Jugendkriminalität Jugendgewalt - Der deutsche Präventionstag
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1 Einleitung<br />
Thomas Görgen, Anabel Taefi und Benjamin Kraus<br />
1.1 Hintergrund, Ziele und Struktur des Projekts<br />
In den kommenden Jahrzehnten werden die europäischen Gesellschaften von einem raschen demografischen<br />
Wandel geprägt sein. Die Alterung der Bevölkerung wird sich auf alle gesellschaftlichen Strukturen<br />
und Prozesse auswirken. Sie ist nicht nur für Zahl und Anteil Jugendlicher an der Bevölkerung von Bedeutung,<br />
sondern wirkt sich auch auf intergenerationale Beziehungen, Familienstrukturen und die Arbeitsmärkte<br />
aus. Sie wird auch substantielle Auswirkungen auf die Altersstruktur derjenigen Institutionen haben,<br />
die mit Prävention und Kontrolle von abweichendem und delinquentem Verhalten Jugendlicher befasst<br />
sind – insbesondere im Falle der Polizei wird in vielen Ländern bereits über ein „Ergrauen“ der Mitarbeiterschaft<br />
diskutiert.<br />
Neben dem demografischen Wandel sind weitere für die Devianz junger Menschen bedeutsame soziale<br />
Veränderungen zu erwarten. Die aktuelle ökonomische Krise, welche die europäischen Staaten bislang in<br />
sehr unterschiedlichem Ausmaß betrifft, führt auch zu unterschiedlichen staatlichen Reaktionen insbesondere<br />
im Bereich der Sozialpolitik, die wiederum Individuen, Familien, Gemeinden und ganze Bevölkerungsgruppen<br />
ökonomischen Risiken aussetzen. Neue Kommunikationstechnologien entwickeln und verbreiten<br />
sich rasant, was Auswirkungen auf Kommunikationsstrukturen und soziale Beziehungen hat. Dieser<br />
Wandel hat bereits Veränderungen in den Gelegenheitsstrukturen von Devianz und Delinquenz Erwachsener<br />
wie Jugendlicher hervorgerufen.<br />
Während in den vergangenen Jahren die polizeilich registrierte Kriminalität in Deutschland wie in vielen<br />
europäischen Ländern grundsätzlich eine stabile bis sinkende Tendenz aufweist, ist – zumindest bis vor<br />
kurzem – zugleich ein Anstieg der <strong>Jugendgewalt</strong> zu verzeichnen gewesen. Dunkelfeldstudien (z. B. Baier,<br />
Pfeiffer, Simonson & Rabold, 2009), in denen junge Menschen nach ihren Erfahrungen als Opfer und Täter<br />
von Gewalt befragt werden, deuten darauf hin, dass dem Anstieg der polizeilich registrierten <strong>Jugendgewalt</strong><br />
bereits seit einigen Jahren wenigstens in Teilen eine zunehmende Aufhellung des Dunkelfeldes zu<br />
Grunde liegt. Devianz und Delinquenz Jugendlicher sind in international zu beobachtende gesellschaftliche<br />
Trends eingebettet, zu denen z. B. die Abnahme der Akzeptanz von Gewalt als Mittel der Konfliktregulation<br />
und die zunehmende Bedeutung von Instanzen der formellen Sozialkontrolle bei der Handhabung<br />
von Konflikten gehören (vgl. Pinker, 2011).<br />
Dennoch bleiben Jugenddelinquenz, jugendliches Problemverhalten und vor allem <strong>Jugendgewalt</strong> bedeutsame<br />
soziale Probleme und sind stetig Themen politischer und medialer Debatten und Diskurse. Dies gilt<br />
für alle an der vorliegenden Studie beteiligten europäischen Länder (Belgien, Deutschland, Portugal, Slowenien,<br />
Spanien und Ungarn). Zu den als vorrangig diskutierten Problemen gehört länderübergreifend,<br />
dass es eine sehr kleine aber zugleich sehr aktive Gruppe von jungen Wiederholungstätern gibt, dass junge<br />
Menschen mit einer (eigenen oder familiären) Migrationsgeschichte als Täter besonders in den Blick<br />
geraten und dass Drogen- und Alkoholkonsum Jugendlicher sowie Delikte im Zusammenhang mit Sub-<br />
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