das magazin 2010 - Frankfurter Presse Club
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44 Südafrika<br />
Südlicher geht’s kaum: die FPC-Reisenden am Kap der Guten Hoffnung<br />
halbstaatlichen Bereich seien wiederum<br />
viele entlassen worden. Boddenberg hofft<br />
jetzt auf Nachwuchs von den Universitäten.<br />
Ob <strong>das</strong> reiche, wisse er nicht. Eines<br />
sei klar: „Der Faktor der Ungleichheit zwischen<br />
Arm und Reich ist in Südafrika am<br />
höchsten von allen Ländern.“ Nur die<br />
Bezahlung von Schwarzen und Weißen<br />
sei inzwischen ausgeglichen.<br />
Townships und sozialer Wohnungsbau<br />
Auch Boddenberg verbindet mit der Fußball-WM<br />
vor allem gewaltige Infrastrukturmaßnahmen.<br />
Beim Bau der Stadien oder<br />
der Bahn sei Deutschland „überproportional<br />
stark vertreten.“ Wichtig sei jedoch<br />
auch <strong>das</strong> soziale Engagement der Firmen.<br />
Dazu gehörten Schul- und Anti-Aids-Projekte.<br />
Doch auch die Regierung bemüht<br />
sich um den Aufbau von Wirtschaft und<br />
Gesellschaft. Ein Programm habe 2,7<br />
Millionen Häuser für 10 Millionen Menschen<br />
geschaffen, ein anderes Sozialwohnungen<br />
für Besserverdienende gefördert,<br />
berichtet Boddenberg. „Was noch fehlt, ist<br />
ein vom Privatmarkt getragener sozialer<br />
Wohnungsbau.“ Negativ dagegen bewertet<br />
er die mangelhafte Erschließung von<br />
Wohngebieten. Die Regierung unter Zuma<br />
verspreche viel, es passiere aber in vielen<br />
Gebieten wenig und dort gebe es Unruhen.<br />
„Dieser Effekt macht uns Sorge.“ Positiv<br />
sei dennoch <strong>das</strong> Wachsen der schwarzen<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
Mittelschicht – seit 2005 immerhin um<br />
etwa 30 Prozent. Die Kaufkraft steige,<br />
30 Prozent wohnten bereits in einem festen<br />
Haus.<br />
Wie solche festen Häuser aussehen und<br />
welche Unterschiede es in den Townships<br />
gibt, davon können wir uns am nächsten<br />
Tag überzeugen. Während ein Teil der<br />
Gruppe im ärmsten Stadtviertel Mamelodi<br />
ein Schul-Projekt der GTZ besucht, fahren<br />
wir Richtung Soweto. Der Besuch im<br />
Apartheidmuseum stimmt uns mit der<br />
schonungslosen Darstellung der historischen<br />
Entwicklung des Regimes und seiner<br />
Opfer eindrucksvoll auf die Realität ein.<br />
Die gelben Abraumhalden am Stadtrand<br />
dokumentieren eine der wesentlichen Voraussetzungen<br />
der Apartheid: Gold. Um <strong>das</strong><br />
Edelmetall zu schürfen, holten weiße Minenbesitzer<br />
um die Jahrhundertwende<br />
Tausende schwarze Arbeiter nach Südafrika.<br />
Und sie sind geblieben. Noch immer arbeiten<br />
150.000 in den Minen. Sie wohnen<br />
in Wohnheimen der Townships, die ihnen<br />
zugewiesen wurden. Etwa in Soweto, dem<br />
South-West-Township – früher eines<br />
der ärmsten und hauptsächlich eine Schlafstadt.<br />
Jetzt eine eigene Stadt mit 2 Millionen<br />
Menschen, mit Familien und wachsender<br />
Infrastruktur. DPA-Korrespondent Ralf<br />
Krüger, der uns an diesem Tag begleitet,<br />
zeigt sie uns. Wir sehen kilometerlange<br />
Straßenzüge mit Häusern und Hütten.<br />
Viele von Ihnen sind erst seit 1994 elektrifiziert<br />
und mit Wasseranschluss versehen<br />
worden. In einem der Viertel stehen Häuser<br />
mit Vorgarten, Terrasse und Garage.<br />
Ein paar Straßenzüge weiter ordnen sich<br />
die vom Staat und der Stadt geförderten<br />
„Matchboxhouses“, etwa 40 Quadratmeter<br />
ummauerter staatlich geförderter Raum<br />
mit Dach, in Reih und Glied. Einige hundert<br />
Meter weiter, unter einer Brücke drängen<br />
sich dutzende Wellblechhütten dicht<br />
an dicht. Vor einigen sitzen schwarze Frauen<br />
mit Kindern auf dem Arm. Ein paar<br />
Meter weiter werden neuer Bürgersteig<br />
verlegt und Kanalisation ausgehoben.<br />
Die schwarze Mittelschicht wächst<br />
Die offensichtliche Armut ist der Hauptgrund<br />
für die hohe Kriminalitätsrate des<br />
Landes. Soweto hat <strong>das</strong> größte Krankenhaus<br />
Afrikas, nirgendwo sonst werden so viele<br />
Verwundete mit Stich- und Schusswunden<br />
behandelt. Deshalb schicken sogar Bundeswehr<br />
und die britische Armee ihre Ärzte<br />
zur Ausbildung dorthin, wie uns Krüger<br />
erzählt. Einige Straßen weiter erblicken wir<br />
eine große Shopping-Mall – die erste in<br />
Soweto, erbaut von einem schwarzen Geschäftsmann.<br />
Nicht nur die schwarze<br />
Mittelschicht wachse, es gebe sogar eine<br />
Elite, die sogenannten „Black Diamonds“,<br />
sagt Krüger. Sie sind stolz auf ihre Herkunft:<br />
„Soweto ist so etwas wie der Orden,<br />
der einem anhaftet, auch wenn man es<br />
zu etwas gebracht hat.“ Es geht voran –<br />
spürbar, aber langsam.<br />
Das zeigt sich auch im Nahverkehr, der<br />
im Zuge der WM ausgebaut wird. Bisher<br />
bestand dieser fast ausschließlich aus Minibus-Taxis,<br />
die wir überall auf den Straßen<br />
sehen. Die Apartheid hatte für Schwarze<br />
und Farbige keine Busse oder Bahnen vor -<br />
gesehen. Sie sollten laufen. Jetzt sehen wir<br />
sogar eine Straßenbahnlinie in Soweto.<br />
Doch von Bussen und Bahnen gibt es viel<br />
weniger, als geplant waren, berichtet uns<br />
Krüger. Denn die Minibus-Besitzer fürchteten<br />
um ihre Existenz und verteidigten<br />
sie mit allen Mitteln. Obwohl der Ruf der<br />
45<br />
Taxis nicht der beste sei – „als fahrende<br />
Särge“ seien sie verschrien. Noch gefährlicher<br />
sei jedoch die Bahn. „Es kann unter<br />
Umständen lebensverkürzend sein, die<br />
Eisenbahn zu nehmen“, sagt uns Krüger,<br />
der den Transport der Fans zur WM für<br />
schwierig hält.<br />
Zuvor hatte uns der Journalist und Fußballfan<br />
dank seiner Kontakte noch einen<br />
Abstecher nach Soccer City ermöglicht, dem<br />
neu gebauten Stadion am Rande Sowetos<br />
mit 95.000 Plätzen. Das riesige Rund ist<br />
nicht nur in den Farben Afrikas gestaltet,<br />
sondern auch fast fertiggestellt. Nur an den<br />
Außenanlagen werkeln noch Bauarbeiter.<br />
Einen Einblick in <strong>das</strong> Innere des Stadions<br />
erhalten wir nicht, aber dafür einen in den<br />
modernen runden Anbau der South African<br />
Broadcasting Corporation, ausgerüstet für<br />
<strong>Presse</strong> und Fernsehübertragungen. „Ich<br />
hatte nie Zweifel, <strong>das</strong>s die Stadien fertig<br />
werden“, sagt Krüger. Zweifel hat er eher<br />
daran, ob so viele Zuschauer kommen<br />
wie erhofft, ob die ärmeren auch Karten<br />
erhalten wie versprochen, und ob die WM<br />
nachhaltig <strong>das</strong> Land voranbringen kann.<br />
Doch neben einem Aufschwung könne die<br />
WM <strong>das</strong> Land zumindest in einem Punkt<br />
zusammenschweißen, meint er: „Fußball<br />
ist ein sehr afrikanischer Sport. Durch die<br />
Apartheid kam die Trennung – Weiße<br />
spielten Cricket oder Rugby, Schwarze<br />
Fußball. Jetzt, wie bereits zum Confed-Cup,<br />
zeigen zum ersten Mal auch die Weißen<br />
Interesse an Fußball.“<br />
Strenge FIFA-Auflagen<br />
Ausführlich begutachten dürfen wir dagegen<br />
<strong>das</strong> 62.000 Zuschauer fassenden Ellis<br />
Park Stadion, dessen Sponsor die Besucher<br />
gleich mit einem meterhohen rot-weißen<br />
Coca-Cola-Schild begrüßt. Ein Führer<br />
zeigt uns stolz alle Bereiche. Die strengen<br />
Auflagen der Fifa, die <strong>das</strong> Stadion vier<br />
Wochen vor der WM übernimmt, seien<br />
fast erfüllt, sagt er: Wir sehen großzügige<br />
Fluchtwege und viel Platz, im modernisiertes<br />
Stadien-Innenraum rote, teils behindertengerechte<br />
Sitzreihen, dazu die Präsidentensuite,<br />
die „Mandela-Lounge“, und<br />
ein Center für <strong>Presse</strong>konferenzen mit 122<br />
Plätzen. Der Preis für ein normales Liga-<br />
Fußballspiel ist hier mit 20-50 Rand für<br />
die ärmeren Fußballfans noch erschwinglich.<br />
Im strömenden Regen prüfen wir den<br />
Rasen jedoch nur vom Spielfeldrand aus<br />
und steigen stattdessen noch in die trockenen,<br />
wenn auch spartanisch eingerichteten<br />
Umkleidekabinen und Duschräume hinab.<br />
Ein Flug nach Port Elisabeth bringt uns<br />
am nächsten Tag in den Süden des Landes.<br />
Das Stadion, in dem auch die deutsche<br />
Mannschaft spielen wird, sehen wir nur aus<br />
der Ferne und nehmen Kurs auf die Küste.<br />
Zur Rechten die grünen Tsitsikamma-Berge,<br />
deren Bäume in früheren Zeiten viel Holz<br />
lieferten und zum Wohlstand der Region<br />
beitrugen, wie unser Guide Hajo erzählt,<br />
und zur Linken <strong>das</strong> Meer, fahren wir Richtung<br />
Plettenberg Bay. Im Weingut Bramon<br />
berichten uns Besitzer Peter Thorpe sowie<br />
die Marketingchefin der nahen Hog Hollow<br />
Lodge nicht nur von ihren Plänen, den<br />
großen Weingutsbesitzern Konkurrenz zu<br />
machen, sondern auch wie es gelingen<br />
kann, Gewinn mit sozialem Engagement<br />
für die Region zu verbinden.<br />
Die Garden Route und die Geschichte<br />
ihres Namens – den sie von den Seefahrern<br />
erhielt, weil sie sich nach langer Reise im<br />
Garten Eden glaubten – erfahren wir im<br />
Bus. Vorbei an dicht bewaldeten Hügeln<br />
und sandigen Stränden, an den umzäunten<br />
Wochenendvillen auf den einen Hügeln<br />
der Knysna Bucht und den Holzbaracken<br />
auf der anderen, die, wie wir erfahren,<br />
nicht abgerissen werden dürfen. In Süd -<br />
Im bunten Kapstädter Malay-Viertel wohnten einst die Sklaven, die im 17. Jahrhundert aus Asien nach Südafrika gebracht worden waren, und ihre Nachfahren