Normprobleme bei der Pluralbildung fremder und ... - Linguistik online
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<strong>Linguistik</strong> <strong>online</strong> 16, 4/03<br />
Die Erklärung für den Abbau des s-Plurals liegt darin, dass s-Pluralformen eine ganze Reihe<br />
von Nachteilen haben, die mehr o<strong>der</strong> weniger gehäuft auftreten:<br />
1. sie sind <strong>bei</strong> starken Nomina formgleich mit dem Genitiv Sg: des/die Autos (Verletzung des<br />
NPs <strong>der</strong> Uniformität);<br />
2. sie erlauben keine Dativmarkierung: mit den *Autosn (Verletzung des NPs <strong>der</strong> formalen<br />
Markierung inhaltlicher Unterschiede);<br />
3. sie haben häufig komplexe Silbenendrän<strong>der</strong>: Lifts, Kiosks, Parks (Verletzung des Präferenzgesetzes<br />
für Kodas),<br />
4. bilden häufig keine Trochäen: Jobs, Parks (Verletzung des NPs <strong>der</strong> optimalen Wortlänge),<br />
5. haben häufig markierte Endsilben mit gespanntem Vokal in geschlossener Silbe:<br />
(43) Pizzas [A] vs Atlas [a], Amis [i] vs Basis [I], Kontos [o] vs Kokos [O], Iglus [u] vs Kubus [Á].<br />
Aus diesen Gründen werden s-Formen im Zuge <strong>der</strong> Assimilation durch assimilierte, d. h.<br />
Schwa-Pluralformen ersetzt. Vorübergehend kommt es zwangsläufig zu Zweifelsfällen.<br />
Bei den in quantitativer Hinsicht marginalen, in qualitativer Hinsicht sehr speziellen Onomatopoetika<br />
<strong>und</strong> Eigennamen werden diese Nachteile auf Dauer geduldet, sodass es nicht zu<br />
<strong>Normprobleme</strong>n kommt. Die Sprecher wissen sehr genau, wie <strong>und</strong> wann sie Appellativa o<strong>der</strong><br />
Eigennamen zu pluralisieren haben. Das gilt sogar für aus Eigennamen entstandene Apellativa.<br />
Schwankungen zwischen<br />
(44) die Manns - die Männer, die Kochs - die Köche, die Bäcker - die Beckers<br />
die Opels - die Opel, die Diesels - die Diesel, die Dudens - die Duden<br />
tauchen daher nicht auf. Wenn Fremdwörter in den allgemeinen Wortschatz übergehen <strong>und</strong><br />
morphologisch assimiliert werden, so stellt <strong>der</strong> s-Plural dagegen nur eine Übergangslösung<br />
dar, so dass sich, zunächst als Varianten, assimilierte Pluralformen herausbilden, die sich von<br />
nativen höchstens noch orthographisch unterscheiden:<br />
(45) a) Lifte, Scheiche, Fräcke, Pizzen, Villen,<br />
b) Hefte, Reiche, Säcke, Ritzen, Rillen.<br />
Mit den assimilierten Formen in a) liegen genau wie mit den nativen Formen in b) dann trochäische<br />
Pluralformen vor, die auf eine sonorant-finale Schwa-Silbe auslauten <strong>und</strong> damit optimale<br />
Pluralformen darstellen, was bedeutet, dass sie die "kanonische Struktur" aufweisen,<br />
mit betonter Stammsilbe, die die semantische Bedeutung trägt, <strong>und</strong> unbetonter Endsilbe, die<br />
die grammatische Information trägt, dass sie die Flexionsklasse des Nomens erkennen lassen<br />
<strong>und</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> starken Flexion die Dativmarkierung ermöglichen.<br />
Bedingung für die Assimilation ist <strong>bei</strong> morphologisch komplexen Fremdwörtern, dass die<br />
Endung als Stammbildungssuffix reanalyiert <strong>und</strong> dass infolgedessen ihr Kappen toleriert<br />
wird. Bedingung für die Assimilation von Anglizismen wie Park ist dagegen, dass die Verän<strong>der</strong>ungen<br />
geduldet werden, die durch die Addition einer Silbe ausgelöst werden: Verän<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Fußstruktur, unter Umständen Verschiebung <strong>der</strong> Silbengrenze (Par.ke), eventuell Blockierung<br />
<strong>der</strong> Auslautverhärtung des Endkonsonanten (?Jobbe), in Dialekten gar Vokalän<strong>der</strong>ung<br />
(Pärke).<br />
ISSN 1615-3014