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"Ohne Filter" Juli 2004 - IG Metall Gaggenau

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OHNE FILTER<br />

- das Ende der<br />

"Welt AG"?<br />

Was so plakativ als "Welt AG" bezeichnet<br />

wird, ist damit jedoch nicht<br />

zu Ende. DaimlerChrysler ist und<br />

bleibt ein global aufgestelltes<br />

Unternehmen. Der Vorstand ist nun<br />

aufgefordert rasch die Optionen für<br />

Asien zu prüfen und eine veränderte<br />

Strategie vorzulegen.<br />

Redaktion: Eine Entscheidung ist ja<br />

gefallen. Waren es wirklich Chaos-<br />

Tage? Wie hast Du den Vorstand erlebt?<br />

Erich Klemm: Man hätte sich den<br />

Entscheidungsprozess zu Mitsubishi<br />

im Vorstand sicherlich anders vorstellen<br />

können. Da lief offenbar nicht alles<br />

rund. Dennoch sollten wir alle froh<br />

sein und auch fordern, dass der<br />

Vorstand in seiner Gänze aus selbstbewussten<br />

und kompetenten Top<br />

Managern besteht, die sich eine<br />

Meinung bilden und diese auch vertreten<br />

können. Ein Vorstand darf bei<br />

aller Personalisierung nicht zu einer<br />

"One Man Show" werden. Ich erwarte,<br />

dass dort manchmal auch sehr<br />

hart um Lösungen gerungen wird.<br />

Das schwächt das Unternehmen<br />

nicht, sondern stärkt es. Das gilt allerdings<br />

nur so lange, wie das Interesse<br />

des Unternehmens im Vordergrund<br />

steht und Meinungsverschiedenheiten<br />

nicht in Machtkämpfe ausarten.<br />

Redaktion: Hat die Abberufung von<br />

Dr. Bernhard mit einem solchen<br />

Machtkampf zu tun?<br />

Erich Klemm: Die Entscheidung zu<br />

Dr. Bernhard hatte einen völlig anderen<br />

Hintergrund. In den letzten<br />

Wochen kamen sowohl beim bisherigen<br />

Chef der Mercedes Car Group,<br />

Herrn Hubbert, als auch bei den<br />

Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat<br />

erhebliche Zweifel auf, ob Dr.<br />

Bernhard die geeignete Persönlichkeit<br />

für eine der wichtigsten<br />

Positionen im Unternehmen ist. Aus<br />

unserer Sicht bestand das erhebliche<br />

Risiko, dass Dr. Bernhard ein blindwütiges<br />

"Aufräumen" beginnt und dabei<br />

keine Rücksicht auf Kultur und<br />

Führungstradition unseres Unternehmens<br />

nehmen wird. Die<br />

Mercedes Car Group braucht eine<br />

starke Führung.<br />

Aber diese Führung darf nicht gegen<br />

alles und jeden in den Krieg<br />

ziehen.<br />

Redaktion: Die öffentliche Kritik an<br />

Jürgen E. Schrempp hat spätestens<br />

mit der letzten Hauptversammlung<br />

sehr stark zugenommen. Nimmt der<br />

Aufsichtsrat das nicht wahr? Warum<br />

stehen die Arbeitnehmervertreter im<br />

Aufsichtsrat so unverbrüchlich zum<br />

Vorstandsvorsitzenden?<br />

Erich Klemm: Wir sollten uns davor<br />

hüten, Sachentscheidungen zu stark<br />

an einzelnen Personen fest zu machen.<br />

Wir unterstützen Herrn<br />

Schrempp nicht , weil uns seine Nase<br />

besonders gut gefällt.<br />

Der Vorstandsvorsitzende steht für<br />

eine bestimmte strategische Positionierung<br />

des Unternehmens, die ich<br />

im Kern voll unterstütze: Die<br />

Konzentration auf das Kerngeschäft<br />

Automobilbau ist für dieses<br />

Unternehmen richtig und notwendig.<br />

Das bedeutet auch Präsenz in allen<br />

wichtigen Automobilmärkten. Der<br />

Zusammenschluss mit Chrysler war<br />

hier ein konsequenter Schritt. Auch<br />

der Weg nach Asien gehört dazu.<br />

Es geht also nicht um Herrn<br />

Schrempp, sondern es geht um den<br />

Weg des Unternehmens. Die alternative<br />

Idee des integrierten Technologiekonzerns<br />

war ja nicht sonderlich<br />

erfolgreich. Auch der Weg einiger anderer<br />

Hersteller ist keine Alternative.<br />

Redaktion: Aber Porsche oder BMW<br />

geht es doch allein sehr gut. Warum<br />

müssen wir unser sauer verdientes<br />

Geld eigentlich immer in andere<br />

Firmen stecken?<br />

Erich Klemm: Der Vergleich mit diesen<br />

beiden Firmen lässt sich höchstens<br />

auf der Ebene der Produkte<br />

sinnvoll ziehen. Der entscheidende<br />

Unterschied ist, dass sich sowohl<br />

Porsche als auch BMW zu erheblichen<br />

Teilen im Besitz von Familien befinden.<br />

Daimler-Benz war das nie und<br />

DaimlerChrysler ist es weiterhin nicht.<br />

Spielball der Börse<br />

Dementsprechend ist die Gefahr, zum<br />

Spielball der Börse zu werden, für uns<br />

viel größer. Das Unternehmen musste<br />

und muss dieser Gefahr aktiv begegnen.<br />

Das hat auch etwas mit Größe zu<br />

tun.<br />

Die Selbstständigkeit des Unternehmens<br />

ist auch für die Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmer von<br />

großer Bedeutung.<br />

Man stelle sich einmal vor, wir wären<br />

das Anhängsel einer Konzernzentrale<br />

in Detroit oder Tokio. Dann müsste die<br />

Presse künftig auf Überschriften wie<br />

"Chaostage in Bullshit Castle" verzichten,<br />

weil es keine bedeutsamen<br />

Vorstands- oder Aufsichtsratssitzungen<br />

mehr gäbe und andere über<br />

uns entscheiden würden.<br />

Dagegen wehren wir uns.<br />

Redaktion: Vielen Dank Erich Klemm<br />

für das interessante Gespräch!<br />

4.Ausgabe <strong>Juli</strong><br />

<strong>2004</strong><br />

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