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Eine kurze Einführung in die Elektrodynamik

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<strong>E<strong>in</strong>e</strong> <strong>kurze</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Elektrodynamik</strong><br />

Richard Küng ∗<br />

July 19, 2013<br />

Abstract<br />

Ziel <strong>die</strong>ser Rekapitulation ist es, e<strong>in</strong>en mathematisch angehauchten<br />

Rückblick auf den Vorlesungsstoff der Experimentalphysik II zu werfen.<br />

Besonderes Augenwerk wird dabei auf <strong>die</strong> Maxwellgleichungen gelegt,<br />

welche <strong>die</strong> (theoretische) Grundlage von Elektrostatik und <strong>Elektrodynamik</strong><br />

bilden.<br />

Contents<br />

1 Elektrostatik 2<br />

1.1 Paradebeispiele für elektrische Ladungsverteilungen . . . . . . . . 3<br />

1.1.1 Das elektrische Feld e<strong>in</strong>er Punktladung . . . . . . . . . . 3<br />

1.1.2 Das elektrische Feld e<strong>in</strong>es unendlich langen geraden Drahtes 5<br />

1.1.3 Das elektrische Feld e<strong>in</strong>e homogen geladenen unendlich<br />

großen Fläche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

1.2 Das elektrische Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

2 Magnetostatik 8<br />

2.1 Paradebeispiele für magnetische Stromverteilungen . . . . . . . . 10<br />

2.1.1 Magnetfeld e<strong>in</strong>es unendlich langen Drahtes . . . . . . . . 10<br />

2.1.2 Magnetfeld e<strong>in</strong>er kreisrunden Leiterschleife . . . . . . . . 12<br />

2.2 Das magnetische Vektorpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

3 <strong>Elektrodynamik</strong>: Felder bewegter Ladungen und variabler Ströme 14<br />

3.1 Das Faradaysche Induktionsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

3.1.1 Beispiel: Generator/Elektromotor . . . . . . . . . . . . . 15<br />

3.1.2 Beispiel: Selbst<strong>in</strong>duktion <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Koaxialkabel . . . . . . 17<br />

3.2 Der Maxwell’sche Verschiebungsstrom . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

3.3 Die Maxwell-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

3.3.1 Die Kont<strong>in</strong>uitätsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

∗ e-mail: richard.kueng@physik.uni-freiburg.de<br />

1


1 Elektrostatik<br />

In der Elektrostatik befasst man sich mit statischen (d.h. ruhenden, oder unbewegten)<br />

Ladungsträgern. Die fundamentale Kernfrage hierbei ist:<br />

Ziel: Gegeben e<strong>in</strong>e beliebige statische Ladungsverteilung ρ, berechne das resultierende<br />

elektrische Feld ⃗ E.<br />

Mathematisch ist e<strong>in</strong>e gewisse Ladungsverteilung vollständig durch <strong>die</strong> Ladungsdichte<br />

ρ (x, y, z) mit [ρ] = C/m 3 characterisiert. Diese kann diskret 1 , oder kont<strong>in</strong>uierlich<br />

2 se<strong>in</strong>. Das gesuchte elektrische Feld E ⃗ (x, y, z) lässt sich ebenfalls<br />

mathematisch präzise beschreiben. Dabei handelt es sich um e<strong>in</strong> Vektorfeld 3<br />

im R 3 , welches <strong>in</strong> jedem Punkt <strong>die</strong> auf e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heitsladung wirkende Kraft<br />

wiedergibt. Konket gilt also:<br />

⃗E (x, y, z) = 1<br />

Q test<br />

⃗ F (x, y, z) ∀ (x, y, z) ∈ R 3 , (1)<br />

wobei ⃗ F (x, y, z) <strong>die</strong> Kraft bezeichnet, welche unsere Ladungskonfiguration auf<br />

e<strong>in</strong> Testteilchen mit Ladung Q test im Punkt (x, y, z) ∈ R 3 ausübt. Dieses elektrische<br />

Feld ⃗ E charakterisiert den E<strong>in</strong>fluss e<strong>in</strong>er dazugehörigen Ladungsverteilungen<br />

auf beliebig geladene Teilchen vollständig und ist somit zurecht <strong>die</strong> wichtigste<br />

Größe der Elektrostatik.<br />

Nota Bene: Das elektrische Feld e<strong>in</strong>er Ladungsverteilung ist über <strong>die</strong> auf e<strong>in</strong><br />

weiteres “Testteilchen” wirkende Kraft def<strong>in</strong>iert. Die Tatsache, dass e<strong>in</strong><br />

solches Testteilchen se<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>e elektrische Kraft auf <strong>die</strong> Ladungsverteilung<br />

von Interesse ausübt (actio = reactio) wird dabei jedoch völlig vernachlässigt.<br />

Oft argumentiert man <strong>die</strong>ses Problem weg, <strong>in</strong>dem man sich auf sehr<br />

kle<strong>in</strong>e Testladungen beruft (Q test ≪ 1C), deren E<strong>in</strong>fluss auf <strong>die</strong> statische<br />

Ladungsverteilung folglich sehr ger<strong>in</strong>g ist und somit vernachlässigt<br />

werden kann. Ganz sauber und realistisch ist <strong>die</strong>ses Argument aber offensichtlicherweise<br />

nicht.<br />

Es ist seit langem bekannt, dass das resultierende elektrische Feld e<strong>in</strong>er beliebigen<br />

Ladungsverteilung durch folgende beiden Vektorgleichungen ermittelt<br />

werden kann:<br />

rot ⃗ E = 0, (2)<br />

div ⃗ E = ρ ɛ 0<br />

. (3)<br />

1 E<strong>in</strong> typisches Beispiel für e<strong>in</strong>e diskrete Ladungsverteilung ist e<strong>in</strong>e Konfiguration aus<br />

mehreren räumlich getrennten Punktladungen.<br />

2 Typische Beispiele hierfür s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Kurve (e<strong>in</strong> Draht) mit homogener Längenladungsdichte<br />

λ ([λ] = C/m, oder e<strong>in</strong>e Fläche (Kondensatorplatte) mit homogener Flächenladungsdichte<br />

σ ([σ] = C/m 2 ).<br />

3 Zur Er<strong>in</strong>nerung: E<strong>in</strong> Vektorfeld ⃗ E : R 3 → R 3 ist e<strong>in</strong>e Funktion, welche jedem Punkt<br />

p ∈ R 3 e<strong>in</strong>en Vektor ⃗ E (p) = (E x (p) , E y (p) , E z (p)) ∈ R 3 zuordnet<br />

2


• Die erste Gleichung ist homogen und besagt, dass jedes elektrische Feld<br />

wirbelfrei se<strong>in</strong> muss. Sie ist <strong>die</strong> mathematische Formulierung folgender<br />

empirisch bekannten Tatsache: Elektrische Feldl<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d nie geschlossen.<br />

Sie beg<strong>in</strong>nen stets bei positiven Ladungsträgern und enden stets bei Negativen,<br />

oder im Unendlichen. Mathematisch gesehen ist (2) e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Randbed<strong>in</strong>gung, welche <strong>die</strong> Anzahl der möglichen elektrischen Felder E ⃗<br />

stark e<strong>in</strong>schränkt.<br />

• Die zweite Gleichung ist <strong>in</strong>homogen und verknüpft das gesuchte Feld E ⃗ mit<br />

der zugrundeliegenden Ladungsverteilung ρ. Die Permittivität des Vakuums<br />

ɛ 0 = 8, 854 × 10 −12 As/V m ist e<strong>in</strong>e empirisch bestimmte Naturkonstante.<br />

Diese Gleichung ist kurz und prägnant und extrem flexibel. Tatsächlich<br />

kann man sie über e<strong>in</strong>en beliebigen kompakten Körper V ⊂ R 3<br />

<strong>in</strong>tegrieren und erhält mit dem Satz von Gauss:<br />

˚<br />

˚<br />

1<br />

ρ (x, y, z) dxdydz = divEdxdydz<br />

ɛ ⃗ 0<br />

V<br />

=<br />

V<br />

¨<br />

∂V<br />

= Φ ⃗E (V ) ,<br />

⃗E (x, y, z) d ⃗ A<br />

wobei <strong>die</strong> letzte Zeile den Fluss 4 des Vektorfelds ⃗ E durch den Rand ∂V des<br />

Körpers V bezeichnet. Diese Version von Gleichung (3) ist viel praktischer,<br />

da der Körper V beliebig gewählt werden kann. Insbesondere kann<br />

man ihn daher an <strong>die</strong> Geometrie und Symmetrie der zugrundeliegenden<br />

Ladungsverteilung anpassen. Darüber h<strong>in</strong>aus ist <strong>die</strong>se “<strong>in</strong>tegrale” Form<br />

der Gleichung mathematisch robuster und viel e<strong>in</strong>facher anzuwenden, als<br />

<strong>die</strong> zugrundeliegende Gleichung (3).<br />

1.1 Paradebeispiele für elektrische Ladungsverteilungen<br />

Wir wollen nun den Umgang mit Gleichungen (2) und (3) anhand dreier wichtiger<br />

Beispiele veranschaulichen<br />

1.1.1 Das elektrische Feld e<strong>in</strong>er Punktladung<br />

Hier behandeln wir den e<strong>in</strong>fachsten Fall e<strong>in</strong>er elektrischen Ladungsverteilung:<br />

e<strong>in</strong>e Punktladung mit Ladung q im Vakuum. Wir wollen zudem davon ausgehen,<br />

dass <strong>die</strong>se Ladung positiv ist (ansonsten dreht sich e<strong>in</strong>fach <strong>die</strong> Richtung<br />

des resultierenden Feldes um). Ohne Beschränkung der Allgeme<strong>in</strong>heit können<br />

wir annehmen, dass sich <strong>die</strong>se Punktladung im Ursprung unseres Koord<strong>in</strong>atensystems<br />

bef<strong>in</strong>det. Aus der vollen Rotationssymmetrie <strong>die</strong>ser Ladungsverteilung<br />

4 Zur Er<strong>in</strong>nerung: Der Fluss e<strong>in</strong>es Vektorfeldes E ⃗ durch e<strong>in</strong>e Fläche A ist def<strong>in</strong>iert als<br />

Φ ⃗E (A) = ˜ ⃗ A E (x, y, z) dA ⃗ = ˜A E ⃗ (x, y, z) n (x, y, z) dA, wobei n (x, y, z) den Flächennormalenvektor<br />

von A im Punkt (x, y, z) beschreibt.<br />

3


können wir folgern, dass <strong>die</strong> Stärke des Elektrischen Feldes ∣E ⃗ (x, y, z) ∣ nur<br />

vom jeweiligen Abstand r = √ x 2 + y 2 + z 2 abhängen kann. Die homogene<br />

Gleichung (2) verlangt zusätzlich, dass das Feld E ⃗ wirbelfrei se<strong>in</strong> muss. Dies<br />

ist aber nur möglich, wenn das elektrische Feld radial von der Punktladung<br />

wegzeigt 5 . Konkret gilt also<br />

⃗E (⃗r) ‖ ⃗r, (4)<br />

wobei ⃗r = (x, y, z) ∈ R 3 e<strong>in</strong>en beliebigen Punkt im Raum beschreibt. Diese<br />

Tatsache macht <strong>die</strong> Kugelsymmetrie manifest. Zur Er<strong>in</strong>nerung: Geometrisch<br />

lässt sich <strong>die</strong> Kugel folgendermaßen def<strong>in</strong>ieren: Sie ist das e<strong>in</strong>zige Objekt V ⊂<br />

R 3 , bei dem für jeden Positionsvektor ⃗r ∈ ∂V der Flächennormalenvektor ⃗n (⃗r)<br />

parallel zu ⃗r ist. Wählen wir also als Integrationsvolumen V e<strong>in</strong>e Kugel mit<br />

Radius r um den Ursprung, so können wir aus der Kugeldef<strong>in</strong>ition und (4)<br />

schließen, dass E ⃗ (⃗r) ‖ ⃗n (⃗r) gilt und somit erhalten wir<br />

q<br />

= 1 ˚<br />

ρ (x, y, z) dxdydz<br />

ɛ 0 ɛ 0<br />

=<br />

=<br />

¨<br />

∂V<br />

∂V<br />

V<br />

¨<br />

⃗E (x, y, z) dA ⃗ =<br />

∂V<br />

¨<br />

∣E ⃗ ¨<br />

(x, y, z) ∣ dA ⃗ = E (r) dA<br />

= E (r) 4πr 2 .<br />

⃗E (x, y, z) ⃗n (x, y, z) dA<br />

Somit erhalten wir für <strong>die</strong> Stärke des elektrischen Feldes<br />

E (r) = 1<br />

4πɛ 0<br />

q<br />

r 2<br />

und wegen E ⃗ (⃗r) ‖ ⃗r kennen wir auch <strong>die</strong> Feldrichtung. Komb<strong>in</strong>iert ergeben<br />

<strong>die</strong>se beiden E<strong>in</strong>sichten:<br />

⎛ ⎞<br />

⃗E (x, y, z) = 1 x<br />

q<br />

⎝ y ⎠<br />

4πɛ 0 r 3 ∀ (x, y, z) ∈ R 3 .<br />

z<br />

Für e<strong>in</strong>e explizite Testladung mit Ladung Q test und Position ⃗r = (x, y, z) ∈ R 3<br />

erhalten wir dann folgende resultierende Kraft:<br />

⃗F = 1 qQ test<br />

4πɛ 0 r 3 ⃗r = 1 qQ test<br />

4πɛ 0 |⃗r − ⃗r 0 | (⃗r − ⃗r 0) ,<br />

5 Dies kann z.b. durch e<strong>in</strong>en Widerspruchsbeweis gezeigt werden: Angenommen das Feld<br />

ist nicht radial. Dann lässt es sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e wirbelfreie und e<strong>in</strong>e divergenzfreie Komponente<br />

zerlegen. Letztere ist jedoch per Def<strong>in</strong>ition nicht wirbelfrei, was zu e<strong>in</strong>em Widerspruch mit<br />

Gleichung (2) führt.<br />

∂V<br />

4


wobei wir den Ortsvektor der ursprünglichen Punktladung ⃗r 0 = (0, 0, 0) e<strong>in</strong>geführt<br />

haben. Diese Kraft ist jedoch nichts anderes als <strong>die</strong> wohlbekannte Coulombkraft<br />

zwischen zwei geladenen Teilchen. Allerd<strong>in</strong>gs haben wir <strong>die</strong>ses Kraftgesetz<br />

noch mit ke<strong>in</strong>em Wort erwähnt. Vielmehr folgt es aus Gleichungen (2) und<br />

(3), welche jedoch viel allgeme<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>d.<br />

1.1.2 Das elektrische Feld e<strong>in</strong>es unendlich langen geraden Drahtes<br />

In <strong>die</strong>sem Beispiel wollen wir das elektrische Feld e<strong>in</strong>es unendlich langen homogen<br />

geladenen Drahtes bestimmen. Wir können ohne Beschränkung der Allgeme<strong>in</strong>heit<br />

annehmen, dass <strong>die</strong>ser entlang der z-Achse unseres Koord<strong>in</strong>atensystems<br />

verläuft. Dieser Draht ist dann vollständig durch se<strong>in</strong>e L<strong>in</strong>ienladungsdichte<br />

λ (Ladung pro Meter Länge,[λ] = C/m) def<strong>in</strong>iert, welche positiv oder negativ<br />

se<strong>in</strong> kann. Wir wollen hier annehmen, dass es sich erneut um e<strong>in</strong>e positive<br />

Dichte handelt (für negative Dichten dreht dann e<strong>in</strong>fach wieder das Vorzeichen<br />

<strong>in</strong> unserem Endresultat). Es ist e<strong>in</strong>fach zu sehen, dass <strong>die</strong> Geometrie unsere<br />

Ladungsverteilung voll zyl<strong>in</strong>dersymmetrisch ist. Daraus können wir folgern,<br />

dass <strong>die</strong> Stärke des resultierenden elektrischen Feldes E ⃗ (x, y, z) nur vom Normalabstand<br />

r ⊥ = √ x 2 + y 2 des Punktes zur z-Achse abhängen kann. Umhüllt<br />

man den Draht mit e<strong>in</strong>em Zyl<strong>in</strong>der beliebigen Ausmaßes, so muss das E-Feld ⃗<br />

<strong>in</strong> jedem Mantelpunkt gleich stark se<strong>in</strong>.<br />

Ähnlich wie im vorigen Beispiel, verlangt Gleichung (2) zudem, dass das Feld<br />

<strong>in</strong> jedem Mantelpunkt ⃗r parallel zum Flächennormalenvektor ⃗n (⃗r) der Mantelfläche<br />

se<strong>in</strong> muss. Für <strong>die</strong> Ober und Unterflächen des Zyl<strong>in</strong>ders müssen jedoch<br />

Feldvektoren und Flächennormalvektoren normal zue<strong>in</strong>ander stehen ( E ⃗ ⊥ ⃗n).<br />

Deshalb verschw<strong>in</strong>det der Beitrag <strong>die</strong>ser Flächen zum Gesamtfluss und wir können<br />

sie getrost vernachlässigen. Wählen wir also konkret für unser Volumen V<br />

e<strong>in</strong>en Zyl<strong>in</strong>der mit Radius r und Länge l erhalten wir:<br />

lλ<br />

= 1 ˚<br />

ρ (x, y, z) dxdydz<br />

ɛ 0 ɛ 0<br />

V<br />

¨<br />

¨<br />

= ⃗E (x, y, z) dA ⃗ = ⃗E (x, y, z) ⃗n (x, y, z) dA<br />

⃗<br />

=<br />

=<br />

∂V<br />

¨<br />

Mantel<br />

¨<br />

Mantel<br />

= E (r)<br />

∂V<br />

⃗E (x, y, z) ⃗n (x, y, z) dA +<br />

∣E ⃗ (x, y, z) ∣ dA + 0 + 0<br />

¨<br />

Mantel<br />

= E (r) 2πr,<br />

dA<br />

¨<br />

Boden<br />

⃗E (x, y, z) ⃗n (x, y, z) dA +<br />

¨<br />

Deckel<br />

⃗E (x, y, z) ⃗n (x, y, z) dA<br />

5


wobei wir E (r) := ∣E ⃗ (r) ∣ verwendet haben. Daraus können wir folgern<br />

E (r) = 1 λ<br />

2πɛ 0 r<br />

und wir wissen außerdem, dass <strong>die</strong> Feldrichtung parallel zu den Flächennormalenvektoren<br />

des Zyl<strong>in</strong>dermantels stehen müssen. Dies bedeutet jedoch<br />

⎛ ⎞<br />

⃗E (x, y, z) = 1<br />

x<br />

λ<br />

⎝ y ⎠<br />

2πɛ 0 x 2 + y 2 , (5)<br />

0<br />

da r = √ x 2 + y 2 und ⃗n (x, y, z) = r −1 (x, y, 0) T gelten. Abschließend wollen wir<br />

erwähnen, dass <strong>die</strong>ses Resultat nur für sehr lange (näherungsweise unendlich<br />

lange) Drähte gilt. Dies ist e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>zusehen, da unsere Symmetrieargumente<br />

an den Endpunkten des Drahtes offensichtlich zusammenbrechen und<br />

somit Randeffekte entstehen, welche das elektrische Feld <strong>in</strong> der Nähe der Randpunkte<br />

entscheidend bee<strong>in</strong>flussen. In der Mitte e<strong>in</strong>es nicht allzu<strong>kurze</strong>n Drahtes<br />

– weitab von den Endpunkten – ist Gleichung (5) jedoch e<strong>in</strong>e gute Näherung<br />

für das tatsächliche Feld.<br />

1.1.3 Das elektrische Feld e<strong>in</strong>e homogen geladenen unendlich großen<br />

Fläche<br />

In <strong>die</strong>sem letzten Beispiel wollen wir uns e<strong>in</strong>er ebenen unendlich ausgedehnten<br />

geladenen Fläche widmen. Wir können ohne Beschränkung der Allgeme<strong>in</strong>heit<br />

annehmen, dass <strong>die</strong>se Fläche der xy-Ebene entspricht und durch e<strong>in</strong>e homogene<br />

Ladungsdichte σ (Ladung pro Quadratmeter: [σ] = C/m 2 ) vollständig charakterisiert<br />

wird. Diese Geometrie hat e<strong>in</strong>e vollständige Translationssymmetrie<br />

bezüglich der xy-Ebene: Das resultierende E-Feld ⃗ muss für jedes x und jedes y<br />

gleich se<strong>in</strong> und kann somit nur von z abhängen:<br />

⃗E (x, y, z) = ⃗ E (z) .<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus verlangt Gleichung (2) zusammen mit Gleichung (3), dass das<br />

resultierende Feld parallel zur z-Achse se<strong>in</strong> muss. Somit gilt <strong>in</strong>sbesondere<br />

⃗E (−z) = − ⃗ E (z) ∀z > 0<br />

und es ist von Vorteil, wenn wir für V e<strong>in</strong> beliebiges Volumen parallel zur z-Achse<br />

nehmen, welches von unserer geladenen Ebene <strong>in</strong> der Mitte zweigeteilt wird. Wir<br />

entscheiden uns für e<strong>in</strong>en Zyl<strong>in</strong>der mit Radius r, Höhe z und Mittelpunkt im<br />

6


Koord<strong>in</strong>atenursprung. Dann gilt wegen Gleichung (3)<br />

r 2 πσ<br />

= 1 ˚<br />

ρ (x, y, z) dxdydz<br />

ɛ 0 ɛ 0<br />

=<br />

=<br />

¨<br />

∂V<br />

¨<br />

V<br />

Boden<br />

¨<br />

⃗E (x, y, z) dA ⃗ =<br />

= 0 + E (z/2)<br />

∂V<br />

⃗E (x, y, z) ⃗n (x, y, z) dA +<br />

¨<br />

Deckel<br />

⃗E (x, y, z) ⃗n (x, y, z) dA<br />

dA − E (−z/2)<br />

= E (z/2) r 2 π + E (z/2) r 2 π.<br />

¨<br />

Mantel<br />

¨<br />

Boden<br />

⃗E (x, y, z) ⃗n (x, y, z) dA +<br />

dA<br />

¨<br />

Deckel<br />

Dabei rührt das M<strong>in</strong>uszeichen vorm Boden-Integral vom dazugehörigen Flächennormalenvektor<br />

(0, 0, −1) her. Wir bemerken, dass <strong>die</strong> Feldstärke somit auch<br />

von z unabhängig ist und erhalten mit E ⃗ ‖ ⃗e z<br />

{<br />

σ<br />

⃗E (x, y, z) =<br />

2 ⃗e z für z > 0,<br />

− σ 2 ⃗e z für z < 0.<br />

Dieses elektrische Feld ist stückweise konstant und (fast) völlig ortsunabhängig.<br />

Insbesondere bedeutet <strong>die</strong>s, dass das Feld überall im Raum gleich stark ist und<br />

somit selbst für sehr große Distanzen nicht verschw<strong>in</strong>det. Dass <strong>die</strong>ses Verhalten<br />

unphysikalisch ist, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Nichtsdestotrotz<br />

lassen sich elektrische Felder von endlichen geladenen Ebenen fernab der Ränder<br />

sehr gut durch obige Formel beschreiben. Das gibt <strong>die</strong>sem unrealistischen<br />

Resultat e<strong>in</strong>e nicht zu unterschätzende Relevanz, z.b. beim Berechnen des elektrischen<br />

Feldes von Plattenkondensatoren.<br />

1.2 Das elektrische Potential<br />

Wir wollen nun <strong>die</strong> mathematische Struktur der Gleichungen (2) und (3) etwas<br />

genauer unter <strong>die</strong> Lupe nehmen. Die erste Gleichung ist homogen und lässt<br />

sich als zusätzliche Bed<strong>in</strong>gung an unsere Lösung sehen. Die zweite Gleichung<br />

ist <strong>in</strong>homogen und berücksichtigt sämtliche Informationen über das tatsächliche<br />

System. Von e<strong>in</strong>em mathematischen Blickw<strong>in</strong>kel aus, wäre es daher sehr vorteilhaft<br />

<strong>die</strong> erste Gleichung redundant zu machen und beide Gleichungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

e<strong>in</strong>zigen zu absorbieren. Zu <strong>die</strong>sem Zweck rufen wir uns <strong>die</strong> Formel<br />

rot ⃗ ∇φ (x, y, z) = 0 ∀ (x, y, z) ∈ R 3 (6)<br />

<strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung, welche für beliebige skalare Funktionen φ : R 3 → R gilt. Somit<br />

erlaubt es uns <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> e<strong>in</strong>er skalaren Funktion 6 φ via<br />

⃗E = − ⃗ ∇φ (7)<br />

6 Das M<strong>in</strong>uszeichen <strong>in</strong> Def<strong>in</strong>ition (7) ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> der Physik übliche Konvention.<br />

⃗E (x, y, z) ⃗n (x, y, z) dA<br />

7


tatsächlich, <strong>die</strong> homogene Gleichung (2) redundant 7 zu machen – elektrische<br />

Felder der Form (7) erfüllen sie trivial wegen (6). Setzt man <strong>die</strong>sen Ansatz <strong>in</strong><br />

Gleichung (3) e<strong>in</strong>, so erhalten wir:<br />

1<br />

ρ = div<br />

ɛ ⃗ (<br />

E = div − ⃗ )<br />

∇φ<br />

0<br />

= −∆φ,<br />

wobei ∆ :=<br />

∂2<br />

∂x<br />

+ ∂2<br />

2 ∂y<br />

+ ∂2<br />

2 ∂z<br />

den Laplaceoperator bezeichnet. Mithilfe unseres<br />

Ansatzes haben wir somit <strong>die</strong> beiden Grundgleichungen auf e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige<br />

2<br />

reduziert. Diese Gleichung ist <strong>in</strong> der klassischen Elektrostatik von so großer<br />

Bedeutung, dass sie e<strong>in</strong>en eigenen Namen hat: Die Poisson-Gleichung. Für<br />

sie ist <strong>die</strong> allgeme<strong>in</strong>e Lösung bekannt und man kann somit von e<strong>in</strong>er beliebigen<br />

Ladungsverteilung ρ e<strong>in</strong>deutig auf das dazugehörige elektrische Potential φ<br />

schließen!<br />

Nota bene: Das elektrische Potential φ ist mathematisch gesehen nichts als<br />

e<strong>in</strong> cleveres Hilfskonstrukt um <strong>die</strong> Maxwellgleichungen der Elektrostatik<br />

zu vere<strong>in</strong>en. Physikalisch kommt <strong>die</strong>sem Potential – oder besser der Potentialdifferenz<br />

U 12 := ∆φ 12 = φ (⃗x 1 ) − φ (⃗x 2 ) zwischen zwei Punkten ⃗x 1 und<br />

⃗x 2 – e<strong>in</strong>e sehr reale Bedeutung zu. Tatsächlich ist U 12 ist nichts anderes<br />

als <strong>die</strong> Spannungsdifferenz zwischen den beiden Punkten. Ihre E<strong>in</strong>heit ist<br />

Volt ([U 12 ] = [φ] = V ) und ihr kennt sie bereits gut aus der Mittelschule.<br />

2 Magnetostatik<br />

Die fundamentalen Bauste<strong>in</strong>e der Magnetostatik s<strong>in</strong>d elektrische Ströme I ([I] =<br />

A = C/s), welche e<strong>in</strong> resultierendes Magnetfeld erzeugen. Derartige Ströme<br />

bestehen pr<strong>in</strong>zipiell aus bewegten Ladungsträgern 8 , deshalb ist der Begriff Magnetostatik<br />

auf den ersten Blick irreführend. Statische Ladungsverteilungen s<strong>in</strong>d<br />

gar nicht dazu <strong>in</strong> der Lage Magnetfelder hervorzurufen (es gibt ke<strong>in</strong>e bewegten<br />

Ladungen und somit auch ke<strong>in</strong>e elektrischen Ströme). Allerd<strong>in</strong>gs lassen sich<br />

durchaus statische Ströme def<strong>in</strong>ieren: Wir nennen e<strong>in</strong>en Strom I statisch, falls<br />

se<strong>in</strong>e Stromdichte ⃗j (⃗r, t) <strong>in</strong> jedem Punkt ⃗r ∈ R 3 zeitlich konstant ist:<br />

∂<br />

∂t ⃗ j (⃗r, t) = 0 ∀⃗r ∈ R 3 , ∀t > 0.<br />

] ∣∣ Dabei ist <strong>die</strong> Stromdichte ⃗j (x, y, z) ([∣<br />

⃗j ∣ = A/m 2 ) analog zur Ladungsdichte<br />

ρ (x, y, z) def<strong>in</strong>iert:<br />

¨<br />

I = ⃗jd A, ⃗<br />

A<br />

7 A priori ist Ansatz (7) lediglich h<strong>in</strong>reichend. Tatsächlich ist er aber auch notwendig. Auf<br />

den Beweis <strong>die</strong>ser wichtigen Tatsache wollen wir hier jedoch nicht näher e<strong>in</strong>gehen.<br />

8 Zur Er<strong>in</strong>nerung: Der elektrische Strom ist nichts anderes als e<strong>in</strong> Strom von Elektronen,<br />

welcher durch Kabel geführt wird.<br />

8


Figure 1: Schematischer Zusammenhang zwischen Stromdichte ⃗j und Strom I.<br />

allerd<strong>in</strong>gs ist sie vektoriell. Sie ko<strong>die</strong>rt nämlich Stärke und Richtung des <strong>in</strong>f<strong>in</strong>itesimalen<br />

Stromes. Die Fläche A im obigen Integral bezeichnet den Kabelquerschnitt,<br />

siehe Abbildung 1. Die Magnetostatik verfolgt somit folgendes<br />

Ziel:<br />

Ziel: Gegeben e<strong>in</strong>e beliebige statische Stromverteilung ⃗j, berechne das resultierende<br />

(statische) Magnetfeld ⃗ B.<br />

Das Vektorfeld B ⃗ ist das magnetische Analogon zum elektrischen Feld E. ⃗ Der<br />

Zusammenhang zwischen Kraft und B-Feld ⃗ ist jedoch komplizierter als der zwischen<br />

(Coulomb-) Kraft und E-Feld. ⃗ Er wird durch <strong>die</strong> Lorentzkraft hergestellt<br />

(<br />

⃗F = q ⃗v × B ⃗ )<br />

, (8)<br />

wobei q <strong>die</strong> Ladung e<strong>in</strong>es Testteilchens bezeichnet und ⃗v dessen Geschw<strong>in</strong>digkeit.<br />

Man beachte, dass <strong>die</strong>se Kraft nur auf bewegte Testladungen (⃗v ≠ ⃗0) wirkt.<br />

Somit ist der Begriff Magnetostatik sogar auf doppelte Weise irreführend: man<br />

ermittelt <strong>die</strong> von bewegten Ladungen (Strömen) erzeugte Kraft auf bewegte<br />

Testladungen.<br />

Ähnlich wie <strong>in</strong> der Elektrostatik gibt es auch <strong>in</strong> der Magnetostatik 2 Grundgleichungen:<br />

div ⃗ B = 0, (9)<br />

rot ⃗ B = µ 0<br />

⃗j. (10)<br />

• Die erste Gleichung ist erneut homogen. Sie ist <strong>die</strong> mathematische Formulierung<br />

folgender Tatsache: Es gibt ke<strong>in</strong>e magnetischen Monopole.<br />

Somit können <strong>die</strong> magnetischen Feldl<strong>in</strong>ien nicht bei positiven magnetischen<br />

Monopolen beg<strong>in</strong>nen und bei Negativen enden (magnetische Elementarladungen<br />

sche<strong>in</strong>t es nicht zu geben!) und müssen somit <strong>in</strong> sich<br />

geschlossen se<strong>in</strong>. Mathematisch gesehen ist (9) erneut e<strong>in</strong>e wichtige Randbed<strong>in</strong>gung,<br />

welche <strong>die</strong> Anzahl möglicher B-Felder ⃗ stark e<strong>in</strong>schränkt.<br />

9


• Die zweite Gleichung ist <strong>in</strong>homogen und verknüpft das gesuchte B-Feld ⃗<br />

mit der tatsächlichen statischen Ladungsverteilung ⃗j. Dabei ist <strong>die</strong> magnetische<br />

Feldkonstante µ 0 = 4π × 10 −7 N/A 2 erneut e<strong>in</strong>e empirisch bestimmte<br />

Naturkonstante. Wie ihr elektrisches Analogon (3) ist Gleichung<br />

(10) extrem flexibel und vielseitig e<strong>in</strong>setzbar. Man kann sie zum Beispiel<br />

über e<strong>in</strong>e beliebige kompakte 2-dimensionale Fläche A ⊂ R 3 mit Rand ∂A<br />

<strong>in</strong>tegrieren. Der Satz von Stokes impliziert dann:<br />

¨ ¨<br />

µ 0 I = µ 0<br />

⃗jd A ⃗ = rotBd ⃗ A ⃗<br />

=<br />

A<br />

ˆ<br />

∂A<br />

⃗Bd⃗s,<br />

wobei der letzte Ausdruck das Weg<strong>in</strong>tegral von B ⃗ über <strong>die</strong> Kurve ∂A<br />

(der Rand e<strong>in</strong>er 2D-Fläche kann als Kurve aufgefasst und parametrisiert<br />

werden) bezeichnet. Diese Form der Gleichung (10) ist mathematisch<br />

viel robuster als ihr differentielles Analogon. Außerdem kann <strong>die</strong> Fläche<br />

A beliebig gewählt und somit der Geometrie und Symmetrie konkreter<br />

Aufgabenstellungen angepasst werden.<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> Alternative zu Gleichung (10), stellt das Biot-Savart-Gesetz dar. Dieses<br />

besagt, dass das Magnetfeld B ⃗ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em beliebigen Punkt ⃗r ∈ R 3 gegeben ist<br />

durch<br />

⃗B (⃗r) = µ ˚<br />

0<br />

⃗j (⃗r ′ ⃗r − ⃗r′<br />

) ×<br />

4π<br />

|⃗r − ⃗r ′ | dx′ dy ′ dz ′ , (11)<br />

R 3<br />

wobei ⃗r ′ = (x ′ , y ′ , z ′ ) <strong>die</strong> dreidimensionale Integrationsvariable bezeichnet. Gleichung<br />

(11) ist besonders praktisch, falls man das Magnetfeld B ⃗ nicht global<br />

bestimmen will, sondern nur am Feld <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Punkten <strong>in</strong>teressiert ist.<br />

Für e<strong>in</strong>fache Stromgeometrien ermöglicht es oftmals auch beträchtliche Vere<strong>in</strong>fachungen,<br />

da das Kreuzprodukt <strong>in</strong> (11) oftmals verschw<strong>in</strong>det.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs ist das Biot-Savart-Gesetz ke<strong>in</strong> unabhängiges Gesetz, sondern<br />

kann im Gegenteil aus (9) und (10) hergeleitet werden. Wir wollen darauf<br />

allerd<strong>in</strong>gs nicht weiter e<strong>in</strong>gehen.<br />

2.1 Paradebeispiele für magnetische Stromverteilungen<br />

In <strong>die</strong>sem Abschnitt wollen wir den Umgang mit Gleichungen (9) und (10)<br />

anhand zweier e<strong>in</strong>facher und wichtiger Stromverteilungen üben.<br />

2.1.1 Magnetfeld e<strong>in</strong>es unendlich langen Drahtes<br />

In <strong>die</strong>sem Beispiel betrachten wir erneut e<strong>in</strong>en unendlich langen (unendlich<br />

dünnen) geraden Draht. Dieser soll von e<strong>in</strong>em statischen homogenen Strom<br />

I durchflossen werden. Wir können unser Koord<strong>in</strong>atensystem so wählen, dass<br />

A<br />

10


Figure 2: Schematische Darstellung der magnetischen Feldl<strong>in</strong>ien des unendlich<br />

langen Drahtes. Symmetrie des Problems und Gleichung (9) verlangen, dass<br />

das ⃗ B-Feld entlang derartiger Kreise konstant und tangential liegt.<br />

<strong>die</strong>ser Draht entlang der z-Achse verläuft und der Strom <strong>in</strong> positive z-Richtung<br />

fließt. Diese Geometrie ist vollständig zyl<strong>in</strong>dersymmetrisch und ähnlich wie <strong>in</strong><br />

Beispiel 1.1.2 können wir daraus folgern, dass das resultierende Magnetfeld B ⃗ im<br />

Punkt (x, y, z) nur vom Normalabstand r ⊥ = √ x 2 + y 2 des Punktes zum Draht<br />

abhängen kann und <strong>in</strong>sbesondere unabhängig von z se<strong>in</strong> muss. Deshalb können<br />

wir uns getrost auf <strong>die</strong> xy-Ebene beschränken. Aufgrund der Zyl<strong>in</strong>dersymmetrie<br />

ist es zudem von Vorteil als Integrationsfläche A e<strong>in</strong>e beliebige Kreisscheibe<br />

mit Radius r <strong>in</strong> der xy-Ebene um den Ursprung zu wählen. Dann gilt nämlich<br />

∣B ⃗ (⃗r) ∣ = B (r) = const ∀⃗r ∈ ∂A. Gleichung (9) sagt uns zudem, dass B ⃗ quellenfrei<br />

se<strong>in</strong> muss. Das bedeutet <strong>in</strong>sbesondere, dass B ⃗ <strong>in</strong> ∂A tangential auf <strong>die</strong><br />

Kreiskurve stehen muss:<br />

⎛ ⎞<br />

− s<strong>in</strong> (t)<br />

⃗B ‖ ˙⃗γ (t) = r ⎝ cos (t)<br />

0<br />

⎠ , (12)<br />

wobei ˙γ (t) den Tangentialvektor an <strong>die</strong> Kreiskurve<br />

⎛ ⎞<br />

cos (t)<br />

⃗γ (t) = r ⎝ s<strong>in</strong> (t)<br />

0<br />

⎠<br />

11


(mit |⃗γ (t)| = r) zum Zeitpunkt t ∈ [0, 2π] bezeichnet. Somit erhalten wir mit<br />

der <strong>in</strong>tegralen Form von (10) über <strong>die</strong> Kreisscheibe A<br />

¨ ˆ<br />

µ 0 I = µ 0<br />

⃗jd A ⃗ = ⃗Bd⃗s<br />

=<br />

=<br />

A<br />

ˆ<br />

2π<br />

0<br />

0<br />

∂A<br />

⃗B (⃗γ (t)) ˙⃗γ (t) dt<br />

ˆ2π<br />

∣B ⃗ ˆ2π<br />

(r) ∣ rdt = B (r) r dt<br />

= B (r) 2πr,<br />

wo wir B (r) = ∣B ⃗ (r) ∣ e<strong>in</strong>geführt haben. Die dritte Zeile folgt mit B ⃗ ‖ ˙⃗γ (t) und<br />

∣ ˙⃗γ (t) ∣ = r. Damit kennen wir aber <strong>die</strong> Stärke<br />

B (r) = µ 0I<br />

2πr ,<br />

des ⃗ B-Feldes und dank (12) kennen wir zyden se<strong>in</strong>e Richtung:<br />

0<br />

⃗B (x, y, z) = µ 0I<br />

2πr 2 ˙⃗γ (t)<br />

=<br />

µ 0 I<br />

2π (x 2 + y 2 )<br />

⎛<br />

⎝<br />

−y<br />

x<br />

0<br />

⎞<br />

⎠ ,<br />

wobei wir x = r cos (t) und y = r s<strong>in</strong> (t) (Polarkoord<strong>in</strong>aten) verwendet haben.<br />

2.1.2 Magnetfeld e<strong>in</strong>er kreisrunden Leiterschleife<br />

Hier wollen wir das Magnetfeld e<strong>in</strong>er kreisrunden Leiterschleife mit Radius R im<br />

Kreismittelpunkt – und nur dort – bestimmen. Dabei nehmen wir an, dass der<br />

Strom gegen den Uhrzeigers<strong>in</strong>n fließe. Ohne Beschränkung der Allgeme<strong>in</strong>heit<br />

wählen wir unser Koord<strong>in</strong>atensystem so, dass <strong>die</strong>ser Kreis <strong>in</strong> der xy-Ebene mit<br />

Mittelpunkt im Ursprung liegt. Somit können wir den Draht durch folgende<br />

Kreiskurve<br />

⎛<br />

⃗γ (t) = R ⎝<br />

cos (t)<br />

s<strong>in</strong> (t)<br />

0<br />

mit t ∈ [0, 2π] parametrisieren. Für den Strom gilt dementsprechend ⃗j = I ˙⃗γ (t).<br />

Da wir zudem lediglich am Magnetfeld im Ursprung (⃗r = 0) <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d,<br />

ist es vorteilhaft das Biot-Savart-Gesetz zu verwenden. Für unsere Geometrie<br />

⎞<br />

⎠<br />

12


gilt ⃗r = 0, sowie ⃗r ′ = ⃗γ (t) und somit |⃗r − ⃗r ′ | = |⃗γ (t)| = R. Diese Werte können<br />

wir <strong>in</strong> Gleichung (11) e<strong>in</strong>setzen und erhalten<br />

⃗B (⃗r) = µ ˚<br />

0<br />

⃗j (⃗r ′ ⃗r − ⃗r′<br />

) ×<br />

4π<br />

|⃗r − ⃗r ′ | dx′ dy ′ dz ′<br />

= µ 0I<br />

4π<br />

R 3<br />

= µ 0I<br />

4πR<br />

= µ 0I<br />

4πR<br />

= µ 0I<br />

4πR<br />

ˆ2π<br />

−⃗γ (t)<br />

˙⃗γ (t) ×<br />

R<br />

dt<br />

0<br />

⎛ ⎞<br />

ˆ2π<br />

− s<strong>in</strong> (t)<br />

⎛<br />

⎝ cos (t) ⎠ × ⎝<br />

0<br />

0<br />

⎛<br />

ˆ2π<br />

0<br />

⎞<br />

⎝ 0 ⎠ dt<br />

0 s<strong>in</strong> 2 (t) + cos 2 (t)<br />

⎛ ⎞<br />

0 ˆ2π<br />

⎝ 0 ⎠ dt<br />

1<br />

0<br />

− cos (t)<br />

− s<strong>in</strong> (t)<br />

0<br />

⎞<br />

⎠ dt<br />

= µ 0I<br />

2R ⃗e z.<br />

Hier haben wir verwendet, dass es nur entlang des Kreises mit Radius R e<strong>in</strong>e<br />

nichtverschw<strong>in</strong>dende Stromdiche gibt. Mit unserer Parametrisierung können<br />

wir das Volumen<strong>in</strong>tegral ˝<br />

dx ′ dy ′ dz ′ durch das viel simplere Integral ´ 2π<br />

dt<br />

R 3 0<br />

ersetzen.<br />

Das Magnetfeld e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Kreisschleife ist praktisch von großer Bedeutung<br />

– sie ist das Paradebeispiel e<strong>in</strong>es magnetischen Dipols.<br />

2.2 Das magnetische Vektorpotential<br />

Die beiden Gleichungen (9) und (10) erlauben uns pr<strong>in</strong>zipiell Magnetfelder beliebiger<br />

statischer Ströme zu berechnen. Dabei kommt Gleichung (9) wieder<br />

<strong>die</strong> Bedeutung e<strong>in</strong>er Randbed<strong>in</strong>gung zu. Ähnlich wie beim elektrischen Potential,<br />

können wir sie aber auch durch e<strong>in</strong>en cleveren Ansatz absorbieren. Ausgangspunkt<br />

für e<strong>in</strong>en derartigen mathematischen Trick ist <strong>die</strong> Formel<br />

(<br />

div rotA ⃗ )<br />

(x, y, z) = 0 ∀ (x, y, z) ∈ R 3<br />

welche für beliebige Vektorfelder ⃗ A gilt. Somit ist es s<strong>in</strong>nvoll das Vektorpotential<br />

⃗A des Magnetfeldes ⃗ B über<br />

⃗B = rot ⃗ A (13)<br />

zu def<strong>in</strong>ieren. E<strong>in</strong> derartiges Magnetfeld erfüllt Gleichung (9) per Konstruktion<br />

und für (10) erhalten wir<br />

µ 0<br />

⃗j = rotB ⃗ (<br />

= rot rotA<br />

⃗ )<br />

= ⃗ ∇div ⃗ A − ∆ ⃗ A,<br />

13


wobei wir e<strong>in</strong>e weitere bekannte Vektoridentität verwendet haben. Die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong><br />

e<strong>in</strong>es Vektorpotentials A ⃗ hat es uns somit tatsächlich erlaubt beide<br />

Grundgleichungen der Magnetostatik auf e<strong>in</strong>e Gleichung<br />

µ 0<br />

⃗j = ⃗ ∇div ⃗ A − ∆ ⃗ A (14)<br />

zurückzuführen. Tatsächlich ist der Ansatz (13) allgeme<strong>in</strong> gültig (er ist nicht<br />

nur h<strong>in</strong>reichend, sondern auch notwendig), was wir hier aber nicht zeigen wollen.<br />

Genauso wie das elektrische Potential φ ist das Vektorpotential A ⃗ also nichts<br />

anderes als e<strong>in</strong> netter mathematischer Trick. Im Gegensatz zum elektrischen<br />

Potential, welches e<strong>in</strong>e wichtige physikalische Interpretation hat, ist das Vektorpotential<br />

A ⃗ auch e<strong>in</strong>fach als solcher zu <strong>in</strong>terpretieren. In der klassischen<br />

Physik hat das Vektorpotential tatsächlich ke<strong>in</strong>e direkte physikalische Bedeutung.<br />

Es gibt jedoch durchaus physikalische Phänomene – zum Beispiel der<br />

Aharonov-Bohm-Effekt – welche durch Magnetfelder alle<strong>in</strong> nicht h<strong>in</strong>reichend<br />

erklärt werden können und wofür man das Vektorpotential A ⃗ braucht.<br />

3 <strong>Elektrodynamik</strong>: Felder bewegter Ladungen und<br />

variabler Ströme<br />

In den ersten beiden Kapitel haben wir uns der Elektrostatik und der Magnetostatik<br />

gewidmet. Diese beiden Diszipl<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d auf den ersten Blick völlig<br />

unabhängig vone<strong>in</strong>ander. Dies ist aber nur deshalb so, weil wir uns auf statische<br />

Ladungsverteilungen (Elektrostatik) und zeitlich konstante Ströme (Magnetostatik)<br />

beschränkt haben.<br />

Betrachtet man jedoch den allgeme<strong>in</strong>eren und realistischeren Fall beweglicher<br />

Ladungsträger und variabler Ströme, sieht das allerd<strong>in</strong>gs ganz anders aus. Tatsächlich<br />

s<strong>in</strong>d elektrische und magnetische Felder nichts anderes als 2 Seiten derselben<br />

Medaille und somit sehr stark verknüpft. Historisch gesehen geht <strong>die</strong>ser<br />

Erkenntnis auf führende Experimentalphysiker des frühen 19 Jahrhunderts<br />

3.1 Das Faradaysche Induktionsgesetz<br />

Der wichtigste Zusammenhang zwischen elektrischen Strömen und Magnetfeldern<br />

wurde 1831 empirisch von Michael Faraday, Joseph Henry und Hans Christian<br />

Oersted (jeweils unabhängig vone<strong>in</strong>ander) gefunden. Heute trägt es Faraday’s<br />

Namen und besagt<br />

rot ⃗ E = − ∂ ⃗ B<br />

∂t . (15)<br />

Diese differentielle Gleichung verknüpft <strong>die</strong> zeitliche Änderung e<strong>in</strong>es Magnetfelds<br />

mit e<strong>in</strong>em dadurch <strong>in</strong>duzierten elektrischen Feld – daher der Name. Genau wie<br />

<strong>die</strong> Grundgleichungen der Elektro- und Magnetostatik ist <strong>die</strong>ses Gesetz extrem<br />

flexibel und universell anwendbar. Um das zu zeigen, wollen wir (15) über<br />

14


e<strong>in</strong>e beliebige kompakte 2D-Fläche A <strong>in</strong>tegrieren. Die Grundgleichungen der<br />

Vektoranalysis implizieren dann<br />

− ∂ ∂t Φ B ⃗ (A) = − ∂ ¨ ¨<br />

⃗Bd A<br />

∂t<br />

⃗ = rotEd ⃗ A ⃗<br />

=<br />

ˆ<br />

∂A<br />

A<br />

⃗Ed⃗s,<br />

wobei der letzte Ausdruck e<strong>in</strong> Weg<strong>in</strong>tegral entlang des Randes ∂A der Fläche A<br />

bezeichnet. Für den konkreten Fall e<strong>in</strong>er Fläche, dessen Rand durch e<strong>in</strong>en leitenden<br />

Draht beschrieben wird, ergibt sich folgende physikalische Interpretation<br />

<strong>die</strong>ses L<strong>in</strong>ien<strong>in</strong>tegrals. Wenn wir uns an Formel (7) er<strong>in</strong>nern ( ⃗ E = − ⃗ ∇φ), dann<br />

können wir <strong>die</strong>sen Ausdruck mit e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>duzierten Spannung identifizieren. In<br />

der Tat gilt für zwei beliebige auf der Leiterschleife ∂A sitzende benachbarte<br />

A<br />

Punkte ⃗x 1 und ⃗x 2<br />

U <strong>in</strong>d = φ (⃗x 1 ) − φ (⃗x 2 ) =<br />

ˆ⃗x 2<br />

⃗ Ed⃗s =<br />

ˆ<br />

⃗Ed⃗s<br />

⃗x 1<br />

∂A<br />

wobei wir hier <strong>die</strong> Unabhängigkeit e<strong>in</strong>es Weg<strong>in</strong>tegrals über E ⃗ vom expliziten<br />

Weg (das elektrische Feld ist konservativ) verwendet haben. Damit erhalten<br />

wir <strong>die</strong> bekannte und <strong>in</strong>tuitiv zugängliche Formel<br />

U <strong>in</strong>d = − ∂ ∂t Φ ⃗ B<br />

(A) = − d dt Φ ⃗ B<br />

(A) , (16)<br />

welche für beliebige (geschlossene) Leiterschleifen mit umschlossener Fläche A<br />

gilt. Dabei haben wir verwendet, dass der Fluss Φ ⃗B (A) nur von t abhängt und<br />

somit partielle und gewöhnliche Ableitungen übere<strong>in</strong>stimmen. In Worten: Ändert<br />

sich der magnetische Fluss durch e<strong>in</strong>e Leiterschleife, so wird <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser e<strong>in</strong>e<br />

Spannung <strong>in</strong>duziert. Die Stärke <strong>die</strong>ser Spannung ist proportional zur Flussänderung<br />

und durch (16) gegeben.<br />

Dieser Zusammenhang bildet <strong>die</strong> Grundlage für Stromgeneratoren und Elektromotoren<br />

zugleich. Es muss daher wohl nicht weiter erwähnt werden, wie<br />

wichtig <strong>die</strong>se Erkenntnis für unsere moderne digitale Welt ist.<br />

3.1.1 Beispiel: Generator/Elektromotor<br />

In <strong>die</strong>sem Beispiel wollen wir e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>fachen Generator untersuchen, Abbildung<br />

3. Dieser bestehe aus e<strong>in</strong>em homogenen Magnetfeld der Stärke B 0 <strong>in</strong><br />

x-Richtung. In <strong>die</strong>sem Feld bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong>e entlang der y-Achse drehbare<br />

Leiterspule mit Fläche A, an deren Ende sich Kontakte bef<strong>in</strong>den um etwaige<br />

<strong>in</strong>duzierte Spannung U <strong>in</strong>d abzugreifen. Dreht sich <strong>die</strong>se Leiterschleife nun aufgrund<br />

e<strong>in</strong>er externen mechanischen Kraft, dann verändert sich der magnetische<br />

15


Figure 3: Schematischer Aufbau e<strong>in</strong>es Generators.<br />

Fluss durch A periodisch. Konkret gilt für e<strong>in</strong>e Drehbewegung mit konstanter<br />

W<strong>in</strong>kelgeschw<strong>in</strong>digkeit ω:<br />

¨ ¨<br />

Φ ⃗B (A) (t) = ⃗Bd A ⃗ = ⃗B⃗ndA<br />

=<br />

A<br />

¨<br />

A<br />

B 0<br />

⎛<br />

⎝<br />

1<br />

0<br />

0<br />

A<br />

⎞ ⎛<br />

⎠ ⎝<br />

¨<br />

= B 0 cos (ωt) dA<br />

A<br />

= AB 0 cos (ωt) .<br />

cos (ωt)<br />

0<br />

s<strong>in</strong> (ωt)<br />

⎞<br />

⎠ dxdz<br />

Hier haben wir benützt, dass der Normalenvektor e<strong>in</strong>er Drehbewegung um <strong>die</strong><br />

z-Achse o.B.d.A. durch ⃗n (t) = (cos (ωt) , 0, s<strong>in</strong> (ωt)) T gegeben ist. Somit erhalten<br />

wir e<strong>in</strong>en periodischen Fluss durch <strong>die</strong> Leiterschleife, welcher aufgrund des<br />

Induktionsgesetzes e<strong>in</strong>e Spannung<br />

U <strong>in</strong>d = − ∂ ∂t Φ ⃗ B<br />

(A) = − ˙Φ ⃗B (t)<br />

= −ωAB 0 s<strong>in</strong> (ωt) .<br />

Offenbar produziert unser Generator Wechselspannung mit Amplitude ωAB 0<br />

und Frequenz ω. Das ist allerd<strong>in</strong>gs erst der Anfang.<br />

Unser Generator erzeugt Spannung (potentielle Energie) und wenn wir <strong>die</strong>se<br />

nützen wollen, müssen wir <strong>die</strong> beiden Ausgänge mit e<strong>in</strong>em beliebigen Stromkreis<br />

schließen. In <strong>die</strong>sem kann U <strong>in</strong>d dann für unsere Zwecke konsumiert werden.<br />

Das Pr<strong>in</strong>zip der Energieerhaltung verlangt aber, dass <strong>die</strong>se Energie zunächst<br />

aufgewendet werden muss – und zwar von mechanischer Arbeit, welche aufgewendet<br />

werden muss um <strong>die</strong> konstante Drehbewegung aufrechtzuerhalten.<br />

Mithilfe der Lenz’schen Regel lässt sich <strong>die</strong>ses Phänomen folgendermaßen<br />

erklären: Wird der Stromkreis <strong>in</strong> der Leiterschleife geschlossen, beg<strong>in</strong>nt e<strong>in</strong><br />

16


Strom proportional zu U <strong>in</strong>d zu fließen. Dieser erzeugt se<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong> Magnetfeld,<br />

welchese dem externen Magnetfeld entgegengerichtet ist. Diese beiden<br />

Felder stoßen sich gegenseitig ab und führen so zu e<strong>in</strong>er der Drehbewegung entgegengesetzten<br />

Kraft (Alternativ kann <strong>die</strong>se entgegenwirkende Kraft über auf<br />

den Stromfluss wirkende Lorentzkraft hergeleitet werden). Um <strong>die</strong> konstante<br />

Drehbewegung aufrechtzuerhalten muss daher mechanische Arbeit zugeführt<br />

werden um <strong>die</strong>se Gegenkraft zu kompensieren – das ist das Generatorpr<strong>in</strong>zip:<br />

Mechanische Arbeit (Leistung) wird <strong>in</strong> elektrische Energie (Leistung) umgewandelt.<br />

Nun könnnen wir aber den Apparat umdrehen. Anstatt mechanische Arbeit<br />

zuzuführen, können wir auch e<strong>in</strong>e Wechselspannung U an <strong>die</strong> Leiterschleife<br />

anlegen. Dieser erzeugt – wie zuvor – e<strong>in</strong>e der vorigen Drehbewegung entgegengesetzte<br />

Kraft. Da <strong>die</strong>se anfängliche Drehbewegung jetzt jedoch fehlt, führt<br />

<strong>die</strong>se Kraft dazu, dass sich <strong>die</strong> Leiterschleife (<strong>in</strong> <strong>die</strong> zu oben entgegengesetzte<br />

Richtung) dreht – das ist das Elektromotorpr<strong>in</strong>zip: Elektrische Energie (Leistung)<br />

wird <strong>in</strong> mechanische Arbeit (Leistung) umgewandelt.<br />

Fazit: Generatoren und Elektromotoren s<strong>in</strong>d vom Aufbau her identisch.<br />

3.1.2 Beispiel: Selbst<strong>in</strong>duktion <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Koaxialkabel<br />

In <strong>die</strong>ser Aufgabe widmen wir uns e<strong>in</strong>em weiteren <strong>in</strong>teressanten Phänomen –<br />

der Selbst<strong>in</strong>duktion. Wird e<strong>in</strong> Stromkreis von e<strong>in</strong>em zeitlich variierenden Strom<br />

I (t) durchflossen, so entsteht e<strong>in</strong> zeitabhängiges Magnetfeld B ⃗ (I (t)) welches<br />

wiederum zu e<strong>in</strong>em zeitabhängigen Magnetfluss durch <strong>die</strong> vom Stromkreis aufgespannte<br />

Fläche führen kann. Das Faraday’sche Induktionsgesetz besagt dann,<br />

dass <strong>die</strong>s zu e<strong>in</strong>er zusätzlichen <strong>in</strong>duzierten Spannung im Stromkreis führt. Es<br />

f<strong>in</strong>det also e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressante Rückkopplung statt. Diese Rückkoppelung wollen<br />

wir anhand e<strong>in</strong>es Koaxialkabels besser verstehen.<br />

E<strong>in</strong> derartiges Kabel habe <strong>die</strong> Länge l und bestehe aus zwei zyl<strong>in</strong>derförmigen<br />

Hohlleitern mit Ra<strong>die</strong>n r 1 und r 2 , welche <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander verschachtelt s<strong>in</strong>d (r 1 < r 2 ).<br />

Diese beiden Hohleitern seien am oberen und unteren Ende durch e<strong>in</strong>en Draht<br />

verbunden. Somit entsteht e<strong>in</strong> geschlossener Stromkreis durch den wir nun e<strong>in</strong>en<br />

zeitabhängigen Strom I (t) schicken. Diesen Stromkreis können wir als flach und<br />

rechteckig annehmen. Se<strong>in</strong>e Seiten bestehen aus den beiden Drähten der Länge<br />

r 2 −r 1 und jeweils e<strong>in</strong>em (L<strong>in</strong>ien-) Teilstück des äußeren und <strong>in</strong>neren Hohleiters<br />

mit Länge l. Diese Leiterschleife ist von großer Bedeutung. Tatsächlich ist es<br />

wohlbekannt, dass fließender Strom im Inneren des Koaxialkabels (zwischen den<br />

Hohlzyl<strong>in</strong>dern) e<strong>in</strong> magnetisches Feld<br />

⎛<br />

µ 0 I (t)<br />

⃗B =<br />

⎝ −y<br />

⎞<br />

x ⎠<br />

2π (x 2 + y 2 )<br />

0<br />

erzeugt (vgl. dazu Beispiel 2.1.1). Dabei haben wir angenommen, dass das<br />

Koaxialkabel entlang der z-Achse verläuft. Außerdem wurden <strong>die</strong> Randeffekte<br />

am Ende des Koaxialkabels vernachlässigt. Aufgrund der Rotationssymmetrie<br />

17


des Problems können wir uns auf <strong>die</strong> xz-Ebene beschränken (d.h. y = 0), wo<br />

gilt<br />

⎛ ⎞<br />

⃗B = µ 0<br />

0I (t)<br />

⎝ 1 ⎠ .<br />

2πx<br />

0<br />

Unsere Leiterschleife liegt dann ebenfalls <strong>in</strong> der xy-Ebene und hat somit den<br />

konstanten Flächennormalenvektor ⃗n = (0, 1, 0) T . Insbesondere gilt daher ⃗ B ‖ ⃗n<br />

und wir können den magnetischen Fluss durch <strong>die</strong> von der Leiterschleife aufgespannte<br />

Fläche A leicht berechnen:<br />

Φ ⃗B (A) =<br />

¨<br />

A<br />

⃗Bd ⃗ A =<br />

= µ 0I (t) l<br />

2π<br />

log<br />

ˆl<br />

0<br />

ˆr 2<br />

dl<br />

r 1<br />

(<br />

r2<br />

r 1<br />

)<br />

.<br />

dx µ 0I (t)<br />

2πx<br />

Mithilfe des makroskopischen Faradayschen Induktionsgesetzes folgern wir nun<br />

U <strong>in</strong>d = − ∂ ∂t Φ B(t) ⃗ (A)<br />

= − ∂ ( )<br />

µ 0 I (t) l r2<br />

log<br />

∂t 2π r 1<br />

= − µ ( )<br />

0l<br />

2π log r2 ∂I (t)<br />

r 1 ∂t<br />

= − µ ( )<br />

0l<br />

2π log r2<br />

I ˙ (t) .<br />

r 1<br />

Für zeitlich variable Ströme I (t) f<strong>in</strong>det also tatsächlich Selbst<strong>in</strong>duktion statt.<br />

Diese ist proportional zur Veränderung des Flusses und <strong>die</strong>sem entgegengerichtet.<br />

Dadurch wird <strong>die</strong> ursprüngliche Änderungsrate des Stromflusses gebremst (Dämpfung).<br />

3.2 Der Maxwell’sche Verschiebungsstrom<br />

In <strong>die</strong>sem Kapitel wollen wir uns dem zweiten (und letzten) wichtigen Meilenste<strong>in</strong><br />

der <strong>Elektrodynamik</strong> widmen. Im Gegensatz zum Faraday’schen Induktionsgesetz<br />

und den Gesetzen der Elektro- und Magnetostatik, wurde <strong>die</strong>ser<br />

nicht durch experimentelle Stu<strong>die</strong>n (Empirismus) gefunden, sondern durch theoretische<br />

Deduktion. Es war James Clerk Maxwell, welcher erkannte, dass das<br />

Ampere’sche Gesetz der Magnetostatik (10) nicht stimmen kann. Er postulierte,<br />

dass nicht nur Ströme, sondern auch zeitlich variable elektrische Felder e<strong>in</strong> resultierendes<br />

Magnetfeld hervorrufen können. Konkret korrigierte er (10) zu<br />

rot ⃗ B = µ 0<br />

⃗j + µ 0 ɛ 0<br />

∂ ⃗ E<br />

∂t . (17)<br />

18


Der zweite Ausdruck ist als Maxwell’scher Verschiebungsstrom bekannt. Obwohl<br />

es sich dabei um ke<strong>in</strong>en Strom im eigentlichen S<strong>in</strong>n handelt, verhält er sich völlig<br />

analog.<br />

3.3 Die Maxwell-Gleichungen<br />

Nun s<strong>in</strong>d wir <strong>in</strong> der Lage <strong>die</strong> 4 Grundgleichungen der <strong>Elektrodynamik</strong> kompakt<br />

zu formulieren:<br />

div ⃗ E = ρ ɛ 0<br />

(Gauss’sches Gesetz),<br />

rotB ⃗ ∂E<br />

= µ 0<br />

⃗j + µ 0 ɛ ⃗ 0<br />

∂t<br />

divB ⃗ = 0<br />

rot ⃗ E = − ∂ ⃗ B<br />

∂t<br />

(Ampere’sches Gesetz),<br />

(ke<strong>in</strong>e magn. Monopole),<br />

(Faraday’sche Induktion).<br />

Diese 4 Gleichungen – und ihre Verallgeme<strong>in</strong>erungen für <strong>Elektrodynamik</strong> <strong>in</strong> Materie<br />

– s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Grundpfeiler der <strong>Elektrodynamik</strong> – dem vielleicht vollständigsten<br />

und bestverstandensten Theoriegebilde der Physik. Außerdem fußen <strong>die</strong><br />

wichtigsten Errungenschaften des 20 Jahrhunderts – <strong>die</strong> Relativititätstheorie<br />

und <strong>die</strong> Quantenmechanik – <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Wissenschaft. Erstere entstand aus der kuriosen<br />

Tatsache, dass <strong>die</strong> 4 obigen Gleichungen e<strong>in</strong>e konstante Lichtgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

implizieren. Dies ist jedoch mit der Galileisymmetrie der klassischen Mechanik<br />

nicht vere<strong>in</strong>bar, wo Geschw<strong>in</strong>digkeiten stets additiv s<strong>in</strong>d und somit beliebig groß<br />

werden können. Anstatt wie fast alle se<strong>in</strong>er Zeitgenossen <strong>die</strong>se Anomalie auf e<strong>in</strong><br />

dubioses ruhendes Lichtmedium – den Äther – zu schieben, drehte E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong> den<br />

Spieß um und verwendete <strong>die</strong> Konstanz der Lichtgeschw<strong>in</strong>digkeit als e<strong>in</strong> Grundpostulat<br />

für se<strong>in</strong>e spezielle Relativitätstheorie.<br />

Die Quantenmechanik wurde von Max Planck begründet, der versuchte<br />

<strong>die</strong> Ultraviolettkatastrophe im Emissionspektrum schwarzer Strahler zu lösen.<br />

Dabei erkannte er, dass Energie nicht kont<strong>in</strong>uierlich ist, sondern <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en<br />

diskreten Paketen (von der Größe des Planck’schen Wirkumsquantums h) kommt.<br />

Diese “Quantisierung von Energie” führte im weiteren Verlauf zur Theorie der<br />

Quanten (Quantenmechanik).<br />

3.3.1 Die Kont<strong>in</strong>uitätsgleichung<br />

Zum Abschluss wollen wir <strong>die</strong> Maxwell-Gleichungen dazu verwenden e<strong>in</strong>e weitere<br />

grundlegende Gleichung herzuleiten - <strong>die</strong> Kont<strong>in</strong>uitätsgleichung. Diese besagt<br />

div⃗j + ∂ρ<br />

∂t = 0 (18)<br />

und entspricht salopp gesprochen folgender Regel gesunden Menschenverstands:<br />

Wenn <strong>die</strong> Ladungsdichte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Volumen zunimmt, dann muss <strong>die</strong>se zusätzliche<br />

Ladung durch Ströme <strong>in</strong> selbiges Volumen getragen werden.<br />

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Interessanterweise ist <strong>die</strong>ses grundlogische Gesetz weniger fundamental als<br />

<strong>die</strong> Maxwell-Gleichungen und folgt sogar aus ihnen. Um das zu zeigen, starten<br />

wir zunächst mit dem Ampere’schen Gesetz und nehmen <strong>die</strong> Divergenz davon:<br />

(<br />

0 = div rotB<br />

⃗ )<br />

∂<br />

= µ 0 div⃗j + µ 0<br />

∂t ɛ 0divE<br />

⃗<br />

∂<br />

= µ 0 div⃗j + µ 0<br />

∂t ɛ ρ<br />

0<br />

ɛ<br />

(<br />

0<br />

= µ 0 div⃗j + ∂ρ )<br />

,<br />

∂t<br />

wobei wir das Gauss’sche Gesetz und <strong>die</strong> Tatsache, dass div und ∂ ∂t vertauscht<br />

werden können, verwendet haben. Division durch µ 0 liefert nun das gewünschte<br />

Resultat.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs müssen wir gestehen, dass wir hier gewissermaßen Geschichtsrevision<br />

betrieben haben. Tatsächlich war es nämlich <strong>die</strong> Kont<strong>in</strong>uitätsgleichung,<br />

welche James Clerk Maxwell überhaupt erst auf se<strong>in</strong>en Verschiebungsstrom gebracht<br />

hat.<br />

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