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MAGAZIN<br />
ESSAY<br />
Gelten Universitäten gemeinhin als<br />
Hort kritischer gesellschaftlicher<br />
Auseinandersetzungen, blieben die<br />
Hochschulen der DDR zur Wendezeit<br />
überwiegend ruhig.<br />
ZU DEN URSACHEN DER SCHWIERIGKEITEN DES DEUTSCH-<br />
DEUTSCHEN ZUSAMMENWACHSENS<br />
Die Langzeitwirkung<br />
von Diktatur und Teilung<br />
GEORGE TURNER<br />
In der Euphorie um den Fall der Mauer hatten<br />
zu Beginn der neunziger Jahre viele gemeint,<br />
die Angleichung der Lebensverhältnisse in der<br />
früheren DDR an die in der (alten) Bundesrepublik<br />
wäre innerhalb von fünf Jahren nach dem Beitritt<br />
erledigt. Nicht erst heute wissen wir es besser.<br />
Um zu erklären, warum der Zustand im deutschdeutschen<br />
Verhältnis lange nicht befriedigte, muss<br />
man sich die unterschiedlichen Ausgangspositionen<br />
der Menschen vergegenwärtigen.<br />
Das begann mit der sogenannten sozialistischen<br />
Bildung, die auf die Entwicklung eines sozialistischen<br />
Bewusstseins abzielte, das seinerseits als Voraussetzung<br />
für die Aufrechterhaltung der Gesellschaftsordnung<br />
angesehen wurde. Die Auswahl<br />
für weiterführende Schulen, vor allem die Zulassung<br />
zum Hochschulstudium, unter Berücksichtigung<br />
der sozialen Struktur der Bevölkerung, führte<br />
zunächst zu einer Bevorzugung von Arbeiter- und<br />
Bauernkindern. Später spielten die aktive Mitwirkung<br />
an der „Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft“<br />
und die „Bereitschaft zur Verteidigung des<br />
Sozialismus“ eine entscheidende Rolle, womit der<br />
Weg für Funktionärskinder geebnet war.<br />
Diese Selektion der Studierenden erklärt auch,<br />
warum diese von der Wende keineswegs begeistert<br />
waren. Universitäten werden allgemein als Hort<br />
kritischer Auseinandersetzung und als Nährboden<br />
für konkrete Veränderungen betrachtet. Davon<br />
war an den Hohen Schulen in der DDR nichts zu<br />
spüren. Für die zukünftigen Kader bedeutete die<br />
Wende Ungewissheit der persönlichen Zukunft.<br />
68 10/2014 Rotary Magazin