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NundL 2-2009 - LUGV - Land Brandenburg

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NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 18 (2) <strong>2009</strong> 71<br />

Insekt des Jahres <strong>2009</strong> – Die Gemeine Blutzikade (Cercopis vulnerata)<br />

In diesem Jahr wurde mit der Blutzikade<br />

vom „Kuratorium Insekt des<br />

Jahres” eine allgemein bekannte<br />

und recht weit verbreitete Art zum<br />

„Insekt des Jahres” gekürt. Obwohl<br />

ihr Name zunächst gefährlich klingt,<br />

handelt es sich um eine für den<br />

Menschen oder Tiere völlig harmlose<br />

Art. Wie andere Zikadenarten<br />

saugt die Blutzikade an verschiedenen<br />

Pflanzen und lebt vom Saft aus<br />

deren aufsteigenden Leitungsbahnen<br />

(Xylem). Merklich geschädigt<br />

werden die Pflanzen daher nicht, da<br />

außerdem meist nur einzelne Tiere<br />

an einer Pflanze saugen.<br />

Der deutsche Name der knapp einen<br />

Zentimeter großen Tiere rührt<br />

von der intensiv rot-schwarzen<br />

Musterung der Flügeldecken her.<br />

Gegenüber potenziellen Fressfeinden<br />

symbolisiert die Blutzikade damit<br />

Gefährlichkeit. Dies untersetzt<br />

sie noch durch ein zusätzliches<br />

Warnsignal: Wer auf die rote Warnfarbe<br />

nicht reagiert, bekommt eine<br />

aus den Spitzen der Gliedmaßen<br />

ausgeschiedene, offensichtlich übelriechende,<br />

jedoch ungiftige Flüssigkeit<br />

ab. Diese Kombination von<br />

optischen Warnsignalen in Form<br />

auffälliger Farben mit anderen Abwehrmitteln<br />

ist im Tierreich – vor allem<br />

bei Insekten – nicht selten und<br />

meist sehr wirksam. Doch gibt es<br />

auch Räuber, die dies erkannt haben<br />

und sich bevorzugt von solchen<br />

vermeintlich gut geschützten Tieren<br />

ernähren. Erinnert sei in diesem Zusammenhang<br />

an die intensive Gelb-<br />

Schwarz-Warnfärbung von Bienen<br />

und Wespen, die trotz ihrer Wehrhaftigkeit<br />

auch nicht alle Fressfeinde<br />

abzuschrecken vermag.<br />

Ähnliche warnende, rot-schwarze<br />

Farbmuster wie die Blutzikaden<br />

weisen übrigens auch die Ritterwanzen<br />

(manchmal auch „Blutwanzen”<br />

genannt) oder die zu den<br />

Schmetterlingen gehörenden Blutströpfchen<br />

(Zygaena-Arten) auf.<br />

Die Blutzikade gehört gehört zu den<br />

Schaumzikaden (Aphrophoridae).<br />

Wohl jeder hat schon die meist in<br />

Wiesen zu findenden kleinen<br />

Schaumklümpchen in Blattachseln<br />

verschiedener Pflanzen gesehen.<br />

Bei dieser im Volksmund auch „Kuckucksspeichel”<br />

genannten Bildung<br />

handelt es sich um nichts anderes<br />

als „Nester”, in die die Zikaden ihre<br />

Eier legen und wo schließlich die<br />

Larven schlüpfen. Der klebrige<br />

Schaum schützt sie vor Feinden und<br />

vor Austrocknung. Später leben die<br />

Larven längere Zeit an Wurzeln von<br />

verschiedenen Pflanzen in Wiesen<br />

und Weiden, auf Waldlichtungen<br />

oder an Wegrändern, bevor im<br />

Frühsommer dann die auffallend<br />

gefärbten Imagines erscheinen.<br />

Wie viel Zikaden können auch die<br />

Blutzikaden gut springen, was sie<br />

mitunter noch vor den Fressfeinden<br />

rettet, die weder Färbung noch<br />

Sekret abschrecken konnte. Was<br />

kaum jemand weiß: Auch Blutzikaden<br />

haben eine Art „Gesang”, den<br />

sie mit einem besonderen, am Hinterleib<br />

sitzenden Organ (dem Tymbal)<br />

erzeugen. Für den Menschen<br />

sind diese Geräusche – anders als<br />

bei zahlreichen tropischen und mediterranen<br />

Zikaden – allerdings zu<br />

leise, sehr hochfrequent und daher<br />

nicht wahrnehmbar. Der Gesang<br />

dient in erster Linie dem Anlocken<br />

der Weibchen.<br />

Sowohl die Gemeine Blutzikade als<br />

Abb. 1<br />

Blutzikade<br />

auch weitere, nahe verwandte Arten<br />

befinden sich derzeit im Zusammenhang<br />

mit den klimatischen Veränderungen<br />

in Ausbreitung. Die<br />

meisten Zikadenarten sind mehr<br />

oder weniger wärmeliebend. So ist<br />

Cercopis vulnerata seit einigen Jahren<br />

nördlich bis Dänemark vorgedrungen,<br />

andere vor allem submediterran<br />

verbreitete Arten haben<br />

mittlerweile Teile Süd- und Mitteldeutschlands<br />

sowie andere Länder<br />

Mitteleuropas erreicht. Ähnliche<br />

Entwicklungen lassen sich ja bekanntermaßen<br />

auch bei anderen Insektengruppen<br />

– wie Libellen und<br />

Heuschrecken – verfolgen.<br />

Eines besonderen Schutzes bedürfen<br />

unsere Gemeinen Blutzikaden<br />

wohl nicht, da sie weit verbreitet<br />

und hinsichtlich ihrer Lebensraumansprüche<br />

und der Wirtspflanzen<br />

recht unspezifisch sind. Und wenn<br />

man weiß, was sich hinter den kleinen<br />

Schaumklümpchen an den<br />

Pflanzenstängeln verbirgt, kann<br />

man sie auch beruhigt dort belassen<br />

und sich später an den hübschen<br />

Warnfarben der ausgewachsenen<br />

Tiere erfreuen.<br />

Dr. F. Zimmermann<br />

Foto: W. Klaeber

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