Konzeption des Betreuten Wohnens - Initiative zur sozialen ...
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<strong>Konzeption</strong> <strong>des</strong> <strong>Betreuten</strong> <strong>Wohnens</strong><br />
Vorwort<br />
1 Betreutes Wohnen, Beschreibung für alle Zielgruppen<br />
1.1 Kurzbeschreibung und Ziele<br />
1.2 Rechtlicher Rahmen<br />
1.3 Räumliche Ausstattung und Betreuungsformen<br />
1.4 Personelle Ausstattung, fachliche Rahmenbedingungen und Arbeitsorganisation<br />
1.5 Aufnahmemodalitäten<br />
1.6 Leistungen<br />
1.7 Kooperationsstrukturen<br />
1.8 Methodische Grundlage: Beziehungsarbeit<br />
2 Betreutes Wohnen für Menschen mit psychischer Erkrankung<br />
2.1 Zielgruppe<br />
2.2 Störungs-/Krankheitsverständnis<br />
2.2.1 Psychopharmaka<br />
2.3 Arbeitsansatz und Zielsetzung<br />
2.4 Grenzen<br />
2.5 Besonderheiten <strong>des</strong> frauenspezifischen Angebotes<br />
3 Betreutes Wohnen für Menschen mit Suchterkrankung<br />
3.1 Zielgruppe<br />
3.2 Störungs-/Krankheitsverständnis<br />
3.3 Arbeitsansatz und Zielsetzung<br />
3.4 Krisenarbeit: Der Rückfall<br />
4 Betreutes Wohnen für Menschen mit Drogenabhängigkeit<br />
4.1 Zielgruppe<br />
4.2 Störungs-/Krankheitsverständnis<br />
4.3 Arbeitsansatz und Zielsetzung<br />
4.4 Grenzen und Krisenarbeit<br />
4.5 Besonderheiten <strong>des</strong> frauenspezifischen Angebotes in der Frielinger Straße<br />
4.6 Drogenabhängige Mütter mit Kindern<br />
5 Betreutes Wohnen für Menschen mit geistiger Behinderung<br />
5.1 Zielgruppe<br />
5.2 Behinderungsverständnis<br />
5.3 Arbeitsansatz und Zielsetzung<br />
5.4 Grenzen der Betreuung<br />
Schlussbemerkung<br />
1
„Man wird sich seinen eigenen gesunden Menschenverstand nicht dadurch beweisen<br />
können, dass man seinen Nachbarn einsperrt.“ Dostojewski<br />
Vorwort<br />
Die <strong>Initiative</strong> e.V. ist ein gemeinnütziger Träger der freien Wohlfahrtspflege und als eingetragener<br />
Verein organisiert.<br />
Die <strong>Initiative</strong> e.V. hat sich im Zuge der Psychiatriereform im Jahre 1982 gegründet. Vorrangige<br />
Zielsetzung war die Auflösung der psychiatrischen Langzeitklinik, Kloster Blankenburg, und die<br />
kritische Auseinandersetzung mit der herkömmlichen medizinisch ausgerichteten Psychiatrie.<br />
Unser Leitbild greift diese Zielsetzung in folgenden Kernsätzen erneut auf:<br />
„Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, Menschen in Anerkennung ihres Seins als gleichberechtigte<br />
BürgerInnen ein Leben in Gemeinschaft zu ermöglichen. Wir wollen das Bewusstsein dahingehend<br />
schärfen, dass Verrückt-Sein, Behindert-Sein, Süchtig-Sein sowie Eigenheiten und Anderssein,<br />
Anteile und Möglichkeiten eines jeden Menschen sind. In unserer Arbeit verpflichten wir uns dem<br />
Konzept der nutzerInnenorientierten, lebensweltlichen, stadtteilbezogenen Versorgung. Die<br />
Deinstitutionalisierung und die damit einhergehende Transformation der Psychiatrie und anderer<br />
Institutionen leiten uns.“<br />
Diese Leitgedanken bewegen uns dazu, aktiv an der Weiterentwicklung und konstruktiven<br />
Gestaltung <strong>des</strong> Hilfesystems für Menschen mit psychischer Erkrankung, Suchterkrankung,<br />
Drogenabhängigkeit oder geistiger Behinderung mit zu arbeiten.<br />
Dabei verpflichten wir uns dem Gender Mainstreaming. Dies bedeutet, „...die unterschiedlichen<br />
Interessen und Lebenssituationen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu<br />
berücksichtigen, da es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt.“ (BMFSFJ 2003)<br />
Die Förderung einer selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung sowie die<br />
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind zentrale Zielsetzungen für das Betreute Wohnen.<br />
Wir gewährleisten eine geschlechtssensible Betreuung für unserer NutzerInnen.<br />
Die allgemeine Beschreibung <strong>des</strong> <strong>Betreuten</strong> <strong>Wohnens</strong> im Punkt 1 ist für alle Zielgruppen<br />
maßgeblich. Sie stellt den Rahmen unserer Arbeit im <strong>Betreuten</strong> Wohnen dar.<br />
Die speziellen Inhalte zu den einzelnen Zielgruppen Psychiatrie, Sucht, Drogenabhängigkeit und<br />
geistige Behinderung, sind den jeweiligen Punkten zu entnehmen.<br />
1 Betreutes Wohnen, Beschreibung für alle Zielgruppen<br />
Die in diesem Abschnitt dargestellten Inhalte sind auf alle Bereiche <strong>des</strong> <strong>Betreuten</strong> <strong>Wohnens</strong><br />
anwendbar. Die speziellen Inhalte zu den Betreuungsbereichen Psychiatrie, Sucht,<br />
Drogenabhängigkeit und geistige Behinderung sind den jeweiligen Kapiteln zu entnehmen.<br />
1.1 Kurzbeschreibung und Ziele<br />
Das Betreute Wohnen ist ein dezentrales, ambulantes Angebot, welches lebenspraktische und<br />
soziale Unterstützung und Rehabilitation für psychisch kranke, suchtkranke und drogenkranke<br />
sowie geistig und mehrfach behinderte Menschen bietet.<br />
Die Betreuung kann sowohl eine kurzfristige Bearbeitung konkreter Schwierigkeiten auf dem Weg<br />
<strong>zur</strong> Selbstständigkeit beinhalten, als auch eine langfristige Begleitung sein, die ein Leben<br />
außerhalb von vollversorgenden Einrichtungen dauerhaft ermöglicht.<br />
Unser Angebot orientiert sich eng am Bedarf der NutzerInnen, der sich individuell wie<br />
2
krankheitsbedingt verändern kann, dementsprechend wird zu Beginn der Betreuung die Dauer<br />
nicht befristet.<br />
Wir unterstützen die NutzerInnen bei der Inanspruchnahme anderer ambulanter Angebote (z.B.:<br />
Tagesstätten, berufliche Rehabilitationseinrichtungen, Tagesklinik, Pflegedienste sowie<br />
nichtpsychiatrischer Hilfen), und kooperieren mit diesen Stellen.<br />
Mit dem <strong>Betreuten</strong> Wohnen wollen wir dazu beitragen, dass individuelle, soziale und<br />
gesellschaftliche Beeinträchtigungen psychiatrisierter, geistig behinderter und<br />
abhängigkeitserkrankter Menschen verhindert, verringert oder überwunden werden. Hierzu gehört<br />
vor allem die Integration in das Lebensfeld im Stadtteil und die Vermeidung von stationärer<br />
Langzeitunterbringungen.<br />
Die Entwicklung sozialer Grundlagen, auf denen die NutzerInnen eigene Entscheidungen treffen<br />
können und Wahlmöglichkeiten in der Lebensgestaltung haben, gehört zu den Zielen <strong>des</strong><br />
<strong>Betreuten</strong> <strong>Wohnens</strong>.<br />
1.2 Rechtlicher Rahmen<br />
NutzerInnen <strong>des</strong> <strong>Betreuten</strong> <strong>Wohnens</strong> der <strong>Initiative</strong>...e.V. können all diejenigen erwachsenen<br />
Menschen sein, die einen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII haben. Die<br />
Bewilligung entsprechender Hilfen durch das Amt für Soziale Dienste sowie deren zeitlicher<br />
Umfang erfolgt nach gutachterlicher Stellungnahme, Inhalt und Umfang der Betreuung richten sich<br />
nach dem Gesamtplan gemäß § 58 SGB XII. Das Amt für Soziale Dienste prüft, ob der/die<br />
Nutzer/in Eigenanteile leisten muss, bzw. ob die Kosten vollständig oder anteilig übernommen<br />
werden.<br />
Zwischen der <strong>Initiative</strong>...e.V. und den NutzerInnen wird ein Betreuungsvertrag und ggf. ein<br />
Mietvertrag abgeschlossen, die Verträge sind voneinander unabhängig.<br />
Die Leistungen <strong>des</strong> <strong>Betreuten</strong> <strong>Wohnens</strong> werden gemäß § 54 SGB XII erbracht. Für NutzerInnen,<br />
die vor Aufnahme ihren Wohnsitz außerhalb Bremens hatten, gelten die mit dem Land Bremen<br />
vereinbarten Grundsätze <strong>zur</strong> Leistungserbringung. Dazu gehört auch das vereinbarte<br />
Leistungsentgelt. Näheres teilen wir auf Anfrage gerne mit.<br />
1.3 Räumliche Ausstattung und Betreuungsformen<br />
Das Betreute Wohnen umfasst :<br />
●<br />
●<br />
Betreuung in einer Wohngemeinschaft<br />
Einzelbetreuungen<br />
Die <strong>Initiative</strong>...e.V. vermietet Wohnraum an die NutzerInnen der Wohngemeinschaften und an<br />
einzelbetreute Personen, die über keinen eigenen Wohnraum verfügen.<br />
Zu fast allen Häusern gehört ein kleiner Garten. Die persönlichen Zimmer werden von den<br />
NutzerInnen selbst, die Gemeinschaftsräume, wie Küche, Wohnzimmer, Bäder etc. werden von<br />
der <strong>Initiative</strong>...e.V. eingerichtet und ausgestattet.<br />
In unseren Büros werden Räume für Beratungen, Einzelgespräche sowie Treffen von<br />
BewohnerInnen genutzt.<br />
1.4 Personelle Ausstattung, fachliche Rahmenbedingungen & Arbeitsorganisation<br />
Die personelle Ausstattung orientiert sich sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht an<br />
den erforderlichen Betreuungsleistungen.<br />
Grundlage für die quantitative Personalausstattung sind die begutachteten Betreuungsschlüssel.<br />
Ab dem Zeitpunkt der geplanten Einführung von Hilfebedarfsgruppen werden diese <strong>zur</strong> Grundlage.<br />
Basis der qualitativen Personalausstattung ist die Beschäftigung von Fachpersonal. 3
Folgende Fachbereiche sind vertreten:<br />
Sozialarbeit/Sozialpädagogik<br />
Psychologie<br />
Ergotherapie<br />
Heilerziehungspflege<br />
Krankenpflege<br />
sowie vergleichbare Qualifikationen<br />
Die verstärkte Einbeziehung der Betroffenensicht in das professionelle Handeln verfolgen wir über<br />
die Einstellung von ExpertInnen durch Erfahrung (EdE). Voraussetzung für die Einstellung ist der<br />
Abschluss einer EX-IN Fortbildung.<br />
Die kontinuierliche Fortbildung der MitarbeiterInnen sowie die regelmäßige externe Supervision<br />
sind wesentliche Qualitätsmerkmale der personellen Ausstattung. Die <strong>Initiative</strong>...e.V. hat ein<br />
eigenes Fortbildungskonzept erstellt, welches einheitliche Standards, Bedingungen und<br />
Anforderungen bezüglich der Fortbildung von MitarbeiterInnen beschreibt. Alle MitarbeiterInnen<br />
haben die Möglichkeit, an internen wie externen Fortbildungen und Tagungen teilzunehmen.<br />
Die Teamarbeit ist ein wesentlicher methodisch relevanter Ansatz unserer Arbeit im <strong>Betreuten</strong><br />
Wohnen. Wir arbeiten mit multiprofessionell besetzten Teams, die sich in der Regel aus 4 – 6<br />
BetreuerInnen zusammensetzen.<br />
Die Hilfeplanung erfolgt mit Unterstützung standardisierter Instrumente (BHP, HMBW). Die<br />
Erstellung ist stets Anlass zu einer Ergebnisüberprüfung der Betreuungsarbeit. Gemeinsam mit<br />
der/dem NutzerIn und der/dem jeweils zuständigen GutachterIn werden die Betreuungsziele<br />
reflektiert, aktuell angepasst sowie deren Umsetzung für das nächste Jahr geplant.<br />
Unterschiedliche Auffassungen, insbesondere zu Inhalt und Umfang der Betreuungsarbeit können<br />
in einer Fallkonferenz, an der die beteiligten Personen und Einrichtungen teilnehmen, geklärt<br />
werden.<br />
1.5 Aufnahmemodalitäten<br />
BewerberInnen für das Betreute Wohnen werden zu einem Informations- und Beratungsgespräch<br />
eingeladen. Außerdem findet ein erstes Gespräch mit der/dem GutachterIn statt. Dieses ist<br />
Voraussetzung für die Erteilung einer Kostenübernahme durch das Amt für Soziale Dienste. Für<br />
die Aufnahme in eine betreute Wohngemeinschaft kommt es zu einem weiteren Gespräch mit den<br />
zuständigen BetreuerInnen und der Wohngemeinschaft. Nach diesem Treffen entscheiden die drei<br />
beteiligten Parteien (BetreuerInnen, BewohnerInnen und BewerberIn), ob ein Einzug in die WG<br />
gewünscht wird. Nach Übernahme der Kosten durch das AfSD kann die Aufnahme in das Betreute<br />
Wohnen erfolgen.<br />
Beim Beginn einer Einzelbetreuung setzt sich das zuständige Betreuungsteam direkt mit dem/der<br />
BewerberIn in Verbindung, um die Aufnahme einzuleiten.<br />
1.6 Leistungen<br />
Unsere Leistungen richten sich an einer personenzentrierten Rehabilitation aus und werden als<br />
Komplexleistung erbracht:<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
Vermietung von Wohnraum, Ausstattung gemeinschaftlich genutzter Räume<br />
motivierende und beratende Unterstützung<br />
Förderung und Aktivierung von Selbsthilfepotentialen<br />
lebenspraktische und pflegerische Begleitung im Alltag<br />
Vermittlung von nichtpsychiatrischen Hilfen, die die Dienste <strong>des</strong> <strong>Betreuten</strong> <strong>Wohnens</strong> in der<br />
Zukunft ersetzen können. 4
Betreuungsarbeit ist wohnfeldbezogen und findet in der Regel auch hier statt. Fähigkeiten der<br />
einzelnen Person werden in dieser Alltagswelt und deren entsprechendem Umfeld erkannt und<br />
entwickelt. Probleme können hier in geeigneter Form abgemildert und/oder abgewendet werden.<br />
In diesem Sinne beinhalten unsere Angebote folgen<strong>des</strong>:<br />
1. Mithilfe bei der Wohnungssuche und -einrichtung, sowie dem Wohnraumerhalt, wie<br />
z.B. Hilfen <strong>zur</strong> regelmäßigen Mietzahlung, Nebenkostenabrechnungen etc..<br />
2. Strukturierungshilfen bei der Gestaltung <strong>des</strong> Tagesablaufes in den Bereichen:<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
Arbeit, Beschäftigung<br />
Haushaltsführung<br />
Freizeit<br />
Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben durch Beratung, unterstützende<br />
Begleitung und/ oder eigene Angebote.<br />
3. Befähigung zu weitestgehend selbständiger Übernahme:<br />
●<br />
●<br />
von finanziellen und behördlichen Angelegenheiten, z.B. durch Kooperation mit der<br />
Rechtsbetreuung, schrittweise Anleitung <strong>zur</strong> Geldeinteilung etc.<br />
von Körperpflege und Gesundheitsvorsorge, z.B. durch Kooperation mit Pflegediensten,<br />
aktive, begleitende Anleitung oder regelmäßige Hinweise.<br />
4. Unterstützung bei der Bewältigung krankheitsbedingter Auswirkungen auf die<br />
Lebensführung:<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
Milderung gesellschaftlicher Ausgrenzung durch Gemeinwesenarbeit<br />
Begleitung und Beratung bei der Wahrnehmung ärztlicher und medikamentöser Versorgung<br />
Gespräche <strong>zur</strong> biographischen Integration der geistigen Behinderung, psychischen<br />
Erkrankung, der Abhängigkeitserkrankung<br />
Beratung von Angehörigen und FreundInnen<br />
5. Beratung bei dem Aufbau, Erhalt und Abbruch sozialer Beziehungen:<br />
●<br />
●<br />
in Einzelgesprächen und Gruppengesprächen<br />
mittels Moderation von Angehörigen/FreundInnen - NutzerInnen Gesprächen<br />
6. Krisenintervention durch<br />
●<br />
●<br />
telefonische Erreichbarkeit<br />
persönliche Anwesenheit der BetreuerInnen in der Krise<br />
Bei den aufgeführten Leistungen ist die Koordination und Kooperation mit allen Beteiligten ein<br />
zentraler Bestandteil unserer Arbeit.<br />
1.7 Kooperationsstrukturen<br />
Wir verstehen unsere Angebote als Teil eines auf die jeweilige Zielgruppe ausgerichteten<br />
Versorgungssystems. In diesem Sinne kooperieren wir mit allen beteiligten Diensten und<br />
Einrichtungen. Die Zusammenarbeit ist darauf gerichtet, im Rahmen unseres ganzheitlichen<br />
Betreuungsansatzes die Hilfen klientenzentriert zu gestalten.<br />
Über den Einzelfall hinaus ist es Ziel unserer Kooperation, gemeinsam mit den PartnerInnen daran<br />
zu arbeiten die Versorgungsstrukturen zu erhalten und in Anpassung an sich verändernde Bedarfe<br />
und Bedingungen weiter zu entwickeln.<br />
5
1.8 Methodische Grundlage <strong>des</strong> <strong>Betreuten</strong> <strong>Wohnens</strong>: Beziehungsarbeit<br />
Grundlage und leiten<strong>des</strong> Element unserer Arbeit ist das Angebot und die Gestaltung einer<br />
Beziehung zwischen den professionellen HelferInnen und den NutzerInnen.<br />
Am Anfang einer Betreuung bieten sich ein bis zwei BetreuerInnen als Bezugspersonen an. Die<br />
daraus entstehenden Beziehungen bieten den Beteiligten eine Plattform, um unterschiedliche, oft<br />
widersprüchliche Seiten einer Person zu erkennen und zu erleben.<br />
Ziel der Betreuungsarbeit ist es, diese Seiten aus den individuellen Blickwinkeln in einem Team<br />
zusammen zu tragen. Das entstehende Bild der Person dient dem besseren Verständnis und bildet<br />
die Grundlage für die Entwicklung von Handlungsstrategien. Wir sind in diesem Prozess um eine<br />
ganzheitliche Sicht der NutzerInnen bemüht, wobei die Arbeit im Teamzusammenhang dieses<br />
Bemühen unterstützt. Diagnosen und entsprechende therapeutische Empfehlungen sind darin ein<br />
Baustein.<br />
In der Wohngemeinschaft bietet sich darüber hinaus für die NutzerInnen ein vielfältiges<br />
Erfahrungs- und Entwicklungspotenzial. Die Isolation wird aufgebrochen. Die Erfahrung der<br />
gegenseitigen Unterstützung von NutzerInnen führt zu positiver Selbsteinschätzung. Die<br />
Möglichkeit eigene Positionen innerhalb der Gruppe zu finden und zu vertreten, ohne dabei aus<br />
den <strong>sozialen</strong> Bezügen heraus zu fallen, fördert die Stabilisierung der eigenen Rolle im Kontext der<br />
Wohngemeinschaft. Die Leitungsrolle der BetreuerInnen unterstützt diesen Prozess und bezieht<br />
dabei die erarbeiteten Handlungsstrategien mit ein.<br />
Die BetreuerInnen motivieren und unterstützen die Gruppe bei dem Erarbeiten und Erreichen von<br />
Gruppenzielen, wie z.B. Erhalt <strong>des</strong> Wohnraums, Förderung der Gemeinschaft etc.<br />
Zur Betreuungsarbeit in Gruppen gehören auch die Freizeitaktivitäten sowie die <strong>sozialen</strong><br />
Gruppenfahrten.<br />
2 Betreutes Wohnen für Menschen mit psychischer Erkrankung<br />
2.1 Zielgruppe<br />
Dieses Betreuungsangebot richtet sich an erwachsene Personen, bei denen die psychische<br />
Beeinträchtigung der wesentliche Grund für die „Hilfe <strong>zur</strong> Eingliederung“ ist, häufig handelt es sich<br />
um Menschen mit sogenannten „frühen Störungsbildern“ (Psychosen, Persönlichkeitsstörungen).<br />
In der Regel haben diese Menschen bereits Erfahrungen mit der stationären und/oder ambulanten<br />
psychiatrischen Versorgung gemacht.<br />
2.2 Störungs-/Krankheitsverständnis<br />
Wir gehen von der Erkenntnis aus, dass psychische Erkrankungen multifaktoriell bedingt sind, sich<br />
innerhalb zwischenmenschlicher Interaktionen entwickeln und verfestigen und über<br />
gesellschaftliche Ausgrenzung zusätzlich individualisiert werden, was weiteres Leiden schafft.<br />
Grundsätzlich verstehen wir eine psychische Erkrankung als Teil einer Lebenskonstruktion, die<br />
auch strukturierenden und schützenden Charakter hat und nicht ausschließlich aus Leiden und<br />
Behinderung besteht. So sehen wir psychisch beeinträchtigte Menschen als integere<br />
Persönlichkeiten, deren Wahrnehmungen und Wahrheiten wir achten. Mit dieser Haltung wollen wir<br />
dazu beitragen, dass Selbstachtung und Würde gestärkt, gewahrt und behauptet werden können.<br />
2.2.1 Psychopharmaka<br />
Den Einsatz von Psychopharmaka halten wir nur dann für angebracht, wenn eine psychische<br />
Dynamik derzeit nicht beeinflussbar ist und ein Zuviel an individuellem Leiden bedeutet, oder das<br />
soziale Umfeld auf Dauer überlastet ist. Wir setzen uns für eine ausführliche Information der<br />
6
Betroffenen über den Nutzen und die Risiken (unerwünschte Wirkungen, Spätfolgen) der<br />
Medikation ein. In Absprache mit FachärztInnen unterstützen wir Reduktions- und Absetzversuche<br />
der NutzerInnen.<br />
2.3 Arbeitsansatz und Zielsetzung<br />
Menschen mit psychischen Erkrankungen werden häufig von ihrer <strong>sozialen</strong> Umgebung als<br />
belastend wahrgenommen. Die Toleranz der Umgebung und der Grad der <strong>sozialen</strong><br />
Nichtangepasstheit sowie das Maß <strong>des</strong> individuellen Leidens sind die Kriterien dafür, ob und wie<br />
lange die/der Betroffene in ihrer/seiner ursprünglichen Umgebung verbleibt. Häufig kommt es im<br />
Verlauf einer Erkrankung zu Klinikaufenthalten und bei zunehmender Chronifizierung zu längeren<br />
Aufenthalten in Einrichtungen der Psychiatrie, die einerseits einen Schutz bieten, andererseits<br />
soziale und gesellschaftliche Ausgrenzung bedeuten.<br />
Mit unserer Arbeit im <strong>Betreuten</strong> Wohnen wollen wir den NutzerInnen soviel Schutz wie nötig geben<br />
und ihnen die Möglichkeit bieten am gesellschaftlichen und <strong>sozialen</strong> Leben teilzunehmen bzw. sie<br />
in ihren Bemühungen um diese Teilnahme unterstützen. Das Leben in kleinen Gruppen oder in der<br />
eigenen Wohnung im Stadtteil ist die wesentliche Voraussetzung für unsere Arbeit. Dieses Umfeld<br />
bietet die Möglichkeit, sozial angemessene Bewältigungsformen für emotionalen Stress zu<br />
erproben.<br />
Wir verstehen unsere Arbeit als unterstützende Begleitung, die die Förderung der<br />
Selbstbestimmung und Eigenverantwortung in den Mittelpunkt stellt. Grenzen zeigen sich im<br />
Spannungsfeld zwischen diesem Arbeitsansatz und der Verantwortung als professionelle HelferIn<br />
insbesondere dann, wenn selbst- und fremdgefährden<strong>des</strong> Verhalten den Handlungsspielraum<br />
einengt.<br />
2.4 Grenzen<br />
Wir beenden die Betreuung, wenn die im Betreuungsvertrag vertraglich festgelegten Bedingungen<br />
nicht eingehalten werden.<br />
Dazu zählen insbesondere:<br />
●<br />
●<br />
●<br />
Bedrohung, körperliche Gewalt, Übergriffe gegenüber NutzerInnen oder MitarbeiterInnen<br />
fortgesetzter Missbrauch oder akute Abhängigkeit von einem Suchtstoff, durch den das<br />
Erreichen der Betreuungsziele unmöglich wird<br />
Entscheidung einer Fallkonferenz, die Betreuung zu beenden.<br />
Ein weiterer Grund die Betreuung zu beenden besteht dann, wenn der Betreuungsbedarf den<br />
angebotenen Rahmen übersteigt oder unterschreitet.<br />
Beim Vorliegen einer Abhängigkeitserkrankung kann ggf. die weitere Betreuung im <strong>Betreuten</strong><br />
Wohnen für Suchtkranke erfolgen.<br />
2.5 Besonderheiten <strong>des</strong> frauenspezifischen Angebotes<br />
Für die Betreuung von Frauen, die ausschließlich von Frauen betreut werden wollen, arbeitet ein<br />
Betreuungsteam, welches für diese Arbeit fortgebildet ist. Die dort lebenden Frauen haben häufig<br />
Gewalterfahrungen machen müssen. Dieser Arbeitsbereich berücksichtigt besonders die<br />
frauenspezifischen Bedingungen <strong>zur</strong> Entstehung und Entwicklung psychischer Erkrankungen.<br />
In der Zielsetzung dieser Arbeit geht es zusätzlich zu den bereits erwähnten Zielen darum,<br />
gemeinsam Maßnahmen zum Schutz vor weiteren Gewalterfahrungen zu entwickeln. Dem gemäß<br />
bieten wir hier einen gewaltfreien Schutzraum für Frauen sowie frauenspezifische<br />
Gruppenangebote.<br />
7
3 Betreutes Wohnen für Menschen mit Suchterkrankung<br />
3.1 Zielgruppe<br />
Dieser Projektteil richtet sich insbesondere an Abhängigkeitserkrankte, die im Laufe ihres Leidens<br />
die Erfahrung gemacht haben, dass sie ohne fremde Unterstützung ihren Alltag nicht in<br />
angemessener Weise bewältigen können.<br />
Häufig sind die angesprochenen Menschen von sozialer Desintegration und somatischen sowie<br />
psychischen Suchtfolgeschäden betroffen.<br />
Personen, die sich um die Aufnahme in eine betreute Wohngemeinschaft bewerben, müssen zum<br />
Zeitpunkt <strong>des</strong> Einzuges abstinent sein und darüber hinaus die Bereitschaft zu einer<br />
suchtmittelfreien Lebensweise haben. Die Wohngemeinschaften sind suchtmittelfreie Zonen.<br />
Mit NutzerInnen, die nicht in einer Wohngemeinschaft, sondern in ihrer eigenen Wohnung betreut<br />
werden, treffen wir individuelle Vereinbarungen, die insbesondere ihre Abstinenzfähigkeit<br />
berücksichtigen, wobei Abstinenz keine Voraussetzung ist.<br />
3.2 Störungs-/Krankheitsverständnis<br />
Wenn in diesem <strong>Konzeption</strong>steil von Sucht oder Abhängigkeit gesprochen wird, dann ist damit die<br />
Abhängigkeit von min<strong>des</strong>tens einem Suchtstoff und hier vorwiegend Alkohol gemeint (s.a. Kapitel<br />
Zielgruppe).<br />
Wir gehen davon aus, dass eine Abhängigkeitserkrankung somatische, psychische und soziale<br />
Ursachen hat. Wir verstehen unsere Arbeit als Teil einer Behandlung, die im Sinne einer<br />
ganzheitlichen Sichtweise diesen Ursachenkomplex berücksichtigt.<br />
Ein besonderes Aufgabengebiet sehen wir in der Betreuung von Menschen, die zusätzlich zu einer<br />
Abhängigkeitserkrankung an weiteren psychischen Störung leiden (Comorbidität,<br />
Doppeldiagnosen).<br />
Die Gruppe dieser Menschen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Als Gründe für<br />
diese Entwicklung kann man die Auflösung von langfristig geschlossenen Einrichtungen, die den<br />
Zugang zu Suchtstoffen erschwerten, sowie eine differenziertere Diagnostik annehmen.<br />
Die Art <strong>des</strong> Zusammenhangs zwischen psychischen bzw. psychotischen Störungen und<br />
Missbrauch/Sucht kann vielfältig sein. Bei PatientInnen mit Persönlichkeitsstörungen dürfte häufig<br />
ein ungeeigneter Selbstheilungsversuch von unerträglich erlebten, inneren Spannungen und<br />
Leeregefühlen vorliegen. Bei PatientInnen mit einer psychotischen Symptomatik und einer<br />
zusätzlichen Suchtproblematik kann jene durch Suchtmittel (z.B. Alkohol oder Halluzinogene)<br />
ausgelöst worden sein. Es kann aber auch eine bestehende psychotische Erkrankung ihrerseits zu<br />
süchtigem Verhalten disponieren, wobei Missbrauch oder Abhängigkeit die psychotische<br />
Erkrankung verschleiern können. Auch in diesem Zusammenhang wird von einem ungeeigneten<br />
Selbstbehandlungsversuch <strong>zur</strong> Dämpfung von z.B. psychotischen Ängsten ausgegangen.<br />
Insbesondere bei längeren Krankheitsverläufen ist häufig nicht mehr herauszufinden, welche<br />
Erkrankung primär vorhanden war.<br />
In unserer Arbeit gehen wir davon aus, dass beide Störungen sich in ihrem Zusammenspiel<br />
negativ beeinflussen. Deshalb stellen wir nicht einzelne Symptome in den Vordergrund, sondern<br />
sind um eine ganzheitliche Sichtweise <strong>des</strong> Menschen mit seinen Störungen bemüht.<br />
3.3 Arbeitsansatz und Zielsetzung<br />
Neben den bereits in Punkt 2.3 der <strong>Konzeption</strong> dargestellten Zielen kommen in der Betreuung von<br />
suchtkranken Menschen weitere Zielsetzungen hinzu. Diese orientieren sich an den individuellen<br />
Ressourcen der NutzerInnen.<br />
Die Ziele bei Personen, die weiterhin Suchtmittel konsumieren, liegen in der Stabilisierung ihrer<br />
8
<strong>sozialen</strong> und psychischen Situation sowie in der Verhinderung von Verwahrlosung und<br />
Verelendung.<br />
Bei Personen, die hinsichtlich ihrer Abstinenz gering motiviert sind, liegen die Ziele der<br />
Betreuungsarbeit in der Verlängerung von Abstinenzphasen. In Zeiten <strong>des</strong> Suchtmittelkonsums<br />
bieten wir Hilfen <strong>zur</strong> Beendigung dieser Phase, um ein Abrutschen in die Verwahrlosung zu<br />
verhindern. Das auf einen längeren Zeitraum angelegte Wohnen in einer betreuten<br />
Wohngemeinschaft ist für einige NutzerInnen eine wesentliche Unterstützung in ihrem Bemühen<br />
um eine abstinente Lebensweise. Nicht selten kommt es für diese eher älteren Menschen zu einer<br />
Beheimatung in der Wohngemeinschaft.<br />
Eine weitere Gruppe von Suchtkranken nutzt unser Betreuungsangebot als Begleitung für den<br />
Übergang von einem Klinik- oder Wohnheimaufenthalt in eine eigene Wohnung mit dem Ziel, ohne<br />
regelmäßige Betreuung zu leben.<br />
Die Zuordnung zu einer der genannten Personengruppen und die damit verbundenen Ziele der<br />
Betreuungsarbeit sind nicht statisch. Die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Gruppen dient<br />
dem Ziel, die NutzerInnen in ihren jeweiligen Entwicklungspotenzialen angemessen begleiten und<br />
unterstützen zu können.<br />
3.4 Krisenarbeit: Der Rückfall<br />
Einen Rückfall verstehen wir als Ausdruck eines krisenhaften Zustan<strong>des</strong>. Die Hilfen <strong>zur</strong><br />
Überwindung dieser Krise bieten den NutzerInnen die Möglichkeit, die eigenen Verhaltensweisen<br />
zu reflektieren und geben Unterstützung bei der Erarbeitung und Umsetzung alternativer<br />
Handlungsmuster.<br />
Wenn eine körperliche Entgiftung erforderlich ist, sollte dies unter ärztlicher Aufsicht erfolgen, ob<br />
dafür eine Klinikeinweisung sinnvoll ist, muss im Einzelfall entschieden werden.<br />
Weder die Tatsache eines Rückfalls noch die Entscheidung einer/eines NutzerIn für eine stationäre<br />
Therapie führt <strong>zur</strong> Kündigung <strong>des</strong> Miet- und Betreuungsverhältnisses. Häufen sich jedoch die<br />
Rückfälle oder gelingt es nicht, an das abstinente Leben anzuknüpfen, wodurch die Gemeinschaft<br />
dauerhaft gefährdet wird, werden die Verträge gekündigt.<br />
In diesem Fall erhält die/der NutzerIn Hilfe bei der Suche nach einer anderen Wohnung oder<br />
Unterkunft.<br />
4 Betreutes Wohnen für Menschen mit Drogenabhängigkeit<br />
4.1 Zielgruppe<br />
Dieses Angebot richtet sich an erwachsene Männer und Frauen, die drogenabhängig sind<br />
und/oder substituiert werden und/oder aktuell Drogen konsumieren.<br />
In der Regel konsumieren die NutzerInnen dieses Angebotes bereits seit vielen Jahren Drogen und<br />
haben bereits mehrere Anläufe <strong>zur</strong> Überwindung ihrer Drogenabhängigkeit unternommen.<br />
4.2 Störungs-/Krankheitsverständnis<br />
Wir gehen davon aus, dass Drogenabhängigkeit somatische, psychische und soziale Ursachen<br />
hat. Wir verstehen unserer Arbeit als Teil einer Behandlung, die im Sinne einer ganzheitlichen<br />
Sichtweise diesen Ursachenkomplex berücksichtigt.<br />
Die Überwindung der Drogenabhängigkeit ist keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme<br />
unserer Hilfsangebote. Dem zu folge halten wir es auch für unsere Aufgabe, die NutzerInnen bei<br />
der Bewältigung <strong>des</strong> Alltags unabhängig von ihrem Drogenkonsum zu unterstützen. Langfristig ist<br />
jedoch die Aufnahme einer Beschäftigung und eine Substitutionsbehandlung bzw. ein kontrollierter<br />
Drogengebrauch ein wichtiger Baustein zum Verbleib in der WG. 9
4.3 Arbeitsansatz und Zielsetzung<br />
Zusätzlich zu den in Punkt 1.1 genannten Zielsetzungen geht es in diesem Angebot insbesondere<br />
um folgende Ziele:<br />
●<br />
●<br />
●<br />
Bearbeitung ungeklärter Wohnverhältnisse<br />
Normalisierung und Beruhigung der Lebensverhältnisse<br />
Physische und psychische Stabilisierung<br />
Grundlage unserer Arbeit ist die Akzeptanz <strong>des</strong> Drogenkonsums. Min<strong>des</strong>tvoraussetzung für die<br />
Betreuung ist jedoch die Bereitschaft <strong>zur</strong> Beendigung eines vollkommen unkontrollierten<br />
Drogenkonsums und die Mitwirkung bei der Regelung notwendiger, persönlicher Angelegenheiten.<br />
Alle NutzerInnen in der betreuten Wohngemeinschaft Roonstraße verfügen über ein eigenes<br />
Zimmer, das Haus Roonstraße bietet acht Einzelzimmer, drei Bäder, zwei Gemeinschaftsküchen<br />
und einen Gemeinschaftsraum. Für Mahlzeiten, Möblierung der Zimmer sowie die Reinhaltung der<br />
Zimmer und Gemeinschaftseinrichtungen sind die NutzerInnen selbst verantwortlich.<br />
Darüber hinaus gibt es das Angebot einer Einzelbetreuung in einer eigenen Wohnung.<br />
4.4 Krisenarbeit und Grenzen<br />
Außerhalb der üblichen Bürozeiten sind die MitarbeiterInnen am Wochenende über Telefon<br />
erreichbar. Ebenso findet dann eine regelmäßige Begehung <strong>des</strong> Hauses statt. Zusätzlich kann in<br />
begründeten Ausnahmefällen eine Erreichbarkeit auch außerhalb dieser Zeiten eingerichtet<br />
werden.<br />
Bei einem völlig unkontrollierten Konsumverhalten wird den NutzerInnen eine stationäre<br />
Teilentwöhnungsbehandlung nahe gelegt. Der Wohnplatz kann während dieser Behandlung<br />
aufrecht erhalten werden.<br />
NutzerInnen, die auf Grund ihres Drogenkonsums nicht in der Lage sind, ein Min<strong>des</strong>tmaß an<br />
sozialer Kommunikation und Kooperation mit den übrigen NutzerInnen <strong>des</strong> Hauses Roonstraße<br />
sowie den MitarbeiterInnen aufrecht zu erhalten, sind dauerhaft nicht in diesem Angebot zu halten.<br />
Ebenso können die Begleitumstände <strong>des</strong> Konsums, wie beispielsweise massive Störungen,<br />
Gewaltandrohung/-ausübung, Handeln mit Betäubungsmitteln und Prostitution, <strong>zur</strong> Kündigung <strong>des</strong><br />
Wohnplatzes und/oder der Betreuung führen.<br />
Näheres regelt die Hausordnung.<br />
4.5 Besonderheiten <strong>des</strong> frauenspezifischen Angebotes in der Frielinger Straße<br />
Für diesen Arbeitsbereich wurde die <strong>Konzeption</strong> im Jahr 2012 überarbeitet:<br />
Betreutes Wohnen für Frauen mit einer Drogenabhängigkeit<br />
<strong>Konzeption</strong> für das Haus Frielinger Straße 55<br />
1. Vorwort – Einleitung<br />
Die Betreute Wohngemeinschaft Frielinger Straße 55 ist ein Wohn- und Betreuungsangebot für<br />
drogenabhängige, erwachsene Frauen. Die Leistungen werden nach §§ 53, 54 SGB XII erbracht.<br />
Die <strong>Initiative</strong>....e.V. unterhält als Träger der Freien Wohlfahrtspflege dieses Angebot seit 2004. Unsere<br />
Absicht ist es, drogenabhängigen Frauen, die substituiert werden und/oder Drogen konsumieren, einen<br />
Lebensraum im Stadtteil zu bieten, Hilfen zu erbringen, die an den Fähigkeiten und Bedürfnissen jeder<br />
einzelnen orientiert sind und dabei einen unter ambulanten Bedingungen weitest möglichen Schutz- und<br />
Rückzugsort zu etablieren.<br />
Die Betreute Wohngemeinschaft bildet ein Umfeld, in dem es für die Frauen möglich wird, Gemeinschaft zu<br />
erfahren, soziale Verantwortung zu übernehmen und sich dabei als Individuum in der Gruppe zu erleben.<br />
Ausgehend von der Erkenntnis, dass Sucht multifaktoriell begründet ist, richten wir unsere Hilfen an den<br />
somatischen, psychischen und <strong>sozialen</strong> Lebensbedingungen der Menschen aus.<br />
Die Doppeldiagnose aus Sucht und einer weiteren psych. Erkrankung ist kein Ausschlusskriterium. 10
2. Personenkreis/Zielgruppe<br />
Dieses Angebot richtet sich an erwachsene, drogenabhängige Frauen. In der Regel konsumieren sie seit<br />
vielen Jahren Drogen und/oder werden substituiert.<br />
Zusätzlich leiden viele der Nutzerinnen an einer psychischen Störung, die oftmals auf sexualisierte<br />
Gewalterfahrung <strong>zur</strong>ückzuführen ist.<br />
Zur Überwindung der Drogenabhängigkeit und auch der psychischen Belastungen wurden oftmals bereits<br />
mehrere Behandlungen aufgenommen. Die Überwindung der Drogenabhängigkeit ist keine Voraussetzung<br />
für die Aufnahme.<br />
3. Ziele<br />
Unser Angebot ist darauf gerichtet, die somatische, psychische und soziale Lebenslage der Klientinnen zu<br />
verbessern.<br />
Die Vermeidung weiterer Gewalterfahrungen bildet eine wesentliche Voraussetzung <strong>zur</strong> Beruhigung und<br />
Stabilisierung der Klientinnen.<br />
Das Drogenproblem stellt in der Regel eine starke Belastung dar. Ein wichtiges Ziel ist es <strong>des</strong>halb,<br />
individuelle Bewältigungsstrategien in Bezug auf das Suchtverhalten zu entwickeln, ohne dabei die oftmals<br />
wirklichkeitsferne Abstinenzerwartung in den Mittelpunkt zu stellen.<br />
Die Lage der WG in einem Bremer Stadtteil impliziert die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.<br />
Gruppenangebote im Freizeit- und Beschäftigungsbereich tragen wesentlich dazu bei, dieses Ziel zu<br />
erreichen.<br />
Die Vermeidung von Haftaufenthalten ist die Voraussetzung <strong>zur</strong> Verhinderung weiterer<br />
Restriktionserfahrungen und <strong>des</strong>halb als Ziel zu verfolgen.<br />
Obdachlosigkeit ist eine Erfahrung, die viele Klientinnen bereits gemacht haben. Unsere Hilfen sind darauf<br />
gerichtet, den Erhalt der Wohnung zu sichern und damit erneute Obdach- bzw. Wohnungslosigkeit zu<br />
vermeiden.<br />
4. Angebote/Leistungen<br />
Unser Angebot orientiert sich an den individuellen Zielsetzungen und Ressourcen der Frauen sowie an der<br />
Hilfeplanung für das Betreute Wohnen. Folgende Leistungen werden von uns schwerpunktmäßig erbracht:<br />
• Alltagspraktische Hilfen (Ernährung, Haushaltsführung, Hygiene)<br />
• Beratung und Begleitung bei der gesundheitlichen Stabilisierung<br />
• Substitutionsbegleitung<br />
• Begleitung in Krisen<br />
• Unterstützung bei rechtlichen und finanziellen sowie beruflichen Angelegenheiten<br />
• Unterstützung im Bereich der Tagesgestaltung und Beschäftigung<br />
• Hilfen bei der Gestaltung sozialer Beziehungen<br />
• Vermittlung in ausstiegsorientierte Angebote<br />
Um Vielstimmigkeit in der Reflexion zu ermöglichen und Einseitigkeit bzw. Abhängigkeit zu vermeiden, sind<br />
für jede Nutzerin zwei MitarbeiterInnen zuständig.<br />
In diesem ausschließlich Frauen <strong>zur</strong> Verfügung stehenden Angebot arbeiten sowohl Frauen als auch<br />
Männer. Diese Struktur hat sich in der Praxis außerordentlich bewährt. Dabei ist es uns sehr wichtig, die<br />
„Leitlinien für eine geschlechtergerechte psychiatrische Versorgung in Bremen“ in der Praxis umzusetzen.<br />
5. Grenzen <strong>des</strong> Angebotes<br />
Nutzerinnen, die z.B. aufgrund ihres Drogenkonsums ein Min<strong>des</strong>tmaß an sozialer Kommunikation und<br />
Kooperation mit den übrigen Nutzerinnen <strong>des</strong> Hauses sowie den MitarbeiterInnen nicht aufrecht erhalten<br />
können, sind dauerhaft nicht in diesem Angebot zu halten.<br />
Die Hausordnung dient dazu, die Bedingungen für das Zusammenleben in der Gemeinschaft zu regeln und<br />
damit <strong>zur</strong> Stabilität beizutragen. Das Einhalten der Hausordnung ist eine wichtige Voraussetzung für das<br />
Wohnen in der <strong>Betreuten</strong> Wohngemeinschaft. Verstöße gegen diese Ordnung können <strong>zur</strong> Kündigung führen.<br />
6. Kooperationen<br />
Wir verstehen unser Angebot als Teil <strong>des</strong> Drogenhilfesystems, welches in seiner Gesamtheit darauf 11
ausgerichtet ist, die Lebenslagen drogenabhängiger Menschen zu verbessern. Nach unserer Auffassung ist<br />
die gute Zusammenarbeit und Vernetzung von Hilfen eine wichtige Voraussetzung für deren Wirksamkeit.<br />
Über den Einzelfall hinaus engagieren wir uns in Arbeitskreisen und Ausschüssen, die <strong>zur</strong> Weiterentwicklung<br />
<strong>des</strong> Drogenhilfesystems tätig werden.<br />
7. Aufnahme<br />
Für die Aufnahme sind eine Hilfeplanung und ein Gesamtplan nach §58 SGB XII erforderlich, auf deren<br />
Grundlage die Kostenübernahmeentscheidung getroffen wird.<br />
4.6 Betreutes Wohnen für drogenabhängige Mütter/Eltern<br />
Dieses Angebot richtet sich speziell an drogenabhängige Mütter/Eltern und Schwangere, die<br />
substituiert werden und für sich und ihr Kind die Voraussetzungen für eine gemeinsame Zukunft<br />
schaffen wollen. Unter besonderer Berücksichtigung <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>wohls ist es ein Ziel dieses<br />
Angebotes, den Verbleib <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> bei der Mutter zu ermöglichen. Damit dies gelingen kann, ist<br />
die aktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Mütter/Eltern mit den BetreuerInnen und ggf.<br />
mit anderen beteiligten Diensten eine grundlegende Voraussetzung.<br />
Die Leitlinien und Weisungen <strong>des</strong> Amtes für Soziale Dienste für die Betreuung von<br />
drogenabhängigen Müttern sind verbindliche Grundlage <strong>des</strong> Angebotes.<br />
Eine besondere Anforderung dieser Arbeit besteht darin, die vertrauensvolle Zusammenarbeit zu<br />
fördern und dabei den Kontrollaspekt nicht zu vernachlässigen.<br />
Fortgesetzter Konsum von Drogen ist mit dem Wohl <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> nicht vereinbar.<br />
5 Betreutes Wohnen für Menschen mit geistiger Behinderung<br />
5.1 Zielgruppe<br />
Unser Betreuungsangebot richtet sich an erwachsene Personen, bei denen die geistige<br />
Behinderung der wesentliche Grund für die Eingliederungshilfe (§ 53 SGB XII) ist.<br />
Voraussetzung für die Aufnahme ist der Wunsch und die Fähigkeit<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
außerhalb von stationären Einrichtungen zu leben<br />
sich auf eine Betreuungsbeziehung einzulassen<br />
sich zu verselbständigen<br />
mehr Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen.<br />
Körperliche und psychische Beeinträchtigungen können bei Menschen mit geistiger Behinderung<br />
eine Folge- oder Begleiterscheinung sein, sollten jedoch nicht im Vordergrund stehen.<br />
5.2 Behinderungsverständnis<br />
In der Betreuungsarbeit orientieren wir uns am „Krankheitsfolgenmodell“ der WHO (1980). Hier<br />
wird unterschieden nach (somatischen oder psychischen) Schädigungen („impairment“),<br />
Fähigkeitsbeeinträchtigungen („disabilities“) und Benachteiligungen („handicap“).<br />
So könnte z.B. jemand mit einer hirnorganischen Schädigung Probleme im Umgang mit seinen<br />
Finanzen haben, weil er keine Mengenvorstellung hat, oder weil er zeitlich und räumlich nicht<br />
orientiert ist und selten eine geöffnete Bank vorfindet - das sind Fähigkeitsbeeinträchtigungen,<br />
„disabilities“ die individuell unterschiedlich sind und die mit individuell angemessenen Übungen<br />
gemildert werden können. Gleichzeitig sind geistig behinderte Menschen jedoch auch<br />
„gehandicapt“, weil sie, sobald dies erkannt wird, kein eigenes Bankkonto eröffnen dürfen. Auf<br />
dieser Ebene wird ihnen eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft verweigert, sie werden<br />
behindert. 12
5.3 Arbeitsansatz und Zielsetzung<br />
Die BetreuerInnen unterstützen die geistig behinderten Menschen darin, ihre individuellen<br />
Entwicklungsmöglichkeiten weitestgehend zu entfalten und einen Lebensstil zu finden, der ihren<br />
Wünschen und Möglichkeiten entspricht.<br />
Ziel ist die größtmögliche Verselbstständigung und eine angemessene Verantwortungsübernahme<br />
für die eigene Lebensgestaltung.<br />
5.4 Grenzen der Betreuung<br />
Wir beenden die Betreuung, wenn die vertraglich festgelegten Bedingungen nicht eingehalten<br />
werden können (siehe Betreuungsvertrag der <strong>Initiative</strong>...e.V.) oder der Betreuungsbedarf den von<br />
uns angebotenen Rahmen übersteigt, bzw. unterschreitet. So wird z.B. die Betreuungsarbeit<br />
beendet, wenn eine akute Abhängigkeitserkrankung in den Vordergrund rückt und die vereinbarten<br />
Betreuungsziele nicht eingehalten werden können und/oder MitbewohnerInnen in unzumutbarer<br />
Weise beeinträchtigt werden.<br />
Schlussbemerkung<br />
Die vorliegende <strong>Konzeption</strong> steht in engem Zusammenhang mit dem Leitbild und den Leitlinien der<br />
<strong>Initiative</strong>...e.V..<br />
Das Leitbild beschreibt die grundsätzliche inhaltliche Ausrichtung <strong>des</strong> Vereins und bezieht die<br />
gesamtgesellschaftliche Relevanz in sein Verständnis von Rehabilitation und Integration mit ein.<br />
Die Leitlinien befassen sich mit der inhaltlichen Ausrichtung der MitarbeiterInnen der<br />
<strong>Initiative</strong>...e.V.. Sie enthalten Leitsätze, die in der Alltagsarbeit Berücksichtigung finden und<br />
beantworten Fragen nach dem „Was“ und „Wie“ in der Zusammenarbeit.<br />
Die <strong>Konzeption</strong> ist somit als konkretisierte Plattform und Werkzeug <strong>zur</strong> Umsetzung <strong>des</strong> Leitbil<strong>des</strong><br />
und der Leitlinien zu sehen. Dabei orientiert sie sich ebenso an den eigenen Vorgaben, wie an den<br />
Vorgaben unserer KundInnen. Dazu gehören vor allem die NutzerInnen unserer Angebote und die<br />
Leistungsträger.<br />
Eine wesentliche Herausforderung für die Zukunft stellt angesichts immer knapper werdender<br />
finanzieller Mittel die Sicherung adäquater nutzerInnenorientierter Hilfen dar. In diesem<br />
Zusammenhang ist es notwendig, die Wünsche und Interessen unserer KundInnen differenzierter<br />
zu erfragen, sie mit den eigenen Zielen abzugleichen und sie dann vor allem in der Praxis aber<br />
auch in konzeptioneller Form zu beantworten.<br />
Die erforderliche Anpassung an den Alltag macht die <strong>Konzeption</strong> zu einer lebendigen,<br />
dynamischen Grundlage unserer Arbeit. Insoweit ist die vorliegende Fassung als vorläufig zu<br />
betrachten und wir freuen uns über Anregungen <strong>zur</strong> Weiterentwicklung dieser <strong>Konzeption</strong>.<br />
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