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Fach: Pädagogik Fellner: Die Psychoanalyse Sigmund <strong>Freud</strong>s LK 12<br />
chen Körpers, <strong>de</strong>r Genitalien usw. und ermöglichen erst nach dieser Auffassung<br />
das Verständnis <strong>de</strong>s Traumes. Auch darf man bei unverständlichen<br />
Wortneubildungen an Zusammensetzung aus Bestandteilen mit se-<br />
1600 xueller Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>nken. – Auch Kin<strong>de</strong>r be<strong>de</strong>uten im Traume oft nichts<br />
an<strong>de</strong>res als Genitalien, wie ja Männer und Frauen gewohnt sind, ihr Genitale<br />
liebkosend als ihr ‘Kleines’ zu bezeichnen. Den ‘kleinen Bru<strong>de</strong>r’ hat<br />
Stekel richtig als Penis erkannt. Mit einem kleinen Kin<strong>de</strong> spielen, <strong>de</strong>n<br />
Kleinen schlagen usw. sind häufig Traumdarstellungen <strong>de</strong>r Onanie. – Zur<br />
1605 symbolischen Darstellung <strong>de</strong>r Kastration dient <strong>de</strong>r Traumarbeit: die Kahlheit,<br />
das Haarschnei<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Zahnausfall und das Köpfen. Als Verwahrung<br />
gegen die Kastration ist es aufzufassen, wenn eines <strong>de</strong>r gebräuchlichen<br />
Penissymbole im Traume in Doppel- o<strong>de</strong>r Mehrzahl vorkommt.<br />
Auch das Auftreten <strong>de</strong>r Ei<strong>de</strong>chse im Traume – eines Tieres, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r ab-<br />
1610 gerissene Schwanz nachwächst – hat dieselbe Be<strong>de</strong>utung. – Von <strong>de</strong>n<br />
Tieren, die in Mythologie und Folklore als Genitalsymbole verwen<strong>de</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n, spielen mehrere auch im Traum diese Rolle: <strong>de</strong>r Fisch, die<br />
Schnecke, die Katze, die Maus (<strong>de</strong>r Genitalbehaarung wegen), vor allem<br />
aber das be<strong>de</strong>utsamste Symbol <strong>de</strong>s männlichen Glie<strong>de</strong>s, die Schlange.<br />
1615 Kleine Tiere, Ungeziefer sind die Vertreter von kleinen Kin<strong>de</strong>rn, z. B. <strong>de</strong>r<br />
unerwünschten Geschwister; mit Ungeziefer behaftet sein ist oft gleichzusetzen<br />
<strong>de</strong>r Gravidität (= Schwangerschaft; AB). – Als ganz rezentes3<br />
Traumsymbol <strong>de</strong>s männlichen Genitales ist das Luftschiff zu erwähnen,<br />
welches sowohl durch seine Beziehung zum Fliegen wie gelegentlich<br />
1620 durch seine Form solche Verwendung rechtfertigt." usf. (4)<br />
Die Einführung feststehen<strong>de</strong>r Symbole mit zumeist sexuellen Be<strong>de</strong>utung<br />
ist insofern ein interessantes Detail <strong>de</strong>r <strong>Freud</strong>schen Theoriebildung, als<br />
ja <strong>Freud</strong> sich zuerst gegen die früher oft verwen<strong>de</strong>ten Traum<strong>de</strong>utungsbücher<br />
wen<strong>de</strong>te, in welchen Verzeichnisse von Traumbil<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>r ent-<br />
1625 sprechen<strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>utung zu fin<strong>de</strong>n waren. <strong>Freud</strong> selbst hat somit wie<strong>de</strong>r<br />
einen Schritt rückwärts getan und sich wie<strong>de</strong>r ein Stück weit von seiner<br />
Position entfernt, wonach <strong>de</strong>r Traum nur aufgrund <strong>de</strong>r Kenntnis <strong>de</strong>r Lebensgeschichte<br />
(anhand freier Assoziationen) <strong>de</strong>s Träumers zu <strong>de</strong>uten<br />
ist. Um <strong>Freud</strong> gegenüber nicht ungerecht zu sein, muss darum darauf<br />
1630 hingewiesen wer<strong>de</strong>n, dass er selber nachdrücklich davor warnt, "die Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>de</strong>r Symbole für die Traum<strong>de</strong>utung zu überschätzen, etwa die<br />
Arbeit <strong>de</strong>r Traumübersetzung auf Symbolübersetzung einzuschränken<br />
und die Technik <strong>de</strong>r Verwertung von Einfällen <strong>de</strong>s Träumers aufzugeben.<br />
Die bei<strong>de</strong>n Techniken <strong>de</strong>r Traum<strong>de</strong>utung müssen einan<strong>de</strong>r ergänzen;<br />
1635 praktisch wie theoretisch verbleibt aber <strong>de</strong>r Vorrang <strong>de</strong>m zuerst beschriebenen<br />
Verfahren(5), das <strong>de</strong>n Äußerungen <strong>de</strong>s Träumers die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Be<strong>de</strong>utung beilegt, während die von uns vorgenommene<br />
Symbolübersetzung als Hilfsmittel hinzutritt." (6)<br />
Angesichts <strong>de</strong>r Komplexität <strong>de</strong>r Traumarbeit steht je<strong>de</strong>r Traum<strong>de</strong>uter in<br />
1640 je<strong>de</strong>m einzelnen Falle vor einer sehr anspruchsvollen Arbeit. Denn bei<br />
je<strong>de</strong>m einzelnen Element <strong>de</strong>s manifesten Traumes muss er entschei<strong>de</strong>n,<br />
ob es direkt o<strong>de</strong>r gegenteilig zu <strong>de</strong>uten ist, einer aktuellen Problematik<br />
o<strong>de</strong>r einem zurückliegen<strong>de</strong>n Problem entspricht, ein feststehen<strong>de</strong>s Symbol<br />
ist o<strong>de</strong>r beliebig durch freie Assoziation ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n kann o<strong>de</strong>r<br />
1645 als Sache o<strong>de</strong>r vom Wortlaut her ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n muss.<br />
Die Vielfalt dieser Deutungsmöglichkeit eröffnet natürlich je<strong>de</strong>r Beliebigkeit<br />
Tür und Tor. So kann man beispielsweise, will man einfach irgen<strong>de</strong>ine<br />
Deutungs-Hypothese bestätigt wissen, ein nicht passen<strong>de</strong>s Element<br />
ins Gegenteil umkehren. Es braucht darum ein Kriterium, ob man als<br />
1650 Deuter auf <strong>de</strong>r richtigen Spur ist. Dieses Kriterium ist ein gewisses Evi<strong>de</strong>nz-Erlebnis<br />
<strong>de</strong>s Träumers: er spürt intuitiv, dass die Deutung stimmt<br />
und tatsächlich eine für ihn be<strong>de</strong>utsame Problematik erhellt. Allerdings<br />
kommt es auch vor, dass z. B. <strong>de</strong>r Analytiker mit einer Deutung Recht<br />
hat, aber <strong>de</strong>r Analysand die als belastend empfun<strong>de</strong>ne Wahrheit nicht<br />
1655 annehmen kann (<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Adler’schen Individualpsychologie vertraute<br />
Analytiker achtet in diesen Fällen auch auf <strong>de</strong>n sog. Erkennungsreflex<br />
(7)).<br />
7.3. Traumquellen<br />
Es ist nun zu fragen, woher <strong>de</strong>r Traum einerseits die latenten Inhalte, an-<br />
1660 <strong>de</strong>rerseits die manifesten Bil<strong>de</strong>r bezieht. <strong>Freud</strong> ist nun davon überzeugt,<br />
dass in allen latenten Träumen irgendwelche Kindheitserinnerungen zumin<strong>de</strong>st<br />
mitbeteiligt sind. In dieser Auffassung kommt seine allgemeine<br />
Ansicht zum Ausdruck, dass die – insbeson<strong>de</strong>re frühe – Kindheit für das<br />
ganze Leben von hervorragen<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung ist und dass auch allen<br />
1665 neurotischen Störungen irgendwelche belasten<strong>de</strong>n Erlebnisse in <strong>de</strong>r<br />
Kindheit zu Grun<strong>de</strong> liegen.<br />
Bei <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>r konkreten Bil<strong>de</strong>r sind nach <strong>Freud</strong> vorerst einmal aktuelle<br />
somatische (körperliche) Quellen maßgebend, wobei er 3 verschie<strong>de</strong>ne<br />
Arten unterschei<strong>de</strong>t, nämlich<br />
1670 • von äußeren Objekten ausgehen<strong>de</strong> Sinnesreize (z. B. Gerüche,<br />
Lärm)<br />
• subjektiv begrün<strong>de</strong>te Erregungszustän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Sinnesorgane<br />
(z. B. Ohrensausen)<br />
• aus <strong>de</strong>m Körperinneren stammen<strong>de</strong> Reize (z. B. Verdauungsbeschwer<strong>de</strong>n,<br />
Harndrang)<br />
1675<br />
Wichtiger für die konkrete Gestaltung <strong>de</strong>r manifesten Bil<strong>de</strong>rwelt sind für<br />
<strong>Freud</strong> Erlebnisse <strong>de</strong>s Vortages, sog. Tagesreste. <strong>Freud</strong> setzt diese Aussage<br />
insofern absolut, als er annimmt, dass nicht etwa um einige Tage<br />
zurückliegen<strong>de</strong> Erfahrungen ausschlaggebend sind, son<strong>de</strong>rn immer sol-<br />
1680 che <strong>de</strong>s Vortages. Wenn aber etwa trotz<strong>de</strong>m eine Begebenheit <strong>de</strong>r letzten<br />
Woche her im Traume auftaucht, so geht <strong>Freud</strong> davon aus, dass man<br />
am Vortag zumin<strong>de</strong>st daran gedacht hat (eine Behauptung, die sich natürlich<br />
grundsätzlich nicht wi<strong>de</strong>rlegen lässt). Auch nimmt er als Grundregel<br />
an, dass allen verschie<strong>de</strong>nen manifesten Träumen einer einzigen<br />
1685 Nacht stets <strong>de</strong>rselbe latente Traum zu Grun<strong>de</strong> liegt.<br />
Anmerkung:<br />
<strong>Freud</strong> war <strong>de</strong>r Ansicht, dass alle Träume grundsätzlich egoistisch motiviert<br />
sind, d.h. im Lustprinzip wurzeln und nur insoweit <strong>de</strong>m Realitätsprinzip<br />
verpflichtet sind, als die Zensur <strong>de</strong>s Ichs negativ (also abwehrend und<br />
1690 verschleiernd) wirkt.<br />
Träume müssen aber nicht bloß Ausdruck verdrängter Es-Impulse (Wünsche)<br />
sein, son<strong>de</strong>rn können durchaus auch als Botschafter <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Ich-Instanzen fungieren (Ich, Über-Ich). Demgemäß können sie einem<br />
Menschen – ohne dass damit notwendigerweise Wünsche zum Ausdruck<br />
1695 gebracht wer<strong>de</strong>n müssen – seine jetzige Lebenssituation wi<strong>de</strong>rspiegeln,<br />
ihn auf Gefahren aufmerksam machen und ihm aufzeigen, welche Entwicklungsschritte<br />
ihm angemessen sind. <strong>Freud</strong> lehnt einen solchen finalen<br />
Aspekt <strong>de</strong>s Traums ab, allerdings steht er aber in Übereinstimmung<br />
mit <strong>de</strong>r Jung’schen Theorie, wonach es die Lebensaufgabe je<strong>de</strong>s Men-<br />
1700 schen ist, alle wi<strong>de</strong>rstreben<strong>de</strong>n Seiten seines Wesens miteinan<strong>de</strong>r zu<br />
versöhnen und so zu einer psychischen Ganzheit zu gelangen. Jung<br />
nennt diesen Prozess Individuation, und die Traum<strong>de</strong>utung kann eine<br />
wertvolle Hilfe sein, um dieses Ziel zu erreichen.<br />
8. Psychopathologie und Therapieziele<br />
1705 8.1. Neurosen<br />
<strong>Freud</strong> erachtet <strong>de</strong>n Unterschied zwischen "alltäglichen" existenziellen<br />
Konflikten und neurotischen Zustandsbil<strong>de</strong>rn als einen rein quantitativen.<br />
So schreibt er (Gesammelte Werke VIII, S. 338) <strong>de</strong>nn auch, dass "...die<br />
nämlichen Komplexe und Konflikte auch bei allen Gesun<strong>de</strong>n und Norma-<br />
1710 len zu erwarten sind." (8) In <strong>de</strong>r Psychoanalyse spricht man <strong>de</strong>shalb von<br />
einer sog. "Normalpathologie", die von <strong>de</strong>r klinischen unterschie<strong>de</strong>n wird<br />
und im Gegensatz zu dieser die beruflichen und sozialen Fertigkeiten<br />
kaum negativ beeinflusst.<br />
Der Begriff ‘Neurose’ leitet sich von ‘Neuron’ (Nervenzelle) ab. Im letzten<br />
1715 Jahrhun<strong>de</strong>rt glaubte man alle psychischen Erkrankungen auf ein nicht<br />
richtig funktionieren<strong>de</strong>s Nervensystem zurückführen zu können und benannte<br />
<strong>de</strong>mentsprechend auch die Spitäler für Geisteskranke ‘Nervenheilanstalten’.<br />
Bei einer Neurose han<strong>de</strong>lt es sich grundsätzlich um ein erworbenes psy-<br />
1720 chisches Lei<strong>de</strong>n, das freilich sehr oft nicht als solches erkannt o<strong>de</strong>r als<br />
Krankheit empfun<strong>de</strong>n wird. Zum Verständnis <strong>de</strong>s neurotischen Verhaltens<br />
kann man nach <strong>de</strong>m Verständnis <strong>de</strong>r Psychoanalyse prinzipiell alle<br />
Abwehrmechanismen heranziehen. Insofern sie nämlich auf Verdrängung<br />
beruhen, <strong>de</strong>r Angstabwehr dienen und Selbsttäuschungen darstellen,<br />
1725 haftet ihnen (wohl mit Ausnahme <strong>de</strong>r Sublimierung) insgesamt etwas<br />
Krankhaftes an. So ließe sich theoretisch ‘psychische Gesundheit’ als<br />
<strong>Freud</strong>-Fellner.doc Fellner: Die Psychoanalyse Sigmund <strong>Freud</strong>s Seite 14 von 19