Agnethler Blatt - HOG Agnetheln
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Seite 12<br />
penbäsch“, wo auf besonnten Rainen schon<br />
Schneeglöckchen und Krokus zu finden waren<br />
und vereinzelt sogar Buschwindröschen und<br />
Frühlingstränen ihre Köpfchen neugierig hervor<br />
streckten. Jedes Vögelchen wurde begrüßt und<br />
im Kopf registriert, sein Gesang mit offenen Ohren<br />
gelauscht und gelernt. Meine große Liebe<br />
zu den Blumen ist offenbar ein Erbstück von<br />
meiner Mutter, also Hügelisch, bzw. Fernenglisch,<br />
denn die Hügelgroßmutter mit den auffallend<br />
klugen, dunklen Augen war eine geborene<br />
Fernengel und hielt und pflegte auf dem breiten<br />
Gang ihrer Wohnung und in der Wohnung<br />
selbst verschiedenartige Blumen und Schlingpflanzen.<br />
Bei uns zuhause aber, in der Mittelgasse<br />
Nr. 75, war das gen Westen gelegene<br />
und die Strasse bis zum Markt hinab beherrschende<br />
Eckfenster eine wahre Blumenpracht,<br />
deren bunte Farbenzusammensetzung die Augen<br />
der die Strasse hinauf eilenden Passanten<br />
wohltuend weidete und erquickte. Viele hemmten<br />
vor dem Haustor die eilenden Schritte, um<br />
sich auch an den drei im Hofgärtchen überaus<br />
üppig blühenden Rosenstöckchen zu ergötzen;<br />
es wetteiferten da miteinander: eine gelbe<br />
„Marschall – Niel“, eine weiße „Druschki“ und<br />
eine rosa „Madame Heriot“. Das Gärtchen<br />
selbst wurde von einem Blumenrondell beherrscht<br />
und dieses durch eine Reihe niederer<br />
roter Verbenen innen und durch eine tiefdunkelblaue<br />
Reihe sehr üppig sprossender Lobelien<br />
außen, umfasst. Am Südgiebel des am Gärtchen<br />
gegen den rückwärtigen Wirtschaftshof<br />
abriegelnden Stübchens rankte sich die „Perle<br />
von Csaba“, ein edler Rebstock, dessen Trauben<br />
seinem Namen Ehre machten. Seine Ranken<br />
zogen sich auch auf das Dach der Laube,<br />
in dessen kühlem Schatten an einem riesigen<br />
Eichentisch die Mahlzeiten eingenommen wurden.<br />
In der schattigsten Gartenecke stand eine<br />
Gruppe üppiger „Nicotiana“-Stauden, die bei<br />
untergehender Sonne den ganzen Hof mit<br />
ihrem berauschenden Duft erfüllten. Darein<br />
mischte sich aus der gegenüberliegenden,<br />
geräumigen Sommerküche das vertraute Zirpen<br />
einer Grille. Nach mühevoller und langer<br />
Feldarbeit kündigte sie den heimkehrenden Arbeitern<br />
den wohlverdienten Feierabend an.<br />
Lautlos senkt sich stille Dunkelheit über Haus<br />
und Hof, nur hie und da unterbrochen<br />
durch das Schnaufen behaglich lagernder und<br />
wiederkäuender Rinder, durch das eintönige<br />
<strong>Agnethler</strong> Persönlichkeiten<br />
Geräusch heukauender Pferde und durch den<br />
wehmütigen Gesang des braven rumänischen<br />
Knechtes. Ferneher, aus dem schützenden<br />
Dickicht der Steinburghöhe dringt süsser Nachtigallenschlag<br />
herab ins Tal. Das überreiche Arbeitsmaß<br />
unserer Mutter war inzwischen auch<br />
bewältigt; sie löscht die an der Wand der Sommerküche<br />
hängende Petroleumlampe aus und<br />
„nach vorne“ in die Wohnung gehend, beschließt<br />
sie als letzte die Tagesarbeit.<br />
Im kostbaren Schatz meiner frohen Kindheit sehe<br />
ich noch auf Begebenheiten und Tage<br />
zurück, die wegen ihrer freudeauslösenden Wirkung<br />
einerseits und wegen der bedeutungsvollen<br />
und zum Teil abenteuerlichen Erweiterung<br />
meines kindlichen Horizontes andererseits, in<br />
der Aufzählung nennenswerter Erinnerungen<br />
nicht fehlen dürfen. Es sind jene Tage, da wir<br />
unseren Vater auf seinen Fahrten „auf den Alt“<br />
unter das Gebirge begleiten durften. Alljährlich<br />
im Spätfrühjahr suchte er den Viehmarkt in Arpasch<br />
auf, um hier im „Lande der Büffel“ geeignetes<br />
Weidevieh zum Einstellen in die noch freien<br />
Weideplätze auf der riesengroßen fetten<br />
Waldweide „zurück“ im großen Wald (mehrere<br />
tausend Joch umfassend) zu erhandeln. Für<br />
uns Kinder war dieser Wald mit seinen geheimnisvollen<br />
Benennungen wie z.B. „Räuberbrunnen“,<br />
„Kalter Grund“ und dergleichen zum Inbegriff<br />
unheimlicher Vorstellung mit<br />
abenteuerlichen Begebenheiten geworden, in<br />
dem nicht nur lebensgefährliche Begegnungen<br />
mit den verwilderten und hier bis zum Spätherbst<br />
weidenden „Müssigen“ möglich waren,<br />
sondern auch Raubtiere (Wolf, Luchs, Wildkatze)<br />
und Wegelagerer angetroffen werden konnten.<br />
Im Gegensatz zu den allabendlich heimkehrenden<br />
Milchbüffeln verbleiben die<br />
„Müssigen“ vom Monat Mai bis November<br />
draußen im großen Wald unter freiem Himmel<br />
und verwildern in der beneidenswerten Abgeschiedenheit<br />
so gründlich, dass Ihr „Heimholen“<br />
nach beendeter „Sommerfrische“ für die<br />
Eigentümer sich nicht selten zu einem heroischen<br />
Abenteuer gestaltet, das den Bravourstücken<br />
der Cowboys im „Wilden Westen“<br />
durchaus ebenbürtig an die Seite gestellt werden<br />
kann.<br />
(Fortsetzung folgt)