Mein Kind ist das Beste was mir je passiert ist! - Queerformat
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Das Coming-Out unserer Tochter – uns<br />
als Eltern gegenüber – liegt so circa fünf<br />
Jahre zurück. <strong>Mein</strong> Mann wusste es eher<br />
als ich. Und er hat <strong>mir</strong> nichts gesagt!!!<br />
Ich platzte voll in eine Situation hinein,<br />
die eindeutiger nicht hätte sein können<br />
und wusste im ersten Moment nicht,<br />
<strong>was</strong> ich <strong>je</strong>tzt davon halten sollte…<br />
Zu dieser Zeit führten wir Eltern aus beruflichen<br />
Gründen eine Wochenendbeziehung.<br />
Ich war schon ein wenig „angefressen“,<br />
<strong>das</strong>s unsere Tochter scheinbar<br />
zum Papa mehr Vertrauen hatte als zu<br />
<strong>mir</strong>. Ich, die den Alltag mit ihr teilte,<br />
wusste <strong>das</strong> Wichtigste nicht! Nach diesem<br />
„Zwischenfall“ haben wir zwei uns<br />
ausgesprochen. Ich habe ihr gesagt, <strong>das</strong>s<br />
ich immer zu ihr stehe, <strong>das</strong> aber auch<br />
nur guten Gewissens kann, wenn ich Bescheid<br />
weiß.<br />
Wie mein Mann die Sache für sich aufbereitet<br />
hat, weiß ich eigentlich gar nicht<br />
so recht. Er war ja in der Woche nicht zu<br />
Hause, wohnte und arbeitete in Berlin.<br />
Einer Stadt, die ihm durchaus tolerant<br />
erschien im Umgang mit ihren vielen internationalen<br />
Einwohnern und der LSBT-<br />
Szene. Ich denke, <strong>das</strong>s ihm <strong>das</strong> sehr geholfen<br />
hat.<br />
Durch meine Arbeit in einer großen<br />
Center-Apotheke in der Innenstadt von<br />
Magdeburg hatte ich täglich Kontakt zu<br />
vielen Menschen. Ich beobachtete nun<br />
intensiver und merkte, <strong>das</strong>s ich bereits<br />
viele Personen kannte, die lesbisch bzw.<br />
schwul waren. Ich reg<strong>ist</strong>rierte, wie die<br />
„normalen“ Leute auf sie reagierten, mit<br />
ihnen umgingen. <strong>Mein</strong> damaliges Team<br />
– im Durchschnitt 15-20 Jahre jünger als<br />
ich – nahm diese Nachricht sehr relaxt<br />
auf. Diese coole Reaktion hat <strong>mir</strong> sehr geholfen!<br />
Es <strong>ist</strong> eben doch schon eine andere<br />
Generation. Sie <strong>ist</strong> offener, toleranter.<br />
Kurz nach dem o. g. „Zwischenfall“<br />
trennte sich unsere Tochter von ihrer<br />
Freundin. Es passte nicht. Keimte da bei<br />
<strong>mir</strong> Hoffnung auf, <strong>das</strong>s alles vielleicht<br />
doch nur ein Ausrutscher war? Nein, eigentlich<br />
nicht. Wir hatten es akzeptiert<br />
und in unseren Alltag integriert.<br />
Nicht mal ein halbes Jahr später hieß es:<br />
„Mama, ich hab da <strong>je</strong>manden kennen<br />
gelernt.“ Und, <strong>was</strong> soll ich euch sagen,<br />
sie <strong>ist</strong> die zweite Tochter, die wir schon<br />
immer wollten!!!! Inzwischen sind die<br />
beiden verlobt und wollen im kommenden<br />
Jahr heiraten. Mit diesem Vorhaben<br />
stellt sich natürlich unweigerlich die Frage<br />
nach Enkelkindern. Ein Wunsch, der<br />
wohl nicht so ohne Weiteres in Erfüllung<br />
gehen kann…<br />
Unsere engste Familie <strong>ist</strong> leider schon<br />
sehr klein geworden. <strong>Mein</strong>e Mutter, die<br />
für mich immer sehr wichtig war, verstarb<br />
bereits 1994. Sie war sehr stolz auf<br />
ihre Enkelin und ich hätte sie sehr gern in<br />
vielen Dingen um Rat gefragt. <strong>Mein</strong> Vater,<br />
inzwischen 77 Jahre alt, hat damals<br />
bewundernswert auf diese Nachricht<br />
reagiert. Ich hatte <strong>das</strong> so nicht erwartet<br />
und war freudig überrascht. Die neue<br />
Lebensgefährtin hat er total ins Herz<br />
geschlossen, genauso wie wir. Und er<br />
freut sich unbändig auf <strong>das</strong> kommende<br />
Jahr! Die Mutter meines Mannes – heute<br />
80-jährig – kann <strong>das</strong> alles nach wie vor<br />
nicht so recht verstehen. (Wahrscheinlich<br />
bedingt durch die Erziehung, die<br />
vorgelebte und in der eigenen Familie<br />
gelebte traditionelle Rollenverteilung in<br />
einer Ehe.)<br />
Die restliche Verwandtschaft – Onkel,<br />
Tanten, Cousins, Cousinen – scheinen<br />
damit <strong>je</strong>doch keine Probleme zu haben.<br />
Sie zeigen sich mit uns und unseren beiden<br />
<strong>Kind</strong>ern genauso in der Öffentlichkeit<br />
wie vorher auch.<br />
Echte Vorurteile haben wir bisher nicht<br />
erleben müssen. Obwohl, es gab da mal<br />
einen Vorfall mit einer Gruppe Mädchen,<br />
die sich im Vorbeigehen über <strong>das</strong> Handin-Hand<br />
gehende lesbische Paar sehr<br />
laut und vor allem abwertend äußerten.<br />
Sie wussten nicht, <strong>das</strong>s mein Mann und<br />
ich dazu gehörten und verstummten<br />
sehr schnell, als sie merkten, <strong>das</strong>s die<br />
beiden nicht allein waren und ihre Argumente<br />
uns gegenüber nicht hieb- und<br />
stichfest waren.<br />
Über die Probleme, die sich für gleichgeschlechtliche<br />
Paare auftun (können),<br />
macht man sich erst Gedanken, wenn<br />
man selbst damit konfrontiert <strong>ist</strong>. Wir<br />
sind da häufig im Internet unterwegs und<br />
lesen Beiträge zu verschiedenen Themen<br />
wie Eheschließung oder Adoption.<br />
Ich habe einfach Suchworte eingegeben<br />
und bin dadurch auf die verschiedensten<br />
Seiten gelangt. Unsere Tochter und ihre<br />
Freundin haben uns oft einfach per Mail<br />
Artikel geschickt. Sie haben sich beide für<br />
ein interessantes Studium entschieden:<br />
„Angewandte <strong>Kind</strong>heitswissenschaften“.<br />
Im Rahmen des Studiums haben sie bereits<br />
zu dem Thema „Regenbogenfamilien“<br />
referiert und uns auch ihr Konzept<br />
hierzu geschickt. Dieses Thema rührt<br />
aus ihrem eigenen Lebenstraum heraus.<br />
Eine komplette kleine Familie. Vielleicht<br />
wird es ja doch eines Tages wahr? Durch<br />
sie beide bin ich z.B. auch auf Mirjam<br />
Müntefering aufmerksam geworden.<br />
Habe ihre Autobiographie gelesen und<br />
auch einige ihrer Romane.<br />
Auch in unserem größeren Familienkreis<br />
hat sich in den letzten zwei Jahren eine<br />
weitere homosexuelle Lebenspartnerschaft<br />
„geoutet“. Bei Gesprächen vor<br />
wenigen Wochen mit der Mutter stellte<br />
sich heraus, <strong>das</strong>s sie seit dem Outing ihres<br />
Sohnes durch ihre Familie und ihre<br />
Umgebung keinerlei Hilfe hatte, so <strong>das</strong>s<br />
sie sich mit niemandem austauschen<br />
konnte. Sie bekam solch große psychische<br />
Probleme, <strong>das</strong>s sie sich in professionelle<br />
Behandlung begeben musste.<br />
Heute noch trifft sie sich mit ihrer Gruppe.<br />
Überhaupt hat sie mit <strong>mir</strong> zum ersten<br />
Mal offen darüber geredet und ich glaube,<br />
es tat ihr richtig gut. Das zeigt <strong>mir</strong>,<br />
wie wichtig diese Broschüre <strong>ist</strong>.<br />
Zum Schluss möchte ich einfach nur sagen:<br />
Wir lieben unsere zwei Töchter sehr<br />
und stehen ihnen in allen Belangen immer<br />
beratend und unterstützend zur Seite.<br />
Sie beide tun ein Übriges, um sich in<br />
der Gesellschaft einen wichtigen Platz zu<br />
schaffen. Sie gehen offen mit ihrer Liebe<br />
um und sind in ihrem Freundeskreis ein<br />
anerkanntes Paar.<br />
Ihre Anke Fischer<br />
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