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Vier Thesen zum Thema Gesamtschule - Schulformdebatte.de

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sie vor <strong>de</strong>m Konvoi-Effekt undifferenzierter Lerngruppen zurückschrecken. Denn ein Konvoi sei<br />

nun einmal nicht schneller als seine langsamsten Fahrzeuge.<br />

An<strong>de</strong>re Eltern begabterer Kin<strong>de</strong>r scheuen vor <strong>de</strong>m an vielen <strong>Gesamtschule</strong>n anzutreffen<strong>de</strong>n<br />

hohen Anteil ausländischer Schüler zurück, weil <strong>de</strong>ren geringere Sprachkompetenz das<br />

Lerntempo und die Lernleistung behin<strong>de</strong>rn können.<br />

Mit <strong>de</strong>m Unterricht in undifferenzierten, das ganze Begabungsspektrum übergreifen<strong>de</strong>n<br />

Klassenverbän<strong>de</strong>n, so sagen die Befürworter <strong>de</strong>r <strong>Gesamtschule</strong>, wolle man vorhan<strong>de</strong>ne Stan<strong>de</strong>s-<br />

Grenzen überwin<strong>de</strong>n und Chancengleichheit erreichen. Durch Herkunft und Begabung<br />

begünstigte Kin<strong>de</strong>r sollten ihre Lern-Überlegenheit auch <strong>de</strong>n Min<strong>de</strong>rbegünstigten zugute kommen<br />

lassen. Was aber wird, wenn diese begünstigteren Kin<strong>de</strong>r zunehmend ausbleiben, weil sie hier<br />

nicht die gleichen Chancen haben, wie an Realschulen und Gymnasien?<br />

Unabhängig davon muss inzwischen aber auch gefragt wer<strong>de</strong>n, ob selbst an <strong>Gesamtschule</strong>n, wo<br />

diese durch Herkunft und Begabung begünstigten Kin<strong>de</strong>r in ausreichen<strong>de</strong>r Zahl vorhan<strong>de</strong>n sind,<br />

die noch zu nennen<strong>de</strong>n Probleme sich lösen lassen.<br />

Viele <strong>Gesamtschule</strong>n haben nämlich auch aus einem zweiten Grun<strong>de</strong> nicht mehr die Schüler,<br />

mit <strong>de</strong>nen man so, wie im Anfang, <strong>Gesamtschule</strong> machen kann. Denn in <strong>de</strong>n letzten zwanzig<br />

Jahren hat sich die Zahl <strong>de</strong>r verhaltensauffälligen bzw. schwer motivierbaren Schüler - je nach<br />

Landschaft - verdoppelt, wenn nicht vervierfacht. Das mag unter an<strong>de</strong>rem damit<br />

zusammenhängen, dass sich in <strong>de</strong>r gleichen Zeit die Familienverhältnisse vieler Kin<strong>de</strong>r<br />

entsprechend verschlechtert haben. Man <strong>de</strong>nke nur an die stark angewachsene Zahl von<br />

Scheidungswaisen und an die zunehmen<strong>de</strong> Zahl von Kin<strong>de</strong>rn alleinerziehen<strong>de</strong>r Mütter (1991 in<br />

<strong>de</strong>r BRD über eine Million Frauen).<br />

Auch <strong>de</strong>r unkontrollierte Medien-Konsum und die daraus resultieren<strong>de</strong> "Innenwelt-Verschmutzung"<br />

spielen hier sicherlich eine große Rolle. Außer<strong>de</strong>m erweist sich inzwischen ein Vorteil <strong>de</strong>r<br />

<strong>Gesamtschule</strong> auf einmal als Nachteil. Es steht nämlich fest (obgleich es noch nie offiziell<br />

untersucht wur<strong>de</strong>!), dass viele Eltern nicht <strong>de</strong>s Schultyps, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Ganztagsversorgung wegen<br />

ihre Kin<strong>de</strong>r zur <strong>Gesamtschule</strong> schicken. Und unter diesen Eltern sind wie<strong>de</strong>rum etliche, die mit<br />

ihren Kin<strong>de</strong>rn Probleme haben - o<strong>de</strong>r keine Probleme haben wollen.<br />

Auch wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Grundschulen auffallend oft ohnehin schon schwierige Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

<strong>Gesamtschule</strong>n zugewiesen. Dabei sind aber große Ganztags-Schulen für all diese Kin<strong>de</strong>r<br />

erfahrungsgemäß erheblich strapaziöser und verunruhigen<strong>de</strong>r als Vormittags-Schulen. So<br />

potenzieren sich die Probleme. Denn man kann in <strong>de</strong>n für die <strong>Gesamtschule</strong> typischen<br />

undifferenzierten Lerngruppen eigentlich nur bei belastbaren und seelisch einigermaßen stabilen<br />

Kin<strong>de</strong>rn erfolgreich unterrichten, ohne dass da immer wie<strong>de</strong>r irgendwelche Störereien, offensive<br />

Unlust, Clownerien und an<strong>de</strong>re Ausbruchsversuche abzufangen sind. Dies ständige Mahnen und<br />

Ermahnen frisst sehr viel Zeit und Kraft.<br />

Die einen Schüler müssen es nämlich aushalten können, dass <strong>de</strong>rselbe Lernstoff kleinschnittig<br />

und in ständiger Wie<strong>de</strong>rholung über längere Zeit Unterrichtsgegenstand ist, obgleich sie nach <strong>de</strong>r<br />

ersten Stun<strong>de</strong> schon alles erfasst und durchschaut hatten, und sind entsprechend frustriert. Viel<br />

Lernwille und viel Lernzeit bleiben ungenutzt. Mancher gute Schüler sinkt in die Mittelmäßigkeit<br />

ab o<strong>de</strong>r verwil<strong>de</strong>rt.<br />

Die an<strong>de</strong>ren, in England "slow learner" genannt, müssen nahezu in je<strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong> damit fertig<br />

wer<strong>de</strong>n, dass jene Schüler schneller, klüger und wortgewandter sind als sie. Diesen sich ständig<br />

wie<strong>de</strong>rholen<strong>de</strong>n Unterlegenheits- und Beschämungserfahrungen sind labile, verunruhigte, vom<br />

Medien-Konsum überreizte und ohnehin schon verhaltensauffällige Kin<strong>de</strong>r nicht gewachsen.

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