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Vortragstext - Arbeitskreis Geschichte der Geographie

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finanzierten, damit aber auch in starkem Maße auf seine Forschungsaufgaben Einfluss<br />

nehmen konnten. Für das erste Jahr seines Chinaaufenthalts übernahm die Bank of<br />

California die Reisekosten. Richthofen erhielt den Auftrag, vor allem <strong>der</strong> konkreten<br />

Frage nachzugehen, ob und inwiefern sich die ausgedehnten chinesischen<br />

Kohlelagerstätten für eine industrielle Ausbeutung eigneten. Bereits während <strong>der</strong><br />

preußischen Ostasienexpedition hatte er am Jangtsekiang ergiebige Steinkohlenflöze<br />

gesehen. Das erweckte natürlich Begehrlichkeiten und ließ die Mittel für eine<br />

sachkundige Prospektion durch einen Experten wie Richthofen fließen.<br />

Die später so berühmten Reisen Richthofens in China waren demzufolge zumindest<br />

anfänglich Teil einer imperialistischen Aneignung von überseeischen Gebieten, was in<br />

biographischen Würdigungen gerne verschwiegen wird. 15 Es ging vor allem um<br />

Ressourcen und um die Frage, wer sie wie im Prozess <strong>der</strong> Industrialisierung Europas<br />

und Nordamerikas ausbeuten durfte.<br />

Getrieben vom Ehrgeiz, Großes zu leisten und verfolgt von <strong>der</strong> Angst, abermals zu<br />

scheitern, machte Richthofen sein Beobachtungsverhalten im höchstem Maße von<br />

zukünftigen äußeren Erfolgen abhängig. So schwelgte er in einem Brief an seine Eltern<br />

in <strong>der</strong> Vorstellung, dass er die Chinesen zu einer Öffnung ihrer Bergwerke bewegen und<br />

vom Einsatz westlicher Technologien und Kapitalien würde überzeugen können und den<br />

Fremden damit das Land für weitere wirtschaftliche Betätigung aufschließen könne. An<br />

<strong>der</strong>en Ende stünde dann, wie er hoffte, ein China, das mit ausländischer Hilfe sukzessive<br />

an den Weltmarkt angebunden wäre. 16 Man sieht daran, dass Ferdinand von Richthofens<br />

Zielstellung in China sowohl wissenschaftlich als auch wirtschaftspolitisch motiviert<br />

war. Jürgen Osterhammel urteilt hierzu:<br />

„Ein teils preußisch-deutsches, teils sozusagen gesamtimperialistisches<br />

Sendungsbewusstsein motivierte Richthofen vom Anfang bis zum Ende seiner<br />

Reisen und bewog ihn schon früh, unangefor<strong>der</strong>te Memoranden über deutsche<br />

Möglichkeiten in China an Bismarck zu schicken. Er sah sich in <strong>der</strong> doppelten Rolle<br />

des wissenschaftlichen und des imperialen Pioniers.“ 17<br />

Zunächst untersuchte er in <strong>der</strong> Provinz Shandong jedes ihm bekannte Kohlevorkommen.<br />

Er beobachtete Lagerungsverhältnisse und Mächtigkeit <strong>der</strong> Kohleflöze, Beschaffenheit<br />

<strong>der</strong> Kohle, technische Anlagen des Abbaus, die Menge des geför<strong>der</strong>ten Materials,<br />

Probleme <strong>der</strong> Wasserhaltung, Eignung <strong>der</strong> Kohlegruben für ausländische Anleger, den<br />

Zustand <strong>der</strong> heimischen Industrie sowie die regionalen Wirtschaftsverflechtungen. 18<br />

Infolge seiner hochfliegenden Erwartungen überschätzte er jedoch sowohl die<br />

Mächtigkeit als auch die Qualität <strong>der</strong> Kohlenflöze Shandongs, weil er die mit dem Abbau<br />

zusammenhängenden Faktoren letztlich doch nicht in ihrer Gesamtheit erfassen<br />

15 Vgl. hierzu z. B. Drygalski, Erich von: Gedächtnisrede auf Ferdinand Freiherr von Richthofen. In: Zeitschrift<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 1905, S. 681–697. Tiessen, Ernst 1922 (wie Anm. 8). Beck, Hanno:<br />

Große Geographen. Pioniere – Außenseiter – Gelehrte. Berlin 1982, S. 149–163; Stäblein, Gerhard: Der<br />

Lebensweg des Geographen, Geomorphologen und China-Forschers Ferdinand von Richthofen. In: Die Erde<br />

114, 1983, S. 90–102. Kolb, Albert: Ferdinand Freiherr von Richthofen 1833-1905. In: Geographers.<br />

Biobibliographical Studies, Vol. 7. London, New York 1984, S. 109–115. Engelmann, Gerhard: Ferdinand von<br />

Richthofen 1833–1905, Albrecht Penck 1858–1945. Zwei markante Geographen Berlins. Aus dem Nachlaß.<br />

(Erdkundliches Wissen; 91), Stuttgart 1988.<br />

16 Vgl. Tagebücher (wie Anm. 10) I, S. 27 f.<br />

17 Osterhammel, Jürgen: Forschungsreise und Kolonialprogramm. Ferdinand von Richthofen und die<br />

Erschließung Chinas im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t. In: Archiv für Kulturgeschichte 69, 1987, S. 150–195, hier S. 172.<br />

18 Vgl. Tagebücher (wie Anm. 10) I, S. 166, 179 f., 184 ff., 191 f.<br />

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