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menschen und werte Von Joachim Gauck bis Maria Furtwängler 6<br />

standort deutschland Berthold Beitz und Krupp –<br />

ein Stück deutsche Industriegeschichte 12<br />

standort deutschland Die Jacobs University in Bremen,<br />

Porträt einer Schule für Weltbürger 18<br />

standort deutschland Werte-Gespräch mit dem Unternehmer<br />

Friedhelm Loh über Leistung, Mut und Gottvertrauen 36<br />

4<br />

„DEUTSCHLAND STEHT IN DER WELT BEISPIELHAFT FÜR<br />

QUALITÄT UND PRÄZISION, FÜR HIGHTECH, KREATIVITÄT<br />

UND LEISTUNGSBEREITSCHAFT.“<br />

renate köcher, institut für demoskopie allensbach<br />

STANDORT DEUTSCHLAND<br />

GEIST<br />

WERTE<br />

no. 3 – 2010<br />

24<br />

Deutschland ist<br />

im Kommen. Mit<br />

gestärkter Wirtschaft.<br />

Voller Ideen<br />

und Tatendrang –<br />

nicht nur in der<br />

Finanz metropole<br />

Frankfurt am Main.<br />

Ein Bericht zur<br />

Lage der Nation.<br />

standort deutschland Warum die Wirtschaft gestärkt aus<br />

der Krise geht und für neue Herausforderungen gut gerüstet ist 24<br />

standort deutschland Interview mit Joachim Häger<br />

über Chancen und Risiken für Deutschlands Wirtschaft 35<br />

menschen hinter marken Die Herrin über Playmobil 42<br />

zwischenruf Professor Harold James über Europa ohne Euro 44<br />

kolumne Deutsche Bank-Chefvolkswirt Thomas Mayer warnt:<br />

„Die Euro-Krise ist noch nicht ausgestanden” 47<br />

interview Wie man mit Kunst Geld verdienen kann 57<br />

engagement Dr. Josef Ackermann über die soziale<br />

Verantwortung von Unternehmen 10<br />

kunst & geld Vier deutsche Kunstkenner im Porträt 48<br />

erfolg Wie Apple zum Mythos wurde 58<br />

standort deutschland Wie Max Schön mit Desertec<br />

Europas Energieprobleme lösen will. Porträt eines Visionärs 60<br />

kolumne Fritz und Franz Keller über den Wert des Essens 64<br />

standort deutschland Die Sportwagen-Manufaktur AMG 66<br />

wertvoll, zeitlos, schön Das Abc der Klassiker 70<br />

verantwortung zeigen Das Engagement der<br />

Deutschen Bank für Kunst, Musik und Gesellschaft 74<br />

GELD<br />

BANK INTERN<br />

GESELLSCHAFT<br />

5<br />

Das WERTE-Titelbild<br />

zeigt drei Panoramen,<br />

die beispielhaft<br />

für den Standort<br />

Deutschland stehen:<br />

den Potsdamer Platz<br />

in Berlin, die Festung<br />

Marienberg bei<br />

Würzburg und die<br />

Küste von Hiddensee.<br />

Der Bericht<br />

zur Lage der Nation<br />

beginnt auf Seite 24.<br />

5 12<br />

VILLA HÜGEL, 1954<br />

Das Direktorium des Krupp-Konzerns hat sich zum Gruppenfoto im<br />

Eingangssaal der Villa Hügel in Essen-Bredeney versammelt. Vorne<br />

links steht Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, rechts neben ihm<br />

Berthold Beitz, sein Generalbevollmächtigter und Vertrauter.<br />

13<br />

HAUS DER<br />

GESCHICHTE<br />

BERTHOLD BEITZ UND KRUPP –<br />

EIN STÜCK DEUTSCHE INDUSTRIEGESCHICHTE<br />

44<br />

WARUM DIE GANZE WELT<br />

DEN EURO BRAUCHT<br />

HAROLD JAMES, PROFESSOR FÜR FINANZ- UND WIRTSCHAFTSGESCHICHTE AN DER<br />

BERÜHMTEN UNIVERSITÄT PRINCETON, SAGT DEM EURO EINE GLÄNZENDE<br />

KARRIERE VORAUS: EIN EUROPA OHNE EURO DARF UND WIRD ES NICHT GEBEN. DENN<br />

DER EURO PRÄGT SCHON HEUTE DIE GELDPOLITIK DER GANZEN WELT.<br />

Eine moderne<br />

Interpretation der Europa –<br />

auf dem Stier in voller Fahrt.<br />

45<br />

Text:<br />

Illustration:<br />

Asien gilt die europäische Gemeinschaft<br />

als Zukunftsmodell.<br />

Der zweite wichtige Beitrag des Euro<br />

ist, dass mit der Einführung der gemeinsamen<br />

Währung ein völlig neues Konzept<br />

der Geldpolitik und der internationalen<br />

Zusammenarbeit konzipiert und umgesetzt<br />

wurde, dessen Bedeutung weit über<br />

die Grenzen der EU hinaus geht.<br />

Die Gründung der europäischen<br />

Währungsunion fand außerhalb der Rahmenbedingungen<br />

eines konventionellen<br />

Staates statt. In den Diskussionen über<br />

den Verbund ging es nicht um die Frage,<br />

wer die neue Währung ausgeben würde,<br />

sondern wie sie ausgestattet sein, welche<br />

Merkmale sie haben müsste – in erster<br />

Linie: wie ihre Stabilität hergestellt und<br />

gesichert werden könnte.<br />

der supranationale charakter<br />

des neuen geldes ist ein wichtiges<br />

Instrument zur Inflationsbekämpfung.<br />

Nationale Währungen können vor allem<br />

in schwachen und unsicheren politischen<br />

Systemen durch nationale wirtschaftliche<br />

oder politische Präferenzen manipuliert<br />

werden.<br />

Die Entstehung einer supranationalen<br />

Währung war so lange nicht möglich,<br />

wie die einzelnen Länder unterschiedliche<br />

Inflationsraten tolerierten, mit anderen<br />

Worten: so lange es keinen Konsens über<br />

die Notwendigkeit einer Anti-Inflations-<br />

Politik gab. Der Prozess der monetären<br />

Integration wurde also begleitet von intensiven<br />

Reflexionen über die Frage, was<br />

Geld eigentlich ist und was es können<br />

sollte.<br />

Deshalb ist auch die Europäische Zentralbank<br />

(EZB) als völlig neuer Typ von<br />

Notenbank konstruiert worden. Zentralbanken<br />

sind entweder die Verwalter von<br />

Staatschulden oder die Garanten für die<br />

Stabilität des Finanzsystems. Die EZB war<br />

weder das eine noch das andere. Sie wurde<br />

stattdessen als eine Art nichtstaatlicher<br />

Institution geschaffen, deren vornehmste<br />

Aufgabe es war, Geld bereitzustellen. Vor<br />

Staatsverschuldung dramatisch ansteigen<br />

würden.<br />

Schon aus diesem Grund ist es schwer<br />

vorstellbar, dass sich gerade die Krisenstaaten<br />

freiwillig aus der Währungsunion<br />

verabschieden könnten. Ohne begleitende<br />

Maßnahmen wie einen Zahlungsaufschub<br />

würden die Schulden (die dann in<br />

der neuen nationalen Währung beglichen<br />

werden müssten) dramatisch ansteigen<br />

und dadurch fatale Schieflagen in den Bilanzen<br />

der verschuldeten Unternehmen<br />

wie des öffentlichen Sektors verursachen.<br />

Für die notleidenden EU-Staaten wäre es<br />

viel besser, genau den entgegengesetzten<br />

Kurs einzuschlagen und eine Umschuldung<br />

ohne Währungswechsel durchzuführen.<br />

sollte allerdings die deutsche<br />

unzufriedenheit weiterwachsen, könnten<br />

notorische Gegner der großen Eurozone<br />

durchaus mit der Idee liebäugeln,<br />

dass sich Deutschland und seine direkten<br />

Nachbarn aus der Gemeinschaftswährung<br />

zurückziehen und einen Nord-Euro<br />

einführen. Der „Nuro“ würde vermutlich<br />

dem Währungsverbund der 1970er Jahre<br />

ähneln. Allerdings müssten die Nuro-<br />

Lander dann auf die Vorteile des breiten<br />

Integrationsprozesses – Handelszuwächse<br />

und vielfältigere Investmentangebote<br />

– verzichten. Wegen dieser positiven<br />

Effekte aber wird das Euro-Modell gerade<br />

jenseits der EU-Grenzen mit großem<br />

Interesse beobachtet. Der Prozess der europäischen<br />

Integration hat längst in anderen<br />

Teilen der Welt den Wunsch nach engerer<br />

Kooperation geweckt. Vor allem in<br />

Lateinamerika, in den Golfstaaten und in<br />

im frühjahr dieses jahres waren viele<br />

Experten und Wirtschaftsjournalisten<br />

fest davon überzeugt, dass die europäische<br />

Gemeinschaftswährung nicht mehr<br />

zu retten sei. Die Krisenstimmung wurde<br />

weiter angefacht, als das Rettungspaket<br />

für Griechenland im Deutschen Bundestag<br />

mit dem Argument vorgestellt wurde,<br />

der Euro sei gefährdet.<br />

Natürlich kann man sich vorstellen,<br />

dass der Euro scheitern könnte. Die aktuelle<br />

Finanzkrise hat bereits ein Klima<br />

von Wirtschaftsnationalismus geschaffen.<br />

Vielen Steuerzahlern gefällt nicht, dass<br />

ihr Geld für die Rettung anderer Staaten<br />

ausgegeben wird.<br />

Auf beiden Seiten sorgen Klischees<br />

und Stereotype für Missverständnisse.<br />

Die Griechen finden mitunter, dass<br />

die Deutschen ohnehin am meisten vom<br />

Euro profitieren, weil er ihnen hohe Exportüberschüsse<br />

verschafft. Die Deutschen<br />

wiederum irritiert die griechische<br />

Sozialpolitik mit ihren – auf den ersten<br />

Blick – unverhältnismäßig großzügigen<br />

Zuwendungen und Regelungen. Auf beiden<br />

Seiten drohen die von Volkes Stimme<br />

immer wieder beschworenen Klischees die<br />

Umsetzung von Reformen, die für die Lebensfähigkeit<br />

des Euro notwendig sind, zu<br />

behindern.<br />

Vergessen wird dabei nur zu leicht,<br />

dass der Euro zwei fundamentale Beiträge<br />

für einen historisch einmaligen Vorgang<br />

abgeliefert hat, der weltweit als europäische<br />

Erfolgsgeschichte gefeiert wird.<br />

Erstens hat der Euro die europäische<br />

Integration vertieft. Das Ende der Währungsschwankungen<br />

hat die Kapitalmärkte<br />

zusammenwachsen lassen. Aber auch<br />

die Regierungen der einzelnen EU-Staaten<br />

konnten erheblich vom Euro profitieren.<br />

Bis 2009 haben niedrige Kreditzinsen die<br />

nationalen Haushaltsbudgets der südeuropäischen<br />

Länder deutlich entlastet. Das<br />

allein war für viele Länder Anreiz genug,<br />

um der Eurozone beizutreten. Ein Ausstieg<br />

würde bedeuten, dass die Kosten der<br />

48<br />

Frieder Burda vor dem<br />

Bild „Amerikanisch-<br />

Mexikanische Grenze<br />

1984“ von Sigmar Polke.<br />

Auch Burdas Museum<br />

in Baden-Baden ist ein<br />

modernes Kunstwerk.<br />

49<br />

Die Sammlung von Frieder Burda, 74, mit weit über 1000 Werken zählt zu den bedeutendsten<br />

Sammlungen zeitgenössischer Malerei weltweit. Neben dem Werk Gerhard<br />

Richters und Sigmar Polkes bilden die abstrakten Expressionisten wie Jackson Pollock<br />

oder Mark Rothko einen weiteren Schwerpunkt. Das im Oktober 2004 in Baden-Baden<br />

eröffnete Museum Frieder Burda, errichtet von dem kalifornischen Stararchitekten Richard<br />

Meier, bezeichnet Burda als „mein Lebenswerk“. Komplett aus eigenen Mitteln finanziert<br />

und unterhalten, schuf er damit ein bis dahin einmaliges Finanzierungsmodell, das<br />

ihm bundesweite Anerkennung als Mäzen und Kunstförderer einbrachte.<br />

Museum Frieder Burda / Lichtentaler Allee 8b / 76530 Baden-Baden / www. museum-frieder-burda.de<br />

VON DER<br />

KUNST<br />

ZU SAMMELN<br />

WERTE porträtiert vier bekannte deutsche<br />

Kunstkenner und geht der Frage nach, ob man mit<br />

Kunst Geld verdienen kann.<br />

Text:<br />

Fotos:<br />

FRIEDER BURDA<br />

„Das Sammeln wird zur Passion, von der man nicht weiß,<br />

wie sie endet. Man muss aufpassen, dass sich daraus nicht<br />

eine Obsession entwickelt.“<br />

DEUTSCHLAND IST ROMANTIK // FESTUNG MARIENBERG, BEI WÜRZBURG // 49°47´23 N, 9°55´17 O<br />

DEUTSCHLAND IST WELTKULTUR // KONZERT AUF DEM GENDARMENMARKT, BERLIN // 52°30´48 N, 13°23´35 O<br />

24<br />

KEIN SCHÖNER LAND<br />

DER STANDORT DEUTSCHLAND GEHT GESTÄRKT AUS DER<br />

WIRTSCHAFTSKRISE. UND ER IST GUT GERÜSTET FÜR NEUE HERAUSFORDERUNGEN.<br />

EIN BERICHT ZUR LAGE DER NATION.<br />

Text:<br />

Fotos:<br />

25<br />

DEUTSCHLAND IST INTERNATIONALES FINANZZENTRUM // BANKENVIERTEL FRANKFURT // 50°6´49 N, 8°40´5 O<br />

DEUTSCHLAND IST NACHHALTIG // BLICK AUF DEN WATZMANN, BERCHTESGADEN // 47°38´N, 13°0´O<br />

DEUTSCHLAND IST GELEBTE TRADITION // OSTSEEBAD HEILIGENDAMM // 54°9´N, 11°51´O<br />

26 27<br />

DAS IST DESERTEC<br />

Ziel der Desertec-Stiftung ist es, in den Wüsten der MENA-Region –<br />

Naher Osten und Nordafrika – mit solarthermischen Kraftwerken (Grafik<br />

oben) und Windparks Strom zu gewinnen, um diese Länder mit Energie<br />

und Wohlstand zu versorgen. Rund 15 Prozent dieser gewonnenen Energie<br />

sollen per Fernleitungen nach Europa transportiert werden. 2050 könnten<br />

so bis zu 25 Prozent des europäischen Strombedarfs aus den Wüsten<br />

gedeckt werden. Unterstützer von Desertec sind unter anderem ABB,<br />

Deutsche Bank, E.ON, Münchener Rück, RWE und Siemens.<br />

61<br />

Text:<br />

Fotos:<br />

MANN<br />

DES<br />

LICHTS<br />

DIE ENERGIEPROBLEME<br />

EUROPAS LÖSEN UND<br />

LICHT NACH AFRIKA<br />

BRINGEN – NICHTS<br />

ANDERES ALS DAS WILL<br />

MAX SCHÖN ERREICHEN.<br />

EIN PORTRÄT DES<br />

UNTERNEHMERS UND DER<br />

STIFTUNG DESERTEC.<br />

auf einmal legt er sich hin, der Ruhelose, alle viere von<br />

sich gestreckt. Unter ihm Wüstensand, um ihn herum 38 Grad<br />

heiße Luft, vor ihm die Lehmhütten eines Tuareg-Dorfs, irgendwo<br />

im Nirgendwo zwischen Sahara und Sahel. Wie im Traum<br />

ziehen Bilder vorbei: Männer holen Wasser in Ledersäcken aus<br />

einem siebzig Meter tiefen Brunnen, Frauen stampfen Hirse in<br />

steinernen Mörsern. Eine alte Frau erinnert sich an den einstigen<br />

Reichtum des Landes – an Giraffen, Antilopen, Löwen, an einen<br />

Fluss und an Regen. Nichts davon ist mehr da.<br />

Max Schön wird wieder Tatmensch, springt auf und verlässt<br />

die hundertsiebzig Quadratmeter Wüste im Klimahaus Bremerhaven.<br />

„Aman iman – Wasser ist Leben“ steht in Leuchtschrift<br />

an der Wand, daneben zeigen Filmaufnahmen Szenen des Dorflebens.<br />

Viele solcher Szenen präsentiert dieser Bau aus Glas und<br />

Stahl: Auf fast zwölftausend Quadratmeter Fläche führt er seine<br />

Besucher durch die Klimazonen der Erde, durch die Wechselwetter<br />

Norddeutschlands, die Gluthitze der Sahelzone und die Eiseskälte<br />

der Antarktis. Schon im ersten Jahr nach der Eröffnung<br />

2009 gingen 800 000 Besucher auf diese Weltreise.<br />

Max Schön tritt sie alle paar Wochen an, im Schlepptau meist<br />

Journalisten, Unternehmer, Politiker. Schließlich gibt es nicht<br />

viele, die sich in Klimafragen besser auskennen als er, zumindest<br />

nicht im Kreis erfolgreicher Unternehmer. Allerdings: Max<br />

Schön, 49, dieser schlaksige Typ mit randloser Brille, wirkt nicht<br />

so ganz wie ein Geschäftsmann. Aber auch nicht wie ein engagierter<br />

Umweltschützer. Und doch ist er beides.<br />

seine idee klingt simpel: Es geht darum, Solarstrom in<br />

Wüstenregionen zu gewinnen und per Fernleitung nach Europa<br />

zu transportieren. Ausgebrütet wurde das Projekt im Rahmen<br />

des Netzwerkes TREC, zu dem der Club of Rome gehört, für<br />

den Max Schön als Präsident in Deutschland fungiert. Mit dem<br />

Hamburger Klimaschutz-Fonds und dem Jordanischen Energieforschungszentrum<br />

startete er 2003 das Projekt und setzte sich<br />

für einen griffigen Markennamen ein, der die englischen Begriffe<br />

für Wüste und Technik verbindet – Desertec. Die wissenschaftlichen<br />

Studien entwickelte das Deutsche Zentrum für Luft- und<br />

Raumfahrt. Im Juli 2009 gelang es, zwölf Unternehmen für die<br />

Industrie-Initiative (Dii GmbH) zu gewinnen, darunter Asea<br />

Brown Boveri (ABB), Deutsche Bank, E.ON, Münchener Rück,<br />

RWE und Siemens. Inzwischen beteiligen sich vierzig Unternehmen,<br />

sie verfolgen das Ziel, fünfzehn Prozent des europäischen<br />

Strombedarfs aus Afrika zu beziehen. Im Jahr 2050 könnte es so<br />

weit sein.<br />

„Wir sind kein Solar- und Windkraftkonzern, sondern Netzwerker<br />

und Wegbereiter“, betont Schön, inzwischen Vorsitzender<br />

des Aufsichtsrats der Desertec-Stiftung, wobei sich schon beim<br />

Stromtransfer via Europa das Problem stellt, unterschiedliche<br />

Kulturen und Interessen unter einen Hut zu bringen. Fünfmal<br />

ist er deshalb nach Afrika gereist. Die vorläufige Erfolgsbilanz<br />

lässt hoffen: „Marokko und Tunesien haben beschlossen, in den<br />

nächsten Jahren Kraftwerke mit Solarthermie, Photovoltaik und<br />

Windkraft zu installieren. Erste Ausschreibungen laufen schon.“<br />

Als Extrabonus zählt für Schön das beschlossene Unterseekabel<br />

36<br />

Friedhelm Loh an seinem Schreibtisch. Das Bild<br />

hinter ihm ist von einem Maler aus der Region.<br />

Es symbolisiert die verschiedenen Firmen unter<br />

dem Dach der Friedhelm Loh Group.<br />

37<br />

WERTE SPRACH MIT DEM UNTERNEHMER FRIEDHELM LOH<br />

ÜBER DEN STANDORT DEUTSCHLAND, ÜBER LEISTUNG, MUT<br />

UND GOTTVERTRAUEN.<br />

„WIR BRAUCHEN<br />

IN DEUTSCHLAND MEHR MENSCHEN<br />

MIT GRÜNDERMENTALITÄT“<br />

6<br />

Dieser Mann hat viel erlebt, viel<br />

erdulden müssen, tatenlos aber war<br />

er nie. Denn er hatte stets ein Ziel<br />

vor Augen – Freiheit.<br />

„Die Rolle des Zuschauers liegt<br />

mir einfach nicht“, sagt Joachim<br />

Gauck, 70, im WERTE-Gespräch.<br />

„Wenn man mit Einschränkungen<br />

aufwächst, versucht man besonders<br />

intensiv, eigene, selbstbestimmte<br />

Wege zu gehen.“ Und das zieht<br />

sich wie ein roter Faden durch sein<br />

ganzes Leben: Als er, der Sohn antikommunistischer<br />

Eltern, Journalist<br />

werden wollte, durfte er das in der<br />

DDR nicht – Gauck studierte Theologie.<br />

Obwohl er gegen das politische<br />

System war, blieb er seiner Heimat<br />

treu, fand seinen Weg in einer Art<br />

Gegenkultur – als Pastor in Rostock.<br />

„An die Freiheit zu glauben, kann<br />

einen im Kern befriedigen“, sagt er,<br />

doch erst ab 1989 erlebte er gelebte,<br />

gestaltende Freiheit – er führte in<br />

Rostock die Bürgerbewegung, war<br />

Abgeordneter in der frei gewählten<br />

Volkskammer und leitete zehn Jahre<br />

lang die Stasi-Unterlagen-Behörde.<br />

Die Freiheit hat er bis heute nie aus<br />

den Augen verloren. Als Vorsitzender<br />

des Vereins „Gegen Vergessen<br />

– für Demokratie“ reist er durch<br />

Deutschland: „Wir alle begreifen das<br />

Glück der Freiheit stärker, wenn wir<br />

uns beteiligen“, sagt er und mahnt,<br />

nie zu vergessen, dass Freiheit auch<br />

eine Verantwortung ist.<br />

EIN REISENDER<br />

IN SACHEN FREIHEIT<br />

UND DEMOKRATIE<br />

Dr. Joachim Gauck<br />

MENSCHEN ÜBER LEISTUNG<br />

UND LEIDENSCHAFT<br />

GESCHICHTEN AUS DER WELT DER MUSIK, DER POLITIK UND DES SPORTS<br />

7<br />

MUSIK IST EIN GRUNDBEDÜRFNIS<br />

FÜR ALLE MENSCHEN<br />

Sir Simon Rattle<br />

Vier Jahre war Sir Simon Rattle alt, als er die Leidenschaft<br />

zur Musik entdeckte: „Ich bekam ein Schlagzeug. Von da<br />

an gab es keinen Tag mehr, an dem ich nicht Musik machte.“<br />

Seit 2002 ist er Chefdirigent und Künstlerischer Leiter der<br />

Berliner Philharmoniker. Und der Brite will die Musik<br />

mit allen Menschen teilen: Im Rahmen der Initiative<br />

„Zukunft@Bphil“ zum Beispiel können jährlich Hunderte<br />

Kinder unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft<br />

Musik machen. Ein anderes Beispiel ist die ebenfalls von<br />

der Deutschen Bank unterstützte digitale Konzerthalle:<br />

Nach Anmeldung unter www.digitalconcerthall.com kann<br />

man die Berliner Philharmoniker an jedem Ort der Welt<br />

hören. „Musik ist kein Luxus“, sagt Rattle, „Musik ist ein<br />

Grundbedürfnis der Menschen.“<br />

„Mit einer guten Idee, einer großen<br />

Portion Risikobereitschaft, viel Glück<br />

und vor allem dank der Kreativität vieler<br />

Menschen habe ich es zu Reichtum gebracht“,<br />

sagt SAP-Mitbegründer Dietmar<br />

Hopp, 70. Und weil er den Menschen<br />

und seiner Heimat etwas zurückgeben<br />

wollte, gründete er vor 15 Jahren eine<br />

Stiftung, die sich für Bildung, Gesundheit<br />

und Sport (u. a. TSG 1899 Hoffen-<br />

„Ich hatte eine schöne und glückliche<br />

Kindheit“, sagt Philipp Lahm. Doch der<br />

Außenverteidiger des FC Bayern München<br />

weiß, dass nicht allen Kindern dieses<br />

Glück vergönnt ist. Nach einem Besuch<br />

der Townships in Südafrika vor drei<br />

Jahren gründete er deshalb die „Philipp<br />

Lahm-Stiftung für Sport und Bildung“.<br />

Sie ermöglicht Kindern Computerkurse<br />

und Schulungen in Werkstätten. „Ich<br />

will Kindern eine Perspek tive bieten“,<br />

heim) engagiert. Besonders stolz aber ist<br />

er auf die Entwicklung des Neugeborenen-<br />

Screenings, das dank seiner Hilfe deutschlandweit<br />

eingesetzt wird: „Bei Neugeborenen<br />

wird ein Tropfen Blut auf seltene<br />

Stoffwechsel- und Hormon störungen<br />

untersucht. So können Krankheiten, die zu<br />

Organschäden, körperlicher oder geistiger<br />

Behinderung oder sogar zum Tod führen,<br />

frühzeitig entdeckt werden.“<br />

so Lahm, dessen Stiftung seit diesem<br />

Jahr auch in Deutschland aktiv ist. Sie<br />

organisierte beispielsweise zwei Sommercamps,<br />

die 160 Kinder besuchten: „Ziel<br />

ist, die Kinder zu stärken – im Sport, bei<br />

der Ernährung und in ihren persönlichen<br />

Fähigkeiten“, sagt der 27-Jährige. „Auch<br />

Werte spielen dabei eine wichtige Rolle:<br />

Die Kinder setzen sich spielerisch mit<br />

Werten auseinander und begreifen dabei,<br />

welche für sie besonders wichtig sind.“<br />

HILFE FÜR ARME KINDER –<br />

IN AFRIKA UND DEUTSCHLAND<br />

Philipp Lahm<br />

STIFTER AUS DANKBARKEIT<br />

Dietmar Hopp<br />

18<br />

PROFESSOR SPRINGER lehrt Zellbiologie mit Laptop und Humor.<br />

PROFESSOR SPRINGER lehrt Zellbiologie mit Laptop und Humor.<br />

19<br />

Text:<br />

Fotos:<br />

EINE SCHULE<br />

FÜR WELTBÜRGER<br />

DIE JACOBS UNIVERSITY IN BREMEN ZEIGT BEISPIELHAFT,<br />

WIE BILDUNG AM STANDORT DEUTSCHLAND SEIN KANN:<br />

MODERN, VERNETZT UND WELTOFFEN, FÜR<br />

MENSCHEN MIT RESPEKT UND VERANTWORTUNG.<br />

JACOBS UNIVERSITY BREMEN<br />

50<br />

KATHRIN WEISHAUPT-THEOPOLD<br />

Andy Warhol hat ihren Großvater porträtiert, der Künstler war ein<br />

gerngesehener Gast auf dem Anwesen der Familie. Kathrin Weishaupt-<br />

Theopold, 33, schrieb über Warhol ihre Magisterarbeit. Fast zwangsläufig<br />

musste es so kommen, dass sie nun der Sammlung vorsteht, die ihr Vater<br />

Siegfried und dessen Frau Jutta in rund 40 Jahren zusammentrugen.<br />

Der Heizungs-Spezialist, dessen Brenner auch die Sixtinische Kapelle<br />

in Rom und das Schloss Neuschwanstein wärmen, sammelt neben Pop<br />

Art und der amerikanischen Farbfeldmalerei insbesondere die konstruktive<br />

und konkrete Kunst. Im November 2007 feierte die Kunsthalle<br />

Weishaupt Eröffnung, unmittelbar neben dem Ulmer Museum, mit dem<br />

es über einen Steg verbunden ist.<br />

„In meinem Kinderzimmer hing ein Keith Haring. An unserem<br />

Esszimmertisch hat er eine Einladungskarte für den Geburtstag<br />

meines Vaters gezeichnet. Wenn man so aufwächst, ist es<br />

eine Selbstverständlichkeit, sich mit Kunst zu beschäftigen.“<br />

Kunsthalle Weishaupt / Hans-und-Sophie-Scholl-Platz 1 / 89073 Ulm /<br />

www.kunsthalle-weishaupt.de<br />

Kathrin Weishaupt-Theopold vor<br />

einem Werk von Max Bill. Die Kunsthistorikerin<br />

leitet das Museum in<br />

Ulm, die Bilder und Plastiken stammen<br />

aus dem Besitz ihrer Familie.<br />

51<br />

Professor Hanstein im Esszimmer<br />

seiner Wasserburg. An der<br />

Wand hängt ein Bild des Malers<br />

Imi Knoebel. Hanstein leitet das<br />

Auktionshaus Lempertz in Köln.<br />

HENRIK HANSTEIN<br />

Professor Henrik Hanstein, 60, leitet in fünfter Generation das<br />

Auktionshaus Lempertz in Köln – es ist das größte in Deutschland<br />

und das weltweit älteste in Familien besitz. So weit wie das<br />

Spektrum der Kunst, die Hanstein als Auktionator versteigert,<br />

ist auch das seiner privaten Sammlung. Von ostasiatischem Porzellan<br />

bis zur zeitgenössischen Fotografie reicht Hansteins Expertise<br />

als Verkäufer – und seine Leidenschaft als Sammler. Auch<br />

wenn er manches Werk, das er unter den Hammer bringt, gern<br />

selbst besäße, muss der Kunde berufsbedingt Vorrang haben.<br />

Wobei es bisweilen vorkommen kann, dass Stücke, die keinen<br />

Käufer finden, am Ende von ihm erworben werden. Sie finden<br />

dann einen Platz in seiner Wohnung oder in seiner Wasserburg<br />

bei Köln.<br />

„Die meisten Sammler spezialisieren sich auf ein bestimmtes<br />

Gebiet oder Genre. Ich dagegen sammle planlos.“<br />

Kunsthaus Lempertz / Neumarkt 3 / 50667 Köln /<br />

www.lempertz.com<br />

OB iPAD, iPOD ODER iPHONE, APPLE SCHAFFT ES IMMER WIEDER, ERFOLGREICH<br />

NEUE MÄRKTE ZU ERSCHLIESSEN UND ANDERE WELTKONZERNE VORZUFÜHREN. DIE ERFOLGS-<br />

GESCHICHTE DES ANGEBISSENEN APFELS – UND WAS SIE MIT DEUTSCHLAND ZU TUN HAT.<br />

Der Aufstieg von Apple scheint unaufhaltsam.<br />

An manchen Börsentagen ist<br />

der US-Konzern mit dem angebissenen<br />

Apfel als Markenzeichen das<br />

zweitwertvollste Unternehmen<br />

der Welt. Es vergeht auch<br />

kaum ein Tag, an dem es<br />

keine Meldungen von irgendeinem<br />

neuen Erfolg<br />

oder Rekord gibt: „Apple<br />

ist Liebling der Medien“,<br />

heißt es da. Oder: „Apple-Konkurrenz<br />

stolpert<br />

dem iPhone hinterher.“<br />

Oder: „Drei Millionen<br />

verkaufte iPads in einer<br />

Woche!“ Oder: „Konzerne<br />

fürchten großes<br />

Zeitungssterben<br />

durch<br />

das iPad.“<br />

Die Welt scheint verrückt<br />

nach Apple zu sein.<br />

Dabei bauen auch andere<br />

Unternehmen<br />

Computer<br />

– und verkaufen auch mehr davon.<br />

Und auch andere Konzerne<br />

haben gute Handys im Programm.<br />

Doch wenn es um Apple und iPod,<br />

um iPad, iPhone und die Computer<br />

iBook und iMac geht, scheint all das<br />

vergessen zu sein.<br />

Marketing-Experten sagen, es liegt an<br />

dem Mythos, den Apple um seine Marke<br />

geschaffen hat. Es ist der Mythos vom<br />

kleinen Rebellen, der gegen die großen<br />

Konzerne wie Dell oder Microsoft aufbegehrt.<br />

Wer einen Apple kauft, der erwirbt<br />

das Gefühl, anders zu sein als<br />

die Masse. „Apple verkauft<br />

nicht einfach Computer,<br />

sondern eine<br />

Identität“,<br />

erklärt<br />

Markus Giesler, der<br />

an der Universität<br />

Toronto Konsumkultur<br />

lehrt. „Der angebissene<br />

Apfel verkörpert einen Wertekanon,<br />

vom Kreativen und<br />

Rebellischen bis hin zur moralischen<br />

Überlegenheit. Apple<br />

hat es geschafft, Menschen<br />

emotional zu binden. Auf diese<br />

Weise macht der Konzern<br />

aus Kunden Verbündete.“<br />

Auch das klare,<br />

oft als edel empfundene<br />

Design spielt<br />

eine Rolle. Wer einen<br />

Apple<br />

besitzt,<br />

zeigt ihn gern. Während<br />

so manch grauer<br />

Computer im Schrank verschwindet,<br />

stellen sich Leute<br />

ihren strahlend weißen iMac<br />

schon mal mitten ins Wohnzimmer.<br />

„Keine andere Marke inspiriert<br />

die Konsumenten so stark wie Apple“,<br />

bestätigt eine Umfrage unter 2000<br />

Marketingprofis weltweit. „Apple ist in<br />

DER iMYTHOS<br />

58 59<br />

diesem Sinne die wirkungsvollste Marke<br />

weltweit – vor Coca-Cola und Nike.“<br />

Dass Design den Erfolg einer Marke<br />

maßgeblich ausmachen kann, ist –<br />

ausnahmsweise – mal keine Erfindung<br />

von Steve Jobs. Die Idee wurde von dem<br />

deutschen Architekten Dieter Rams, einst<br />

Chefdesigner des Elektronikkonzerns<br />

Braun, perfektioniert. Die von Rams entworfenen<br />

Stereoanlagen, Radios, Wecker,<br />

Taschenrechner und Lautsprecher sind<br />

Ikonen deutschen Designs, sie haben einen<br />

festen Platz im Museum of Modern<br />

Art in New York.<br />

Jonathan Ive, Chefdesigner von Apple,<br />

macht auch gar keinen Hehl daraus,<br />

dass er sich am Braun-Design aus dem<br />

Taunus orientiert hat. Einmal schrieb er<br />

Dieter Rams sogar einen Brief, er dankte<br />

ihm und schickte einen iPod mit. „Es<br />

war immer unsere Vorgabe bei Braun,<br />

Dinge so zu gestalten, dass sie leicht begreifbar<br />

sind. Wir haben Wert gelegt auf<br />

Produktgrafik, auf Skalen und Beschriftungen<br />

am Gerät. Das ist auch bei Apple<br />

ganz wesentlich. Nicht das vordergründige<br />

Aufpolieren eines Gerätes, sondern<br />

es gebrauchstauglich zu machen. Firmen,<br />

die Design wirklich ernst nehmen, kann<br />

man an zehn Fingern abzählen. Apple gehört<br />

dazu“, sagt Rams. „Das Design trägt<br />

maßgeblich dazu bei, ein Produkt bekannt<br />

zu machen. Bei Apple haben sie das perfektioniert.“<br />

Steve Jobs hat ein Gespür für neue<br />

Märkte. Als er 2001 den iPod auf den<br />

Markt brachte, gab es schon andere MP3-<br />

Spieler. Aber keiner war so ästhetischschlicht<br />

wie der von Apple. Jobs war es<br />

auch, der früh begriff, dass Menschen mit<br />

einem Handy nicht nur telefonieren, sondern<br />

auch spielen, Musik hören und Bücher<br />

lesen wollen. Sechs Jahre nach dem<br />

iPod folgte sein iPhone. Ein Telefon, das<br />

sich per Fingerstreich bedienen lässt und<br />

das so viele zusätzliche Funktionen hat<br />

wie kein anderes Handy.<br />

Wieder gelang Apple ein Auftritt<br />

auf einem neuen Markt. Wieder war es<br />

ein Angriff auf die etablierten Hersteller.<br />

Palm und Black Berry funktionieren<br />

auch, das iPhone aber macht auch noch<br />

Spaß. Microsoft-Manager, die ein Windows-Handy<br />

nutzen müssen, werden<br />

nicht müde zu betonen, dass ihr Gerät<br />

alles bietet, was ein iPhone auch hat. Es<br />

lässt sie nur nicht cool erscheinen.<br />

In diesem Jahr nun hat Apple zum<br />

dritten Streich angesetzt: Das iPad könnte<br />

das Geschäft mit Büchern, Magazinen und<br />

Zeitungen revolutionieren. In den Medienkonzernen<br />

weltweit wird überlegt, wie<br />

man das gedruckte Wort am besten vom<br />

Papier auf das Pad retten könnte. Technologiekonzerne<br />

liefern sich ein Wettrennen<br />

um das beste Konkurrenzprodukt. Im<br />

Mai 2010, keinen Monat nach der Markteinführung<br />

des iPads in den USA, waren<br />

bereits eine Million Exemplare verkauft.<br />

Apple hatte sich selbst übertrumpft: „Eine<br />

Million iPads in 28 Tagen, das ist nicht<br />

einmal halb so viel wie die 74 Tage, die es<br />

brauchte, um diesen Meilenstein mit dem<br />

iPhone zu erreichen“, jubelte Steve Jobs.<br />

Das iPad scheint mehr als jedes andere<br />

Produkt aus der i-Familie einen hochprofitablen<br />

Markt zu erschaffen: Mehr<br />

als 250 000 Apps, kleine Programme für<br />

iPhone und iPad, gibt es im iTunes-Store<br />

zu kaufen. Man kann mit ihnen in fremden<br />

Städten nach Geldautomaten suchen,<br />

sich beim Binden einer Krawatte helfen<br />

lassen oder bei einer Autopanne via GPS<br />

einen Notruf absetzen. Wann immer<br />

ein App heruntergeladen wird, verbucht<br />

Apple 30 Prozent des Kaufpreises für sich,<br />

70 Prozent gehen an die Entwickler. Einer<br />

Prognose des Marktforschungsinstitutes<br />

Gartner zufolge werden in diesem Jahr<br />

weltweit 6,2 Milliarden Dollar für Apps<br />

ausgegeben, das ist ein Zuwachs von 60<br />

Prozent binnen eines Jahres; in drei Jahren<br />

werden es 29,5 Milliarden Dollar sein.<br />

„Steve Jobs ist gelungen, Apple-Kunden<br />

das Gefühl zu geben, Teil einer Werte-Gemeinschaft<br />

zu sein“, sagt Konsumforscher<br />

Giesler. Jobs hat seine Geräte mit<br />

Werten aufgeladen – das Rebellische, das<br />

Avantgardistische, das Schöne, das Angesagte.<br />

Und so sind sie schließlich auch zu<br />

einem Wert an sich geworden. Wer einen<br />

iMac, ein iBook, iPod, iPhone oder iPad<br />

besitzt, der gehört zu dieser Werte-Gemeinschaft<br />

dazu.<br />

varinia bernau<br />

STEVE JOBS<br />

bei der Weltpräsentation des iPad.<br />

Der Apple-Gründer trägt nie Anzug.<br />

Sein Markenzeichen sind Jeans und Rollkragenpullover.<br />

VON BRAUN ZU APPLE<br />

Das Design von iPod und iMac<br />

(oben rechts) hat verblüffende Ähnlichkeit<br />

mit dem Taschenradio T3 und dem<br />

Lautsprecher LE1 von Braun.<br />

wErtE Seiten aus dem Magazin<br />

52<br />

HARALD FALCKENBERG<br />

2000 Werke in 16 Jahren! Ginge es um einen Wettbewerb im Schnellsammeln,<br />

Harald Falckenberg, 67, zählte zu den Favoriten. Für die Qualität gilt<br />

das genauso. Das Fachorgan „Artnews“ listet die Sammlung Falckenberg<br />

in Hamburg unter die 200 bedeutendsten Kollektionen moderner Kunst<br />

weltweit. Kaum eines der Werke, das er in einem alten Fabrikgelände ausstellt,<br />

ist älter als dreißig Jahre, die meisten Künstler kennt er persönlich.<br />

Er mag das Anarchische, Kunst, die vom Punk inspiriert ist. Und er will, sagt<br />

er lächelnd, „zeigen, dass es auch Alternativen zu Caspar David Friedrich<br />

gibt“. 2007 veröffentlichte er ein Buch über seine Sammelleidenschaft:<br />

„Aus dem Maschinenraum der Kunst“.<br />

„Durch die Kunst will ich etwas in mir aufbrechen.<br />

Wie für den Künstler ist Kunst auch für den Sammler<br />

ein Stück Selbsterfahrung.“<br />

Der Unternehmer<br />

Harald Falckenberg<br />

in „Balthys Zimmer“,<br />

das von Jonathan<br />

Meese gestaltet<br />

worden ist. Falckenberg<br />

ist einer der<br />

größten Sammler<br />

des 1970 geborenen<br />

Künstlers.<br />

Sammlung Falckenberg (Besichtigung nur nach Anmeldung) / Wilstorfer<br />

Straße 71, Tor 2 / 21073 Hamburg-Harburg / www.sammlung-falckenberg.de<br />

53<br />

urfürst August I. von Sachsen, genannt<br />

der Starke, musste im Jahr 1717 eine schwierige Entscheidung<br />

treffen. Sollte er sein stolzes Dragonerregiment behalten, 600<br />

Elitesoldaten hoch zu Ross; oder sollte er sie gegen 151 ostasiatische<br />

Porzellane tauschen, darunter achtzehn einen Meter<br />

hohe Deckelvasen? Friedrich Wilhelm I. von Preußen, genannt<br />

der Soldatenkönig und kein großer Freund der Künste, hatte<br />

bereits Statuen aus dem Lustgarten<br />

zu Kanonenkugeln einschmelzen<br />

lassen und brauchte im Krieg gegen<br />

die Schweden nun dringend weiteres<br />

kampfstarkes Personal. Vetter<br />

August stimmte dem Vorschlag des<br />

Preußen zu und entsandte seine Soldaten.<br />

Friedrich Wilhelm gewann,<br />

errang Pommern und Stettin. Doch<br />

bis heute überlebt haben weder die<br />

Dragoner noch das preußische Reich.<br />

Was hingegen blieb und im Dresdner<br />

Zwinger zu bewundern ist, sind<br />

die Vasen. Wie zum Ausdruck ihres<br />

Sieges über das schnöde Militär heißen<br />

sie seither „Dragonervasen“.<br />

Schwer zu sagen, ob sich August<br />

der Starke letztlich mehr an<br />

dem zarten Porzellan erfreut hat als<br />

Friedrich Wilhelm I. an der Erweiterung seiner Grenzen. Sicher<br />

ist aber, dass der preußische Sieg schnell in Vergessenheit geriet,<br />

während die Kunstsammlung Augusts seit Jahrhunderten den<br />

Ruhm des Monarchen mehrt und Hunderttausende beglückt<br />

hat, die seitdem in die Sammlungen strömten. An dem langfristigen<br />

Wert einer Kunstsammlung, dem Stolz und der Freude,<br />

die sie seinem Besitzer verschafft, hat sich bis heute nichts<br />

geändert.<br />

Der deutsche Kunst- und Sammlermarkt ist dennoch eher<br />

bescheiden geblieben. Von den Top 200 der internationalen<br />

Kunstsammler, zu denen August der Starke seinerzeit wie heute<br />

mit Sicherheit gezählt hätte, entfallen über die Hälfte auf die<br />

USA, gefolgt von Großbritannien, Frankreich und der Schweiz.<br />

Neue Sammler drängen aus China, Russland, Indien und Brasilien<br />

auf den Markt. Das hat historische Gründe. Anders als<br />

in vergleichbaren Ländern, insbesondere den USA, wo die Unternehmerfamilien<br />

Rockefeller oder Frick Kollektionen von<br />

Weltrang besaßen, haben Industrielle hierzulande mit wenigen<br />

Ausnahmen erst recht spät begonnen, Kunst zu sammeln.<br />

Den Beginn umfangreichen Kunsthandels in Deutschland<br />

kann man auf das neunzehnte Jahrhundert<br />

datieren. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss<br />

des Heiligen<br />

Römischen Reiches verlor die<br />

Kirche 1803 den Großteil ihrer Länder<br />

und ihres Besitzes. Viele Klöster<br />

wurden aufgelöst, ihre Kunstschätze<br />

verkauft. Die Werke mittelalterlicher<br />

Kunst, die in ihnen lagerten,<br />

hatten seinerzeit nur geringen Wert.<br />

Als derb und unansehnlich wurden<br />

sie im klassizistischen Zeitalter betrachtet,<br />

und wer wollte, konnte sie<br />

für einen vergleichsweise geringen<br />

Betrag kaufen. Zu den Leuten, die<br />

dies taten, gehörten die Brüder Melchior<br />

und Sulpiz Boisserée aus Köln<br />

sowie die Familie Heberle aus Bonn.<br />

Die Brüder Boisserée verkauften<br />

ihre 215 Tafelgemälde im Jahr 1827 weiter an Ludwig I., König<br />

von Bayern – sie bilden die Basis einer der heute bedeutendsten<br />

Sammlungen Alter Meister, der Alten Pinakothek in München.<br />

A<br />

us der Familie Heberle ging 1845 die Kunsthandlung<br />

Heberle-Lempertz in Bonn hervor, die sich bis heute<br />

zum größten deutschen Auktionshaus entwickelt hat.<br />

Peter Hanstein erwarb es 1875 von der Familie Lempertz, Josef<br />

Hanstein führte das Haus durch die schwierigen Jahre Nachkriegsdeutschlands,<br />

sein Enkel Henrik Hanstein leitet es heute<br />

in fünfter Generation.<br />

In Hansteins Büro in Köln lehnen Grafiken der Klassischen<br />

Moderne neben chinesischen Vasen aus der Tang-Dynastie, die<br />

K<br />

Eine Dragonervase, seit 1717 Symbol für den<br />

Sieg der Kunst über den Krieg. August der Starke, 1720<br />

von Guillaume Coustou in Marmor verewigt.<br />

72<br />

H„Wenn das Pferd zufrieden ist, sind<br />

wir es auch“, heißt es bei Hermès.<br />

Auf diesen Sattel trifft es zu: Der<br />

Sattelbaum besteht aus Karbon,<br />

Polyamiden und Titan, so dass er<br />

ca. 1,5 Kilogramm leichter ist als<br />

traditionelle Sättel. Das dürfte Ross<br />

und Reiter gefallen.<br />

73<br />

Tut man es oder lässt man es? Es ist<br />

keine Gewissensfrage, sondern eine<br />

Frage der Lebensart. Der Handkuss<br />

ruft bei vielen Deutschen – anders<br />

als etwa bei Österreichern, Spaniern<br />

oder Türken – Verunsicherung hervor.<br />

Selbstverständlich ist er nur noch im<br />

Adel und bei Katholiken, wo vom Bischof<br />

bis zum Papst der Kuss auf den<br />

Ring das angezeigte Grüß Gott ist.<br />

Als Angela Merkel 2005 ihren Antrittsbesuch<br />

in Frankreich machte,<br />

begrüßte Präsident Jacques Chirac sie<br />

mit Handkuss – den Fotos nach dürfte<br />

es ihr erster gewesen sein. Inzwischen<br />

streckt sie mit der vom Knigge<br />

geforderten „unverkrampften Gewohnheitsmäßigkeit“<br />

dem polnischen<br />

Präsidenten oder auch schon mal<br />

einem Schüler aus Berlin-Neukölln<br />

die Rechte zum Handkuss hin.<br />

Der Handkuss ist eine Geste, die<br />

nichts kostet und nach dem <strong>Prinz</strong>ip<br />

„kleine Ursache – große Wirkung“<br />

funktioniert. Und wie geht er richtig?<br />

„Der Mann beugt sich so weit hinunter,<br />

bis er einen Abstand von etwa<br />

zwei Zentimetern zum Handrücken<br />

der Dame erreicht hat“, heißt es im<br />

Knigge. „Seine Lippen dürfen ihre<br />

Hand aber keinesfalls berühren.“<br />

Früher begnügten sich Frauen mit<br />

Stöckelschuhen oder Pumps. Klingt<br />

altbacken, seit durch den Almodóvar-<br />

Film „High Heels“ 1991 sowie durch<br />

die weltweit erfolgreiche US-Serie<br />

„Sex and the City“ das Stiletto-<br />

Fieber ausbrach. Die Könige der<br />

High-Heel-Schusterei lassen sich<br />

an einer Hand abzählen, und auch<br />

Männer sollten diese Namen kennen,<br />

falls diese mal in Gesprächen fallen.<br />

Denn: Manolo Blahnik oder Jimmy<br />

Choo nicht zu kennen ist wie in einer<br />

Fußball-Runde zuzugeben, dass man<br />

nicht weiß, wer Lukas Podolski ist.<br />

Die Nummer 1 der Stiletto-Stars<br />

ist seit Jahren Christian Louboutin.<br />

Seine Kreationen, Schuhe mag man<br />

das schon gar nicht mehr nennen,<br />

sind sofort zu erkennen an den roten<br />

Sohlen. Die seien ein Pendant zum<br />

Lippenstift, erklärt Louboutin: „Wie<br />

ein Abschiedskuss, wenn sie auf<br />

schwindelhohen Absätzen davoneilt.“<br />

Die Werke des Pariser Schuhmachers<br />

sind auf dem besten Weg zum Mythos:<br />

Oprah Winfrey huldigte ihnen<br />

eine ganze TV-Sendung lang. Und die<br />

US-Sängerin Jennifer Lopez widmete<br />

den Favoriten aus ihrem Schuhschrank<br />

das Liebeslied „Louboutins“.<br />

Was ist viereckig, wiegt 65 Gramm,<br />

kommt jeden Monat mit einem<br />

neuen Bild auf den Markt und ist seit<br />

1937 ein Must-Have? Das legendäre<br />

Seidentuch von Hermès natürlich,<br />

mit dem sich die Dame von Welt<br />

schmückt, egal ob sie Marilyn Monroe,<br />

Madonna oder Queen Elizabeth<br />

heißt. Noch begehrter sind nur noch<br />

die Mütter aller It-Bags des Familienunternehmens<br />

Hermès: Die „Kelly“<br />

(benannt nach Grace Kelly, die damit<br />

1956 auf einem Titelbild von „Life“<br />

posierte) und die „Birkin-Bag“, 1986<br />

für die Schauspielerin Jane Birkin<br />

entworfen. Trotz des stolzen Preises<br />

ist die Begehrlichkeit für diese<br />

Taschen-Ikonen so groß, dass die<br />

Kundschaft monatelange Wartezeiten<br />

in Kauf nimmt. Victoria Beckham soll<br />

hundert Birkins im Gesamtwert von<br />

1,3 Millionen Euro besitzen.<br />

Urahn Thierry Hermès begann 1837<br />

mit Couture für Pferde: Edelste<br />

Ledersättel und Zaumzeug sind auch<br />

heute noch im Angebot. Seit dreißig<br />

Jahren macht Hermès auch Kleider,<br />

angeblich weil eine Stammkundin<br />

moniert hatte: „Ich habe es satt, dass<br />

mein Pferd besser angezogen ist als<br />

ich.“ Von 2004 bis letzten Sommer<br />

zeichnete Jean-Paul Gaultier verantwortlich<br />

für die Hermès-Kollektion<br />

mit Faltenröcken aus Ponyfell und anderen<br />

Extravaganzen. Gaultier durfte<br />

übrigens auch das Hermès-Hochzeitskleid<br />

für Carla Bruni entwerfen.<br />

handkuss<br />

high heel<br />

hermès<br />

Handkuss zum Antrittsbesuch 2005.<br />

Jacques Chirac überrascht Angela Merkel.<br />

High Heels haben<br />

per Definition<br />

zehn Zentimeter<br />

hohe Absätze, wie<br />

die hier von Christian<br />

Louboutin.<br />

High Heels ha<br />

High Heels ha<br />

per Definition<br />

per Definition<br />

zehn Zentime<br />

zehn Zentime<br />

hohe Absätze<br />

hohe Absätze<br />

die hier von C<br />

die hier von C<br />

tian Loubouti<br />

tian Loubouti<br />

DEUTSCHLAND IST TOR ZUR WELT // FEUERWERK ÜBER DEM HAMBURGER HAFEN // 53°31´18 N, 9°56´18 O<br />

DEUTSCHLAND IST GASTGEBER DER WELT // SONY-CENTER AM POTSDAMER PLATZ, BERLIN // 52°30´36 N, 13°22´25 O<br />

28 29<br />

30<br />

W<br />

er etwas über Deutschlands Stärken lernen will, der<br />

muss Geschichten von außergewöhnlichen Unternehmen<br />

in Erfahrung bringen. Von Firmen, die auf<br />

bestimmten Märkten der Welt ganz vorn sind, weil sie Unmögliches<br />

möglich machen. Von diesen Weltmarktführern gibt es in<br />

Deutschland mehr als 1500, hat Bernd Venohr, Unternehmensberater<br />

und Professor am Institute of Management der FHW<br />

Berlin, ermittelt. „Diese Unternehmen, oft in Familienbesitz, dominieren<br />

Marktnischen weltweit. Sie entwickeln qualitativ hochwertige<br />

Produkte und Dienstleistungen, von der Werkzeugmaschine<br />

über Küchengeräte bis hin zu Software. Das Geheimnis<br />

ihres Erfolges sind ihre enorme Innovationskraft und ein langer<br />

Atem beim Aufbau weltweiter Vertriebs- und Servicenetze und,<br />

wann immer möglich, der direkte Kontakt zu ihren Kunden.“<br />

Einer dieser Weltmarktführer<br />

ist Martin Herrenknecht aus dem<br />

südbadischen Allmannsweier. Der<br />

Sohn eines Polsterers hat sich 1975<br />

mit einem Ingenieurbüro selbständig<br />

gemacht – mit Startkapital, das<br />

er sich von seiner Mutter und seinem<br />

Bruder geliehen hatte. Heute<br />

ist Herrenknecht der König der<br />

Tunnelbohrer. Mit seinen gigantischen<br />

Vortriebsmaschinen macht er<br />

auf der ganzen Welt ehrgeizige Infrastrukturprojekte<br />

überhaupt erst<br />

möglich. Ohne Herrenknechts Erfindungen<br />

hätte die vierte Elbtunnel-Röhre<br />

bei Hamburg vermutlich nie gebaut werden können.<br />

Gleiches gilt für den 57 Kilometer langen Gotthard-Basistunnel<br />

in der Schweiz. Herrenknechts Programm an Tunnelbohrern<br />

deckt Querschnitte von neunzehn Zentimeter bis zwanzig Meter<br />

ab. Rund 90 Prozent dieser Maschinen kommen im Ausland<br />

zum Einsatz, von den 3165 Mitarbeitern arbeiten 500 in China,<br />

wo fünfzehn Prozent des Umsatzes – im vergangenen Jahr 866<br />

Millionen Euro – erwirtschaftet werden.<br />

Auf einem ganz anderen hochspezialisierten Gebiet ist das<br />

Unternehmen Otto Bock HealthCare aus dem niedersächsischen<br />

Duderstadt führend: Keine andere<br />

Firma auf der Welt stellt so viele<br />

innovative Arm- und Beinprothesen<br />

her. Der Weltmarktanteil im<br />

Bereich Technische Orthopädie<br />

liegt bei 60 Prozent! Für das 1919<br />

gegründete Unternehmen Otto<br />

Bock arbeiten rund 4200 Menschen,<br />

sie erwirtschafteten 2009<br />

einen Umsatz von 499,7 Millionen<br />

Euro. Mehr noch als alle wirtschaftlichen<br />

Kennzahlen machen<br />

Eigentümer und Geschäftsführer<br />

Hans Georg Näder die medizinischen<br />

Wunder Freude, die seine Ingenieure immer wieder vollbringen.<br />

So konnte beispielsweise eine Arm- und Handprothese<br />

entwickelt werden, die sich einzig mit Gedanken steuern lässt<br />

– eine medizinische Sensation aus Deutschland, die weltweit Beachtung<br />

und Anerkennung fand.<br />

Ein anderer Weltmarktführer hat seinen Sitz im mittelhessischen<br />

Haiger: Das zur Friedhelm Loh Group gehörende Unternehmen<br />

Rittal ist Lieferant für hochtechnologische Schaltschränke<br />

und Gehäusesysteme für Industrie und IT-Branche.<br />

Wenn man an die weltweit immer enger vernetzte Welt denkt,<br />

wird einem erst bewusst, dass ohne diese Schaltschränke von<br />

Rittal gar nichts mehr funktionieren würde. Denn sie bilden die<br />

elektronischen Knotenpunkte, an denen das ganze System zusammenläuft<br />

– oder wo es seinen Anfang nimmt (mehr zu Friedhelm<br />

Loh und Rittal im WERTE-Gespräch ab Seite 34).<br />

Vielfalt, Erfindungsreichtum, Kre ativität, Wille und Leidenschaft<br />

– das sind die Charakteristika jener Menschen, die mit ih-<br />

Dr. Martin Herrenknecht<br />

aus Allmannsweier ist<br />

Weltmarktführer im Tunnelbau.<br />

Seine Maschinen<br />

sind weltweit im Einsatz.<br />

DEUTSCHLAND IST INDUSTRIESTANDORT // MITTELDEUTSCHE ERDÖL-RAFFINERIE, LEUNA // 51°19´N, 12°1´O<br />

Prof. Hans Georg Näder ist<br />

mit seinem Unternehmen<br />

aus Duderstadt Weltmarktführer<br />

im Hightech-Segment<br />

Technische Orthopädie.<br />

31<br />

ren Unternehmen die Grundlage von Deutschlands Wohlstand<br />

bilden. Sie finden ihre Basis unter anderem auch in der jahrhundertealten<br />

Kultur- und Wertegesellschaft, die der Standort<br />

Deutschland zu bieten hat. Anders als fast alle anderen großen<br />

Industrienationen auf der Welt ist Deutschland außerdem mittelständisch<br />

geprägt. Die Unternehmen sind zu 95 Prozent in<br />

Familienbesitz. Diese industrielle Kompetenz, die über das ganze<br />

Land verstreut ist, ist der Nukleus des deutschen Wohlstandes.<br />

M<br />

an könnte sich auf eine Reise begeben, vom Bodensee<br />

bis nach Oldenburg, von Rosenheim bis ins Saarland.<br />

Überall würde man diese hochspezialisierten Weltmarktführer<br />

finden. „Wenn wir an die deutschen Stärken denken,<br />

dann fallen uns immer die Autos ein“, sagt Hermann Simon,<br />

Professor für Betriebswirtschaftslehre und Autor des<br />

Buches „Hidden Champions“. „Aber kaum einer nimmt wahr,<br />

dass die Welt aus Tausenden von Einzelmärkten für Produkte besteht<br />

und dass diese vor allem von Deutschen hergestellt und<br />

geliefert werden.“ Wer denkt schon über hochwiderstandsfähige<br />

Schrauben nach, mit denen Herrenknecht seine Tunnelvortriebsmaschinen<br />

montiert? Auch die kommen aus Deutschland.<br />

Das deutsche System wird immer mehr zum Vorbild. Im<br />

Ausland sinnt man auf Nachahmung. Frankreich zum Beispiel<br />

will mittelständische Unternehmen stärker fördern. Oder Südkorea:<br />

Das Land hat ein milliardenschweres Mittelstandsprogramm<br />

aufgelegt, um die enorme Abhängigkeit der Volkswirtschaft und<br />

damit des gesellschaftlichen Wohlstands von ein paar Großkonzernen<br />

zu reduzieren. Ob tatsächlich mittelfristig gelingen<br />

kann, was in Deutschland aus einer jahrhundertealten Tradition<br />

erwuchs, ist fraglich. Hierzulande arbeiten über 57 Prozent aller<br />

Beschäftigten im sogenannten Mittelstand. Sie erwirtschaften<br />

gemeinsam rund 41,5 Prozent des Gesamtumsatzes der deutschen<br />

Wirtschaft überhaupt.<br />

Dabei ist Deutschland noch immer ein Industrieland. Und<br />

genau das ist eine weitere dieser spezifischen Stärken, um die uns<br />

selbst die Amerikaner beneiden. Denn in keinem anderen Land<br />

hat die klassische Industrieproduktion auch nur eine annähernd<br />

vergleichbare Bedeutung. Rund 25 Prozent trägt die industrielle<br />

Produktion zur Wirtschaftsleistung bei. Etwa 14,4 Millionen<br />

Beschäftigte und damit mehr als ein Drittel aller Erwerbstätigen<br />

arbeiten indirekt oder direkt für oder in der industriellen<br />

Produktion. Die wiederum umfasst nicht nur Autos, sondern vor<br />

allem Maschinen.<br />

eutschlands Unternehmen rüsten die Fabriken der<br />

ganzen Welt mit Maschinen aus. Sie liefern zum Beispiel<br />

die Produk tionstechnologie, wenn irgendwo auf<br />

der Welt ein Unternehmer beschließt, eine Fabrik zu bauen.<br />

Die Herstellung aller Güter, seien es einfache Gebrauchsgegenstände<br />

oder komplexe Hightech-<br />

Produkte, ist ohne die entsprechenden<br />

Maschinen aus Deutschland mitunter<br />

nicht möglich.<br />

„Hinzu kommt die starke Position<br />

vieler deutscher Firmen bei Konsum-<br />

und Gebrauchsgütern der Premiumklasse.<br />

Vor allem die weltweite Dominanz<br />

von Autoherstellern wie Audi,<br />

BMW und Mercedes trägt zu einem<br />

hervorragenden Image deutscher Produkte<br />

bei der Mittel- und Oberschicht<br />

in den rapide wachsenden Ländern<br />

China und Indien bei“, erklärt Professor<br />

Bernd Venohr. Ein schnelles Ende<br />

dieser starken Nachfrage nach deutschen<br />

Produkten sei seiner Meinung nach nicht erkennbar. Ganz<br />

neue Impulse sieht der Unternehmensberater darüber hinaus in<br />

den Bereichen Erneuerbare Energie und Energie effizienz. „Hier<br />

gibt es nach meinen Erkenntnissen, auch aufgrund weitsichtiger<br />

gesetzlicher Regelungen in Deutschland, mehrere Hundert<br />

Prof. Dr. Bernd Venohr<br />

ist Unternehmensberater,<br />

Wissenschaftler und<br />

Herausgeber des 2011<br />

erscheinenden „Lexikons<br />

der deutschen<br />

Weltmarktführer“.<br />

D<br />

Pages from the magazine<br />

13<br />

<strong>Behnken</strong> & <strong>Prinz</strong> 12 |

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