher oft<br />
Schiffe strandeten, bis hin nach Kapstadt.<br />
Der Tafelberg empfängt uns mit all seiner<br />
Schönheit. Ohne „Tischdecke“, wie die<br />
häufigen Nebel genannt werden, und ohne<br />
Wind. Wir können also auf den Gipfel. In<br />
fünf Minuten bringt uns die Seilbahn auf<br />
den Berg – eine Höhendifferenz von knapp<br />
1.000 Metern. Unter uns liegen die Innenstadt,<br />
der Hafen, <strong>das</strong> Stadion „Greenpoint“,<br />
links und rechts die Berge Lions Head und<br />
Devil’s Peak – die ganze Bucht einschließlich<br />
Robben Island, wo Nelson Mandela<br />
inhaftiert war. 140.000 Deutsche leben in<br />
Kapstadt – zwischen dem Nobelviertel<br />
Camps Bay und den riesigen Armenvierteln<br />
der Stadt Capes Flat. Ein wenig von<br />
der Vielfalt der Einwanderstadt erahnen<br />
wir bei der Rundfahrt, vorbei an den bunt<br />
angestrichenen Häusern im Cap-Malay-<br />
Viertel, an der Waterfront-Einkaufsmeile,<br />
beim Gang vom Slavehouse durch den Park<br />
– dem einstigen Gemüsegarten der East-<br />
India-Company – bis zu unserem Domizil<br />
in der Longstreet, die ein wenig aussieht,<br />
als gehöre sie nach New Orleans. Und sie<br />
ist ähnlich laut. Übrigens nicht nur spät<br />
abends in der Bar „Mama Africa“, wo wir<br />
uns vom musikalischen Talent einheimi -<br />
scher Bands überzeugen lassen.<br />
Wie Einheimische und Zugewanderte<br />
den Armen helfen, <strong>das</strong> lernen wir auf eindrucksvolle<br />
Weise im Projekt von Nolita<br />
und Elke Geising im größten Township<br />
Kapstadts, in Kayelitsha. Wie die anderen<br />
Townships ist es auf den Sandbänken<br />
gebaut – den einzigen Platz den man den<br />
Schwarzen zu Zeiten der Apartheid zuwies<br />
und auf dem sie eigentlich nichts anbauen<br />
können. Wie es trotzdem gelingen kann,<br />
nicht nur grüne, sondern auch Pflänzchen<br />
der Hoffnung zu züchten, erfahren wir<br />
beim Besuch der Suppenküche für Aidskranke<br />
im Projekt.<br />
Dass Weiße mit Pioniergeist nach wie<br />
vor gute Chancen haben, sich in Kapstadt<br />
eine lukrative Existenz aufzubauen, zeigen<br />
uns etwa der Hoteldirektor Nils Heckscher,<br />
Sohn des deutschen Moderators Dieter-<br />
Thomas Heck, den wir in seinem Nobel -<br />
hotel Wincester Mansion besuchen, oder<br />
der Friseur und Stylist Matthias Scheufler.<br />
Er arbeitet im neu errichteten Cape Quartier,<br />
einem Shopping Center mit 100<br />
Geschäften, <strong>das</strong> zur WM zahlungskräftige<br />
Kunden anlocken soll und mit komplett<br />
ausgestatteten Luxus-Suiten sogar dauerhaften<br />
Wohnraum bietet.<br />
Vielfalt in Tier- und Pflanzenwelt präsentiert<br />
sich schließlich auf der Fahrt zum<br />
Kap der guten Hoffnung durch den Nationalpark.<br />
Entlang schroffer Felswände, vorbei<br />
an feinsandigen, Stränden und Feldern<br />
mit seltenen Pflanzen und wilden Affen.<br />
Wir sehen Robben, die sich auf einem Felsen<br />
im Meer räkeln und auf dem Rückweg<br />
nach Kapstadt sogar noch Pinguine. Sie,<br />
die man eher im ewigen Eis vermutet,<br />
watscheln direkt vor uns durch den heißen<br />
Sand. Zwei Dinge, die scheinbar nicht<br />
zusammenpassen und trotzdem beeindruckende<br />
Wirklichkeit sind. Wie so vieles<br />
in Südafrika.<br />
Michaela<br />
Schmehl<br />
Redakteurin ZDF<br />
office@ michaelaschmehl.de<br />
47<br />
„Nur ein Event“<br />
Hotelier Heckscher dämpft Erwartungen an die WM<br />
Hotelier Nils Heckscher sieht die Euphorie im Hinblick auf die Fußball-WM<br />
in Südafrika mit gemischten Gefühlen. „Viele sind in Goldgräberstimmung“,<br />
sagt der Mittvierziger, der in Kapstadt sein Zuhause gefunden hat.<br />
Er ist der Sohn von Dieter Thomas Heck, dem Urgestein der deutschen<br />
TV-Unterhaltung, hat selber mit dem Showbusiness aber wenig am Hut.<br />
Der Chef des Winchester Mansions, eines Viersternehotels im kapholländischen<br />
Stil mit Blick auf den Atlantik, befürchtet, <strong>das</strong>s nicht alle<br />
Geschäftsideen die WM-Zeit im Sommer <strong>2010</strong> erfolgreich überdauern.<br />
Foto: Rainer Rüffer<br />
„Meine Prognose ist, <strong>das</strong>s einige Leute heute in einem Jahr wieder zumachen<br />
müssen.“ Heckscher hat als Page im Berliner Kempinski angefangen<br />
und ist gelernter Koch. Anfang der Neunziger zog er nach Kapstadt, hier<br />
lebt der gefragte Hotelier mit seiner Frau, die aus Flensburg kommt, und<br />
seinen beiden Töchtern. Das Turnier, <strong>das</strong> dem Tourismus und der Hotelbranche<br />
einen Boom bescheren soll, sei eine große Chance, <strong>das</strong>s sich<br />
Südafrika nach außen darstellen könne, sagt Heckscher. „Aber die WM ist<br />
nur ein Event, sie wird nicht alles retten“, dämpft er gleichzeitig allzu hohe<br />
Erwartungen. Dennoch ist die Freude auch bei ihm groß – schon deshalb,<br />
weil ihn sein Vater zum Event besuchen will. In der neuen Heimat Südafrika<br />
hatte Heckscher aber auch schwere Zeit durchmachen müssen: Sieben<br />
Monate lang war er arbeitslos und fuhr Gebisse aus. Diese Zeit habe ihm<br />
auch ein wenig die Augen geöffnet. Er habe gespürt wie sehr so etwas am<br />
Selbstwertgefühl kratze, erzählt der Unternehmer, der sich Zeit für ein ausführliches<br />
Gespräch genommen hat. Vor 14 Jahren übernahm Heckscher<br />
<strong>das</strong> Hotel Winchester Mansions und baute <strong>das</strong> ein wenig altbacken wirkende<br />
Haus zu einem Viersternehotel mit heute rund 130 Angestellten um.<br />
Monika<br />
Wendel<br />
Redakteurin dpa<br />
Wendel.Monika@<br />
dpa.com
Druckgrafiken: Uwe Broschk<br />
48 Südafrika<br />
Mission <strong>2010</strong><br />
Warum die Weltmeisterschaft für Südafrika mehr als ein Fußballturnier ist<br />
So bunt wie auf den Flaggen<br />
der 32 Fußball-WM-<br />
Teilnehmer wird es vom<br />
11. Juni bis zum 11. Juli<br />
<strong>2010</strong> auch in den Stadien<br />
und auf den Straßen Südafrikas<br />
zugehen. Das Land<br />
selbst will durch <strong>das</strong> Turnier<br />
wirtschaftlich, kulturell<br />
und sozial in neue Dimensionen<br />
vorstoßen.<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
„Wichtig ist auf dem Platz.“ Sepp Herberger<br />
hat <strong>das</strong> so unverwechselbar schlicht vor<br />
einer halben Ewigkeit gesagt, und er hat<br />
dem Fußball noch einige andere Weisheiten<br />
als eine Art in Stein gemeißeltes<br />
Vermächtnis hinterlassen. Man könnte den<br />
alten Bundestrainer so verstehen: Nach<br />
neunzig und ein paar mehr Minuten, dann,<br />
wenn der Schiedsrichter ein Spiel abpfeift,<br />
zählt allein noch <strong>das</strong> Ergebnis. Nicht mehr,<br />
aber auch nicht weniger.<br />
Das galt dann natürlich auch für die<br />
Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland.<br />
Wäre der Gastgeber damals sangund<br />
klanglos in der Vorrunde gescheitert<br />
oder spätestens im Achtelfinale ausgeschieden,<br />
hätte er sich bis auf die Knochen<br />
blamiert, wer weiß, ob sich in diesem Land<br />
diese einzigartige Stimmung wie erlebt<br />
hätte entfalten können. Doch die Nationalmannschaft<br />
wurde bekanntlich aller Ehren<br />
wert am Ende Dritter.<br />
Dieser Sommer vor vier Jahren wird deshalb<br />
als Märchen in die Geschichte eingehen.<br />
Die Welt zu Gast bei Freunden reibt<br />
sich noch heute verwundert die Augen,<br />
und wir wissen: „Wichtig ist auch neben<br />
dem Platz.“ Herberger hätte <strong>das</strong> eigentlich<br />
wissen müssen, als 1954 – nach dem Wunder<br />
von Bern – der Zug mit den deutschen<br />
Weltmeistern von der Schweiz zurück nach<br />
Deutschland rollte und Hunderttausende<br />
beidseitig die Gleise säumten.<br />
Jede Fußballweltmeisterschaft hat ihre<br />
Funktion, ihre Mission, wenn man so will,<br />
und die kann mitunter weit über den Sport<br />
49<br />
hinausgehen. In Deutschland hat die WM<br />
2006 die Wahrnehmung eines ganzen Landes<br />
und die seiner Menschen verändert. Sie<br />
hat binnen weniger Tage erreicht, was millionenteure<br />
Werbe- und Imagekampagnen<br />
nicht zu leisten im Stande gewesen wären.<br />
Vielleicht ist <strong>das</strong> eine der Lehren dieses<br />
„Sommermärchens“, und vielleicht ist <strong>das</strong><br />
nun auch die Erwartung an die WM <strong>2010</strong>.<br />
Südafrika aber hat ganz andere Ziele.<br />
Denn kein Südafrikaner muss dem Rest der<br />
Welt diese neue deutsche Fröhlichkeit und<br />
diese gesunde Portion Nationalstolz beweisen.<br />
Kein Südafrikaner muss diese Herzlichkeit<br />
beweisen oder die spontane Freude,<br />
keiner muss beweisen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Land am<br />
Kap der Guten Hoffnung dazu in der Lage<br />
ist, ein Sportturnier in ein internationales<br />
Volksfest zu verwandeln. Oder wie Paulus<br />
Mokoema, ein Sportkaufmann aus Johannesburg,<br />
sagt: „Willkommen in Südafrika.<br />
Willkommen im Land des Fußballs. Willkommen<br />
zur größten Party der Welt.“<br />
Tür in eine bessere Zukuft<br />
Dass Südafrika der ausgelassene, begeis -<br />
ternde, der farbenfrohe Gastgeber sein<br />
wird, auf den der schwarze Kontinent so<br />
lange hat warten müssen, darüber gibt<br />
es unter jenen, mit denen man in diesen<br />
Tagen und Wochen vor der WM ins Gespräch<br />
kommt, keine zwei Meinungen.<br />
„Keine Ahnung, was diese WM aus Südafrika<br />
machen wird“, sagt Clinton Dunn,<br />
ein Student aus Kapstadt. „Ich glaube, <strong>das</strong>s<br />
übersteigt meine Vorstellungskraft. Ich<br />
weiß nur, es wird gewaltig.“ Und dann sagt<br />
Dunn noch diesen Satz: „Wir werden alle<br />
überraschen, alle Skeptiker eines Besseren<br />
belehren.“<br />
Natürlich gibt es die Zweifel. Unter denen,<br />
die die WM nach Südafrika vergeben<br />
haben, und unter jenen, die sie jetzt aus-<br />
richten. Dieses Land hat auch mehr als anderthalb<br />
Jahrzehnte nach dem Ende der<br />
Apartheid nicht alle sozialen und kulturellen<br />
Gräben zuschütten können. Die Unterschiede<br />
zwischen Arm und Reich sind<br />
größer denn je. Die Regenbogennation ist<br />
noch ein gutes Stück davon entfernt, zu<br />
jener Einheit zu verschmelzen, die Nelson<br />
Mandela einst als seine Vision formulierte.<br />
Aber wenn ein afrikanisches Land die Kraft<br />
hat, vor allem die wirtschaftliche, aber<br />
auch die interkulturelle, diese WM zu<br />
stemmen, dann ist es Südafrika.<br />
„Diese Weltmeisterschaft ist eine große<br />
Ehre für unser Land, ein Privileg.“ Danny<br />
Noble, ein Touristenführer aus Stellenbosch,<br />
hat <strong>das</strong> diktiert, und alle um ihn<br />
herum haben genickt. „Wir sind die ersten<br />
auf dem afrikanischen Kontinent, die dieses<br />
Turnier ausrichten dürfen, und es wird<br />
Afrika eine Tür öffnen in eine bessere Zukunft.<br />
Die Welt schaut auf uns, <strong>das</strong> wird<br />
uns motivieren.“ Das ist Südafrikas Mission<br />
und <strong>das</strong> ganz unabhängig davon, ob<br />
„Bafana Bafana“, die Nationalmannschaft,<br />
ein erfolgreichen Turnier spielen wird. Das<br />
Land will die hohen Erwartungen erfüllen.<br />
Das Land ist bereit. „Es hieß doch immer:<br />
‚Ihr könnt keine WM ausrichten.<br />
Ihr habt keine Stadien, keine Infrastruktur,<br />
Kriminalität ist ein zu großes Problem’“,<br />
sagt Clinton Dunn, der Student aus Kapstadt.<br />
Und jetzt? Mit jeder neuen Straße,<br />
jeder neuen Brücke, den neuen Geschäften<br />
und Hotels, den Flughäfen und allen voran<br />
den neuen Fußballstadien, lässt Südafrika<br />
seine Kritiker verstummen und <strong>das</strong> eigene<br />
Selbstbewusstsein lauter werden. Niemand<br />
glaubt daran, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> globale Spektakel in<br />
einem Desaster enden könnte, auch wenn<br />
die Nation nicht alle ihre Makel wird kaschieren<br />
können. Und <strong>das</strong> ist auch gut so.<br />
Südafrika ist in Teilen, gerade in den<br />
Ballungszentren, ein nach wie vor gespaltenes<br />
Land. Arbeitslosigkeit ist ein mindestens<br />
so großes Problem wie Aids und<br />
Kriminalität. Und auch wenn so viele vor<br />
Panikmache warnen, verschweigen darf<br />
man die Schattenseiten nicht. Nicht ihre<br />
Wirkung, nicht ihre Ursachen. Und schon<br />
gar nicht sollten die ausländischen Besucher<br />
einen großen Bogen um die Townships<br />
machen, jene Viertel, in denen die<br />
fast ausschließlich schwarze Bevölkerung so<br />
viele Hoffnungen mit der WM verknüpft.<br />
Nolitha Ndalase lebt und engagiert sich<br />
als Sozialarbeiterin in Khayelitsha, einer<br />
Township von Kapstadt. Ihr Gemüt ist so<br />
fröhlich wie die Farbe ihrer Kleider, und<br />
sie sagt: „Ihr seid willkommen und eure<br />
Skepsis ist unbegründet. Wir haben hier<br />
unsere Geschäfte, kleine Läden, Friseure,<br />
und es gibt viele nette Bed & Breakfasts<br />
und tolle Menschen. Wenn man uns<br />
während der WM ausgrenzen würde, dann<br />
wäre <strong>das</strong> mit Sicherheit ein herber Rückschlag.“<br />
Und so werden aus Südafrikas Mission<br />
plötzlich zwei Missionen. Die Chance,<br />
die WM ausrichten zu dürfen, ist <strong>das</strong> eine.<br />
Die Chance auch zu nutzen, <strong>das</strong> andere.<br />
Zu viel zu verlieren<br />
Viele Jobs sind in den vergangenen Monaten<br />
und Jahren entstanden. Vielen Menschen<br />
mussten qualifiziert werden, und<br />
sie bleiben qualifiziert, auch nach der WM.<br />
Sie werden dem Arbeitsmarkt zur Verfügung<br />
stehen und die verbesserte Infrastruktur<br />
nutzen. Mit der WM will Südafrika<br />
in eine neue Dimension vorstoßen. Wirtschaftlich.<br />
Kulturell. Sozial. Und <strong>das</strong> ist<br />
in der Tat keine zum Scheitern verurteilte<br />
Mission, wie Pierre Engel, Buchhändler aus<br />
Kapstadt und WM-Skeptiker, am Ende<br />
zugeben muss. „In Südafrika leben viel zu<br />
viele Menschen, die viel zu viel zu verlieren<br />
haben, wenn es nach der WM nicht weitergehen<br />
sollte. Auch ausländische Investoren.<br />
Deshalb wird die Regierung einen langen<br />
Atem haben.“ Das klang nach mehr als<br />
einem Wunsch.<br />
Sebastian<br />
Gehrmann Politikredakteur<br />
„FR“<br />
s.gehrmann@<br />
fr-online.de
50 Südafrika<br />
Hoffnung Fußball<br />
Die Weltmeisterschaft als Hoffnungsträger: Wie in Südafrikas Townships<br />
der Fußball zu einem wichtigen Sozialarbeiter wird<br />
Teil eins.<br />
Und dann lacht Taelo. Nicht aus vollem<br />
Herzen. Nicht bis über beide Ohren. Es ist<br />
<strong>das</strong> zaghafte, in sich gekehrte Lachen eines<br />
zaghaften, in sich gekehrten Mädchens.<br />
Aber immerhin. Sie lacht.<br />
Das Klassenzimmer einer Grundschule<br />
in Mamelodi, einer Township vor den<br />
Toren von Südafrikas Hauptstadt Pretoria.<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Eine Millionen Menschen leben hier<br />
nach offiziellen Angaben, doch in Wahrheit<br />
sind es, wie in vielen Elendsvierteln<br />
des Landes, viele mehr. Doch was ist die<br />
Wahrheit? Anderthalb Millionen, so heißt<br />
es, werden es in Mamelodi bestimmt sein,<br />
vielleicht sogar zwei Millionen. Acht von<br />
zehn Bewohnern haben kein regelmäßiges<br />
Einkommen, mehr als die Hälfte hat über-<br />
haupt keine Arbeit. Aids ist ein so großes<br />
Problem, <strong>das</strong>s beinahe jedes zweite Kind<br />
ohne Eltern aufwächst. Viele von ihnen,<br />
die allein mit den Großeltern unter einem<br />
Dach leben, sind selbst infiziert.<br />
Taelo sitzt auf einem der Tische, die<br />
direkt vor dem Fenster stehen, in ihren<br />
Händen hält sie einen Fußball, sie klammert<br />
sich regelrecht an ihm fest. Wenn<br />
51<br />
Für ein paar Stunden am Tag vor der Außenwelt und vor schlechten Einflüssen geschützt: Schüler der Mahlasedi-Masana-Grundschule in Mamelodi<br />
Taelo redet, flüstert sie, sie beugt sich immer<br />
leicht nach vorn, damit man sie versteht:<br />
„Wenn es diese Schule nicht geben<br />
würde“, sagt Taelo, „ich weiß nicht, was<br />
aus mir werden soll.“ Man hört solche Sätze<br />
oft in den Townships, auf den staubigen<br />
Straßen, vor den Bretterverschlägen, in den<br />
Wellblechhütten. Doch nirgendwo klingt<br />
dieser Satz so unfassbar ernüchternd wie an<br />
diesem Tag aus dem Mund eines neunjährigen<br />
Mädchens.<br />
Wer die Mahlasedi-Masana-Grundschule<br />
in Mamelodi besucht, einen flachen, unscheinbaren<br />
Bau, umgeben von Stacheldraht,<br />
der die Schüler für ein paar Stunden<br />
vor der Außenwelt, vor schlechten Einflüssen<br />
und ungebetenen Gästen schützen soll,<br />
der, sagt Taelo, „hat eine Chance“. Joe Vuma<br />
sagt <strong>das</strong> auch. Vuma ist der Schulleiter,<br />
eine imposante, herzliche Gestalt. Gemeinsam<br />
mit der Gesellschaft für Technische<br />
Zusammenarbeit (GTZ) und dem Geld der<br />
deutschen Entwicklungshilfe hat er die<br />
Schule in ein soziales Projekt verwandelt,<br />
<strong>das</strong> abgekürzt YDF heißt (Youth Development<br />
through Football). „Der Fußball soll<br />
den Schülern helfen, ihr Leben zu meistern“,<br />
sagt Vuma. Nicht mehr, aber auch<br />
nicht weniger.<br />
Draußen sitzen ein gutes Dutzend Frauen<br />
in der Mittagssonne. Am Rand eines<br />
der Fußballfelder bereiten sie <strong>das</strong> Essen vor,<br />
während die Kinder über <strong>das</strong> weite Gelände<br />
verteilt lernen. Man erkennt <strong>das</strong> Lernen<br />
in dem Trubel nicht sofort. Nicht wer zu<br />
welcher Klasse gehört und auch nicht wer<br />
gerade wen unterrichtet. „Aber darauf“,<br />
sagt Gert Potgieter, „kommt es auch nicht<br />
an. Wir haben unsere eigenen Maßstäbe.“<br />
Gert Potgieter ist 72 Jahre alt, er war<br />
1956 bei den Olympischen Spielen in Melbourne<br />
Sechster im 400-Meter-Hürdenlauf<br />
und eine Rugbylegende. Jetzt will er den<br />
Kindern aus Mamelodi beibringen, was<br />
Potgieter „life skills“ nennt. In einer Ecke<br />
zum Beispiel dribbeln Jungen durch einen<br />
Slalomparcours. Wer ihn erfolgreich bewältigt,<br />
dem drückt der Lehrer als Lohn einen<br />
Zettel in die Hand. Auf dem Zettel steht<br />
ein Wort. Die Wörter ergeben einen Satz.<br />
Der Satz einen Sinn. „Es ist eine mutige<br />
Entscheidung, jemanden um Hilfe zu bit-<br />
ten.“ Die Kinder von Mamelodi sind keine<br />
normalen Schüler, wie auch immer man<br />
normal definieren würde in einer Gegend<br />
wie dieser. „Aber sie haben Talent“, sagt<br />
Potgieter. „Sie haben Potenzial. Sie haben<br />
eine Zukunft. Wir holen die Kinder da ab,<br />
wo sie stehen. Und dann zeigen wir ihnen<br />
einen Weg.“ Taelos Weg ist weit. Taelo<br />
trommelt mit ihren Händen auf ihren Ball,<br />
sie hat Probleme, dem Rhythmus, den ihr<br />
Lehrer für die Klasse vorgegeben hat, zu<br />
folgen, sie hat Probleme, sich zu konzentrieren.<br />
„Aber genau <strong>das</strong> ist <strong>das</strong> Ziel“, sagt<br />
ihr Lehrer. „Konzentration und Gruppendynamik.<br />
Da fangen wir an. Dann geht es<br />
weiter.“<br />
Teil zwei.<br />
In der Theorie gibt es kein Schwarz oder<br />
Weiß, sondern nur Schwarz mit Weiß. In<br />
der Theorie will Michael Lutzeyer Grenzen<br />
einreißen und Gräben zuschütten, so tief<br />
sie nach dem Ende der Apartheid auch<br />
immer noch sein mögen. Lutzeyer ist ein<br />
Macher. Freunde sagen: „Er redet viel.“ Sie<br />
sagen aber auch: „Er macht viel.“ Lutzeyer
Fotos: Rainer Rüffer<br />
52 Südafrika<br />
hat die nötigen Visionen, den nötigen Enthusiasmus<br />
und die nötige Energie. Er hat<br />
auch <strong>das</strong> nötige Kapital. Doch was Michael<br />
Lutzeyer vor allem braucht, ist ein langer<br />
Atem. Denn in der Praxis ist <strong>das</strong> hier in<br />
Gansbaai, zwei Autostunden von Kapstadt<br />
entfernt, ein Turnier der Schwarzen. Kein<br />
Weißer ist an diesem Nachmittag weit und<br />
breit zu sehen. Nicht einer.<br />
Durch die mächtigen Lautsprecher<br />
dröhnt abwechselnd Musik und die Stimme<br />
eines Mannes, der die Spiele kommentiert<br />
und über jeden Witze macht, der seinen<br />
Blick kreuzt. Auf dem kleinen Hügel<br />
am Spielfeldrand tummeln sich die Zuschauer,<br />
die meisten kommen aus Masakhane,<br />
der nahegelegen Township. Es ist heiß.<br />
Vor ein paar Jahren noch gehörte die Fläche<br />
Auch für die kleine Taelo (r.) und ihre Freunde eröffnet<br />
<strong>das</strong> GTZ-Projekt eine Chance<br />
der Gemeinde, sie flimmerte brach in der<br />
Hitze. Jetzt gehört sie auf unbestimmte<br />
Zeit der Grootbos Foundation, Lutzeyer<br />
hat sie gegründet. Die Grootbos Foundation<br />
soll <strong>das</strong> einzigartige Ökosystem erhalten,<br />
auf dem unter anderem Lutzeyers<br />
Luxuslodge steht. Deshalb bildet sie seit<br />
2003 Gärtner aus. Dann entstand ein Sozialprojekt<br />
für Frauen, und auch dabei ist es<br />
nicht geblieben.<br />
„Spaces for Sport“ heißt Lutzeyers neues<br />
Projekt, 2008 hat er es vorgestellt, zu einer<br />
Zeit, als plötzlich viel Geld da war bei den<br />
nationalen und internationalen Firmen,<br />
wann immer es um Fußballprojekte in<br />
Südafrika ging. Lutzeyer hatte <strong>das</strong> richtige<br />
Gespür und die richtigen Kontakte. Er hat<br />
<strong>das</strong> Geld bekommen. Die ABSA Bank hat<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
<strong>das</strong> Projekt mitfinanziert ebenso wie die<br />
englische Premier League, die Gemeinde<br />
stellte <strong>das</strong> Gelände, Lutzeyers Mitarbeiter<br />
verwandelten es in einen schmucken Sportpark.<br />
Es gibt ein Gebäude mit Umkleidekabinen,<br />
sanitären Anlagen und Seminarräumen,<br />
es gibt Sportfelder und sogar einen<br />
eingezäunten Kunstrasenplatz. Der allein<br />
hat 300.000 Euro gekostet. Täglich trainieren<br />
hier Kinder und Jugendliche, die<br />
meisten aus Masakhane, was übersetzt<br />
heißt: „Du hilfst mir, ich helfe Dir, zusammen<br />
bauen wir etwas auf.“<br />
Michael Lutzeyers Vision aber geht weiter.<br />
„Ich möchte alle drei Gemeinschaften<br />
zusammen bringen. Die Schwarzen, die<br />
Farbigen und die Weißen. Sie alle sollen<br />
hier Fußball spielen. Miteinander.“ Das<br />
Gansbaai Communal Sport Centre soll die<br />
Menschen aus dem schwarzen Masakhane,<br />
dem farbigen Blompark und dem weißen<br />
Gansbaai verbinden. Sie sollen nicht nur<br />
miteinander trainieren, so, wie sie es bereits<br />
hin und wieder tun. Sie sollen auch<br />
miteinander spielen. Fußball. Rugby.<br />
Cricket. Hockey. Unorganisiert. Spontan.<br />
„Sie sollen alle hierher kommen. Nicht,<br />
weil sie es müssen sondern weil sie es wollen.“<br />
Am besten Tag und Nacht. Michael<br />
Lutzeyer sucht deshalb schon wieder Geldgeber.<br />
Für eine Flutlichtanlage.<br />
Teil drei.<br />
Fußball kann manchmal grandios und<br />
manchmal grausam sein. Miniawe Ndalasi<br />
hat beides erleben können und durchleben<br />
müssen – die Höhen und Tiefen. Ganz<br />
oben war er und auch ganz unten: „Ich war<br />
Profi, Mittelfeldspieler. Ich habe meinen<br />
Beruf geliebt und ich bin ihm für vieles<br />
dankbar. Dann habe ich mir in einem Spiel<br />
<strong>das</strong> Schien- und Wadenbein gebrochen,<br />
und von einem Tag auf den anderen war<br />
meine Karriere vorbei. Das war es. Ich war<br />
am Ende.“<br />
Wer wie Ndalasi aus den Townships<br />
kommt, aus Khayelitsha, der größten im<br />
Schatten von Kapstadt, der ist froh, „wenn<br />
es da etwas gibt, was Menschen davor<br />
schützt, falsche Dinge zu tun. Etwas, was<br />
sie gesund und stark macht. Ndalasi hat<br />
der Fußball zu einer kleinen Berühmtheit<br />
gemacht. Seine Familie, Freunde, die<br />
Nachbarn, alle haben sie ihn bewundert.<br />
„Aber der Fußball“, sagt Ndalasi, „kann<br />
einen nicht vor allem schützen.“ Auch<br />
nicht vor Neidern, selbst da nicht, wo man<br />
sie am wenigsten erwartet.<br />
Mitten in Khayelitsha, während Miniawe<br />
Ndalasi und seine Frau Nolitha die<br />
Gassen vom Müll befreiten, ehrenamtlich,<br />
in dem Glauben, der Gemeinschaft einen<br />
Dienst zu erweisen, gab es plötzlich Unfriede,<br />
Streit. Nolitha Ndalasi hatte die<br />
Idee mit der gemeinnützigen Aufräumaktion.<br />
Sie ist eine der Frauen, die die Deutsche<br />
Elke Geising mit ihren „Nala Partners“<br />
unterstützt. Sie ist darin ziemlich<br />
erfolgreich. Anfangs waren Zulauf und<br />
Zuspruch enorm, dann kamen immer weniger<br />
und dann kam die Angst derer, die<br />
von der Stadt als Müllmänner angestellt<br />
waren, bald arbeitslos sein zu können.<br />
So unbegründet die Sorgen waren, ganz<br />
vertreiben konnten sie die Ndalasis nie.<br />
Das Projekt aber läuft weiter.<br />
Miniawe Ndalasi ist aber auch Fußballtrainer<br />
in Khayelitscha. Widerstand gab<br />
es in diesem Fall keinen. Den Fußballer<br />
Ndalasi den respektieren sie hier. So war<br />
es immer und so wird es auch immer sein.<br />
„Ich kann mein Wissen an die Jugend<br />
weitergeben, und ich weiß, <strong>das</strong>s sie mir zuhören<br />
und <strong>das</strong>s sie von mir lernen wollen.<br />
Nur so können Projekte entstehen, mit<br />
regelmäßigem Training und mit schulbegleitenden<br />
Maßnahmen.“ Seinen Schülern<br />
fehlt es nicht an Motivation, nicht an Ehrgeiz,<br />
nicht an der Sehnsucht, irgendwann<br />
dort anzukommen, wo Miniawe Ndalasi<br />
einmal war. Was ihnen fehlt, ist die nötige<br />
Ausrüstung, Bälle, Schuhe, Trikots. Einen<br />
Lutzeyer gibt es hier nicht. Auch keine<br />
GTZ.<br />
Sebastian<br />
Gehrmann Politikredakteur<br />
„FR“<br />
s.gehrmann@<br />
fr-online.de<br />
53<br />
Ein Visionär in<br />
seinem Element:<br />
Michael Lutzeyer<br />
erklärt den aufmerksamen<br />
FPC-<br />
Reisenden die<br />
Besonderheiten der<br />
südafrikanischen<br />
Pflanzenwelt<br />
Grüner Daumen,<br />
großes Herz<br />
In einem einzigartigen Naturreservat in der Nähe von Kapstadt<br />
betreibt der Südafrikaner Michael Lutzeyer eine luxuriöse Ferienwohnanlage.<br />
Einen Teil seiner Erträge steckt der 59-Jährige<br />
in soziale und ökologische Projekte vor Ort. Eine Gärtnerschule<br />
für arbeitslose Schwarze und ein Kunstrasenfußballplatz<br />
für jedermann sind nur zwei von Lutzeyers umgesetzten Ideen.<br />
Doch der umtriebige Hotelier hat noch mehr vor – viel mehr…
54 Südafrika<br />
Michael<br />
Lutzeyer<br />
Der Südafrikaner Michael Lutzeyer betreibt auf<br />
einem 1.700 Hektar großen Naturschutzgebiet<br />
in der Nähe von Kapstadt eine luxuriöse Öko-<br />
Lodge, die Grootbos Private Nature Reserve.<br />
Ein Teil der Einnahmen fließt in seine Stiftung<br />
Grootbos Foundation. Seine Sozialprojekte<br />
umfassen eine Gärtnerschule, an der arbeitslose<br />
Schwarze zu staatlich anerkannten Gärtnern<br />
ausgebildet werden, sowie einen öffentlichen<br />
Kunstrasenfußballplatz, auf dem die Jugendlichen<br />
aus drei verschiedenen Townships<br />
miteinander kicken können. Für sein Engagement<br />
ist Michael Lutzeyer im Vorjahr mit der<br />
„Grünen Palme“ des Reise<strong>magazin</strong>s „Geo<br />
Saison“ ausgezeichnet worden. Kontakt zur<br />
Grootbos Private Nature Reserve,<br />
PO Box 148, Gansbaai, 7220, South Africa<br />
T: +27 28 384 8000, info@grootbos.com<br />
Hier befindet sich also <strong>das</strong> Paradies – hier,<br />
im äußersten Südwesten Südafrikas. Es<br />
liegt versteckt hinter weißen Sanddünen.<br />
Nur eine kleine Straße führt dorthin. Sie<br />
schlängelt sich durch <strong>das</strong> Küstenörtchen<br />
Gaansbai einen Hang hinauf. Von hier<br />
oben aus hat man einen atemberaubenden<br />
Blick hinunter auf die sichelförmige<br />
Walker-Bucht. Dort tosen die Wellen des<br />
Atlantiks, schäumen die Wellen, funkelt <strong>das</strong><br />
blaue Meer im strahlenden Sonnenschein.<br />
Eine leichte Brise weht salzige Luft hinauf<br />
ins Paradies, wo rund 1.000 Jahre alte<br />
Milkwood-Bäume angenehmen Schatten<br />
spenden. Unter einem dieser mächtigen<br />
Bäume steht Michael Lutzeyer – ihm gehört<br />
<strong>das</strong> Paradies. Gemeinsam mit seinem Bruder<br />
hat er auf rund 1700 Hektar einen einzigartigen<br />
privaten Fynbosgarten geschaffen.<br />
In diesem außergewöhnlichen Ökosystem<br />
gedeihen rund 750 Arten – darunter<br />
so klangvolle Gewächse wie Strelitzien oder<br />
Königsproteen. In seinem privaten Naturreservat,<br />
dem Grootbos Private Nature<br />
Reserve, hat Lutzeyer eine Fünfsterneanlage<br />
errichtet. Sie besteht aus zwei Lodges mit<br />
jeweils zehn edlen Suiten. Allesamt sind sie<br />
eingebettet in die prächtige Pflanzenwelt<br />
der weitläufigen Anlage, durch die schmale<br />
Pfade führen.<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Eins der Luxusgästehäuser in Michael Lutzeyers Grootbos Pivate Nature Reserve<br />
Von den Holzterrassen der Garden- oder<br />
Forest-Lodges bietet sich den Gästen ein<br />
spektakulärer Blick über die Bucht auf den<br />
Atlantik. Auch <strong>das</strong> Freizeitangebot kann<br />
sich sehen lassen, es ist ebenso vielfältig wie<br />
spektakulär: Von Walbeobachtungen per<br />
Boot oder vom Privatflugzeug aus bis hin zu<br />
geführten Wanderungen oder Ausritten<br />
reicht die Palette. Kulinarische Köstlichkeiten<br />
aus der gehobenen Küche sowie Spa-<br />
Massage-Behandlungen sind auf Lutzeyers<br />
Öko-Lodge selbstverständlich.<br />
Keineswegs selbstverständlich ist hingegen<br />
<strong>das</strong> soziale Engagement des 59-Jährigen.<br />
Er öffnet sein Paradies seinen Gästen, um<br />
dadurch benachteiligten Menschen aus den<br />
örtlichen Townships den Weg in ein besseres<br />
Leben zu ermöglichen. Sein lobenswertes<br />
Konzept: „Jeder Reisende, der auf Grootbos<br />
die Schönheit und den Luxus genießt, hilft<br />
dadurch auch mit, die Träume der Menschen<br />
hier vor Ort zu verwirklichen.“ Deshalb hat<br />
Lutzeyer die Grootbos Foundation gegründet,<br />
eine Stiftung für ökologische und soziale<br />
Projekte. Sie wird vor allem aus den Erträgen<br />
seiner Luxus-Lodge gespeist.<br />
Im Jahr 2003 hat er <strong>das</strong> Horticulture<br />
& Lifeskills College ins Leben gerufen. „Wir<br />
bilden dabei junge arbeitslose Schwarze<br />
zu staatlich anerkannten Gärtnern aus“, sagt<br />
Lutzeyer. In der für 190.000 Euro auf dem<br />
Naturreservat errichteten Gärtnerschule<br />
werden pro Jahr zwölf Schüler von zwei Biologen<br />
ausgebildet. „Damit sie einen Anreiz<br />
haben, an der Ausbildung dranzubleiben und<br />
weiterzumachen, erhalten sie von uns Frühstück,<br />
Mittagessen und einen Wochenlohn<br />
von 140 Rand“, so Lutzeyer. Das sind um -<br />
gerechnet rund 14 Euro. Sehr viel Geld für<br />
die Kinder aus den Armenvierteln.<br />
Fit für die Zukunft<br />
Außerdem werden die angehenden Gärtner<br />
für alle Lebenslagen geschult. „Wir zeigen<br />
ihnen, wie man <strong>das</strong> Internet nutzt, lassen sie<br />
mit einem Fahrschullehrer Auto fahren oder<br />
erklären ihnen, was ein Kostenvoranschlag<br />
ist. Das sind alles Dinge, die die Schüler<br />
sonst nicht kennenlernen“, sagt Lutzeyer. Seit<br />
Gründung der Schule haben hier 72 Schüler<br />
ihre Ausbildung zum Gärtner abgeschlossen<br />
– und zu einem Teil dazu beigetragen,<br />
ein Fußballprojekt Lutzeyers in Gansbaai<br />
zu realisieren.<br />
Yes, I can!<br />
Auf einem riesigen Gelände, genau zwischen<br />
den drei Townships Masakhane, Blompark<br />
und Stanford, hat er mehrere Fußballfelder<br />
anlegen lassen. „Zwischen den Farbigen,<br />
55<br />
Schwarzen und Weißen gibt es viele Probleme.<br />
Durch <strong>das</strong> Fußballspielen auf einem<br />
gemeinsamen Platz sollen Vorurteile, die<br />
noch aus der Zeit der Apartheid stammen,<br />
abgebaut werden“, erklärt Lutzeyer.<br />
Anders als bei seiner Mutter Eva, die<br />
in den 50er Jahren mit den Black Sash eine<br />
Anti-Apartheid-Bewegung der weißen<br />
Bevölkerung unterstützte, ist sein Engagement<br />
kein politisches. „Wenn ich von einer<br />
Idee überzeugt bin, dann setzte ich sie um –<br />
Punkt. Politik spielt dabei für mich keine<br />
Rolle“, sagt Lutzeyer. Wichtig seien vor<br />
allem die Kinder, gerade die ärmsten aus den<br />
Townships des rund 12.000 Einwohner<br />
starken Ortes. Das Grundstück für <strong>das</strong> Fußballprojekt<br />
stellte die Stadt zur Verfügung,<br />
zudem beteiligte sich eine hiesige Großbank<br />
an der Finanzierung. Auf dem Gelände<br />
befindet sich mittlerweile ein Gemeinschaftshaus<br />
mit sanitären Anlagen und Duschen.<br />
Das optische Prunkstück ist jedoch ein saftig<br />
Vorurteile gehören in die Tonne! Lutzeyers Fußballprojekt<br />
verbindet Farbige, Schwarze und Weiße<br />
grün leuchtender Kunst rasenplatz. Der Geldgeber<br />
des 300.000 Euro teuren Spielfeldes<br />
ist keine Geringerere als die höchste englische<br />
Fußballliga – die Premier League.<br />
Den ungewöhnlichen Deal eingefädelt hat<br />
natürlich Michael Lutzeyer. Der Südafrikaner<br />
ist nicht nur sozial engagiert, sondern auch<br />
ein umtriebiger Geschäftsmann – mit einem<br />
einnehmenden Wesen. Lutzeyer spricht viel<br />
und schnell. Während er erzählt, sprudelt er<br />
nur so vor Ideen. Und diese müssen raus, sofort,<br />
am besten schon gestern. „Als nächstes<br />
wäre es natürlich optimal, wenn wir hier<br />
auf dem Gelände noch eine Flutlichtanlage<br />
hätten“, sagt er. Oder: „Es war schon die<br />
deutsche Hockey-Nationalmannschaft hier.<br />
Seitdem gibt es auch Hockey-Kurse für<br />
die Kinder. Das lässt sich weiter ausbauen.“<br />
Lutzeyer ist ein Macher, jemand, der<br />
zu- und anpackt. Er sagt Sätze wie: „Wenn<br />
ich an etwas glaube, dann engagiere ich<br />
mich auch dafür – und zwar hundertprozen-<br />
tig.“ Man glaubt ihm sofort. Wenn Lutzeyer<br />
erzählt, scheint alles möglich… Für sein<br />
Engagement ist Michael Lutzeyer schon mehrfach<br />
ausgezeichnet worden, unter anderem<br />
im Vorjahr mit der „Grünen Palme“ des<br />
Reise<strong>magazin</strong>s „Geo Saison“. Damit werden<br />
Menschen geehrt, die sich in besonderer<br />
Weise um den Naturschutz in touristisch erschlossenen<br />
Gebieten, um Völkerverständigung<br />
oder um den Erhalt von Kulturgütern<br />
verdient machen. Menschen, wie Michael<br />
Lutzeyer. Bleibt nur noch die Frage, warum<br />
sich jemand, der bereits <strong>das</strong> Paradies auf<br />
Erden hat, mit einer Vielzahl von Projekten<br />
sozial engagiert? Seine Antwort ist kurz,<br />
präzise und für den umtriebigen Südafrikaner<br />
typisch: „Ganz einfach – weil ich es kann!“<br />
Thorsten<br />
Drenkard<br />
Redakteur „Mittelbayerische“<br />
thorsten.drenkard@<br />
mittelbayerische.de<br />
Fotos: Rainer Rüffer
56 Südafrika<br />
Überleben in<br />
Beverly Hills<br />
Die schöne Metropole Kapstadt ist umgeben von trostlosen Town ships.<br />
Anthony Kula, vor 29 Jahren in einer davon geboren, führt Touristen durch<br />
die Straßen seines Viertels – und versucht ein Vorbild zu sein.<br />
Anthony Kula kennt sich bestens aus in<br />
„Beverly Hills“. Regelmäßig führt der 29-<br />
Jährige neugierige Touristen aus aller Welt<br />
durch <strong>das</strong> Viertel. Zu Fuß geht es durch<br />
staubige Straßen, an deren Rändern schmale<br />
Steinhäuser stehen. Die kargen Gärtchen<br />
sind von trostlosen Mauern umzäunt, rostige<br />
Eisentore schützen die dahinter geparkten<br />
Mittelklassewagen vor unliebsamen<br />
Gästen. Willkommen im Nobelviertel von<br />
Langa, der ältesten schwarzen Township<br />
Kapstadts. „Das ist die beste Wohngegend<br />
Der erste Eindruck täuscht: Im selben Raum leben noch zwei weitere Familien<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
hier, deshalb wird sie von den Einwohnern<br />
auch scherzhaft ,Beverly Hills’ genannt“,<br />
sagt Anthony Kula – und lächelt.<br />
Der Mann hat Humor. Den braucht man<br />
auch, wenn man wie er in Langa lebt und<br />
sonst nicht viel besitzt. Die Siedlung wurde<br />
Anfang der 1920er Jahre von den weißen<br />
Machthabern aus dem sandigen Boden<br />
gestampft. Bis zum Ende der Apartheid im<br />
Jahr 1994 wurden hier die schwarzen arbeitenden<br />
Männer kaserniert. Heute leben in<br />
Langa rund 200.000 schwarze Frauen,<br />
Männer und Kinder. Die Siedlung befindet<br />
sich nur rund 15 Kilometer von Kapstadts<br />
schillernder Shoppingmeile „Waterfront“<br />
und den schicken Edelhotels entfernt. In<br />
der Sprache der Xhosa bedeutet Langa<br />
„Sonne“. An diesem Nachmittag verdecken<br />
allerdings graue Wolken den Himmel über<br />
dem Viertel. Edlen Chic sucht man hier<br />
vergebens.<br />
„Alkohol, Kriminalität und Arbeitslosigkeit<br />
sind ein großes Problem für die<br />
Menschen hier“, sagt Anthony Kula. Rund<br />
57<br />
45 Prozent der Einwohner Langas haben<br />
keine geregelte Arbeit, häufig halten sie<br />
sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser –<br />
oder werden eben kriminell. Kula weiß,<br />
wovon er spricht. Zehn lange Jahre hat er<br />
im Gefängnis gesessen. Mit 17 kam er hinter<br />
Gitter. „Ich habe in den Vororten Autos<br />
geklaut und dafür dann Geld kassiert. Im<br />
Monat hatte ich bis zu 2.000 Rand (200<br />
Euro). Damit war ich natürlich der König.“<br />
Der Vater einer dreijährigen Tochter<br />
sieht überhaupt nicht gefährlich aus – im<br />
Gegenteil. Sein Gesicht trägt weiche Züge,<br />
er spricht mit leiser, beinahe schüchterner<br />
Stimme. „Ich habe meine kriminelle Vergangenheit<br />
hinter mir gelassen, dieses<br />
traurige Kapitel abgeschlossen“, versichert<br />
Kula. Deshalb arbeite er heute als Touristenführer,<br />
auch wenn er dadurch wesentlich<br />
weniger Geld verdiene als zu seinen Gangs -<br />
terzeiten.<br />
„Ich will ein Vorbild für die anderen<br />
Kinder und Jugendlichen hier im Viertel<br />
sein. Ich will ihnen zeigen, <strong>das</strong>s man auf<br />
legale Art und Weise sein Leben meistern<br />
kann“, erklärt Kula.<br />
Ein geregeltes Leben zu führen, ist für<br />
viele allerdings nicht einfach. Leon Tofu ist<br />
22 Jahre alt und arbeitslos. Er kickt für den<br />
örtlichen Fußballklub Express United und<br />
hofft, <strong>das</strong>s sich durch die Fußballweltmeisterschaft<br />
die Infrastruktur in seinem Viertel<br />
verbessert, es mehr Arbeit für ihn und seine<br />
Freunde geben wird. An seiner linken<br />
Wange hat er eine Narbe, ebenso an seinem<br />
Unterarm. „Es gibt hier immer wieder Probleme<br />
mit Banden“, sagt Tofu und zuckt<br />
mit den Achseln.<br />
Auch Yuwo Landu weiß um die Pro -<br />
bleme der jungen Menschen in Langa. Der<br />
36-Jährige kennt den traurigen Werdegang<br />
vieler Jugendlicher in seinem Township.<br />
„Viele fangen mit 14, 15 Jahren <strong>das</strong> Rau-<br />
Auch mal probieren? Township-Guide Anthony Kula lässt<br />
einen Eimer Umquombothi-Bier herumgehen<br />
chen und Trinken an und gehen nicht<br />
mehr in die Schule – damit beginnen dann<br />
die wirklichen Probleme“, sagt Landu, der<br />
sich als Fußballtrainer für die Jugendlichen<br />
engagiert.<br />
Landu kennt den Fremdenführer<br />
Anthony Kula gut. Er ist in seinem Viertel<br />
angesehen. Nur so ist es möglich, <strong>das</strong>s sich<br />
Touristen sicher durch Langa bewegen<br />
können, intime Einblicke in die Lebensund<br />
Wohn verhältnisse der Menschen bekommen.<br />
„Touristen sollten den bettelnden<br />
Kindern kein Geld geben. Sie probieren<br />
sonst auf diese Art und Weise, über die<br />
Runden zu kommen, und gehen nicht<br />
mehr in die Schule“, rät Kula während<br />
des Fußwegs raus aus „Beverly Hills“ in<br />
Richtung altes Arbeiterviertel.<br />
Auf den sandigen Straßen toben Kinder,<br />
kicken mit einem alten Fußball. Die Tour<br />
führt schließlich zu einem der unzähligen<br />
Hostels. Zu Zeiten der Apartheid dienten<br />
die steinernen Wohnblöcke den schwarzen<br />
Arbeitern als bescheidene Gemeinschaftsunterkunft.<br />
Wo früher vier Männer in einer<br />
Behausung wohnten, leben heute vier<br />
Familien zusammen, teilen sich bis zu 20<br />
Menschen die beengten, kärglichen Räume.<br />
Eine Familie zahlt hier 20 Rand, umgerechnet<br />
2 Euro pro Monat für ein Bett.<br />
Privatleben? Was ist <strong>das</strong>?<br />
„Es gibt eine Dusche und eine Gemeinschaftsküche“,<br />
erklärt Kula. Den Strom für<br />
den Monat müssen die Bewohner im Voraus<br />
bezahlen. Verbraucht die Familie mehr<br />
als gezahlt und kann nicht mehr genügend<br />
Geld zum Nachkauf aufbringen, bleibt der<br />
Strom weg. In einem der knapp 12 Quadratmeter<br />
großen Räume steht ein kleiner<br />
Uraltfernseher, daneben liegen zwei rostige<br />
Kochplatten. Auf den zwei hölzernen<br />
Stockbetten liegen löchrige, durchgelegene<br />
Der Vorteil von Shacks wie diesen: Es lebt nur eine Familie<br />
darin. Die Nachteile: Es wird sehr heiß oder regnet rein<br />
Matratzen. Drei Familien müssen sich <strong>das</strong><br />
miefige Zimmer teilen – unmöglich, hier<br />
ein Privatleben zu führen. Einige Gassen<br />
weiter gehen die alten Steinbaracken in<br />
windschiefe Bretter- und Wellblechhütten<br />
über. Die Shacks werden aus allen Materialen,<br />
die sich finden lassen, zusammengebaut.<br />
Auch Anthony Kula lebt in einem<br />
dieser Verschläge. „Ich habe meine Hütte<br />
innerhalb von zwei Tagen aus Brettern und<br />
Blech aufgebaut.“ Der Vorteil der Shacks<br />
im Vergleich zu den Hostels ist, <strong>das</strong>s hier<br />
nur eine Familie lebt. Doch die Nachteile<br />
sind vielzählig. „Bei viel Sonne wird es sehr<br />
heiß, es regnet rein, oder der Wind weht<br />
<strong>das</strong> Dach davon.“ Außerdem finden sich in<br />
den Shacks keine Toiletten. Auch Duschen<br />
sucht man vergebens. Entlang einer sandigen<br />
Straße sind dafür rund zwei Dutzend<br />
Toilettenhäuschen aufgereiht. Gleich daneben<br />
befinden sich die allgemeinen Trinkwasserstellen.<br />
Wer <strong>das</strong> typische, hausgebraute Bier<br />
der Townships trinken möchte, geht in die<br />
Shebeens. Das sind schmucklose, illegal<br />
betriebene Kneipen. Hier gibt es Umqombothi<br />
zu trinken, <strong>das</strong> traditionelle Bier der<br />
Einheimischen. Es hat rund zwei Prozent<br />
Alkohol, ist relativ dickflüssig-trüb und<br />
schmeckt leicht säuerlich. Es wird in einem<br />
großen Blechtopf serviert, aus dem die<br />
Kneipengäste reihum trinken.<br />
Schließlich ist die Tour zu Ende. Es ist<br />
ein unvergesslicher Fußmarsch gewesen –<br />
eine Reise durch eine fremde Welt.<br />
Anthony Kula verabschiedet sich höflich.<br />
Bald wird er wieder Touristen durch sein<br />
Viertel führen – bis nach „Beverly Hills“.<br />
Thorsten<br />
Drenkard Redakteur<br />
„Mittelbayerische“<br />
thorsten.drenkard@<br />
mittelbayerische.de<br />
Fotos: Rainer Rüffer
58 Südafrika<br />
Ohne ein kräftiges Essen vertragen die Menschen die Aidsmedikamente nicht. Warteschlange vor der Suppenküche in Khayelitsha<br />
Ein starkes Duo<br />
Zwei ganz unterschiedliche Frauen treiben <strong>das</strong>selbe Projekt<br />
voran: Nolitha, die Häuptlingstochter vom Eastern Cape,<br />
gründete in der Township Khayelitsha die Einrichtung<br />
Sinethemba für aidskranke Kinder, Frauen und bedürftige<br />
Jugendliche. Elke Geising, die welterfahrene Geschäftsfrau<br />
aus Deutschland, unterstützt sie dabei nicht nur finanziell,<br />
sondern auch aktiv in der Jugendarbeit.<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Helfen, aufklären und die Gemeinschaft<br />
stärken: die Projektleiterinnen<br />
Nolitha Ndalasi und Elke Geising<br />
59<br />
Nolitha Ndalasi und ihr Ehemann hatten 1999 mit 200 Frauen ein<br />
Projekt zur ehrenamtlichen Straßenreinigung gestartet. „Ziel<br />
sollte sein, ein Bewusstsein für die Community zu schaffen, Eigeninitiative<br />
zu ergreifen“, berichtet sie. 2005 gründete sie <strong>das</strong> Selbsthilfeprojekt<br />
Sinethemba, richtete mit Unterstützung des Sozialministeriums,<br />
der Verwaltung und umliegender Farmen in der Town -<br />
ship einen gemeinschaftlichen Garten ein. „Dann kam die Idee, eine<br />
Suppenküche zu eröffnen“, erzählt Nolitha. Montag bis Freitag<br />
werden Frauen und Kinder hier mit Essen versorgt.“ Denn ohne<br />
ein kräftiges Essen vertragen sie die Aidsmedikamente nicht – die<br />
übrigens vom Staat bezahlt werden, wie Nolitha erklärt. Doch es<br />
geht nicht nur um <strong>das</strong> Essen. Viele der Frauen seien vergewaltigt<br />
worden und benötigten besondere Zuwendung, berichtet Nolitha.<br />
Daher gibt es zweimal pro Woche Krisenberatung, aber auch Aufklärung,<br />
denn 70 Prozent aller Bewohner der Township sind mit<br />
HIV infiziert. In Ihrer Einrichtung, die neben der Suppenküche<br />
Fotos: Rainer Rüffer<br />
auch eine Beratungsstelle umfasst, will Nolitha den Schwarzen<br />
Selbstbewusstsein geben: „Wir wollen ihnen zeigen: Wir sind<br />
stark, wir sind Menschen, wir werden eine Gemeinschaft.“ Zumindest<br />
räumlich sind sie <strong>das</strong> schon. In der spendenfinanzierten<br />
Holzhütte kauern 10 Frauen auf dem Boden. Bei einigen hocken<br />
Kinder auf dem Schoß, bei anderen nicht. Wie bei Cynthia, die<br />
seit Beginn des Projekts dabei ist und bei der Verwaltung hilft,<br />
wie sie stolz erzählt. „Ich fühle mich wohl hier“, sagt sie und lächelt.<br />
Verheiratet ist sie nicht, aber sie hat sechs Kinder. Alle sind<br />
HIV-infiziert. „Das Einzige, was wir machen können, ist aufzuklären“,<br />
sagt Nolitha und zeigt auf Broschüren und einen Computer<br />
im angrenzenden Raum. Doch auch Aufklärung konnte Aids<br />
bisher in der Township nicht stoppen. „Die Männer wollen immer<br />
noch keine Kondome nehmen“, sagt Nolitha zornig. Dabei<br />
wüssten sie genau, <strong>das</strong>s sie <strong>das</strong> Virus weitergeben.<br />
Eine mobile Krankenstation, <strong>das</strong> wär’s!<br />
Erfolgreicher ist die Jugendarbeit im Projekt. „Die Grundidee ist<br />
es, jeden von der Straße zu holen“, berichtet Elke Geising. Sie<br />
betreut einmal wöchentlich die „Silulutho“-Jugendgruppe beim<br />
Lernen, aber sie vermittelt auch soziale Kompetenzen. Wichtige<br />
Gesprächsthemen der Gruppe seien etwa Aids, Sex, Armut oder<br />
Gleichberechtigung. Mit 55 hatte die erfolgreiche Geschäftsfrau,<br />
die unter anderem in der Telekommunikationsbranche in Frankfurt,<br />
Frankreich und den USA gearbeitet und später eine eigene<br />
Firma gegründet hat, den Wunsch nach einem Neustart. Sie wollte<br />
tiefer in eine fremde Kultur einsteigen, ihr Wissen anderen weitergeben<br />
und vor allem Frauen helfen, finanziell unabhängig und<br />
selbstbewusst zu werden. Geising verkaufte ihre Firma „zu einem<br />
günstigen Zeitpunkt“, wie sie sagt, und gründete <strong>das</strong> Netzwerk<br />
Nala Partners. Seit 2002 lebt sie am Kap. Die Hälfte ihres Geldes<br />
steckt sie in Projekte, vergibt Spenden und Minidarlehen – seit zwei<br />
Jahren unterstützt sie Nolitha in ihrem Projekt in Khayelitsha. Sie<br />
will jungen Schwarzen helfen, „an der Gesellschaft teilzunehmen,<br />
einen Zugang zu ihr zu erlangen und eine Ausbildung genießen<br />
zu können“, sagt sie. Drei Sonntage im Monat trifft sie sich mit<br />
den Jugendlichen, organisiert Nachhilfe und Stipendien, nimmt<br />
sie mit auf Ausflüge oder in Museen, um ihnen etwas von jener<br />
Welt zu zeigen, die ihnen bisher verschlossen war. Zudem berät<br />
und unterstützt sie Nolitha bei weiteren Projekten. Denn die hat<br />
große Pläne. Sie möchte eine mobile Klinikstation einrichten, damit<br />
die Kranken in der Township besser versorgt werden können.<br />
Dort sind neben Aids auch Alkoholismus und Drogen ein großes<br />
Problem. „Es ist allerdings schwer, alles alleine zu machen“, sagt<br />
Nolitha und hofft auf Unterstützung – auch aus Deutschland.<br />
Michaela<br />
Schmehl<br />
Redakteurin ZDF<br />
office@ michaelaschmehl.de
60 Südafrika<br />
Zwischen Himmel<br />
und Erde<br />
Ein Dreitagetrip mit Sommelier Jörg Pfützner durch Südafrikas Weinregion<br />
Hier haben auch die Trauben gute Laune: Aus Gegenden wie diesen kann einfach kein schlechter Tropfen kommen<br />
Drei Tage mit dem FPC durch Südafrikas<br />
Weinregion. Silke Marschall, die energie -<br />
geladene Organisatorin von M&M Solutions,<br />
dem Partner von Mondius Travel in<br />
Südafrika, fragte mich, ob ich einer Gruppe<br />
deutscher Journalisten ein paar Geheimtipps<br />
des südafrikanischen Weinbaus zeigen<br />
könnte. Sofort war ich einverstanden<br />
und überlegte, womit man Gäste aus<br />
Frankfurt, nahe dem Weinbaugebiet<br />
Rheingau, überraschen kann.<br />
Auf keinen Fall wollte ich die Produzenten<br />
vorstellen, die ohnedies jeder kennt.<br />
Mein Herz schlägt für Winzer, die mit<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Liebe zum Detail feine Gewächse erzeugen,<br />
die eine Geschichte erzählen können. Und<br />
der für mich interessanteste Teil des afrikanischen<br />
Weinbaus befindet sich zwischen<br />
den Breitengraden 33 und 34.<br />
Fragen Sie den Cape Doctor!<br />
Die kühle Luft der Ozeane wird durch den<br />
legendären Cape Doctor, einen relativ starken<br />
Südostwind während der Sommermonate,<br />
ins Landesinnere getragen. Die Auswirkungen<br />
dieses Windes zeigen sich in<br />
unterschiedlichster Weise und sind ein wesentlicher<br />
Bestandteil des hiesigen Terroirs.<br />
Diese Brise sorgt auch für die Vielzahl<br />
an Makro- und Mesoklimen* und damit<br />
für eine Unzahl an Möglichkeiten, aber<br />
auch für große Herausforderungen in der<br />
Produktion lokaler Weine.<br />
Je nach Lage und Distanz zu den Ozeanen<br />
herrschen hier recht unterschiedliche<br />
klimatische Bedingungen. So könnte man<br />
Elgin mit Bordeaux, Swartland mit Spanien<br />
und Paarl mit dem Rhônetal vergleichen.<br />
Das ist natürlich sehr vereinfacht<br />
ausgedrückt, denn in jeder Region sind<br />
aufgrund von Topografie und Ausrichtung<br />
bestimmte Parzellen etwas kühler oder<br />
Foto: Sumaridge Wine Estate<br />
61<br />
auch wärmer, doch damit ideal für die<br />
unterschiedlichsten Rebsorten.<br />
Dicht am Meer sollte auch <strong>das</strong> erste<br />
Treffen mit dem <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong><br />
stattfinden. Gavin Patterson, der Winzer<br />
des Weingutes Sumaridge im Upper<br />
Hemel en Aarde Valley, organisierte einen<br />
Grillabend, und ich lud befreundete Weinproduzenten<br />
dazu ein. Als Erster traf Paul<br />
Cluver ein, wie immer pünktlich und<br />
wie aus dem Ei gepellt kam er aus Elgin.<br />
Das Mesoklima* in den Weinbergen der<br />
Region Elgin wird durch die unterschiedlichen<br />
Höhenlagen beeinflusst. Es zählt zu<br />
den kühlsten Weinbauregionen Südafrikas<br />
und weist eine hohe Niederschlagsmenge<br />
auf. Aufgrund des blühenden Apfelgeschäftes<br />
konnte sich die Cluver-Familie <strong>das</strong> damals<br />
weniger profitable Weingeschäft leisten.<br />
Unter dem Label Paul Cluver wurde<br />
bereits 1991 der erste Wein gekeltert, damals<br />
aber noch im Weinkeller von Nederburg<br />
in Paarl. Der Weinbau war zu dieser<br />
Zeit mit vielen bürokratischen Hindernissen<br />
verbunden. So mussten sich die Cluvers<br />
eine Hühnerfarm in Stellenbosch kaufen,<br />
um die notwendige Weinbauquote zu erreichen.<br />
Einige Jahre später entschied sich<br />
die Familie, ihre Weine selber zu erzeugen.<br />
Ein Keller wurde gebaut und darin 1997<br />
der erste eigene Jahrgang abgefüllt.<br />
Beim Essen erzählt uns Paul Cluver über<br />
die technischen Feinheiten der Weinbau -<br />
region Elgin. Vorherrschende Bodentypen<br />
sind Bokkeveld-Schiefer und Table-Mountain-Sandstein.<br />
Die Cluver-Weinberge<br />
liegen auf 350 bis 550 Meter Höhe. Die<br />
Schieferböden sind aufgrund der Mineralität<br />
und der darunterliegenden wasserspeichernden<br />
Tonschicht besonders für den<br />
Weinbau geeignet. Die Sandsteinböden<br />
hingegen verglich Paul mit Hydrokulturen,<br />
da die Weine viel Aroma an der Nase,<br />
aber wenig Textur im Mund zu bieten<br />
haben. Paul erklärte uns, <strong>das</strong>s eine Bewässerung<br />
der Weinberge nur in Ausnahmefällen<br />
nötig sei. Grundsätzlich versucht er,<br />
dies zu vermeiden, damit die Charaktere<br />
der unterschiedlichen Jahrgänge besser zur<br />
Geltung kommen.<br />
Bodentief aromatisch<br />
Der Ansatz der Vergärung mit natürlicher<br />
Hefe ist ein höchst pragmatischer, genauso<br />
was Weingartenarbeit wie Kellerwirtschaft<br />
betrifft: Alles, was geht, soll so natürlich<br />
wie möglich sein. Bevor aber kranke Trauben<br />
oder fehlerhafte Weine entstehen, kann<br />
und wird eingegriffen. Natürlich ist <strong>das</strong><br />
Verfahren auch von der Rebsorte abhängig.<br />
Der Chardonnay wird zum Beispiel nur<br />
mit natürlichen, im Weinberg und im Keller<br />
vorkommenden Hefen vergoren. Beim<br />
Pinot Noir versucht man „maceration carbonic“:<br />
eine Technik aus dem Beaujolais,<br />
wo <strong>das</strong> möglichst unverletzte Lesegut als<br />
ganze Traube in <strong>das</strong> Gärbehältnis eingelagert<br />
wird – ohne Entrappen (Abtrennen<br />
der Beere von den Traubenstielen vor der<br />
Gärung) und Zerquetschen. Dieser Prozess<br />
erfordert Handlese, einen schonenden<br />
Transport und behutsames Umlagern. Das<br />
Gärbehältnis wird unter CO 2-Schutzgas<br />
gestellt, um <strong>das</strong> Produkt vor Oxidation zu<br />
schützen. Mit dem Ergebnis, <strong>das</strong>s der Wein<br />
eine intensivere Frucht zeigt. Das ultimative<br />
Ziel sind elegante Weine mit Finesse,<br />
Tiefe und Komplexität. Um <strong>das</strong> zu erreichen,<br />
kommen bei allen Rebsorten verschiedene<br />
Klone zum Einsatz, welche die<br />
verschiedenen Bodenverhältnisse unterschiedlich<br />
widerspiegeln und unterschiedliche<br />
Fruchtaromen offerieren. Gavin<br />
Patterson, der Herr des Hauses Sumaridge,<br />
und Peter Finlayson, sein Nachbar, der<br />
erste Weinmacher der Region und Grandseigneur<br />
aus dem Hemel en Aarde Valley,<br />
wollten sich von Paul Cluver nicht die<br />
Show stehlen lassen und erklärten uns, <strong>das</strong>s<br />
die Weingärten des Hemel-en-Aarde-Gebietes<br />
für Rebstöcke ebenfalls kein Ferienlager<br />
sind und <strong>das</strong>s die Tonschiefer-Sandsteinböden<br />
ideale Voraussetzungen für tolle<br />
Weine mit leichtfüßiger Konzentration<br />
und Mineralität bieten. Den Beweis trat<br />
Finlayson mit einem 2008er Bouchard<br />
Finlayson Missionvale Chardonnay an. Der<br />
Wein zeigte sehr schöne Noten von Limone<br />
und fein eingewobener Vanille. Um <strong>das</strong><br />
Holz noch besser zu integrieren, braucht<br />
der Wein noch etwas Zeit.<br />
Auch sein Sohn Peter Allan Finlayson,<br />
ein klasse Typ mit dröhnender Stimme<br />
und unbändiger Lebensfreude, versteht sich<br />
im Weinmachen. Wir probierten seinen<br />
2008er Crystallum Pinot Noir, der sich<br />
Kompetenz in der Region Frankfurt /Rhein-Main<br />
Der Planungsverband Ballungsraum Frankfurt / Rhein-Main erstellt derzeit für seine 75 Mitgliedskommunen<br />
den Regionalen Flächennutzungsplan, bundesweit eine Pionierleistung. Ziel ist, die<br />
Grundlagen für Wohn- und Gewerbestandorte, wichtige Kultur- und Freizeiteinrichtungen, Landschaftsräume<br />
sowie die Verkehrsinfrastruktur zu erarbeiten. Der Plan wird bis zum Jahr 2020 gültig<br />
sein. Darüber hinaus vertritt der Planungsverband die Region in einigen nationalen wie internationalen<br />
Netzwerken, beispielsweise im Initiativkreis Europäische Metropolregionen.<br />
Planungsverband Ballungsraum Ansprechpartner für die Medien:<br />
Frankfurt / Rhein-Main Frank Tekkiliç<br />
Der Verbandsvorstand Telefon: 069 2577-1250<br />
Poststraße 16 E-Mail: frank.tekkilic@planungsverband.de<br />
60329 Frankfurt am Main www.planungsverband.de<br />
* Mesoklima: Klima eines kleineren Landschaftsauschnitts,<br />
zum Beispiel eines Hangs oder Wandrands (Kleinklima)<br />
Planungsverband Ballungsraum<br />
Frankfurt/Rhein-Main
Fotos: Craig Fraser, Andries Joubert<br />
62 Südafrika<br />
Peter Finlayson (oben) ist der Wein-Grandseigneur<br />
im Hemel en Aarde Valley.<br />
Anthony Hamilton Russell ist Spezialist<br />
für Pinot Noir und Chardonnay<br />
sehr frisch und mineralisch zeigte. Der<br />
Wein ist noch zu jung, wird aber in absehbarer<br />
Zeit sicherlich ein Kracher sein. Fantastisch<br />
im Vergleich und zur Ergänzung<br />
an diesem Abend war für mich der 2008er<br />
Sumaridge Pinotage. Er besaß eine tolle<br />
Mischung aus Finesse der alten Welt und<br />
einer Fruchtigkeit der neuen Welt. Es ist<br />
ein sehr seriöser Tropfen, der sich nach<br />
10 Minuten im Glas öffnete und Aromen<br />
von Kirschen, Himbeere und einer Erdnote<br />
entwickelte. Sagenhaft, was der aus Simbabwe<br />
geflohene Winzer Gavin Patterson<br />
aus den Sandsteinböden da rausholt.<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Es war noch ein vierter Winzer dabei.<br />
Sebastian Beaumont, 34 Jahre jung, hat<br />
gerade <strong>das</strong> Zepter auf dem Familieweingut<br />
Beaumont übernommen. Beaumont liegt<br />
genau zwischen Elgin und Hemel en Aarde<br />
in der Region Botriver. Trotz der relativen<br />
Nähe zum Meer ist es dort etwas wärmer,<br />
mit weniger Niederschlag. Vor langer Zeit,<br />
im 18. Jahrhundert, war diese Farm ein<br />
Vorposten für die Dutch East India Company.<br />
Vor mehr als dreißig Jahren wurde<br />
sie von Roul und Jane Beaumont gekauft.<br />
Es gibt nicht wirklich viel zu tun in<br />
Botriver außer einem Besuch bei den<br />
Beaumonts, aber der lohnt sich. Sebastians<br />
Mutter, Jane, ist eine fantastische Köchin<br />
und Künstlerin mit einer kleinen, aber<br />
feinen Galerie neben der Probierstube.<br />
Auf dieser Farm versucht man, <strong>das</strong> Alte<br />
zu erhalten und trotzdem offen zu sein für<br />
neue Entwicklungen. So hat man zum<br />
Beispiel die alte Wassermühle wieder in<br />
Gang gebracht und backt nach 80-jähriger<br />
Pause jetzt wieder Brot aus selbst gemahlenem<br />
Getreide.<br />
Prima Wein, doch die Vernunft siegt<br />
Die Weine der Beaumonts zeichnen sich<br />
durch eine gewisse Zeitlosigkeit aus. Der<br />
mitgebrachte Chenin Blanc Hope Marguerite<br />
ist reich und intensiv, aber nicht zu<br />
schwer, mit einer fruchtigen Note und toller<br />
Länge. Sebastian ist einer der aufsteigenden<br />
Winzer in Südafrika, und sein<br />
Wein fand viel Zustimmung bei den Gästen<br />
aus Deutschland. Der Abend wurde<br />
immer länger, und ich konnte sehen, wie<br />
ein Teil der Gruppe des <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong>-<br />
<strong>Club</strong>s sich nach dem Bett sehnte, während<br />
der andere Teil lieber noch den zwar kühlen,<br />
aber klaren Abend genießen wollte.<br />
Schlussendlich überwog die Vernunft, zumal<br />
die Aussicht auf den nächsten Tag, an<br />
dem wir zu Gast bei Anthony Hamilton<br />
Russell sein sollten, den Abschied von<br />
dem wunderbaren Ort leichter machte.<br />
Die 170-Hektar-Farm war 1975 von<br />
Tim Hamilton Russell als Brachland gekauft<br />
worden. Der Mann hatte sich in<br />
den Kopf gesetzt in einer Gegend Reben zu<br />
züchten, von der die Leute der Meinung<br />
waren, <strong>das</strong>s dort wegen des kalten Klimas<br />
nicht mal Äpfel reifen können. Mittlerweile<br />
hat Anthony die Führung übernommen<br />
und produziert ausschließlich Pinot Noir<br />
und Chardonnay unter diesem Label. Seine<br />
Weine zählen Jahr für Jahr zu den besten<br />
Südafrikas.<br />
Die FPC-Reisenden im Härtetest<br />
Der Abend begann mit einem frischen<br />
Glass Southern Right Sauvignon Blanc von<br />
der Nachbarfarm. Mit diesem spritzigen,<br />
frischen, mineralischen Tropfen wurden wir<br />
auf der Terrasse des imposanten Herrenhauses<br />
willkommen geheißen. Anthony hat in<br />
Oxford studiert und ist ein überaus kultivierter<br />
Redner, der charmanteste, den ich<br />
kenne. Mit viel Geschick und Einfühlungsvermögen<br />
präsentierte er eine kleine Vertikalprobe<br />
seiner besten Pinot-Noir-Jahrgänge,<br />
die man auch in Deutschland beziehen<br />
kann. Voller Stolz zeigte er auf seine<br />
Weinberge, um uns klarzumachen, <strong>das</strong>s<br />
<strong>das</strong>, was wir im Glas haben, nur hier in seinem<br />
Weinberg entstehen kann. Der Wein<br />
ist Ausdruck der sehr tonhaltigen kargen<br />
Böden. Sie sind Garant für die Verbindung<br />
von Kraft und Finesse.<br />
Abgerundet wurde der Abend mit den<br />
tollen Kochkünsten seiner Frau Olive.<br />
Groß, schlank und gut aussehend, stahl sie<br />
ihm ohne Schwierigkeiten die Show. Es<br />
gibt nur wenige Menschen, die mit so viel<br />
Charme wildfremden Gästen die Türen<br />
ihres Hauses öffnen und sie mit Köstlichkeiten<br />
aus Keller und Küche verwöhnen.<br />
Der weite Blick über die Weinberge, die<br />
herzliche und unkomplizierte Gastfreundschaft<br />
der beiden Russels, die uns nicht nur<br />
zu Wein und Essen einluden, sondern uns<br />
auch im gesamten Haus ihre Kunst zeigten,<br />
beeindruckten die Gäste und prägten<br />
sich als Highlight bei allen Reiseteilnehmern<br />
ein. Auch dieses Mal wurde der<br />
Abend lang, und es fiel schwer, sich zu verabschieden.<br />
Noch schwerer nach dem Genuss<br />
des vielen guten Weines an diesem<br />
63<br />
Abend aber fiel es den Teilnehmern, am<br />
nächsten Morgen um 10 Uhr in der Früh<br />
mit der nächsten Probe zu beginnen. „Abwarten“,<br />
war meine Empfehlung, denn wir<br />
fuhren zu dem höchsten Weinberg in Stellenbosch.<br />
„Wenn wir dort oben sind, habt<br />
ihr wieder Durst!“ Als wir bei Jose Conde<br />
auf seiner Stark Conde Farm im Joenkershoek-Tal<br />
ankamen, mischte sich ängstliches<br />
Staunen mit Neugierde. Denn der<br />
bequeme Reisebus musste mit den Ladeflächen<br />
von zwei Pick-up-Trucks getauscht<br />
werden. „Wir müssen doch nicht etwa dort<br />
hoch?“, fragte mich einer der Teilnehmer<br />
besorgt und zeigte auf den steilen Twin<br />
Peak. Doch genau dort ging es hin mit<br />
dem <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong>. Von dort hat<br />
man den besten Blick in die Ebene, und<br />
Winzer Jose ist voll in seinem Element,<br />
wenn er die Farm und seine Philosophie erklärt.<br />
Jose Conde hat <strong>das</strong> Weinmachen nie<br />
studiert! Er hat als erfolgreicher Designer<br />
in Tokio und New York gearbeitet. Mit der<br />
Dickköpfigkeit des Autodidakten und der<br />
Hilfe von Büchern aber hat er sich ein intensives<br />
Verständnis des Weinanbaus, vor<br />
allem von Balance und Harmonie, erarbeitet,<br />
was sich in allen seinen Weinen findet.<br />
Stark – Conde 2006. Eine tolle Frucht<br />
mit Nuancen von Blaubeeren, Cassis und<br />
schönen floralen Noten, Zedernholz und<br />
etwas Nelken an der Nase. Das Holz war<br />
noch etwas dominant, aber <strong>das</strong> wird sich<br />
mit der Zeit sicher besser integrieren. Der<br />
Wein hatte eine sehr schöne Frische und<br />
unglaublichen Fokus mit einem sehr präzisen<br />
kontrastreichen Geschmack am Gaumen,<br />
der mit einem lang anhaltenden<br />
Interesse an den hier vorgestellten Weinen? Eine Liste der<br />
Weinimporteure finden Sie auf der Website des <strong>Frankfurter</strong><br />
<strong>Presse</strong><strong>Club</strong>s<br />
Nachgeschmack endete. Ich denke, dieser<br />
Wein ist durch seine unaufdringliche Art<br />
etwas für erfahrene Weinliebhaber, die<br />
<strong>das</strong> Subtile suchen. Ein Teilnehmer meinte,<br />
<strong>das</strong> sei eine typische „Ein-Mann-Flasche“,<br />
weil er ohne Probleme eine Flasche alleine<br />
trinken könnte. Fazit: Der Wein machte<br />
riesigen Spaß.<br />
Für mich ist Jose Conde „der“ Cabernet-<br />
Sauvignon-Produzent in Südafrika. Mit<br />
unaufdringlichem Charme, tollen Weinen<br />
und der fantastischen Aussicht über <strong>das</strong><br />
Land konnte er die FPC-Teilnehmer problemlos<br />
davon überzeugen, <strong>das</strong>s man auch<br />
morgens um 10 Uhr Wein probieren kann.<br />
Jörg<br />
Pfützner<br />
Sommelier<br />
pfuetzner@<br />
mweb.co.za
64 Südafrika<br />
Sauvignon Blanc hilft<br />
Einbinden, ausbilden, Strukturen schaffen: Jo Melton Butler und Peter Thorpe<br />
zeigen, wie man mit einem Weingut und einem Hotel die nachhaltige Entwicklung<br />
einer Region fördert<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Foto: Rainer Rüffer<br />
65<br />
Peter Thorpe and Jo Melton Butler verbinden<br />
Pioniergeist mit sozialem Engagement.<br />
Sie ist Geschäftsführerin der Hog Hollow<br />
Lodge, er Winzer und Besitzer des Bramon<br />
Wine Estate. Beide verfolgen <strong>das</strong>selbe<br />
Konzept: den eigenen wirtschaftlichen<br />
Erfolg und die Entwicklung der wunderschönen,<br />
aber ursprünglich armen Region<br />
zu fördern. Hog Hollow ist ein Viersternehotel<br />
nahe Plettenberg Bay, <strong>das</strong> nur von<br />
Einheimischen betrieben, beliefert und<br />
ökologisch wirtschaftet wird. „Unsere Angestellten<br />
kommen aus den umliegenden<br />
Dörfern. Wir bilden sie aus, bieten ihnen<br />
Weiterbildungskurse und bauen eine Beziehung<br />
zu ihnen auf“, berichtet Jo Melton.<br />
Das ist wichtig, denn eine stabile Mitarbeiterschaft<br />
hilft beiden Seiten.<br />
Die Arbeiter stammen aus dem nahen<br />
Umkreis, so <strong>das</strong>s sie heimkehren können zu<br />
ihren Familien und nicht auseinandergerissen<br />
werden wie andernorts. Ebenso wichtig<br />
sibnd die Einbindung des Hauses in die<br />
Umgebung und der Schutz der Natur, die<br />
von Sandstränden über Whale-Watching<br />
bis hin zu Wandergebieten nichts an<br />
Touristenwünschen offenlässt. „Das ist <strong>das</strong><br />
Paradies hier. Jemand muss hier leben –<br />
wir tun’s“, sagt Jo lächelnd. Dabei will sie<br />
mit Hog Hollow verantwortungsbewussten<br />
Tourismus fördern.<br />
Vor 10 Jahren war Jo mit ihrem Schwager<br />
Peter nach Plettenberg Bay gekommen.<br />
Während sie in den Hotelbetrieb einstieg,<br />
besann sich der Winzersohn auf seine Wurzeln<br />
und begann zusätzlich zu seiner Arbeit<br />
als Wirtschaftsdozent mit dem Weinanbau.<br />
Nach der Motto „Trial and Error“ pflanzte<br />
er die ersten Rebstöcke und kultivierte sie.<br />
Pionierarbeit, denn die eigentliche Wein -<br />
region um Stellenbosch liegt 500 km entfernt<br />
bei Kapstadt. Doch auch wenn es hier<br />
durchschnittlich nur etwa 22 Grad sind, ist<br />
er zuversichtlich, bald ähnlich erfolgreich<br />
zu sein wie seine Kollegen. Mit dazu beitragen<br />
soll vor allem sein Sauvignon Blanc,<br />
den er als einziger nach der Champagnermethode<br />
keltert, „sehr trocken, aber mit<br />
einem Hauch von Apfelgeschmack“, wie<br />
er stolz berichtet.<br />
Seit 2005 ist die Region als Weinregion<br />
ausgewiesen, und als Vorsitzender der<br />
Wine-Association will Thorpe die Region<br />
nach vorne bringen. Sie soll als „Bubbling<br />
Route“ ein Teil der berühmten Garden<br />
Route werden. Inzwischen gibt es elf<br />
Weingüter in der Region, alle bilden auch<br />
Mitarbeiter aus. Peter selbst begann mit<br />
einem Hektar, heute hat er 55 Hektar und<br />
22 Angestellte, die er trainiert und fördert,<br />
sechs auf seinen Weinbergen. Wie Jo hält<br />
Peter Kontakt zu den umliegenden Dörfern<br />
der Schwarzen. Auch Jos Angestellte kommen<br />
von dort. Jo unterstützt außerdem<br />
den dortigen Chor mit Rat, Tat und Geld.<br />
„Ich organisiere Busfahrten zu ihren Konzerten<br />
und wir bezahlen die Uniformen.“<br />
Nicht nur die Ausbildung, auch die Aufklärung<br />
soll dafür sorgen, <strong>das</strong>s der Wein<br />
zum Lebensunterhalt beiträgt, und nicht<br />
zu seinem Ruin, wie in vielen anderen<br />
armen Familien. „Wine ist business, but no<br />
escape“, lautet der Slogan, den auch <strong>das</strong><br />
Weingut Bramon unterstützt. „Unsere<br />
Arbeiter trinken nicht“, sagt Peter. Weiterbildung<br />
soll dazu beitragen, <strong>das</strong>s es den<br />
schwarzen Familien besser geht. So bezahlen<br />
Peter und Jo etwa eine Lehrerin für<br />
die Kinder im Dorf.<br />
Der Aufbau dieser Strukturen sei nicht<br />
einfach gewesen, sagt Butler. Dazu trügen<br />
die verschiedenen Kulturen auch der<br />
Schwarzen untereinander bei. Alle müssten<br />
sich anstrengen, es sei wichtig eine Basis<br />
zu finden. „Es war schwer, aber es ist es<br />
hat sich gelohnt. Wir haben jetzt Stabilität<br />
in der Region, weil sich die Menschen<br />
angestrengt haben“, sagt Jo stolz.<br />
Michaela<br />
Schmehl<br />
Redakteurin ZDF<br />
office@ michaelaschmehl.de
66 Südafrika<br />
Der Fraport<br />
VIP-Service<br />
Die Südafrikareise des<br />
FPC begann auf angenehmste<br />
Art und<br />
Weise. Bärbel Storch,<br />
Leiterin Protokoll & VIP-<br />
Services der Fraport<br />
Bärbel Storch, Leiterin<br />
AG, teilte uns freundli-<br />
Protokoll & VIP-Services<br />
cherweise einige Tage Fraport AG<br />
vor Abflug mit, <strong>das</strong>s sie unsere Gruppe VIP betreuen<br />
wird. Die Freude darüber war riesengroß<br />
– kein Anstehen an Schaltern, keine langen<br />
Warteschlangen, die erforderlichen Formalitäten<br />
werden reibungslos erledigt. So konnten<br />
wir uns im gemütlichen Loungebereich bei einem<br />
Drink entspannen, bis uns kompetente<br />
und sehr freundliche Mitarbeiter abholten und<br />
mit einem exklusiven Bus direkt zum Flugzeug<br />
begleiteten. Ein netter Service, der <strong>das</strong> Leben<br />
erleichtert und sich wirklich lohnt!<br />
Bequemer geht es kaum: Der VIP-Service am<br />
<strong>Frankfurter</strong> Airport hält dem Fluggast die Hektik<br />
des Terminalbetriebs vom Leib und nimmt<br />
ihm alles Lästige ab. So kümmern sich freundliche<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um Einund<br />
Ausreiseformalitäten, den Check-in sowie<br />
<strong>das</strong> Gepäck-Handling. Sie geleiten den Gast<br />
zum Flugzeug oder bringen ihn auf geschützten<br />
Wegen in eine der exklusiven VIP-Lounges,<br />
die alles für einen komfortablen Aufenthalt<br />
bereithalten. Seit drei Jahrzehnten gibt es diesen<br />
Service am <strong>Frankfurter</strong> Flughafen bereits.<br />
Lange war er den Very-Very-Important-People,<br />
also den „VVIPs“, vorbehalten, doch vor einigen<br />
Jahren hat die Fraport den Zugang „demokratisiert“.<br />
Seitdem kann jeder Fluggast jedweder<br />
Airline, selbst wenn er nur ein Ticket der Economy<br />
Class besitzt, in den Genuss der privilegierten<br />
Behandlung kommen – sofern er bereit<br />
ist, ein Entgelt von 275 Euro zu zahlen. Mit -<br />
reisende können sogar schon für 100 Euro<br />
vom Passagier zum VIP werden. Inzwischen<br />
nutzten jedes Jahr etwa 25.000 Menschen<br />
<strong>das</strong> exklusive Angebot, Tendenz steigend.<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Gertrud<br />
Warnecke Chefredakteurin<br />
TAUNUS Edition<br />
Christian<br />
Sälzer<br />
gwarnecke@<br />
t-online.de<br />
Freier Journalist<br />
saelzer@niatu.net<br />
67<br />
Die Illu für den Kap-Lifestyle<br />
Während in Europa Verlage sparen, Mitarbeiter<br />
entlassen und Titel vom Markt nehmen, ist in Südafrika<br />
eine Zeitschrift für Europa auf Erfolgskurs.<br />
„G&W“ informiert genussfreudige Reisende und<br />
Investoren über die feine Lebensart in Südafrika.<br />
Seine Leser sitzen in der First und Business<br />
Class. Rene Steiner fliegt zwischen Südafrika<br />
und Europa Economy. Der junge<br />
Österreicher ist der Herausgeber und Chefredakteur<br />
von „G&W“, dem „exklusiven<br />
Südafrika<strong>magazin</strong> für Lebensart“. Das Heft<br />
ist seit sechs Jahren auf dem Markt. „Seit<br />
Ende 2009 freuen wir uns über solide<br />
Gewinne.“<br />
Rene Steiner hat Grund, stolz zu sein.<br />
Hinter „G&W“ steht kein großer Verlag.<br />
Der 35-Jährige gründete 2006 die Zeitschrift<br />
mit seinen Ersparnissen und nahm<br />
eine Hypothek für sein Apartment in<br />
Österreich auf. „G&W“ erscheint seit<br />
Oktober 2004 vierteljährlich in deutscher<br />
Sprache und seit Juli 2009 auch in einer<br />
englischen Version. Gesamtauflage: 50.000<br />
Exemplare.<br />
Neue Existenz am Kap<br />
„G&W“ ist ein Lifestyle<strong>magazin</strong>, <strong>das</strong> Lust<br />
auf Südafrika machen soll. Der Leser findet<br />
Reisereportagen zu unbekannten Reisezielen,<br />
erfährt alles über die besten Gästehäuser,<br />
Restaurants, Weingüter und Golfplätze.<br />
Südafrikanische Modedesigner und<br />
Künstler werden vorgestellt. Großer Wert<br />
wird auf die Optik gelegt. Die Heftmacher<br />
haben den Mut, bei einer Modestrecke mit<br />
ganzseitigen Fotos die gegenüberliegende<br />
Seite blank zu lassen. „G&W“ arbeitet mit<br />
den besten Fotografen des Landes.<br />
„Wir versuchen, unsere Themen fotografisch<br />
ungewöhnlich umzusetzen“, erläutert<br />
der Chefredakteur. „Wir haben einen Kellermeister,<br />
dessen Hobby <strong>das</strong> Tauchen ist,<br />
in voller Montur mit Luftflaschen in ein<br />
200-Liter-Weinfass gesteckt.“ Für einen<br />
Bericht über ein neues Restaurant stellte<br />
„G&W“ den Chefkoch mit Schlachtermesser<br />
in eine Rinderherde.<br />
Publizistik stand nicht im Lebenslauf<br />
des Salzburgers, als er 2001 nach Kapstadt<br />
kam. Steiner ist aus der Werbung „Ich war<br />
acht Jahre in der Marktforschung“, berichtet<br />
er. „Zunächst bei einer Agentur und<br />
später selbstständig.“ Ursprünglich wollte<br />
er sich eine Auszeit am Kap gönnen. Erholung<br />
in einem Land, <strong>das</strong> die Fesseln der<br />
Apartheid abgestreift hatte. Das war interessant.<br />
Der Tourismus blühte in der noch<br />
jungen Demokratie Südafrika auf. Rene<br />
Steiner erkannte <strong>das</strong> Potenzial, blieb und<br />
gründete eine Firma für Golfreisen.<br />
Rasch bemerkte der Marktforscher, <strong>das</strong>s<br />
sich der Tourismus in der Zielgruppe der<br />
wohlhabenden Individualreisenden – im<br />
Branchenjargon „Frequent Independent<br />
Traveller, FIT“ genannt – schlecht präsentierte.<br />
Sie fliegen First und Business Class<br />
und sind die bevorzugte Klientel der Werbung<br />
für Edelprodukte. Der nächste Schritt<br />
zu einer neuen Existenz am Kap der Guten<br />
Hoffnung war nur konsequent. „Golf<br />
& Wein“ erschien, <strong>das</strong> Reise<strong>magazin</strong> über<br />
Südafrika für Golfer und Weinliebhaber.<br />
Steiner bot den Fluglinien an, „Golf &<br />
Wein“ vor dem Vorhang zur Economy zu<br />
verteilen. Die Idee kam an. Bereits die erste<br />
Ausgabe war im Oktober 2004 an Bord<br />
von South African Airways auf Flügen von<br />
Deutschland nach Südafrika.<br />
Ein Jahr später holte Steiner den deutschen<br />
Fernsehjournalisten Ludger Pooth<br />
in die Redaktion. Er schlug vor, aus dem<br />
Reise<strong>magazin</strong> eine „Zeitschrift für Lebensart<br />
in Südafrika“ zu machen. „Südafrika<br />
bietet mehr als nur Golf und Wein“, sagt<br />
Pooth. „Damit konnten wir die Zielgruppe<br />
Rene Steiner (r.) wollte in Südafrika nur eine Auszeit<br />
nehmen, doch dann erkannte er <strong>das</strong> Potenzial<br />
für die Realisierung innovativer Projekte.<br />
Unten: Einblicke in Steiners Lifestyle-Magazin „G&W“<br />
der Leser und der Anzeigenkunden erweitern.“<br />
Aus „Golf & Wein“ wurde „G&W“.<br />
Die Strategie war richtig. 2007 nahmen<br />
Lufthansa und Swissair „G&W“ an Bord.<br />
Die englische Version lesen seit Juli 2009<br />
die Passagiere von British Airways, Virgin,<br />
Air Namibia, Air Seychelles und Air<br />
Mauritius. „Mit der englischen Version ist<br />
ein weiterer Markt erschlossen.“<br />
Es war ein Wagnis, mit der englischen<br />
Ausgabe mitten in der Rezession herauszukommen.<br />
Attraktives Nischenprodukt<br />
Steiner musste noch einmal finanziell zubuttern.<br />
Die ersten Ausgaben deckten<br />
kaum die Herstellungskosten. Die Ausgabe<br />
1/<strong>2010</strong> brachte immerhin keinen Verlust.<br />
„Dennoch war es die richtige Entscheidung<br />
mit Blick auf die Fußballweltmeisterschaft<br />
in Südafrika“, meint Rene Steiner. „Für die<br />
zweite Ausgabe <strong>2010</strong> haben wir bereits<br />
ausreichend Anzeigen.“<br />
„Für die Medienbranche ist ,G&W’ ein<br />
Nischenprodukt“, schmunzelt der Herausgeber.<br />
„In Europa werden Publikationen<br />
dieser Art entweder aufgekauft oder aus<br />
dem Markt gedrängt.“ Der clevere Österreicher<br />
hält sich deshalb von Zeitschriftenläden<br />
und Kiosken fern, deren Regale<br />
ohnehin die großen Verlage kontrollieren.<br />
Außer bei den Fluglinien gibt es „G&W“<br />
im Abonnement in Deutschland, Österreich,<br />
der Schweiz sowie in Großbritannien<br />
und Südafrika.<br />
Zur Fußball-WM wird „G&W“ zwei<br />
Spezialhefte herausgeben. „Wir werden<br />
darin keine Spielberichte haben“, lächelt<br />
Steiner „Das überlassen wir den aktuellen<br />
Medien.“ „G&W“ wird sich um die Leser<br />
kümmern, die mehr als nur Fußball<br />
wollen. Land und Leute genießen zum<br />
Beispiel.<br />
Ludgar<br />
Pooth<br />
Redakteur „G&W“<br />
Ludgar@ gw-mag.com<br />
Fotos: Justin Polkey, Andries Joubert
Foto: Rainer Rüffer<br />
68 Südafrika<br />
Die<br />
Strauße<br />
sind los<br />
Oudtshoorn in der „Kleinen Karoo“<br />
ist weltweit die Hochburg der<br />
Straußenzucht. Die rund vierhundert<br />
Farmen bringen etwa neunzig<br />
Prozent des Weltbestandes hervor.<br />
Die Highgate Ostrich Farm ist<br />
eine dieser Zuchtstätten und hat<br />
wie viele andere Farmen auch ihre<br />
Tore für Touristen geöffnet.<br />
Die Strauße auf der Highgate Ostrich Farm geben alles:<br />
Eier, Fleisch, Haut und Federn<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Gekonnt und unterhaltsam führt die junge Animateurin Carol<br />
Ann ihre Gäste durch die Straußenfarm. Die großen und kleinen<br />
Grüppchen werden in ein Freigehege zu einem Unterstand gebracht,<br />
wo Männer und Frauen sich auf ein Straußengelege mit<br />
sechzehn Eiern stellen dürfen. Die Straußeneier halten <strong>das</strong> aus und<br />
es macht sich gut fürs Foto. In fließendem Deutsch erzählt Carol<br />
Ann etwas zur Biologie der Tiere. Die Besucher erfahren, <strong>das</strong>s<br />
Männchen und Weibchen ein Leben lang zusammenbleiben und<br />
<strong>das</strong>s jedes Gelege immer ganz genau sechzehn Eier hat. Die Eltern<br />
bebrüten es Tag und Nacht. Klar, <strong>das</strong>s die erste Mitmachfrage lautet:<br />
Kann <strong>das</strong> Straußenweibchen rechnen? Natürlich nicht, aber<br />
unter ihr Gefieder passt genau diese Anzahl von Eiern. Mit Unterricht<br />
am lebenden Modell geht es weiter. Dafür muss ein eingepferchter<br />
Strauß einige anatomische Demonstrationen über sich ergehen<br />
lassen. Anschließend erleben die Touristen den Höhepunkt<br />
ihres Besuchs: den Ritt auf einem Strauß! Freiwillige treten vor<br />
und werden auf die Tiere gehievt. Zum Glück ist kein Schwergewicht<br />
darunter! Das Reiten in dem Freigehege sieht urkomisch aus<br />
und sehr skurril, für Reiter und Zuschauer ist es ein Heidenspaß.<br />
Doch bei manchem bleibt ein komisches Gefühl: Wie es den Tieren<br />
wohl dabei geht?<br />
Hält der Strauß <strong>das</strong> aus?<br />
Zum Programm gehört auch <strong>das</strong> Straußenrennen mit Jockeys.<br />
Sie scheuchen die Tiere durch den Parcours. Die Zuschauer dürfen<br />
wetten, welches Straußenteam gewinnt.<br />
Einblicke in die tatsächliche Produktion gibt es wenige. Tausend<br />
Zuchtstrauße bringt die Highgate Ostrich Farm jährlich hervor.<br />
Nachgeholfen wird dabei mit einer Brutstation, die aussieht<br />
wie ein modifizierter Hähnchengrill. Der Anblick lässt vermuten,<br />
<strong>das</strong>s auch die weitere Produktionskette wie am Fließband abläuft.<br />
Davon sehen die Touristen freilich so gut wie nichts. Nur am<br />
Rande bemerken wachsame Gäste, wie junge Strauße unsanft eingefangen<br />
werden und wie man ihnen trotz heftiger Gegenwehr die<br />
69<br />
Federn rupft. Carol Ann, 27, beschwichtigt jedoch sorgenvolle<br />
Nachfragen. Das Rupfen der Federn findet nur bei jungen Tieren<br />
statt, weil die Federkiele noch nicht von Blutgefäßen durchsetzt<br />
sind und daher nicht schmerzen. Die begehrten weißen Flügelfedern<br />
der Männchen werden nur einmal pro Jahr gerupft. Denn<br />
die weichen Federn sind schon nicht mehr <strong>das</strong> Hauptgeschäft.<br />
Federboas und Hüte mit dekorativen Straußenfedern hatten<br />
ihren Boom in der Jugendstilzeit. Sie waren ein Zeichen für Extravaganz<br />
und Luxus. Damals wurden die sogenannten Federbarone<br />
in Oudtshoorn reich. Heute spielen die Federn bei der Vermarktung<br />
von Straußenprodukten kaum noch eine Rolle. Ihr Anteil beträgt<br />
nur zehn Prozent des Umsatzes, und außer den Teilnehmern<br />
am Karneval in Rio gibt es fast keine nennenswerten Abnehmer.<br />
Begehrter sind <strong>das</strong> Fleisch der Tiere, <strong>das</strong> sehr wenig Fett und Cholesterin<br />
enthält, und vor allem <strong>das</strong> Leder. Nach Krokodilleder ist es<br />
die zweitteuerste Tierhaut! Taschen, Geldbörsen, Gürtel aus dem<br />
typisch genoppten Straußenleder sind sehr begehrt und teuer. Sie<br />
kosten auch auf der Highgate Ostrich Farm eine Stange Geld. Aus<br />
den Eiern werden Vasen und andere dekorative Artikel gefertigt.<br />
Trotzdem kämpfen viele Farmen ums Überleben, weshalb sie<br />
sich für Touristen öffnen. Die Führungen vermitteln im Schnelldurchlauf<br />
viel Wissenswertes über diese ungewöhnlichen Vögel.<br />
Sie bringen der Farm zusätzliches Geld ein und schaffen Arbeitsplätze.<br />
Vierzig einheimische Mitarbeiter gibt es auf der Farm.<br />
Doch von den Einnahmen scheinen sie nur wenig zu profitieren.<br />
Die dreisprachige Reiseführerin Carol Ann verdient mit ihrem<br />
Vollzeitjob keine 200 Euro im Monat, und die Jockeys bekommen<br />
gerade mal 80 Euro. Wahrscheinlich ist es Carol Ann deshalb egal,<br />
<strong>das</strong>s sie Tiere wie im Zirkus vorführt und <strong>das</strong>s Männer auf den<br />
Vögeln Rennen reiten.<br />
Annette<br />
Bögelein<br />
Freie Journalistin<br />
kontakt@annetteboegelein.de
70 Südafrika<br />
Fairer reisen<br />
Südafrika wird als Reiseziel immer beliebter. Damit die Natur keinen Schaden<br />
nimmt und die Bevölkerung sinnvoll profitiert, hat die Non-Profit-Organisation<br />
FTTSA ein Zertifizierungssystem für fairen Tourismus entwickelt. Eine weltweit<br />
wegweisende Maßnahme.<br />
Unter Fotografen ist Südafrika schon seit<br />
vielen Jahren ein Geheimtipp. Das wunderbare<br />
Licht und die atemberaubende Landschaft<br />
nutzen Medienmacher aus der ganzen<br />
Welt für Fotoshootings oder Werbefilme.<br />
Südafrika hat sich aber auch zu einem<br />
der beliebtesten Reiseziele auf der ganzen<br />
Welt entwickelt. Die landschaftliche Vielfalt<br />
und der Artenreichtum ziehen jedes<br />
Jahr mehr als acht Millionen Touristen ins<br />
Land. Auf die Besucher warten endlose<br />
weiße Sandstrände, felsige Küsten, spektakuläre<br />
Canyons, Buschsavannen und Regenwälder.<br />
Die andere Seite des Landes ist<br />
die extreme Armut vieler Menschen. Eine<br />
Brücke zwischen diesen Gegensätzen ist<br />
<strong>das</strong> Bestreben Südafrikas, seine Tourismusbranche<br />
in Richtung ökologische und Fair-<br />
Trade-Bedingungen zu dirigieren. Als<br />
Erstes und einziges Land, <strong>das</strong> sich einem<br />
nachhaltigen Tourismus verpflichtet hat.<br />
Erstes Siegel für fairen Tourismus<br />
Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor<br />
Südafrikas. Der Anteil am Bruttosozialprodukt<br />
wird auf mehr als acht Prozent<br />
geschätzt. Ungefähr 450.000 Menschen<br />
arbeiten in der Branche. Um dieses Marktpotenzial<br />
zu erhalten, verzichtet <strong>das</strong> Land<br />
bisher auf schnelles Wachstum im Tourismus.<br />
Massenunterkünfte und Hotelburgen<br />
gibt es bisher noch nicht.<br />
Die Non-Profit-Organisation Fair Trade<br />
in Tourism South Africa (FTTSA) ist die<br />
erste Einrichtung der Welt, die ein Zertifizierungssystem<br />
für „fairen“ Tourismus entwickelt<br />
hat. Sie wurde 2002 gegründet<br />
und vergibt eine Auszeichnung an Hotels,<br />
Pensionen, Museen und andere Touristen -<br />
attraktionen. Alle Bewerber für <strong>das</strong> Siegel<br />
müssen ein aufwendiges Prüfverfahren<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
durchlaufen und sich jedes Jahr wieder neu<br />
überprüfen lassen. Die Hog Hollow Lodge<br />
an der Gardenroute gehört dazu und<br />
demonstriert mit dem Siegel eine faire und<br />
verantwortliche Geschäftspraxis.<br />
Frühe Überlegungen<br />
Schon zwei Jahre nach dem Ende der Apart -<br />
heid wurde in einem „white paper“ von<br />
der damaligen Regierung festgehalten, <strong>das</strong>s<br />
Tourismus umweltfreundlich sein und in<br />
hohem Maße der verarmten Bevölkerung<br />
zugutekommen soll. In der nachfolgenden<br />
Aufbauphase Südafrikas trat dieses Ziel<br />
zunächst in den Hintergrund. Erst im Mai<br />
2002 wurden diese Vorsätze wieder aufgegriffen.<br />
Auf der Weltkonferenz für nachhaltige<br />
Entwicklung verkündete der damalige<br />
Umwelt- und Tourismusminister Mohammed<br />
Valli Moosa die Leitlinien für eine verantwortungsvolle<br />
Tourismusentwicklung.<br />
Es war die Geburt des Fair-Trade-Touris -<br />
mus in Südafrika.<br />
Doch erst mit der Anerkennung von<br />
„Fair Trade Tourism“ durch die Vereinten<br />
Nationen rückte <strong>das</strong> Siegel in den Fokus<br />
der Weltöffentlichkeit. Danach konnten<br />
Unternehmen in Südafrika für ökologischen<br />
Tourismus gewonnen werden. Bis<br />
heute schafft die Regierung ständig Anreize,<br />
damit mehr und mehr Firmen, Institutionen<br />
und Organisationen die Inhalte<br />
des fairen Ökotourismus umsetzen.<br />
Rundumpaket für Mensch und Umwelt<br />
Die Leitlinien des fairen Tourismus zielen<br />
auf drei elementare Bereiche. Die Umwelt<br />
zu schonen und zu erhalten, ist die Basis<br />
und ein wichtiger Aspekt, um Touristen<br />
auch in den nächsten Jahren mit der Natur<br />
des Landes zu beeindrucken. Die Auffors -<br />
tung des Waldes gehört in diesen Bereich,<br />
wie auch <strong>das</strong> Ziel, Wildtiere zu schützen<br />
und ihren Lebensraum zu erhalten. Brut -<br />
höhlen für die Pinguine in Boulder sind<br />
nur ein Beispiel für solche Maßnahmen.<br />
Umweltschutz bedeutet aber auch, die natürlichen<br />
Ressourcen bestmöglich zu schonen.<br />
Der Neubau von Golfplätzen wurde<br />
gestoppt, weil die Grünanlagen viel Wasser<br />
brauchen. Unternehmen mit dem Siegel<br />
setzen vorrangig umweltfreundliche Technologien<br />
ein wie Solaranlagen, Energiesparlampen<br />
oder Wärmedämmung an Versorgungsleitungen.<br />
Das soziale Engagement für Menschen<br />
in der Umgebung ist ein weiterer Baustein.<br />
Vor allem die ärmeren Schichten sollen<br />
direkter vom Tourismus profitieren. Sie<br />
haben meistens keinerlei Ausbildung und<br />
deshalb auch kaum Chancen, ihren Lebensunterhalt<br />
zu verdienen oder sich beruflich<br />
zu entwickeln. Zu den Aufgaben eines Betriebes<br />
mit dem Label für fairen Tourismus<br />
gehört es deshalb, Einheimische zu schulen<br />
und nachhaltige Arbeitsplätze für sie zu<br />
schaffen. Grundziele sind auch die Sicherung<br />
fairer Arbeitslöhne und die Schaffung<br />
humaner Arbeitsbedingungen.<br />
Der dritte zentrale Bereich ist die Verbesserung<br />
der vorhandenen Wirtschaftsstrukturen<br />
im Land. Neben dem Umweltschutz<br />
und der Schaffung von Arbeitsplät-<br />
71<br />
zen verpflichten sich die Unternehmen, vor<br />
allem regionale Ressourcen zu nutzen und<br />
beispielsweise Handwerker aus der näheren<br />
Umgebung teilhaben zu lassen oder ihre<br />
Lebensmittel aus dem Umland zu beziehen.<br />
Erste Erfolge<br />
Mit der Etablierung des Labels für fairen<br />
Tourismus gilt Südafrika weltweit als Vorreiter.<br />
Inzwischen hat <strong>das</strong> Land mehr als<br />
fünfzig Unternehmen und Organisationen<br />
vorzuweisen, die hinter dem Konzept stehen.<br />
Dank seines Engagements ist <strong>das</strong> Land<br />
am Kap weltweiter Marktführer. Kapstadt,<br />
im Oktober 2008 als die „grünste Stadt“<br />
der Welt ausgezeichnet, steht nun im Rennen<br />
mit weiteren neun Metropolen und hat<br />
gute Chancen, im Jahr 2020 eines der globalen<br />
Zentren für Nachhaltigkeit zu werden.<br />
Dann sollen zehn Prozent der Haushalte<br />
mit Solarenergie ausgestattet sein und<br />
der gleiche Anteil der städtischen Energieversorgung<br />
aus erneuerbaren Energiequellen<br />
stammen. Die Fußballweltmeisterschaft<br />
<strong>2010</strong> rückt <strong>das</strong> Land am Südzipfel des afrikanischen<br />
Kontinents für ein paar Wochen<br />
in den Fokus der Weltöffentlichkeit.<br />
Zehn Millionen Besucher werden erwartet,<br />
und es bleibt zu hoffen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Land<br />
auch danach seinem Konzept eines fairen<br />
Tourismus treu bleiben kann!<br />
Annette<br />
Bögelein<br />
Freie Journalistin<br />
kontakt@annetteboegelein.de<br />
Ökotourismus<br />
als Job<br />
Helen Turnbull arbeitet seit zwanzig Jahren<br />
in der Tourismusbranche und setzt ihr ganzes<br />
Know-how für den Ökotourismus ein. Mit<br />
drei Gleichgesinnten hat sie <strong>das</strong> Unternehmen<br />
Uluntu gegründet, <strong>das</strong> Reisebüros auf der<br />
ganzen Welt dabei unterstützt, ökologische<br />
Reisen nach Südafrika anzubieten. Uluntu<br />
stellt Touren zusammen, übernimmt die Reservierungen<br />
im Land und stellt Kontakte her.<br />
Helen Turnbull und ihre Mitstreiterinnen verfügen<br />
über einen großen Schatz an Erfahrungen<br />
rund um den ökologischen Tourismus, sie<br />
kennen die Strukturen im Land und können<br />
so ausländischen Reiseagenturen ein wertvoller<br />
Partner sein. Das Ziel: die faire Tourismusbewegung<br />
in Südafrika weltweit zu unterstützen.<br />
www.uluntuafrica.com
72<br />
6 aus 120<br />
Neben seinen mehreren Hundert Einzelmitgliedern tragen den <strong>Frankfurter</strong><br />
<strong>Presse</strong><strong>Club</strong> auch derzeit 120 korporative Mitglieder: Unternehmen, Verbände,<br />
Institutionen und Parteien aus Frankfurt und Umgebung. Nachdem wir in der<br />
letzten Ausgabe des FPC-Magazins Evonik, die GTZ und den AvD vorgestellt<br />
haben, werfen wir diesmal einen Blick auf Tetra Pak Deutschland, den VKE-<br />
Kosmetikverband und die <strong>Frankfurter</strong> Sparkasse. Dabei steht einmal mehr<br />
<strong>das</strong> Thema externe Kommunikation im Mittelpunkt.<br />
Christian<br />
Sälzer<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Freier Journalist<br />
saelzer@niatu.net<br />
73<br />
Die Kartonmacher<br />
Tetra Pak Deutschland,<br />
Hochheim am Main<br />
Die Geschichte von Tetra Pak beginnt in Schweden mit einer<br />
handgroßen Kartonpyramide. Ruben Rausing brachte 1951 diese<br />
neuartige Verpackung aus Papier und einer Kunststoffbeschichtung<br />
in Tetraederform auf den Markt, die vor allem eines garantierte:<br />
ein Maximum an Hygiene. „Es war die Mission des Unternehmensgründers,<br />
Nahrungsmittel so zu verpacken, <strong>das</strong>s sie in<br />
bester Qualität überall erhältlich sein konnten“, erzählt Dr. Heike<br />
Schiffler, Kommunikationschefin von Tetra Pak Deutschland.<br />
Dieser Wunsch hat sich weitgehend erfüllt: Das Unternehmen ist<br />
heute in mehr als 150 Ländern vertreten. Die Kartons, die in immer<br />
neuen Formaten auf den Markt gekommen sind, ummanteln<br />
längst nicht mehr nur Milch. Inzwischen werden auch Säfte, Eistee,<br />
Wein und sogar Katzenfutter von Tetra Pak „eingekleidet“.<br />
Einer der wichtigsten Märkte ist Deutschland. Im Schnitt verbraucht<br />
jeder Bundesbürger pro Jahr 87 Getränkekartons der Marke<br />
Tetra Pak. Während in Limburg und Berlin produziert wird,<br />
befindet sich die Zentrale von Tetra Pak Deutschland und der<br />
Schweiz und darüber hinaus für ganz Zentraleuropa in Hochheim.<br />
Die Bekanntheit von Tetra Pak – keine andere Verpackung hat<br />
sich so erfolgreich als Marke etabliert – wurde dem Unternehmen<br />
hierzulande Ende der 1980er-Jahre allerdings zum Problem: Angesichts<br />
eines wachsenden Umweltbewusstseins wurde Tetra Pak<br />
zum Inbegriff der Wegwerfgesellschaft, verantwortlich für Ressourcenvergeudung<br />
und wachsende Müllberge. Die praktischen<br />
Kartons hatten plötzlich ein Imageproblem. „Tetra Pak hat damals<br />
sehr schnell geschaltet und Verantwortung übernommen“, so<br />
Schiffler. 1991 kam die neue Verpackungsverordnung, und <strong>das</strong><br />
Unternehmen stieg in <strong>das</strong> Duale System ein, <strong>das</strong> aus Müll Wertstoffe<br />
werden ließ. Tatsächlich kann Tetra Pak in vielerlei Hinsicht<br />
die Karte „Umweltschutz“ ausspielen: So sind die Kartons über-<br />
wiegend aus Holz hergestellt, <strong>das</strong> aus nachhaltig bewirtschafteten<br />
Wäldern in Skandinavien stammt. Sie lassen sich nicht nur vollständig<br />
recyceln, sondern sind zudem leicht und gut stapelbar, was<br />
auch ihren Transport vergleichsweise energieschonend macht. All<br />
<strong>das</strong> führe dazu, <strong>das</strong>s Kartons von Tetra Pak in der Umweltbilanz<br />
besser abschneiden als Einweggetränke-Verpackungen aus PET<br />
oder Glas und vom Umweltbundesamt als ökologisch vorteilhafte<br />
Verpackungen bewertet werden, betont Schiffler. In jedem Fall<br />
liefert es dem Konzern Material für eine „grüne“ Öffentlichkeits -<br />
arbeit.<br />
„Neben dem Thema gesunde Ernährung stehen Nachhaltigkeit<br />
und Umweltschutz ganz klar im Mittelpunkt unserer Kommunikation“,<br />
so Schiffler. Dazu passt, <strong>das</strong>s sie den Posten einer „Direktorin<br />
für Kommunikation und Umwelt“ innehat, von Hochheim<br />
aus zuständig für Zentraleuropa. Dabei setzt <strong>das</strong> Unternehmen von<br />
Land zu Land unterschiedliche Akzente. In Deutschland etwa hat<br />
es jüngst <strong>das</strong> Thema nachwachsende Rohstoffe zum Mittelpunkt<br />
von Kampagnen gemacht. Anders ist <strong>das</strong> zum Beispiel in Serbien:<br />
„Dort beteiligen wir uns gerade daran, ein Recyclingsystem aufzubauen,<br />
und stellen daher Wiederverwertung in den Mittelpunkt<br />
unserer Kampagnen“, sagt Schiffler. Der Hintergrund: Während in<br />
Deutschland immerhin 65 Prozent aller Tetra-Pak-Kartons wiederverwertet<br />
werden, wandern international vier von fünf Kartons<br />
in den normalen Müll. Das soll sich ändern, schließlich hat man<br />
bei Tetra Pak längst gelernt: Gut entsorgt ist halb<br />
gewonnen.<br />
Dr. Heike Schiffler, Direktorin Kommunikation und Umwelt,<br />
Tetra Pak Deutschland<br />
Fotos: Tetra Pak Deutschland
74 6 aus 120<br />
Für die „Kultur des Schönen“<br />
VKE-Kosmetikverband, Berlin<br />
„Klein, aber fein“ – so beschreibt Martin Ruppmann die Branche,<br />
deren Interessen er vertritt. Er ist Geschäftsführer des VKE, des<br />
Verbandes der Vertriebsfirmen Kosmetischer Erzeugnisse. Dem<br />
Verband geht es um selektiv vertriebene Kosmetikprodukte, und<br />
damit nicht um die Konsumware aus dem Supermarkt um die<br />
Ecke. Vielmehr handelt es sich um hochwertige und entsprechend<br />
-preisige Seifen, Parfüme und Cremes, die im Fachhandel wie Parfümerien<br />
angeboten werden. Etwa 50 deutsche Kosmetikanbieter<br />
und Vertriebstöchter ausländischer Häuser sind Mitglied im VKE,<br />
darunter so renommierte Marken wie Chanel, Estée Lauder, Kenzo<br />
oder Aveda. In der Darstellung des Verbandes klingt <strong>das</strong> so: „Marken<br />
voller Anspruch und Qualität, für eine Welt, in der Luxus<br />
und Genuss, Stil und Leidenschaft, also die Kultur des Schönen<br />
gepflegt und gelebt werden darf.“<br />
Deutsche Firmen sind deutlich in der Minderheit. In der Kosmetik<br />
ist es eben wie in der Mode: Für den Glamour sind vor<br />
allem französische, italienische und US-amerikanische Häuser<br />
zuständig. Konsumiert und gekauft wird er gleichwohl auch hierzulande<br />
– und <strong>das</strong> nicht zu knapp. 2008 machten die vom VKE<br />
repräsentierten Unternehmen einen Umsatz von 1,7 Milliarden<br />
Euro. Die Mitglieder bei der Wahrung der Produktqualität, bei<br />
innovativen Entwicklungen, überdurchschnittlichen Serviceangeboten<br />
und einer entsprechenden Verkaufsästhetik zu unterstützen<br />
– <strong>das</strong> gehört zu den Aufgaben des VKE.<br />
Gegründet wurde der Verband bereits 1952, und zwar in Frankfurt.<br />
Daher rührt auch seine Mitgliedschaft im hiesigen <strong>Presse</strong>club,<br />
die fortbesteht, obwohl der VKE vor drei Jahren vom Main an die<br />
Spree übergesiedelt ist. „Wir wollten näher ran an <strong>das</strong> politische<br />
Zentrum“, begründet Ruppmann diesen Schritt. Das Feld der Lobbyarbeit<br />
ist groß. Schließlich sollen die Kundin und längst auch<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
der Kunde davon überzeugt werden, <strong>das</strong>s – so Ruppmann – „hochwertige<br />
Kosmetika immer Konjunktur haben“. So setzt sich der<br />
Verband etwa dafür ein, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Verkaufspersonal entsprechend<br />
geschult wird. Er unterstützt den Markenaufbau bzw. die -pflege,<br />
bekämpft Produktpiraterie und mischt sich ein in die öffentliche<br />
Wahrnehmung seiner Marken und Produkte.<br />
Seit 1997 verschickt er zum Beispiel regelmäßig den Newsletter<br />
„Kosmetik-Infos“ an Journalisten, <strong>Presse</strong>büros oder Handelspartner.<br />
„Ziel ist es, umfassend zu informieren und unsere Branche im<br />
Gespräch zu halten“, sagt Ruppmann. Dabei ist freilich nicht jedes<br />
Gespräch im Sinne des Verbandes. Regelmäßig liefert er sich einen<br />
Schlagabtausch mit der Zeitschrift „Öko-Test“. Diese hat nämlich<br />
wiederholt vor Inhaltsstoffen in Kosmetikprodukten gewarnt. Der<br />
VKE hat sich gegen die aus seiner Sicht unseriöse und diffamierende<br />
Berichterstattung gewehrt. Mit Erfolg, wie Ruppmann meint:<br />
„,Öko-Test’ äußert sich inzwischen zurückhaltender als früher.<br />
Das ist auch unser Verdienst.“<br />
<strong>Presse</strong>arbeit bedeutet für den VKE auch, die Medien auszuwerten,<br />
um Trends frühzeitig wahrzunehmen. Das reicht von<br />
dem Wissen, welche Farben „in“ sind, bis zu der Beobachtung,<br />
wie wichtig <strong>das</strong> Internet für die Kosmetikbranche inzwischen geworden<br />
ist. Genutzt wird es dabei nicht nur als Bestellplattform,<br />
sondern auch als Infobörse – Stichwort Social Media –, in der sich<br />
die User Schminktipps geben, Düfte empfehlen und über Cremes<br />
chatten. Ruppmann: „In Foren zählen Beauty und<br />
Kosmetik zu den Top-5-Themen.“ Die Kultur<br />
des Schönen – sie lebt auch im Internet.<br />
75<br />
In Rot in die Zukunft<br />
<strong>Frankfurter</strong> Sparkasse, Frankfurt<br />
Als eines der traditionsreichsten Kreditinstitute Deutschlands hat<br />
die <strong>Frankfurter</strong> Sparkasse schon vieles erlebt. Gleichwohl dürfte<br />
man bei der „Fraspa“ zum jüngsten Jahreswechsel aufgeatmet haben:<br />
Endlich war eines der turbulentesten Jahrzehnte ihrer Geschichte<br />
vorüber. „Wir haben in den letzten zehn Jahren sicherlich<br />
häufiger im Fokus der Öffentlichkeit gestanden, als uns lieb gewesen<br />
ist“, sagt <strong>Presse</strong>sprecher Dr. Sven Matthiesen. Doch der Reihe<br />
nach.<br />
1822 gründete eine Gruppe honoriger <strong>Frankfurter</strong> Bürger, die<br />
später zur Polytechnischen Gesellschaft wurde, die <strong>Frankfurter</strong><br />
Sparkasse von 1822. Ebenfalls noch im 19. Jahrhundert entstand<br />
die Stadtsparkasse Frankfurt, eine Bank in kommunalem Besitz.<br />
Mehr als 100 Jahre später, 1989, fusionierten die beiden zur<br />
<strong>Frankfurter</strong> Sparkasse. Die Fraspa wurde zu einer der größten Sparkassen<br />
Deutschlands und im Privatkundengeschäft zum Marktführer<br />
in der Region. Zum 175-jährigen Jubiläum rief sie 1997<br />
die 1822-Stiftung ins Leben, seitdem ein Quell guter Taten und<br />
Nachrichten. Dann aber brach <strong>das</strong> neue Jahrtausend an.<br />
Der Bank kam teuer zu stehen, <strong>das</strong>s sie als regionale Bank am<br />
großen Finanzrad mitgedreht hatte. Denn mit der großen Blase<br />
platzte auch so manch hoher Kredit. Hinzu kamen Führungsquerelen,<br />
in deren Folge der Vorstand mehrmals wechselte. Die Folge:<br />
Die Fraspa machte Verluste, Stellen wurden gestrichen und Filialen<br />
geschlossen. Stimmen wurden laut, die Fraspa würde sich nicht<br />
alleine halten können. Damit begann der Poker um ihre Zukunft.<br />
Private Banken hätten gerne zugegriffen. Doch nicht zuletzt auf<br />
Drängen der hessischen Regierung kam die Landesbank Hessen-<br />
Thüringen zum Zug und kaufte die Anteile der Stadt und der<br />
Polytechnischen Gesellschaft. Die <strong>Frankfurter</strong> Sparkasse ist seitdem<br />
Tochter der Helaba. Im Zuge dessen musste sie von einem<br />
„wirtschaftlichen Verein“ in eine „Aktiengesellschaft“ und dann<br />
in eine „Anstalt des öffentlichen Rechts“ umgewandelt werden.<br />
Um den Neuanfang auch optisch zu unterstreichen, gab sie ihren<br />
blau-gelben Markenauftritt auf und kehrte zum Sparkassendesign<br />
zurück: Sie wurde wieder rot. Damit verschwanden auch die Zahl<br />
1822 aus dem Namen und die Bezeichnung Fraspa aus dem internen<br />
Sprachgebrauch. „Der Wechsel ist uns gut gelungen“, so<br />
Matthiesen, „wir kennen keinen Kunden, der uns deswegen verlassen<br />
hat.“<br />
In den Folgejahren gelang der Sparkasse die Trendwende. Doch<br />
kaum verbuchte sie wieder kräftige Gewinne, schlug die Finanzkrise<br />
zu. Als regionale Bank hätte sie dies nicht sonderlich betroffen<br />
– hätten ihre Berater nicht 5.000 Kunden ausgerechnet Zertifikate<br />
von Lehman Brothers verkauft. Ein gefundenes Fressen für die<br />
Medien. Anfang 2009 ging die Bank in die Offensive und begann,<br />
einzelne Kunden zu entschädigen. Im Mai dann machte sie allen<br />
Lehman-Kunden <strong>das</strong> Angebot, die Papiere zu 50 Prozent des<br />
Nominalwertes zurückzukaufen.<br />
Und heute? Durch alle Turbulenzen hindurch haben die <strong>Frankfurter</strong><br />
<strong>das</strong> Vertrauen zu ihrer Sparkasse behalten. Mit 400.000<br />
Privatkunden hat sie ihre Marktführerschaft behauptet. Im Januar<br />
konnte sie vermelden, <strong>das</strong>s 92 Prozent der Lehman-Kunden ihr<br />
Angebot angenommen haben. Und über <strong>das</strong> Geschäftsjahr 2009<br />
sagt Matthiesen: „Wir sind relativ gut durch die Finanz- und<br />
Wirtschaftskrise gekommen und werden – trotz<br />
der 44 Millionen Euro für Lehman-Kunden –<br />
einen Gewinn ausweisen.“ Das sind doch gute<br />
Nachrichten am Beginn eines neuen Jahrzehnts.<br />
Martin Ruppmann, Geschäftsführer VKE Dr. Sven Matthiesen, <strong>Presse</strong>sprecher <strong>Frankfurter</strong> Sparkasse<br />
Fotos: VKE, <strong>Frankfurter</strong> Sparkasse 1822
76 Forum Deutscher <strong>Presse</strong>clubs<br />
Brückenbauer statt<br />
Einzelgänger<br />
Rückblick und Ausblick auf die Arbeit des Forums Deutscher <strong>Presse</strong>clubs<br />
FORUM<br />
Deutscher <strong>Presse</strong><strong>Club</strong>s<br />
Im Sommer 2002 trafen sich erstmals Vorsitzende und Geschäftsführer<br />
deutscher <strong>Presse</strong>clubs, um über Möglichkeiten der Zusammenarbeit<br />
zu beraten. Nach diesem ersten Treffen und einem<br />
weiteren 2003 in Frankfurt bekam der lose Verbund 2004 in Berlin<br />
den Namen Forum Deutscher <strong>Presse</strong>clubs. Die nächsten Treffen<br />
fanden 2005 in Köln, 2006 in Dresden, 2007 in München, 2008 in<br />
Bremerhaven-Unterweser und 2009 in Nürnberg statt. <strong>2010</strong> ist der<br />
<strong>Presse</strong>club Wiesbaden Gastgeber, 2011 Koblenz, und 2012 feiert<br />
<strong>das</strong> Forum dann sein Zehnjähriges in Frankfurt, da, wo alles begann.<br />
In dem berühmten Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse heißt<br />
es: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“ Davon war<br />
beim ersten Treffen der interessierten Netzwerker nichts zu spüren.<br />
Skeptische Neugier war eher die vorherrschende Stimmung. Was<br />
soll oder kann ein Zusammenschluss bringen? Wie und in welcher<br />
Form können unterschiedliche <strong>Club</strong>s zusammenarbeiten, die oft<br />
nur den Begriff „<strong>Presse</strong>club“ gemeinsam haben? Wo sind gemeinsame<br />
Interessen? Und wie kann eine Kooperation quer durch die<br />
Republik funktionieren? Bei den ersten Debatten knirschte es auch<br />
eher, und von einer reibungslosen Zusammenarbeit war nichts zu<br />
spüren. Im Gegenteil: Am Anfang waren die Treffen bestimmt von<br />
der Kontroverse über die zukünftige Form des Zusammenschlusses.<br />
Die Idee, aus dem losen Zusammenschluss einen Dachverband<br />
mit Satzung, Vorstand und einer Geschäftsstelle zu formen, wurde<br />
von der Mehrzahl der Anwesenden heftig abgelehnt und schließlich<br />
verworfen. Zu kompliziert, zu bürokratisch, zu teuer, lauteten<br />
die Argumente der Gegner dieser Organisationsform.<br />
Doch die Idee, ein funktionierendes Netzwerk zwischen den<br />
<strong>Presse</strong>clubs aufzubauen, war letztendlich stärker als der Streit über<br />
die Art des Zusammenschlusses. Und tatsächlich wächst die Zusammenarbeit<br />
zwischen den Forumsmitgliedern, auch wenn die<br />
23 <strong>Club</strong>s, die dem Forum inzwischen angehören, unterschiedlicher<br />
nicht sein könnten. Da sind <strong>Club</strong>s wie München, Nürnberg und<br />
Frankfurt mit mehreren Hundert Mitgliedern und eigenen Räumen,<br />
die neben ihrem <strong>Club</strong> (dem ideellen Bereich), für den sie<br />
Mitgliedsbeiträge erheben, einen wirtschaftlichen Bereich führen,<br />
in dem sie ihre Räume vermieten und anderen Service anbieten.<br />
Sie bringen ein eigenes Magazin heraus, vergeben regelmäßig<br />
Preise und Stipendien, bieten Informations- und Recherchereisen<br />
an und kooperieren mit anderen journalistischen Organisationen.<br />
Ihre Vereinsmitglieder sind Medienschaffende, aber auch korporative<br />
Mitglieder – meist Unternehmen –, die an den Aktivitäten<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
der <strong>Presse</strong>clubs teilnehmen können. Die korporativen Mitglieder<br />
sind es vielfach, die zu einem erheblichen Teil zur Finanzausstattung<br />
der <strong>Club</strong>s beitragen. Eine stattliche Zahl der <strong>Club</strong>s kann<br />
weder über eigene Räumlichkeiten verfügen noch einen großen<br />
Mitgliederstamm vorweisen. Dies sind oft <strong>Presse</strong>clubs in kleineren<br />
Städten wie Görlitz, Augsburg, Koblenz, Bremerhaven-Unterweser.<br />
Sie leiden oft unter der Tatsache, <strong>das</strong>s es nur eine Tageszeitung<br />
vor Ort gibt, keine Sendeanstalten und erst recht keine <strong>Presse</strong> -<br />
agenturen wie in den Ballungsräumen. Doch diese <strong>Club</strong>s sind deshalb<br />
nicht weniger rührig, was ihre Arbeit vor Ort angeht, und ihr<br />
Engagement für <strong>das</strong> Forum Deutscher <strong>Presse</strong>clubs kann sich sehen<br />
lassen. Gerade von <strong>Club</strong>s wie dem Görlitzer, dem Bremerhavener,<br />
aber auch dem Regensburger hat der FPC schon intensiv profitiert.<br />
Gemeinsam stark<br />
Das Netz wird immer dichter, die Kommunikation unter den<br />
Forumsmitgliedern immer enger. Das nutzte im Jahr 2009 Mitgliedern<br />
von Berlin, Regensburg und Nürnberg, weil sie zu Mitgliederbedingungen<br />
bei einer 14-tägigen <strong>Presse</strong>- und Informationsreise<br />
des <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong>s mitreisen konnten. Auf der<br />
Nepalreise zwei Jahre vorher hatten die Mitglieder aus München<br />
und Bremerhaven von dem Zusammenschluss profitiert. Und mit<br />
der tatkräftigen Unterstützung der Kollegen des <strong>Presse</strong>klubs Bremerhaven-Unterweser<br />
und jetzt des Regensburger <strong>Club</strong>s konnten<br />
junge Kolleginnen und Kollegen an den Reisen teilnehmen, die<br />
sich eine Recherche und <strong>das</strong> Knüpfen von Kontakten im Ausland<br />
(Vietnam, Nepal und Südafrika) nicht hätten leisten können.<br />
Dies war nicht nur von Vorteil für die Betroffenen, sondern der<br />
FPC hat damit auch seinen satzungsgemäßen Auftrag erfüllt, der<br />
da lautet: „Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> widmet sich der Förderung<br />
internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten, des<br />
Völkerverständigungsgedankens und auch der Betreuung ausländischer<br />
Journalisten und Gruppen. Er widmet sich dem Meinungsaustausch<br />
in politischen, kulturellen und sportlichen Bereichen<br />
gegenüber der Allgemeinheit sowie dem Erfahrungsaustausch<br />
zwischen in- und ausländischen Journalisten.“ Und weiter<br />
heißt es: „In Erfüllung des Vereinszwecks ist der <strong>Club</strong> berechtigt,<br />
Berufsbildung in- und ausländischer Journalisten sowie des journalistischen<br />
Nachwuchses finanziell zu fördern. Diese Förderung<br />
geschieht durch die Verleihung von Geldpreisen, durch die Vergabe<br />
von Stipendien oder durch sonstige Fördermaßnahmen.“<br />
Der Austausch von Gesprächspartnern und Podiumsgästen wird<br />
ebenfalls immer selbstverständlicher, die Verbindungen, die die<br />
einzelnen <strong>Club</strong>s haben, werden immer besser genutzt. So konnte<br />
Frankfurt den Koblenzern einen Laudator für die Verleihung des<br />
77<br />
Sophie-von-La-Roche-Preises vermitteln, die Nürnberger, Regensburger<br />
und Münchner konnten im Gegenzug mit Kontakten zu<br />
Politikern oder Medienmachern aus ihrem Umfeld aushelfen.<br />
Görlitz und Bremerhaven-Unterweser wiederum haben mit viel<br />
Enthusiasmus zwei Städtereisen für den FPC organisiert. Last but<br />
not least: Bremerhaven hat in Zusammenarbeit mit dem <strong>Presse</strong>club<br />
Saarland die Gruppenplattform Forum Deutscher <strong>Presse</strong>clubs<br />
bei Xing aufgebaut, außerdem haben die Bremerhavener 2009 die<br />
Arbeit am Internetauftritt und seine Neugestaltung übernommen<br />
(www.forum-deutscher-presseclubs.de).<br />
Aus organisatorischen Gründen befindet sich die Geschäftsstelle<br />
des Forums im <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong>. Hier laufen die Fäden zusammen,<br />
von hier aus werden die für <strong>das</strong> Forum wichtigen Informationen<br />
verteilt, wird etliches organisiert. Der Idee des Netzwerks<br />
lag der Satzungsgedanke zugrunde: „Der <strong>Club</strong> dient der Verbindung<br />
der Journalisten zu allen demokratischen Kräften und der<br />
Verbindung untereinander.“ Für Vorstand und Geschäftsführung<br />
des FPC aber sind diese Aktivitäten wichtige Legitimation gegenüber<br />
den Mitgliedern. Sie rechtfertigen sowohl <strong>das</strong> Engagement für<br />
<strong>das</strong> Forum als auch <strong>das</strong> für die Föderation Europäischer <strong>Presse</strong>clubs.<br />
„Der Starke ist am mächtigsten alleine“, legte der Dichter<br />
Friedrich Schiller vor mehr als 200 Jahren seinem Tell in den Mund.<br />
Der Einzelkämpfer ist auch heute <strong>das</strong> Ideal, <strong>das</strong> in der Literatur,<br />
der Musik und vor allem im Film gepflegt wird. Doch in der Welt<br />
der stabilen Netzwerke ist der Einzelgänger längst chancenlos. Diese<br />
Erkenntnis war der Ausgangspunkt für <strong>das</strong> Forum Deutscher <strong>Presse</strong>-<br />
clubs. Es ist letztendlich wie mit dem Beitrittswunsch mancher<br />
Staaten in die EU. Oft wird er von einem Gedanken geleitet, nämlich<br />
dem des eigenen Vorteils. Doch der Wunsch nach sofortigen<br />
Vorteilen durch die Verknüpfung ist naiv und unrealistisch. Tragfähige<br />
Zusammenschlüsse funktionieren nämlich nur auf der Basis von:<br />
Was habe ich wem zu bieten?, und nicht auf der Basis von: Was wird<br />
mir geboten, was habe ich davon? Soll die Verbindung reißfest sein,<br />
dann funktioniert sie nur nach dem Prinzip des Umkehrschlusses.<br />
Damit Netzwerke heutzutage aber wirklich erfolgreich sind,<br />
muss noch etwas anderes dazukommen. Die Menschen, die in einem<br />
Netzwerkes agieren, sollten aus verschiedenen Bereichen, Ebenen,<br />
Denkrichtungen und Disziplinen kommen. Wenn in <strong>Presse</strong>clubs<br />
nur Journalisten aus einer Region, einer Redaktion und einer<br />
Branche miteinander verkehren, können sie zwar wohlfeil über ihre<br />
Region, ihre Redaktion und ihre Branche plaudern, werden aber<br />
langfristig kaum Infos über den Bereich jenseits ihres Tellerrandes<br />
erhalten und letztendlich im eigenen Saft schmoren. Umfragen zum<br />
Thema Netzwerke zeigen, <strong>das</strong>s deren Erfolg besonders groß ist, wenn<br />
höchstens die Hälfte der Kontakte, die man pflegt, aus den eigenen<br />
Reihen kommt. Der Rest sollte aus anderen Bereichen und Branchen<br />
stammen. Das Forum mit seinen unterschiedlich ausgerichteten<br />
<strong>Club</strong>s ermöglicht genau diesen Blick über den Tellerrand.<br />
Monica<br />
Weber-<br />
Nau<br />
Geschäftsführerin<br />
FPC<br />
info@frankfurterpresseclub.de
78 Europäische Föderation<br />
Eine so internatio nale Stadt<br />
braucht europäische Medienkontakte<br />
Der <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> gehört zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen<br />
Föderation. Ein sinnvolles Netzwerk, aber die Kommunikation<br />
muss noch verbessert werden. Mit seinen rund 675.000 Einwohnern ist<br />
Frankfurt am Main nach Berlin, Hamburg, München und Köln zwar nur die<br />
fünftgrößte Stadt in Deutschland. Doch unbestritten gilt sie als „die“ internationale<br />
Metropole der Bundesrepublik. Hier leben 190.000 Menschen aus<br />
170 Nationen mit ausländischem Pass, hier sitzen die Europäische Zentralbank<br />
und die Deutsche Bundesbank, daneben gibt es 175 ausländische<br />
Banken und Finanzinstitute sowie rund 3.000 weitere nichtdeutsche Firmen<br />
aus Europa und anderen Kontinenten. Täglich strömen allein mit der Bahn<br />
rund 350.000 Reisende nach Frankfurt, <strong>das</strong> zudem den größten deutschen<br />
und drittgrößten europäischen Flughafen hat.<br />
Eine solch internationale Stadt braucht selbstverständlich auch Medienkontakte<br />
im In- und Ausland. In Frankfurt sind drei große Tageszeitungen,<br />
der Hessische Rundfunk, weitere regionale TV- und Radiosender, diverse<br />
Verlage, der deutsche Dienst der Nachrichtenagentur Associated Press<br />
(AP), der nach dem Verkauf an ddp jetzt DAPD heißt, und <strong>das</strong> Landesbüro<br />
der Deutschen <strong>Presse</strong>-Agentur (dpa) beheimatet. Der 1980 gegründete<br />
<strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> ist nicht nur federführend beim Forum Deutscher<br />
<strong>Presse</strong>clubs, dessen zehnjähriges Bestehen er 2012 ausrichten wird. Er<br />
gehört auch zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen <strong>Presse</strong>club-<br />
Föderation, in der er aktiv mitarbeitet. Der dort mögliche Austausch mit den<br />
<strong>Presse</strong>clubs aus Städten wie Paris, London, Barcelona, Lissabon, Straßburg,<br />
Warschau und nicht zuletzt Wien ist für uns von enormer Bedeutung.<br />
Daher sind wir auch ein klein wenig stolz darauf, den Kontakt zum <strong>Club</strong><br />
Polnischer Internationaler Kolumnisten aus Warschau vermittelt zu haben,<br />
der bei der jüngsten Tagung der Europäischen Föderation im Juni in Lissabon<br />
als Mitglied aufgenommen wurde. Zehn Jahre nach der Osterweiterung<br />
der EU sollte <strong>das</strong> nicht <strong>das</strong> Ende der Bemühungen sein, in Staaten des<br />
ehemaligen Warschauer Pakts weitere Kontakte und Mitglieder zu suchen.<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Die jährlichen Tagungen der Europäischen <strong>Presse</strong>club-Föderation bieten<br />
nicht nur ein den Horizont erweiterndes attraktives Programm aus Medienkongressen,<br />
Begegnungen mit Journalisten, Politikern und Kulturschaffenden<br />
sowie Besichtigungen und Besuchen vor Ort. Sie schaffen auch ein Forum<br />
für den Austausch von Erfahrungen und für Kontakte, die dann im Einzelfall<br />
auch Journalisten bei Besuchen zugutekommen können. Schließlich hat ja<br />
jedes Mitglied eines in der Föderation vertretenen <strong>Club</strong>s in jedem anderen<br />
Mitgliedsclub die vollen Rechte. Und wir sind auch dankbar, <strong>das</strong>s Aufrufe<br />
zur Teilnahme am Internationalen Medienpreis des <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong>clubs<br />
alle zwei Jahre von den Partnerclubs in Europa weitergegeben werden.<br />
Das heißt freilich nicht, <strong>das</strong>s schon alles perfekt wäre. So müsste vor<br />
allem eine auch über die Suchmaschinen auffindbare und für alle <strong>Club</strong>mitglieder<br />
in Europa leicht zu erreichende gemeinsame Homepage geschaffen<br />
werden – mit Links zu allen Mitgliedern der Föderation. Die von Paris angeregte<br />
Einrichtung eines Fotopreises der Europäischen Föderation mit Beiträgen<br />
aus allen Ländern der Mitgliedsclubs ist erst einmal an fehlenden Mitteln<br />
gescheitert. Aber auch in diese Richtung sollte weitergedacht werden.<br />
Natürlich hängt viel von der Initiative der einzelnen <strong>Club</strong>s selbst ab. So<br />
haben die <strong>Presse</strong>clubs aus Frankfurt am Main und Straßburg in den letzten<br />
zwei Jahren eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit aufgenommen. Die<br />
jeweiligen Vizepräsidenten haben an Vorstandssitzungen oder Veranstaltungen<br />
des jeweils anderen <strong>Club</strong>s teilgenommen. Aber auch die Mitglieder selbst<br />
sind involviert. So hat eine Abordnung des Straßburger <strong>Presse</strong>clubs letzten<br />
Herbst auf unsere Vermittlung hin die <strong>Frankfurter</strong> Buchmesse besucht und<br />
danach eine Einladung zum Besuch und einem Essen im FPC wahrgenommen.<br />
Der Gegenbesuch steht noch aus, wobei die Betonung auf „noch“ liegt.<br />
Gerhard<br />
Kneier<br />
Vizepräsident<br />
<strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong><br />
GKneier_DAPD@ap.org<br />
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80 Der Vorstand, Ihr FPC-Team, Impressum<br />
Der Vorstand<br />
Werner<br />
Holzer<br />
Ehrenpräsident<br />
Matthias<br />
W. Send<br />
Schatzmeister<br />
Leiter Wirtschaft<br />
und Gesellschaft<br />
HEAG-Südhessische<br />
Energie AG (HSE)<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Werner<br />
D’Ínka<br />
Präsident<br />
Mitherausgeber<br />
der „F.A.Z.“<br />
Michaela<br />
Schmehl<br />
Beisitzerin<br />
Redakteurin ZDF<br />
Ihr FPC-Team<br />
Monica<br />
Weber-Nau<br />
Geschäftsführerin<br />
T: 069 288800<br />
info@frankfurterpresseclub.de<br />
Tamara<br />
Sauer<br />
Projektbetreuung<br />
T: 069 282623<br />
F: 069 295803<br />
tamara.sauer@frankfurterpresseclub.de<br />
Gerhard<br />
Kneier<br />
Vizepräsident<br />
Koordinator Politik<br />
DAPD Deutscher<br />
Auslands-Depeschendienst<br />
Rouven<br />
Schellenberger<br />
Beisitzer<br />
Chefredaktion<br />
„<strong>Frankfurter</strong><br />
Rundschau“<br />
Nikolaus<br />
Münster<br />
Schriftführer<br />
Leiter <strong>Presse</strong>amt<br />
Stadt Frankfurt<br />
Katja<br />
Marx<br />
Beisitzerin<br />
Chefredaktion<br />
HR-Hörfunk<br />
Impressum<br />
FPC<br />
<strong>das</strong> <strong>magazin</strong> <strong>2010</strong><br />
© <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong> e.V.<br />
Herausgeber: <strong>Frankfurter</strong> <strong>Presse</strong><strong>Club</strong><br />
gegr. 1980<br />
Vereinsregister. Nr. 73 VR 7632<br />
Anschrift<br />
Saalgasse 30,<br />
60311 Frankfurt am Main<br />
Tel.: 069/288800<br />
Fax: 069/295803<br />
info@frankfurterpresseclub.de<br />
www.frankfurterpresseclub.de<br />
Präsident Werner D’Inka<br />
(Mitherausgeber „F.A.Z.“)<br />
Vizepräsident Gerhard Kneier<br />
(Koordinator Politik<br />
DAPD Deutscher<br />
Auslands-Depeschendienst)<br />
Geschäftsführerin<br />
und Chefredakteurin<br />
Monica Weber-Nau<br />
(V. i. S. d. <strong>Presse</strong>rechts)<br />
Autorinnen/Autoren<br />
Annette Bögelein, Thorsten Drenkard,<br />
Werner D’Inka, Armin H. Flesch,<br />
Christoph Maria Fröhder, Sebastian<br />
Gehrmann, Gerhard Kneier, Christian<br />
Omonsky, Ludgar Pooth, Jörg Pfützner,<br />
Christian Sälzer, Michaela Schmehl,<br />
Monika Wendel<br />
Gestaltung<br />
büro bockenheim<br />
agentur für konzeptionelles design<br />
GmbH<br />
Adalbertstraße 10a<br />
60486 Frankfurt am Main<br />
Tel.: 069/970617-0<br />
mail@buerobockenheim.de<br />
Lithographie<br />
Con Composition, Frankfurt am Main<br />
Korrektorat und Schlussredaktion<br />
Dr. Michael Behrendt,<br />
Frankfurt am Main<br />
Druck<br />
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Frankfurt am Main<br />
Anzeigen<br />
Odo-Ekke Bingel,<br />
Eschborn<br />
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Fax: 06173/608603<br />
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Erscheinungsweise<br />
Jährlich, kostenlos