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Mein Kind ist das Beste was mir je passiert ist! - Queerformat

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absolvieren, sofort annahm. Nach einem<br />

knappen Jahr im Ausland kam ein selbstbewusster<br />

junger Mann zurück, der immer<br />

noch Ruhe und Besonnenheit ausstrahlte,<br />

seine Stärken und Schwächen<br />

akzeptierte, Dinge in die Hand nahm,<br />

eine Metal-Band gründete, in die Disco<br />

ging und zunehmend Interessen mit seiner<br />

Schwester teilte. Zu seinem Freundeskreis<br />

gehörten seit der siebten Klasse<br />

zwei Mädchen, die ich beide sehr nett<br />

fand, und nur gespannt war, für welche<br />

er sich letztendlich entscheiden würde.<br />

Ich wartete...<br />

Er war 18, als ich längere Zeit zur Kur<br />

musste, er versorgte selbstverständlich<br />

den Haushalt, wir telefonierten regelmäßig.<br />

Es war Anfang September 2001.<br />

<strong>Mein</strong>e Tochter hatte <strong>mir</strong> berichtet, <strong>das</strong>s<br />

sie am Wochenende ins Schwuz zur Disco<br />

wolle und den Bruder mitnehmen würde.<br />

Das war natürlich kein Problem, ich bat<br />

sie nur, ein wenig drauf zu achten, <strong>das</strong>s<br />

kein Schwuler bei ihm falsche Hoffnungen<br />

weckt. Nein, nein, er kommt ja nur<br />

wegen der Musik mit. Ja klar, <strong>was</strong> sonst?<br />

Am Montag rief ich ihn an: „Wie war dein<br />

Wochenende mit Katja? War es schön<br />

in der Disco?“ „Ja klar, war super.“ „Ist<br />

ja auch o.k., wenn du da mithin gehst.<br />

Wenn dir die Musik so gefällt. Aber pass<br />

trotzdem ein bisschen auf dich auf. Du<br />

weißt, <strong>was</strong> ich meine?“ „Ja, also Mama,<br />

ähm, ich gehe ja nicht nur wegen der<br />

Musik ins Schwuz...“ Pause… Pause…<br />

Pause… „Mama?“<br />

„Ja, Jens , also, ich komme<br />

ja in ein paar Tagen nach Hause.<br />

Lass` uns dann mal in Ruhe reden.“<br />

Ende.<br />

Ich wusste sofort, <strong>was</strong> er <strong>mir</strong> sagen wollte,<br />

und konnte es doch nicht glauben. Ich<br />

weiß noch, <strong>das</strong>s ich in mein Zimmer ging<br />

und stundenlang nur geweint habe. Heute<br />

schäme ich mich fast dafür. Anders<br />

als bei meiner Tochter kam diese Eröffnung<br />

so vollkommen überraschend für<br />

mich. Ich hatte wahnsinnige Angst, <strong>das</strong>s<br />

er Übergriffen ausgeliefert sein könnte,<br />

<strong>das</strong>s man ihn ablehnen würde, <strong>das</strong>s sich<br />

Freunde von ihm abwenden, <strong>das</strong>s er im<br />

Beruf Probleme bekommen würde, <strong>das</strong>s<br />

sein Leben einfach die bisherige Leichtigkeit<br />

verlieren würde. Natürlich gab es<br />

auch Gefühle von Trauer und Wehmut.<br />

Kaum wieder zu Hause, haben wir drei<br />

uns zusammengesetzt und da muss ich<br />

noch heute schmunzeln, mit welcher<br />

Weitsicht seine Schwester <strong>das</strong> Coming-<br />

Out ihres Bruders vorbereitet hat. Die<br />

Idee war von Anfang an, es <strong>mir</strong> irgendwie<br />

während des Kuraufenthaltes beizubringen.<br />

Sollte ich mit der Tatsache ein<br />

Problem haben und nicht klarkommen,<br />

so wäre schließlich schnell ein Psychologe<br />

zur Hand, um <strong>mir</strong> notfalls seelischen<br />

Be<strong>ist</strong>and zu le<strong>ist</strong>en. Wie fürsorglich und<br />

rücksichtsvoll!<br />

Erstaunlicherweise<br />

war es für Jens<br />

ein größeres Problem,<br />

es seinem Vater<br />

mitzuteilen. Da bat er mich<br />

doch um Hilfe und die Reaktion<br />

meines Mannes hat mich damals sehr<br />

betroffen gemacht. Er nahm seinen Sohn<br />

wortlos in den Arm und wollte erst mal<br />

gar nicht darüber reden, sondern fuhr<br />

nach Hause. Am nächsten Tag, als unser<br />

Sohn in der Schule war, haben wir uns<br />

noch mal getroffen. Es gab Tränen, er<br />

war traurig, hilflos und zutiefst erschüttert.<br />

Wir haben lange geredet, später<br />

auch mit den <strong>Kind</strong>ern zusammen. An der<br />

Liebe und Fürsorge zu seinem Sohn hat<br />

es nichts geändert, auch meine anderen<br />

Befürchtungen haben sich nicht bestätigt.<br />

Seine Freunde, auch die Mädchen<br />

meinten, sie hätten es schon immer geahnt,<br />

während des Studiums und auch<br />

<strong>je</strong>tzt im Beruf war es nie von Bedeutung.<br />

Große Probleme gibt es immer noch in<br />

meiner Familie. War es bei meiner Tochter<br />

eher noch unterschwellig, so gab es<br />

bei meinem Sohn direkte Vorbehalte.<br />

Bei zwei <strong>Kind</strong>ern könne es ja nur an der<br />

falschen Erziehung liegen und alleinerziehende<br />

Mütter leben ihren <strong>Kind</strong>ern eben<br />

nicht <strong>das</strong> wahre Leben vor. Es klingt immer<br />

so ein bisschen nach: „Er wäre so ein<br />

guter Ehemann und Vater geworden.“<br />

Ich habe durch die Homosexualität<br />

meiner <strong>Kind</strong>er sehr viel Neues kennen<br />

gelernt, bin offener für die vielen Facetten<br />

menschlichen Zusammenlebens geworden<br />

und habe in meinem Freundeskreis<br />

durchweg nur Akzeptanz erfahren.<br />

Natürlich tauchten bei <strong>mir</strong> auch Fragen<br />

nach dem „Warum“ auf. Heute finde ich,<br />

so verständlich die Suche nach den Ursachen<br />

<strong>ist</strong>, so <strong>ist</strong> eigentlich diese schon<br />

eine Form der Diskriminierung.<br />

Und schließlich <strong>ist</strong> es bei uns nicht viel<br />

anders als in anderen Familien. Vielleicht<br />

darf auch ich in den nächsten Jahren<br />

Schwiegersohn und Schwiegertochter<br />

willkommen heißen. Denn wie alle Mütter<br />

wünsche ich beiden natürlich eine<br />

glückliche, stabile Partnerschaft.<br />

Ja, ich habe zwei wunderbare <strong>Kind</strong>er….<br />

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