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Normprobleme bei der Pluralbildung fremder und ... - Linguistik online

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<strong>Linguistik</strong> <strong>online</strong> 16, 4/03<br />

(7) dem Lande - die Lande, aber dem Lande - die Län<strong>der</strong><br />

(8) die H<strong>und</strong>e - dem H<strong>und</strong>e, aber die Wölfe - dem Wolfe<br />

Zu bedenken sind die früher artikellos gebrauchten Dativ Sg-Formen, von denen sich nur die<br />

er- <strong>und</strong> die umgelauteten e-Pluralformen unterscheiden:<br />

(9) zu Hause, zu Wasser <strong>und</strong> zu Lande, zu Grabe tragen, zu Leibe rücken, <strong>bei</strong> Lichte besehen, zu<br />

Buche schlagen - die Häuser, Län<strong>der</strong>, Gräber, Leiber, Lichter, Bücher.<br />

(10) <strong>bei</strong> Hofe, zu Kopfe steigen, zu Gr<strong>und</strong>e gehen - die Höfe, Köpfe, Gründe.<br />

Das e-Suffix zur Bildung des Dativ-Singular wurde im Laufe des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts obsolet (an<br />

dem ?Denkmale). Mit dem Aussterben von dativmarkierten Formen wie Hute, Lande, die nur<br />

noch in Redewendungen gebraucht werden (mit dem Hute in <strong>der</strong> Hand, zu Wasser <strong>und</strong> zu<br />

Lande), entfällt das Bedürfnis für eine vom Dativ distinkte <strong>Pluralbildung</strong> <strong>und</strong> auf die Unproduktivität<br />

des er-Plurals folgt die des Umlautplurals. 3 Für <strong>bei</strong>de Pluralformen besteht keine<br />

Motivation mehr. 4<br />

Insofern kann die heutige Unproduktivität <strong>und</strong> das Aussterben <strong>bei</strong><strong>der</strong> irregulären Pluralformen<br />

funktional erklärt werden: Mit dem Abbau des Dativ Singular-Markers -e (dem Brote ><br />

dem Brot) entfällt eine <strong>der</strong> <strong>bei</strong>den Motivationen für diese Arten <strong>der</strong> <strong>Pluralbildung</strong>, in nicht<br />

apokopierenden Varietäten entfällt auch die an<strong>der</strong>e. Brote ist jetzt eindeutig Plural. Die Zweifelsfälle<br />

<strong>und</strong> die <strong>Normprobleme</strong> sind also eine Konsequenz des Abbaus markierter Klassen<br />

<strong>und</strong> damit eines natürlichen Sprachwandelprozesses.<br />

Mit dem Abbau dieser irregulären Klassen entspricht die Entwicklung des Deutschen den<br />

Annahmen <strong>der</strong> Markiertheitstheorie: Unproduktive Klassen erhalten nicht nur keinen Nachschub<br />

mehr durch Neubildungen <strong>und</strong> folglich auch keinen Ersatz für aussterbende Wörter, sie<br />

verlieren auch Mitglie<strong>der</strong> an die großen, regulären <strong>und</strong> produktiven Klassen (cf. Wurzel 1984:<br />

154 zu primärer Produktivität). Ein Flexionsklassenwechsel von kleinen irregulären zu großen<br />

regulären Klassen macht das System insgesamt einfacher. Das hat für das Deutsche zur Folge,<br />

dass von den heute noch vorhandenen sechs Pluralklassen nur noch vier produktiv sind:<br />

3 Cf. die Zahlen in Tabelle 1 im Anhang, die einen deutlichen Rückgang für die Pluralmarker -e+Umlaut <strong>und</strong> -er<br />

aufweisen. Innerhalb des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts sinkt <strong>der</strong> Anteil des ersteren von 9,2 auf 3,8, <strong>der</strong> des letzteren von 2,3<br />

auf 0,7 % (= Anteil an allen Pluralformen, Types).<br />

4 Der Abbau dieser Pluralklassen führt jedoch nicht immer zu Zweifelsfällen, die ja durch Anpassung <strong>der</strong><br />

markierten Pluralform an die dominierende Flexionsklasse entstehen. In vielen Fällen sterben die Wörter mit erbzw.<br />

Umlautplural einfach aus, indem sie aus <strong>der</strong> Mode kommen: Bälger, Wämser, Gemächer, Mähler, Gäuche,<br />

Büge. Mit den Nomen, die nicht mehr gebraucht werden, weil sie durch modischere ersetzt werden (Bälger ~<br />

Kids), gehen dann auch die markierten Pluralformen unter.<br />

ISSN 1615-3014

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