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Fach: Pädagogik Fellner: Die Psychoanalyse Sigmund <strong>Freud</strong>s LK 12<br />

sationsfähigkeit <strong>de</strong>s Organismus muss <strong>de</strong>r Lei<strong>de</strong>nsdruck für die meisten<br />

2115 Menschen bereits gewaltig und die Probleme in <strong>de</strong>ren realen Leben unüberschaubar<br />

gewor<strong>de</strong>n sein, bevor in einer Art Aufbäumen doch <strong>de</strong>r<br />

Griff zum Telefonhörer getan wird. Dies ist speziell aus Sicht <strong>de</strong>r Systemischen<br />

Therapie bedauerlich, da sie emotional, zeit- und kostenmäßig<br />

meist mit <strong>de</strong>utlich weniger Aufwand verbun<strong>de</strong>n wäre als eine Psychoana-<br />

2120 lyse.<br />

Auf psychiatrischen Kliniken seien als Beispiel für die Auswirkungen für<br />

Selbstzerstörungs-Ten<strong>de</strong>nzen Anorexie-Patientinnen genannt, die sich<br />

mitunter selbst dann, wenn sie bereits schwerwiegen<strong>de</strong>, irreparable körperliche<br />

Schä<strong>de</strong>n aufweisen und intravenös ernährt wer<strong>de</strong>n müssen, ei-<br />

2125 ner Therapie verweigern. Wobei dieses Verhalten häufig auch noch zusätzliche<br />

Grün<strong>de</strong> hat, auf die hier aber nicht näher eingegangen wer<strong>de</strong>n<br />

kann.<br />

9.7. Der Abschluss <strong>de</strong>r Therapie<br />

Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r eine Psychotherapie macht, wird irgendwann zur Einsicht<br />

2130 kommen, dass sich das Reservoir zu erhellen<strong>de</strong>r Konflikte nicht ausschöpfen<br />

lässt. Beson<strong>de</strong>rs Psychoanalysen könnten wohl bis zum Lebensen<strong>de</strong><br />

fortgesetzt wer<strong>de</strong>n, ohne dass <strong>de</strong>r Gesprächsstoff auszugehen<br />

bräuchte und <strong>de</strong>r Analysand das Gefühl hätte, völlig ‘gesund’ zu sein.<br />

Wann also ist das En<strong>de</strong> einer Analyse (abgesehen von Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

2135 Geldmangels o<strong>de</strong>r irgendwelchen Ausbildungsvorschriften für künftige<br />

Analytiker) gekommen?. Sinnvoll scheint eine Beendigung dann, wenn<br />

sich die positive und negative Übertragung in eine sachliche, durch objektive<br />

Wahrnehmung geprägte zwischenmenschliche Beziehung umgebil<strong>de</strong>t<br />

hat, <strong>de</strong>r Lei<strong>de</strong>nsdruck gewichen ist und die schwerwiegendsten<br />

2140 neurotischen Symptome verschwun<strong>de</strong>n sind (9). Wer sich ernsthaft einer<br />

Analyse ausgesetzt hat, wird auch feststellen, dass er im Alltag selbstbewusster,<br />

gelassener und sachlicher gewor<strong>de</strong>n ist und sich bei <strong>de</strong>r Bewältigung<br />

seiner Lebensaufgaben we<strong>de</strong>r über- noch unterfor<strong>de</strong>rt fühlt.<br />

"Wo Es war, soll Ich wer<strong>de</strong>n"<br />

2145 Dieses Zitat <strong>Freud</strong>s (10) drückt ein Behandlungsziel aus, das über eine<br />

Symptombeseitigung weit hinausgeht. Laut <strong>Freud</strong> kann das Ziel <strong>de</strong>r Psychotherapie<br />

nicht allein die Symptombeseitigung sein, vor allem auch<br />

<strong>de</strong>shalb, da Konflikte nicht immer zu einer für <strong>de</strong>n Patienten befriedigen<strong>de</strong>n<br />

Lösung geführt wer<strong>de</strong>n können. Vielmehr soll es <strong>de</strong>m Patienten er-<br />

2150 möglicht wer<strong>de</strong>n, sich zwischen einer tragfähigen Anzahl an Reaktionsmöglichkeiten<br />

frei entschei<strong>de</strong>n zu können. Lt. Kutter (14) ist das am weitesten<br />

reichen<strong>de</strong> Ziel <strong>de</strong>r Psychotherapie die Sinnfindung o<strong>de</strong>r Wahrheitsfindung.<br />

Auch die Beendigung einer Psychoanalyse selbst ist eine ‘Unterneh-<br />

2155 mung’, die sich (schon angesichts <strong>de</strong>r meist mehrjährigen Dauer) nicht<br />

so leichthin bewerkstelligen lässt und darum selbst zum Thema <strong>de</strong>r Analyse<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n muss. Der Prozess <strong>de</strong>r Ablösung vom Therapeuten<br />

hat insofern in sich eine therapeutische Wirkung, als <strong>de</strong>r Analysand lernen<br />

muss, etwas loszulassen, das längerhin nicht mehr sehr sinnvoll ist,<br />

2160 somit also realitätsbezogener zu wer<strong>de</strong>n.<br />

All die angeführten Ziele weisen über die Krankenbehandlung weit hinaus<br />

und erfor<strong>de</strong>rn eine hohe Motivation <strong>de</strong>s Analysan<strong>de</strong>n. Verfügt er über<br />

diese beson<strong>de</strong>re Motivation, wird die kontinuierlich sich entwickeln<strong>de</strong><br />

I<strong>de</strong>ntifikation mit <strong>de</strong>r Funktion <strong>de</strong>s Analytikers außer<strong>de</strong>m die Fähigkeit<br />

2165 zur Selbstanalyse bewirken, was quasi <strong>de</strong>r Fortführung <strong>de</strong>s dann verinnerlichten<br />

Dialogs entspricht.<br />

10. Metho<strong>de</strong>nvergleich mit <strong>de</strong>r Systemischen Therapie<br />

Obwohl nur die wenigsten <strong>de</strong>r in dieser Arbeit erläuterten psychoanalytischen<br />

Grundbegriffe in <strong>de</strong>r täglichen Praxis <strong>de</strong>r Systemischen Therapie<br />

2170 eine Be<strong>de</strong>utung haben – eine implizite Rolle spielen sie bemerkenswerterweise<br />

doch. Je<strong>de</strong>m Systemischen Therapeuten sind Phänomene wie<br />

z. B. "Wi<strong>de</strong>rstand", "Übertragung" und "Unbewusstes" vertraut, man befasst<br />

sich mit "Traum<strong>de</strong>utung" und an<strong>de</strong>ren Techniken, die ihre Wurzeln<br />

in <strong>de</strong>r Psychoanalyse haben - als Begrifflichkeiten o<strong>de</strong>r gar im theoreti-<br />

2175 schen Grundgebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong> jedoch spielen sie so gut wie keine<br />

Rolle. Dies liegt vor allem darin begrün<strong>de</strong>t, dass <strong>de</strong>r systemische Ansatz<br />

von völlig unterschiedlichen Prämissen und Hypothesen bezüglich psychischer<br />

Problemzusammenhänge ausgeht als die Psychoanalyse, was<br />

sich zwangsläufig auch stark auf Setting, Verlauf und Inhalt <strong>de</strong>r Therapie<br />

2180 auswirkt.<br />

Den Analytiker könnte man als 'Experten für innerpsychische Verarbeitungsmuster<br />

und das Bewusst-machen <strong>de</strong>s Unbewussten' bezeichnen;<br />

<strong>de</strong>n Systemischen Therapeuten als 'Experte für Kommunikationsmuster<br />

und Denkfallen'. Die Aufmerksamkeit richtet sich in <strong>de</strong>r Psychoanalyse<br />

2185 daher primär auf das Innerpsychische - <strong>de</strong>r Monolog <strong>de</strong>s Analysan<strong>de</strong>n<br />

sowie die Übertragungsbeziehung zum Analytiker sind jene Instrumente,<br />

die zum Therapieerfolg führen. Die Systemische Therapie hat <strong>de</strong>mgegenüber<br />

einen <strong>de</strong>utlich weiteren Fokus – Probleme wer<strong>de</strong>n stets im Kontext<br />

betrachtet, in <strong>de</strong>m sie stattfin<strong>de</strong>n, und für <strong>de</strong>n Systemischen Thera-<br />

2190 peuten ist ein Übertragungsphänomen vor allem als Reflexionsbild für<br />

das interessant, was im "restlichen Leben" <strong>de</strong>s Klienten, also <strong>de</strong>m Leben<br />

außerhalb <strong>de</strong>r Therapie, geschieht. "Verdrängte Gefühle" etwa führen<br />

nach Auffassung <strong>de</strong>r Systemischen Therapie zu Kommunikationsblocka<strong>de</strong>n<br />

und sollten im Laufe <strong>de</strong>s therapeutischen Prozesses verbalisierungs-<br />

2195 fähig gemacht wer<strong>de</strong>n, um die Blocka<strong>de</strong>n zu beseitigen.<br />

Dies führt zu einem weiteren, ganz wesentlichen Unterschied bei<strong>de</strong>r Therapieformen:<br />

statt auf das Lei<strong>de</strong>n und das Problem, so wie dies in <strong>de</strong>r<br />

klassischen Psychoanalyse stattfin<strong>de</strong>t, richtet die Systemische Therapie<br />

<strong>de</strong>n Fokus nach vorn, auf die Lösung. Und zu diesem Zweck steht weni-<br />

2200 ger die Frage, warum ein Problem existiert, im Mittelpunkt, son<strong>de</strong>rn vielmehr<br />

die, was eine Lösung <strong>de</strong>s Problems verhin<strong>de</strong>rt. Wesentlich beeinflusst<br />

durch Kommunikationsforschung, Kybernetik und Konstruktivismus<br />

betrachtet da <strong>de</strong>r systemische Ansatz ein Problem nicht als etwas, das<br />

(z. B.) aufgrund <strong>de</strong>r persönlichen Geschichte sein "muss" und zu <strong>de</strong>m<br />

2205 mühsam, in einem mitunter mehrjährigen Prozess ein Alternativweg erarbeitet<br />

wer<strong>de</strong>n muss, son<strong>de</strong>rn sie fragt: "warum bist Du noch nicht da?",<br />

"was brauchst Du (noch), um <strong>de</strong>n nötigen Schritt zur Lösung tun zu können?"<br />

Die auf dieser Betrachtungsweise aufsetzen<strong>de</strong>n kurzzeittherapeutischen<br />

Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Systemischen Familientherapie weisen im thera-<br />

2210 peutischen Alltag laufend nach, dass eine Problembeseitigung – ausreichend<br />

austherapiert durchaus auch langfristig – mit ihnen schon nach<br />

vergleichsweise kurzer Zeit erreichbar ist.<br />

Das Menschenbild <strong>de</strong>r Systemischen Therapie ist also eines, das <strong>de</strong>n<br />

Klienten grundsätzlich als selbstkompetent und (wenn auch in seinem<br />

2215 Problemkosmos) selbst-erfahren betrachtet, als Experten also für diese<br />

ihm eigene Lebenswelt, mit <strong>de</strong>m gemeinsam geforscht wird, welche Alternativwege,<br />

welche neuen Sichtweisen ihm dabei helfen könnte, ein<br />

angestrebtes Ziel zu erreichen, ohne dass es länger seines Symptoms,<br />

Lebensunglücks o<strong>de</strong>r seiner "Störung" bedarf.<br />

2220 Im En<strong>de</strong>rgebnis führt dies dazu, dass Systemische Therapieansätze häufig<br />

mit <strong>de</strong>m Zusatz "lösungsorientiert" attributiert wer<strong>de</strong>n. Ihre Ansätze<br />

sind jedoch nicht so mechanistisch und funktionsorientiert wie etwa die<br />

Verhaltenstherapie, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Mensch als fühlen<strong>de</strong>s und mit (manchmal<br />

einer Lösung ja auch aus gutem Grund entgegengerichteten!) Be-<br />

2225 dürfnissen ausgestattetes Individuum steht im Mittelpunkt. Der Blick ist<br />

bei all<strong>de</strong>m überwiegend nach vorne gerichtet und "aufgearbeitet" wird<br />

vorwiegend nur da, wo es für das zukünftige Leben <strong>de</strong>s Klienten aus seiner<br />

und <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s Therapeuten Be<strong>de</strong>utung hat .. also "Sinn" macht.<br />

Psychologisch gesehen also 'minimal-invasive Eingriffe', um im Zuge <strong>de</strong>r<br />

2230 Therapie die positiven Ressourcen <strong>de</strong>s Klienten möglichst zu stärken und<br />

zu stabilisieren, dabei aber das funktionieren<strong>de</strong> Gesamtsystem insgesamt<br />

möglichst wenig zu beeinflussen. Dies steht im krassen Gegensatz<br />

zu <strong>de</strong>m, was eine Psychoanalyse – schon aufgrund <strong>de</strong>s unterschiedlichen<br />

Settings – häufig mit sich bringt.<br />

2235 Im Setting bei<strong>de</strong>r Therapieformen nämlich existieren ebenso erhebliche<br />

Unterschie<strong>de</strong>. Die Psychoanalyse richtet, und dies fin<strong>de</strong>t auch im Ablauf<br />

<strong>de</strong>r Analysesitzungen seinen Nie<strong>de</strong>rschlag, <strong>de</strong>n Blick auf das Individuum.<br />

Damit es <strong>de</strong>m Analysan<strong>de</strong>n leichter gelingt, <strong>de</strong>n Fokus auf sein Inneres<br />

zu richten, liegt er in <strong>de</strong>r klassischen Psychoanalyse auf einer Couch und<br />

2240 es besteht kein Blickkontakt zum Analytiker, <strong>de</strong>r sich auch mit verbalen<br />

Rückmeldungen sehr zurück hält. Son<strong>de</strong>rformen im Setting gibt es in <strong>de</strong>r<br />

Kin<strong>de</strong>rpsychoanalyse und Gruppenpsychoanalyse. Bei <strong>de</strong>r 'großen Analyse'<br />

sind wöchentlich 3-4 Sitzungen erfor<strong>de</strong>rlich, bei Son<strong>de</strong>rformen o<strong>de</strong>r<br />

falls die zeitlichen o<strong>de</strong>r insbeson<strong>de</strong>re finanziellen Möglichkeiten <strong>de</strong>s Ana-<br />

<strong>Freud</strong>-Fellner.doc Fellner: Die Psychoanalyse Sigmund <strong>Freud</strong>s Seite 18 von 19

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