Hospiz Stern - Hospiz an der Lutter
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leben<br />
Palliative Care in Luxemburg –<br />
Braucht es die aktive Sterbehilfe?<br />
Luxemburg bietet aufgrund seiner Struktur (klein und überschaubar ; 1 nationale Kr<strong>an</strong>kenkasse<br />
; 2 nationale Pflegedienste ; 3 medizinische Versorgungsregionen) eine ideale Basis<br />
für eine kompetente Palliative Care Versorgung im Sinne eines org<strong>an</strong>isierten l<strong>an</strong>desweiten<br />
Netzwerkes.<br />
Das Angebot <strong>an</strong> palliativmedizinischen Einrichtungen<br />
(1 <strong>Hospiz</strong>, 2 Palliativstationen, 1 Ambul<strong>an</strong>ter Konsildienst)<br />
und <strong>an</strong> Aus-, Fort- und Weiterbildung für Ärzte und Pflegende,<br />
vor allem d<strong>an</strong>k <strong>der</strong> Stiftung OMEGA 90 und <strong>der</strong><br />
Interregionalen Weiterbildungsakademie für Palliativmedizin<br />
(IWAP) ist vorh<strong>an</strong>den. Diese Angebote sind die Motoren<br />
einer ras<strong>an</strong>ten Entwickelung <strong>der</strong> luxemburgischen Palliativ-<br />
und <strong>Hospiz</strong>bewegung in den letzten 20 Jahren. Diese<br />
Bewegung wird duch erfahrene Ehrenamtliche großzügig<br />
unterstützt. Aber Luxemburg hat keine regionale o<strong>der</strong> nationale<br />
Koordination im Sinne von Palliativstützpunkten und<br />
Netzwerkarbeit und besitzt keine internationale Anerkennung<br />
bei <strong>der</strong> europäischen Gesellschaft für Palliativversorgung<br />
(EAPC). Ein möglicher Grund ist die aktuelle Gesetzgebung<br />
bezüglich <strong>der</strong> Palliativversorgung am Lebensende,<br />
<strong>der</strong> Euth<strong>an</strong>asie und <strong>der</strong> Beihilfe zum Suizid („Gesetz vom<br />
16. März 2009“), die durch das Parlament in einer gleichen<br />
Sitzung verabschiedet wurde. Demnach hat jede Person<br />
ein Recht auf Palliativpflege, aber nur am Lebensende, und<br />
befristet auf 35 Tage. Was bewirkt eine solche Befristung<br />
bei schwerkr<strong>an</strong>ken Patienten: Angst vor dem Alleinsein?<br />
Der Weg zur Euth<strong>an</strong>asie? Dieses Recht ist <strong>an</strong> das Ausfüllen<br />
eines Registrierungsformulars gebunden, nicht aber <strong>an</strong> den<br />
Nachweis von Kompetenzen. 78% <strong>der</strong> Allgemeinmediziner<br />
gaben im März 2009 <strong>an</strong>, keine ausreichende Ausbildung<br />
in <strong>der</strong> Schmerztherapie während des Studiums erhalten<br />
zu haben. Diese Gesetzgebung führt aktuell zur absoluten<br />
Verwirrung in <strong>der</strong> Gesellschaft: Was ist Palliativpflege?<br />
Was ist Euth<strong>an</strong>asie? Ist die Euth<strong>an</strong>asie die logische Folge <strong>der</strong><br />
Palliativmedizin?<br />
Wieviel Kompetenz und Machtspiele gibt es eigentlich in<br />
einer Demokratie: Der Staatsrat, die nationale Ethikkommission,<br />
die St<strong>an</strong>desorg<strong>an</strong>isation <strong>der</strong> Ärzte und <strong>der</strong> Großherzog<br />
haben sich gegen das Euth<strong>an</strong>asiegesetz ausgesprochen.<br />
Die Demokratie hat sogar die Konstitution geän<strong>der</strong>t, um das<br />
grossherzogliche Veto zu umgehen. M<strong>an</strong> gewinnt den Eindruck,<br />
dass ein Staat, <strong>der</strong> unbedingt so ein Gesetz duchsetzen<br />
möchte, jeden Weg gehen wird: Der belgische Staat ließ<br />
1991 die Konstitution än<strong>der</strong>n, um das sogen<strong>an</strong>nte Abtreibungsgesetz<br />
durchzusetzen und somit das königliche Veto<br />
zu umgehen. Wahrscheinlich ist dieses vergleichbare Vorgehen<br />
in Belgien (1991) und Luxemburg (2009) nur ein Zufall?<br />
Müssen Pflegende und Ärzte, aber auch Patienten und<br />
Angehörige, zulassen, dass politische Entscheidungen o<strong>der</strong><br />
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Machtspiele eine jahrtausende alte, bewährte Ethik des<br />
Arztberufes zunichte machen?<br />
Der erste Bericht <strong>der</strong> nationalen Kommission zur Evaluation<br />
<strong>der</strong> Euth<strong>an</strong>asie liegt vor: In 2 Jahren wurden 5 Euth<strong>an</strong>asien<br />
(2 Männer, 3 Frauen) durchgeführt (nur Tumorpatienten,<br />
alle über 60 Jahre). Diese Kommission, die die Akte erst nach<br />
durchgeführter Euth<strong>an</strong>asie überprüft, hat keine illegalen<br />
o<strong>der</strong> zweifelhaften Praktiken festgestellt. Ebenfalls betont<br />
diese Kommission, dass Morphin o<strong>der</strong> Derivate in keinem<br />
<strong>der</strong> Fälle als Subst<strong>an</strong>z benutzt wurden.<br />
Lei<strong>der</strong> prüft keiner, ob <strong>der</strong> Patient, <strong>der</strong> nach Euth<strong>an</strong>asie o<strong>der</strong><br />
Beihilfe zum Suizid fragt, zurechnungsfähig und bei vollem<br />
Bewusstsein ist. O<strong>der</strong> ob seine Anfrage freiwillig, überlegt,<br />
wie<strong>der</strong>holt und nicht unter äußerem Druck erfolgt. O<strong>der</strong> ob<br />
<strong>der</strong> Patient sich in einer medizinisch ausweglosen Situation<br />
befindet und physich o<strong>der</strong> psychisch, konst<strong>an</strong>t und unerträglich,<br />
ohne Aussicht auf Besserung leidet.<br />
Das Euth<strong>an</strong>asie-Gesetz baut vor allem auf hoch emotionalen<br />
Ged<strong>an</strong>ken auf. Eine klare Darstellungen <strong>der</strong> sogen<strong>an</strong>nten<br />
Indikation(en) bei den 5 Fällen wird es nie geben. Eigentlich<br />
bringt diese Kommission nur eine falsche Sicherheit, eine<br />
wahre Evaluation o<strong>der</strong> Fallbesprechung sind nicht vorgesehen.<br />
Da ein Patient aufgrund dieses Gesetzes eine Therapie<br />
ablehnen k<strong>an</strong>n, also auch palliativ-medizinische Versorgung,<br />
entsteht ein 2-Optionen-Modell am Lebenslebende: Palliativversorgung<br />
versus Euth<strong>an</strong>asie o<strong>der</strong> Beihilfe zum Suizid.<br />
Dieses Feedback über die Situation in Luxemburg soll kein<br />
Plädoyer für o<strong>der</strong> gegen Palliativversorgung o<strong>der</strong> Euth<strong>an</strong>asie<br />
sein. Es geht um die Darstellungen g<strong>an</strong>z konkreter<br />
Fakten, die den Alltag <strong>der</strong> Patienten, Pflegenden und Ärzte in<br />
Luxemburg bestimmen. Versorgung von schwerkr<strong>an</strong>ken und<br />
sterbenden Patienten k<strong>an</strong>n nicht mit einem Gesetz gestaltet<br />
werden. Die eigentliche Gefahr ist eine B<strong>an</strong>alisierung von<br />
Sterben und Tod in unserer hoch mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft.<br />
Eigentlich bleibt nur die Weisheit: “M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n das Leben nur<br />
rückwärts verstehen, aber m<strong>an</strong> muss es vorwärts leben!”<br />
(Zitat von S. Kierkegaard)<br />
dr. med. frédéric fogen<br />
Facharzt für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin<br />
Abt. für Palliativmedizin Centre Hospitalier Luxembourg (CHL)