das magazin 2010 - Frankfurter Presse Club
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70 Südafrika<br />
Fairer reisen<br />
Südafrika wird als Reiseziel immer beliebter. Damit die Natur keinen Schaden<br />
nimmt und die Bevölkerung sinnvoll profitiert, hat die Non-Profit-Organisation<br />
FTTSA ein Zertifizierungssystem für fairen Tourismus entwickelt. Eine weltweit<br />
wegweisende Maßnahme.<br />
Unter Fotografen ist Südafrika schon seit<br />
vielen Jahren ein Geheimtipp. Das wunderbare<br />
Licht und die atemberaubende Landschaft<br />
nutzen Medienmacher aus der ganzen<br />
Welt für Fotoshootings oder Werbefilme.<br />
Südafrika hat sich aber auch zu einem<br />
der beliebtesten Reiseziele auf der ganzen<br />
Welt entwickelt. Die landschaftliche Vielfalt<br />
und der Artenreichtum ziehen jedes<br />
Jahr mehr als acht Millionen Touristen ins<br />
Land. Auf die Besucher warten endlose<br />
weiße Sandstrände, felsige Küsten, spektakuläre<br />
Canyons, Buschsavannen und Regenwälder.<br />
Die andere Seite des Landes ist<br />
die extreme Armut vieler Menschen. Eine<br />
Brücke zwischen diesen Gegensätzen ist<br />
<strong>das</strong> Bestreben Südafrikas, seine Tourismusbranche<br />
in Richtung ökologische und Fair-<br />
Trade-Bedingungen zu dirigieren. Als<br />
Erstes und einziges Land, <strong>das</strong> sich einem<br />
nachhaltigen Tourismus verpflichtet hat.<br />
Erstes Siegel für fairen Tourismus<br />
Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor<br />
Südafrikas. Der Anteil am Bruttosozialprodukt<br />
wird auf mehr als acht Prozent<br />
geschätzt. Ungefähr 450.000 Menschen<br />
arbeiten in der Branche. Um dieses Marktpotenzial<br />
zu erhalten, verzichtet <strong>das</strong> Land<br />
bisher auf schnelles Wachstum im Tourismus.<br />
Massenunterkünfte und Hotelburgen<br />
gibt es bisher noch nicht.<br />
Die Non-Profit-Organisation Fair Trade<br />
in Tourism South Africa (FTTSA) ist die<br />
erste Einrichtung der Welt, die ein Zertifizierungssystem<br />
für „fairen“ Tourismus entwickelt<br />
hat. Sie wurde 2002 gegründet<br />
und vergibt eine Auszeichnung an Hotels,<br />
Pensionen, Museen und andere Touristen -<br />
attraktionen. Alle Bewerber für <strong>das</strong> Siegel<br />
müssen ein aufwendiges Prüfverfahren<br />
FPC10 <strong>das</strong> <strong>magazin</strong><br />
durchlaufen und sich jedes Jahr wieder neu<br />
überprüfen lassen. Die Hog Hollow Lodge<br />
an der Gardenroute gehört dazu und<br />
demonstriert mit dem Siegel eine faire und<br />
verantwortliche Geschäftspraxis.<br />
Frühe Überlegungen<br />
Schon zwei Jahre nach dem Ende der Apart -<br />
heid wurde in einem „white paper“ von<br />
der damaligen Regierung festgehalten, <strong>das</strong>s<br />
Tourismus umweltfreundlich sein und in<br />
hohem Maße der verarmten Bevölkerung<br />
zugutekommen soll. In der nachfolgenden<br />
Aufbauphase Südafrikas trat dieses Ziel<br />
zunächst in den Hintergrund. Erst im Mai<br />
2002 wurden diese Vorsätze wieder aufgegriffen.<br />
Auf der Weltkonferenz für nachhaltige<br />
Entwicklung verkündete der damalige<br />
Umwelt- und Tourismusminister Mohammed<br />
Valli Moosa die Leitlinien für eine verantwortungsvolle<br />
Tourismusentwicklung.<br />
Es war die Geburt des Fair-Trade-Touris -<br />
mus in Südafrika.<br />
Doch erst mit der Anerkennung von<br />
„Fair Trade Tourism“ durch die Vereinten<br />
Nationen rückte <strong>das</strong> Siegel in den Fokus<br />
der Weltöffentlichkeit. Danach konnten<br />
Unternehmen in Südafrika für ökologischen<br />
Tourismus gewonnen werden. Bis<br />
heute schafft die Regierung ständig Anreize,<br />
damit mehr und mehr Firmen, Institutionen<br />
und Organisationen die Inhalte<br />
des fairen Ökotourismus umsetzen.<br />
Rundumpaket für Mensch und Umwelt<br />
Die Leitlinien des fairen Tourismus zielen<br />
auf drei elementare Bereiche. Die Umwelt<br />
zu schonen und zu erhalten, ist die Basis<br />
und ein wichtiger Aspekt, um Touristen<br />
auch in den nächsten Jahren mit der Natur<br />
des Landes zu beeindrucken. Die Auffors -<br />
tung des Waldes gehört in diesen Bereich,<br />
wie auch <strong>das</strong> Ziel, Wildtiere zu schützen<br />
und ihren Lebensraum zu erhalten. Brut -<br />
höhlen für die Pinguine in Boulder sind<br />
nur ein Beispiel für solche Maßnahmen.<br />
Umweltschutz bedeutet aber auch, die natürlichen<br />
Ressourcen bestmöglich zu schonen.<br />
Der Neubau von Golfplätzen wurde<br />
gestoppt, weil die Grünanlagen viel Wasser<br />
brauchen. Unternehmen mit dem Siegel<br />
setzen vorrangig umweltfreundliche Technologien<br />
ein wie Solaranlagen, Energiesparlampen<br />
oder Wärmedämmung an Versorgungsleitungen.<br />
Das soziale Engagement für Menschen<br />
in der Umgebung ist ein weiterer Baustein.<br />
Vor allem die ärmeren Schichten sollen<br />
direkter vom Tourismus profitieren. Sie<br />
haben meistens keinerlei Ausbildung und<br />
deshalb auch kaum Chancen, ihren Lebensunterhalt<br />
zu verdienen oder sich beruflich<br />
zu entwickeln. Zu den Aufgaben eines Betriebes<br />
mit dem Label für fairen Tourismus<br />
gehört es deshalb, Einheimische zu schulen<br />
und nachhaltige Arbeitsplätze für sie zu<br />
schaffen. Grundziele sind auch die Sicherung<br />
fairer Arbeitslöhne und die Schaffung<br />
humaner Arbeitsbedingungen.<br />
Der dritte zentrale Bereich ist die Verbesserung<br />
der vorhandenen Wirtschaftsstrukturen<br />
im Land. Neben dem Umweltschutz<br />
und der Schaffung von Arbeitsplät-<br />
71<br />
zen verpflichten sich die Unternehmen, vor<br />
allem regionale Ressourcen zu nutzen und<br />
beispielsweise Handwerker aus der näheren<br />
Umgebung teilhaben zu lassen oder ihre<br />
Lebensmittel aus dem Umland zu beziehen.<br />
Erste Erfolge<br />
Mit der Etablierung des Labels für fairen<br />
Tourismus gilt Südafrika weltweit als Vorreiter.<br />
Inzwischen hat <strong>das</strong> Land mehr als<br />
fünfzig Unternehmen und Organisationen<br />
vorzuweisen, die hinter dem Konzept stehen.<br />
Dank seines Engagements ist <strong>das</strong> Land<br />
am Kap weltweiter Marktführer. Kapstadt,<br />
im Oktober 2008 als die „grünste Stadt“<br />
der Welt ausgezeichnet, steht nun im Rennen<br />
mit weiteren neun Metropolen und hat<br />
gute Chancen, im Jahr 2020 eines der globalen<br />
Zentren für Nachhaltigkeit zu werden.<br />
Dann sollen zehn Prozent der Haushalte<br />
mit Solarenergie ausgestattet sein und<br />
der gleiche Anteil der städtischen Energieversorgung<br />
aus erneuerbaren Energiequellen<br />
stammen. Die Fußballweltmeisterschaft<br />
<strong>2010</strong> rückt <strong>das</strong> Land am Südzipfel des afrikanischen<br />
Kontinents für ein paar Wochen<br />
in den Fokus der Weltöffentlichkeit.<br />
Zehn Millionen Besucher werden erwartet,<br />
und es bleibt zu hoffen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Land<br />
auch danach seinem Konzept eines fairen<br />
Tourismus treu bleiben kann!<br />
Annette<br />
Bögelein<br />
Freie Journalistin<br />
kontakt@annetteboegelein.de<br />
Ökotourismus<br />
als Job<br />
Helen Turnbull arbeitet seit zwanzig Jahren<br />
in der Tourismusbranche und setzt ihr ganzes<br />
Know-how für den Ökotourismus ein. Mit<br />
drei Gleichgesinnten hat sie <strong>das</strong> Unternehmen<br />
Uluntu gegründet, <strong>das</strong> Reisebüros auf der<br />
ganzen Welt dabei unterstützt, ökologische<br />
Reisen nach Südafrika anzubieten. Uluntu<br />
stellt Touren zusammen, übernimmt die Reservierungen<br />
im Land und stellt Kontakte her.<br />
Helen Turnbull und ihre Mitstreiterinnen verfügen<br />
über einen großen Schatz an Erfahrungen<br />
rund um den ökologischen Tourismus, sie<br />
kennen die Strukturen im Land und können<br />
so ausländischen Reiseagenturen ein wertvoller<br />
Partner sein. Das Ziel: die faire Tourismusbewegung<br />
in Südafrika weltweit zu unterstützen.<br />
www.uluntuafrica.com