Oktober/November 2010 - Kirche am Krankenhaus Hamburg ...
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...............................................................DAS GIBT'S<br />
handelt, die Zahl der Ermordeten ging in die Hunderte. In den Tagen<br />
nach dieser Pogromnacht wurden rund 30000 deutsche Juden in Konzentrationslager<br />
gesperrt. Die Politik des NS-Staates gegen die Juden<br />
hatte eine neue Stufe erreicht: Der Diskriminierung, Isolierung und Entrechtung<br />
folgten jetzt die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzen<br />
und die Vertreibung aus Deutschland. Der inszenierte Pogrom vom 9.<br />
<strong>November</strong> 1938 stieß viele Deutsche ab. Selbst wenn sie keine Freunde<br />
der Juden waren, empörten sie sich über die Formen der Entrechtung<br />
der jüdischen Minderheit in Deutschland.<br />
Julius von Jan, seit 1935 evangelischer Pfarrer im württembergischen<br />
Oberlenningen, d<strong>am</strong>als 41 Jahre alt, als Mann der Bekennenden <strong>Kirche</strong><br />
und Kritiker der regimehörigen „Deutschen Christen“, war den Behörden<br />
schon unliebs<strong>am</strong> aufgefallen. Er konnte es mit seinem Gewissen<br />
nicht vereinbaren, in stiller Empörung zu verharren. Den Bußtag<br />
<strong>am</strong> 16. <strong>November</strong> 1938 benutzte er, um seine Gemeinde an Christenpflicht<br />
zu erinnern. „In diesen Tagen wurde es mir innerlich klar, dass<br />
längeres Schweigen Sünde wäre.“ Die Predigt war eine eindrucksvolle<br />
und in ihrer Deutlichkeit einmalige Demonstration gegen den Antisemitismus<br />
und gegen den NS-Staat. Von Jan erinnerte daran, wieviel mutige<br />
Männer bereits „in Konzentrationslagern mundtot gemacht“ worden<br />
seien, nur weil sie die Wahrheit gesagt hätten. Mit Schärfe kritisierte er<br />
sodann die Verbrechen, die in der Pogromnacht begangen worden seien<br />
und forderte die Deutschen zur Buße auf.<br />
Am Ende des Gottesdienstes verlas er zur Fürbitte eine Liste von Pfarrern,<br />
die mit Redeverbot oder Landesverweisung bestraft worden waren<br />
und im Schlussgebet bat er, dass Gott „dem Führer und aller Obrigkeit<br />
den Geist der Buße schenken möge“.<br />
Einige Tage später, <strong>am</strong> 25. <strong>November</strong> 1938, wurde von Jan von SA-<br />
Leuten vor seinem Pfarrhaus verprügelt, auf das Dach eines Schuppen<br />
geworfen, schließlich ins Rathaus gebracht und verhaftet. Bis Februar<br />
1939 blieb er in Kirchheim/Teck inhaftiert, wurde dann nach<br />
Stuttgart überführt, geriet im März aus dem Gewahrs<strong>am</strong> der Justiz in<br />
Gestapo-Haft. Am 13. April wurde er entlassen und zwei Tage später<br />
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