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Aktuelle Themen Wie stark sind Piloten, Flugpersonal und andere ...

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<strong>Wie</strong> <strong>stark</strong> <strong>sind</strong> <strong>Piloten</strong>, <strong>Flugpersonal</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>andere</strong> häufig fliegende<br />

Personen der kosmischen Strahlung<br />

exponiert?<br />

How great is the exposure of pilots, air crew<br />

and other frequent flyers to cosmic radiation?<br />

Institut für Strahlenschutz<br />

Hans Schraube<br />

Bereits im Jahre 1990 hat die Internationale<br />

Kommission für Strahlenschutz<br />

(ICRP) abgeschätzt, dass die Berufsgruppe<br />

der <strong>Piloten</strong> <strong>und</strong> des übrigen fliegenden<br />

Personals einer Exposition durch kosmische<br />

Strahlung ausgesetzt ist, die vergleichbar<br />

oder im Mittel sogar höher ist als<br />

diejenige von Personen, die mit künstlicher<br />

Strahlung in Medizin <strong>und</strong> Technik umgehen.<br />

Die ICRP hat daraus Empfehlungen über<br />

jährliche Dosisgrenzwerte abgeleitet, die<br />

1996 in europäisches Recht <strong>und</strong> nachfolgend<br />

von den europäischen Mitgliedsstaaten übernommen<br />

wurden. Nach der deutschen Strahlenschutzverordnung<br />

vom Juli 2001 muss<br />

seit August 2003 die Strahlungsdosis bestimmt<br />

werden, welche die Flugbesatzungen<br />

bei der Ausübung ihres Berufes durch die<br />

kosmische Strahlung erhalten, sofern die<br />

Jahresdosis mehr als 1 mSv (milliSievert)<br />

betragen kann.<br />

Als sofortige Folge der ICRP-Empfehlungen<br />

legten mehrere Europäische Institute Forschungsprogramme<br />

auf, die eine theoretische<br />

<strong>und</strong> experimentelle Erfassung der<br />

natürlichen Strahlenexposition in Flugzeugen<br />

zum Ziel hatten. Auch das Institut für Strahlenschutz<br />

des GSF-Forschungszentrums,<br />

das schon in den 70er Jahren entsprechende<br />

Forschungsarbeiten durchgeführt hatte,<br />

beteiligte sich an diesen Untersuchungen<br />

As early as 1990, the International<br />

Commission for Radiation Protection<br />

(ICRP) estimated that pilots and<br />

other air crew had an exposure level from<br />

cosmic radiation that was similar to, or on<br />

average higher even, than that of people<br />

who worked with artificial radiation in<br />

medicine and technology.<br />

The ICRP made recommendations for<br />

maximum yearly doses which passed into<br />

European Law in 1996, and were subsequently<br />

taken over by the European member<br />

states. Since August 2003, <strong>und</strong>er the German<br />

Radiation Protection Regulations of July<br />

2001, the radiation dose that aircrew receive<br />

from cosmic radiation in the course of their<br />

work must be determined if the annual<br />

dose could potentially be more than 1 mSv<br />

(milliSievert).<br />

A number of European institutes started<br />

programmes in direct response to the ICRP<br />

recommendations aimed at the theoretical<br />

and experimental assessment of natural<br />

radiation exposure in aircraft. The GSF<br />

Institute of Radiation Protection, which had<br />

already carried out relevant research work<br />

in the seventies, also took part in these<br />

investigations, eventually developing the<br />

software program EPCARD (European<br />

Program Package for the Calculation of<br />

Aviation Route Doses) with support from<br />

<strong>Aktuelle</strong> <strong>Themen</strong><br />

GSF � 73


74 � GSF<br />

<strong>und</strong> hat schließlich mit Unterstützung der<br />

EU-Kommission gemeinsam mit Wissenschaftlern<br />

der Universität Siegen das Software-Programm<br />

EPCARD (European Program<br />

Package for the Calculation of Aviation<br />

Route Doses) entwickelt. Mit dessen Hilfe ist<br />

es möglich, auf beliebigen Flugrouten <strong>und</strong><br />

Flugprofilen die von der natürlichen kosmischen<br />

Strahlung verursachte Dosis zu<br />

berechnen. Das Luftfahrtb<strong>und</strong>esamt (LBA)<br />

hat für dieses Programm im Dezember 2003<br />

die offizielle Zulassung erteilt.<br />

Warum benötigt man für die Ermittlung der<br />

Strahlungsdosis in Flugzeugen ein umfangreiches<br />

Software-Programm <strong>und</strong> kann sich<br />

nicht einfach auf Messungen während des<br />

Fluges beschränken?<br />

Dies hängt zum einen damit zusammen,<br />

dass der Gesetzgeber die Bestimmung der<br />

„effektiven Dosis“ fordert. Diese Größe<br />

beinhaltet neben der physikalischen unter<br />

<strong>andere</strong>m auch strahlenbiologische Informationen<br />

<strong>und</strong> dient der Abschätzung des<br />

Strahlenrisikos. Aus dem Weltall, überwiegend<br />

aus dem galaktischen Raum, dringen<br />

energiereiche elektrisch geladene Teilchen –<br />

vor allem Protonen – in unser Sonnensystem<br />

ein. Wenn diese Primärteilchen bis zur<br />

Erdatmosphäre vordringen, lösen sie dort<br />

eine Lawine von Sek<strong>und</strong>ärteilchen aus: es<br />

entstehen Neutronen, Pionen, Mesonen,<br />

Elektronen, Photonen sowie wiederum<br />

Protonen. Die verschiedenen Teilchen dieser<br />

kosmischen Strahlung unterscheiden sich<br />

erheblich in ihrer biologischen Wirkung,<br />

zum Beispiel haben Neutronen eine wesentlich<br />

höhere biologische Wirkung pro absorbierter<br />

Dosis als Photonen. Bei der Berechnung<br />

der effektiven Dosis muss außerdem<br />

berücksichtigt werden, dass sich einzelne<br />

Organe in ihrer Strahlenempfindlichkeit<br />

<strong>stark</strong> unterscheiden.<br />

Die effektive Dosis ist also nicht direkt<br />

messbar. Ihre Bestimmung erfordert vielmehr<br />

eine genaue Kenntnis der Energiespektren<br />

der einzelnen Teilchensorten. Diese<br />

Informationen können in dem für die Dosimetrie<br />

jeweils wichtigen Energiebereich nur<br />

aus sogenannten Monte Carlo-Berechnungen<br />

gewonnen werden. (Monte Carlo-Programme<br />

simulieren physikalische Prozesse gemäß<br />

the European Commission and scientists at<br />

the University of Siegen. Using this program,<br />

it is possible to calculate the dose<br />

from natural cosmic radiation along any<br />

flight route and flight profile. The Luftfahrtb<strong>und</strong>esamt<br />

(LBA, Federal Office for<br />

Aviation) granted official approval for the<br />

programme in December 2003.<br />

vorgegebenen Randbedingungen, wobei<br />

manche Parameter wie beispielsweise die<br />

Anfangsenergie eines Teilchens mit einer<br />

Zufallszahl „gewürfelt“ werden.) Das für<br />

Neutronen interessante Intervall liegt z.B.<br />

zwischen 0,001 Elektronenvolt <strong>und</strong> 500<br />

Megaelektronenvolt.<br />

Hinzu kommt, dass die Strahlenexposition<br />

sowohl vom geographischen Ort <strong>und</strong> der<br />

Flughöhe abhängt als auch zeitlichen<br />

Schwankungen unterliegt. Dies hat folgenden<br />

physikalischen Gr<strong>und</strong>: Die oben genannten<br />

energiereichen Primär- <strong>und</strong> Sek<strong>und</strong>ärteilchen<br />

treten je nach Energie <strong>und</strong> Ladung mehr<br />

oder weniger <strong>stark</strong> mit den Molekülen der<br />

Erdatmosphäre in Wechselwirkung. Dabei<br />

verlieren sie Energie <strong>und</strong> werden schließlich<br />

in der Erdatmosphäre oder im festen Boden<br />

absorbiert, das heißt, je tiefer das Flugzeug<br />

fliegt, desto schwächer ist die kosmische<br />

Strahlung.<br />

Eine Abhängigkeit von der geographischen<br />

Breite wird durch das Erdmagnetfeld hervorgerufen.<br />

Dieses ist zeitlich fast konstant.<br />

Es kann an den Polen am leichtesten überw<strong>und</strong>en<br />

werden, da die Teilchenbahnen hier<br />

annähernd parallel zu den Feldlinien verlaufen.<br />

Am geomagnetischen Äquator dagegen<br />

müssen die Teilchen eine Energie von über<br />

15 GeV (15 Milliarden Elektronenvolt) besitzen,<br />

um senkrecht zu den Feldlinien bis<br />

zur Erdatmosphäre vorzudringen. Da insbesondere<br />

die viel häufigeren Teilchen niedrigerer<br />

Energie von der Erde weggelenkt werden,<br />

ist am Äquator die Strahlenexposition<br />

wesentlich geringer als an den Polen.<br />

Und schließlich hängt die Intensität der<br />

kosmischen Strahlung auch von der Sonnenaktivität<br />

ab. Die Sonne sendet einen riesigen


Zahl der Sonnenflecken (untere Kurve)<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

Sonnenzyklus 20<br />

0<br />

0<br />

1960 1970 1980 1990 2000 2010<br />

Abb. 1: Gemittelte Zahl der Sonnenflecken (untere Kurve, linke Skala) <strong>und</strong> damit korrelierte Zählrate<br />

eines der weltweit verteilten Neutronenmonitore (hier der Monitor in Climax, Colorado, USA, in<br />

3400 m Höhe der Rocky Mountains; obere Kurve, rechte Skala). Die farbig unterlegte Kurve stellt<br />

eine Voraussage der mittleren Sonnenaktivität des NASA Marshall Space Center dar. Die Sonnenzyklen<br />

werden seit 1755 gezählt, die Vorzeichen geben die Polarität des solaren Magnetfeldes an.<br />

Strom von Materie aus, den so genannten<br />

Sonnenwind, der etwa h<strong>und</strong>ert astronomische<br />

Einheiten (1 a.E. = Abstand Sonne-Erde<br />

ca. 150 Mio. km) weit wirkt, <strong>und</strong> den die geladenen<br />

Primärteilchen überwinden müssen.<br />

Die Intensität des Sonnenwindes schwankt<br />

je nach Sonnenaktivität, die sich an der Zahl<br />

der Sonnenflecken ablesen lässt, mit einer<br />

Zykluszeit von 11 bzw. 22 Jahren.<br />

Die Abschirmeffekte der Atmosphäre<br />

wurden mit Hilfe eines Monte Carlo-Rechenprogrammes<br />

berechnet, wobei die derzeit<br />

besten Modelle der NASA für die galaktische<br />

Strahlung <strong>und</strong> die solare Modulation benutzt<br />

wurden. Das zur Beschreibung der Teilchenwechselwirkungen<br />

verwendete MC-Programm<br />

FLUKA (entwickelt von INFN <strong>und</strong><br />

CERN*) berücksichtigt alle physikalischen<br />

Wechselwirkungs-Prozesse unter Verwendung<br />

von Datensätzen aus Experimenten an<br />

Hochenergiebeschleunigern. Im Ergebnis<br />

liefert die MC-Rechnung eine vollständige<br />

Beschreibung des kosmischen Strahlungs-<br />

* INFN = National-Labor für Kernphysik, Italien.<br />

CERN = Europäisches Labor für Hochenergiephysik,<br />

Genf, Schweiz.<br />

21 22 23<br />

– + – +<br />

–<br />

5000<br />

4000<br />

3000<br />

2000<br />

1000<br />

CLIMAX-Zählrate / 0,01 · h –1 (obere Kurve)<br />

feldes in der Erdatmosphäre durch die<br />

Flussdichten der wichtigsten Primär- <strong>und</strong><br />

Sek<strong>und</strong>ärteilchen unter allen Bedingungen<br />

der magnetischen Abschirmung <strong>und</strong> solaren<br />

Modulation. Diese dient als Datengr<strong>und</strong>lage<br />

für EPCARD.<br />

Der Einfluss der Sonnenaktivität auf die<br />

Strahlungsdosis lässt sich qualitativ ungefähr<br />

so beschreiben: Zunächst ist die Sonnenaktivität<br />

mit der Zahl der bereits von Galilei<br />

um etwa 1612 entdeckten Sonnenflecken<br />

korreliert (untere Kurve in Abb. 1). Das<br />

Maximum der Sonnenfleckenzahl korrespondiert<br />

auch mit dem Maximum des von<br />

der Sonne verursachten Magnetfeldes, das<br />

wiederum einer maximalen Abschirmung<br />

gegen die hochenergetischen galaktischen<br />

kosmischen Teilchen <strong>und</strong> somit einer minimalen<br />

Strahlungsdosis entspricht. Die bis<br />

zur Erdoberfläche vordringenden hochenergetischen<br />

Strahlungskomponenten (obere<br />

Kurve in Abb. 1) werden mit sogenannten<br />

Neutronenmonitoren registriert, die an ausgewählten<br />

geographischen Orten stationiert<br />

<strong>sind</strong>. Über ein vereinfachtes Modell des<br />

Magnetfeldes der Sonne lässt sich eine<br />

Korrelation zwischen der Anzeige der Neu-<br />

<strong>Aktuelle</strong> <strong>Themen</strong><br />

GSF � 75


Äquivalentdosisleistung (µSv/h)<br />

15<br />

10<br />

76 � GSF<br />

5<br />

0<br />

Solares<br />

Maximum: Minimum:<br />

Äquatorregion<br />

Polregion<br />

4 6 8 10 12 14 16<br />

Flughöhe (km)<br />

Abb. 2: Diagramm zur überschlägigen Abschätzung der Umgebungs-Äquivalentdosis-Leistung für<br />

den Flughöhenbereich zwischen 5 <strong>und</strong> 15 km für den Polar- <strong>und</strong> den Äquatorbereich jeweils für<br />

hohe <strong>und</strong> niedrige Sonnenaktivität.<br />

tronenmonitore <strong>und</strong> dem Bremspotential<br />

des Sonnenwindes herstellen, das die galaktischen<br />

kosmischen Teilchen überwinden<br />

müssen. Damit kann für die weiteren Rech-<br />

effektive Dosis (µSv)<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Effektive Dosis<br />

Flugdauer<br />

EPCARD V3.2<br />

nungen ermittelt werden, wie die Energie<br />

der Teilchen bei Eintritt in die Magnetosphäre<br />

<strong>und</strong> die Atmosphäre der Erde von der Sonnenaktivität<br />

abhängt.<br />

Brüssel<br />

Rom<br />

Paris<br />

Bukarest<br />

London<br />

Stockholm<br />

Athen<br />

Dublin<br />

Madrid<br />

Ankara<br />

Moskau<br />

Tel Aviv<br />

Kairo<br />

Lissabon<br />

Las Palmas<br />

Kuwait*<br />

Abu Dabi<br />

New York<br />

Toronto<br />

Colombo<br />

Peking<br />

Washington<br />

Chicago<br />

Bangkok<br />

Shanghai*<br />

Seoul*<br />

Johannisburg*<br />

Vancouver*<br />

Atlanta<br />

Miami<br />

Tokio*<br />

Singapur*<br />

Cancun<br />

San Francisco<br />

Sao Paulo<br />

Buenos Aires*<br />

Abb. 3: Vergleich von Flugdauer (ausgezogene Kurve, rechte Skala) <strong>und</strong> effektiver Dosis (linke Skala) für<br />

Flüge von München oder Frankfurt (*) zu ausgewählten Zielen auf dem jeweils kürzesten Weg, sortiert<br />

nach steigender Flugdauer. Die Dosiswerte wurden mit EPCARDv3.2 für Januar 2002 für folgende Bedingungen<br />

berechnet: Steig- <strong>und</strong> Sinkflug jeweils 30 min, angenommene Flughöhe 37000 ft (ca. 11 km).<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Flugdauer (h)


Relativer Dosisanteil (%)<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Effektive Dosis E<br />

1998 (solares Minumum)<br />

Flüge von MUC/FRA* nach<br />

<strong>Wie</strong> wirken sich diese physikalischen<br />

Effekte nun auf die Strahlungsdosis in üblichen<br />

Flughöhen aus? Für eine grobe Abschätzung<br />

kann Abbildung 2 dienen: Hier ist<br />

die Umgebungs-Äquivalentdosis-Leistung<br />

über der Flughöhe aufgetragen, das ist also<br />

die Größe, die ein ideales Ortsdosimeter<br />

anzeigen würde. Man kann erkennen,<br />

dass beispielsweise in 10 km Höhe (etwa<br />

33 000 ft) die Dosisleistung in Äquatornähe<br />

r<strong>und</strong> 1,5 µSv/h (microSievert pro St<strong>und</strong>e)<br />

beträgt, wobei sich die Sonnenaktivität<br />

kaum auswirkt. In Polnähe hingegen kann<br />

sich die Dosisleistung fast verdoppeln, je<br />

nachdem, ob sich die Sonne in einer Phase<br />

hoher oder niedriger Aktivität befindet.<br />

Aus der Abbildung 3 lässt sich eine erste<br />

Abschätzung der Flugdosen ableiten, die<br />

sich allerdings je nach Flugroute <strong>und</strong> -profil<br />

erheblich ändern können. Man kann deutlich<br />

erkennen, dass auf Flügen über den Äquator<br />

(z.B. von München nach Sao Paulo) bei<br />

vergleichbarer Flugdauer wesentlich geringere<br />

Dosen akkumuliert werden als auf den<br />

Nordatlantikrouten (z.B. nach San Franzisko).<br />

Zum Vergleich: Wenn man sich in unseren<br />

Breiten in Meereshöhe aufhält, dann beträgt<br />

die effektive Dosis aus der natürlichen<br />

Photonen<br />

Myonen<br />

Elektronen<br />

Protonen<br />

Neutronen<br />

Abu Dabi<br />

Ankara<br />

Athen<br />

Atlanta<br />

Bangkok<br />

Brüssel<br />

Buenos Aires*<br />

Bukarest<br />

Cancun<br />

Chicago<br />

Colombo<br />

Dublin<br />

Johannisburg*<br />

Kairo<br />

Kuwait*<br />

Las Palmas<br />

Lissabon<br />

London<br />

Madrid<br />

Miami<br />

Moskau<br />

New York<br />

Paris<br />

Peking<br />

Rom<br />

San Francisco<br />

Sao Paulo<br />

Seoul*<br />

Shanghai*<br />

Singapur*<br />

Stockholm<br />

Tel Aviv<br />

Tokio*<br />

Toronto<br />

Vancouver*<br />

Washington<br />

Abb. 4: Relative Anteile der effektiven Dosis aus den einzelnen Komponenten der kosmischen<br />

Strahlung für die in Abbildung 3 gezeigten Flugrouten (hier in alphabetischer Reihenfolge), berechnet<br />

für das Jahr 1998, also zu einem Zeitpunkt nahe der minimalen Sonnenaktivität, <strong>und</strong> damit<br />

höchster Exposition durch kosmische Strahlung.<br />

kosmischen Strahlung in einem Jahr etwa<br />

0,3 mSv, die aus der gesamten externen<br />

natürlichen Strahlung (ohne Radon etc.)<br />

etwa 1 mSv.<br />

Bei der Bewertung des Strahlenrisikos<br />

spielt die Zusammensetzung der Strahlung<br />

eine wichtige Rolle, da die einzelnen Teilchenarten<br />

in den Körperorganen unterschiedlich<br />

<strong>stark</strong> absorbiert werden <strong>und</strong> dort<br />

unterschiedliche Arten von Sek<strong>und</strong>ärteilchen<br />

erzeugen. Daher werden in EPCARD<br />

alle Strahlungskomponenten, die zu einer<br />

Exposition beitragen, einzeln berechnet.<br />

In Abbildung 4 <strong>sind</strong> die relativen Anteile der<br />

„effektiven Dosis“ für die Flugrouten der<br />

Abbildung 3 aufgetragen. Der Anteil von<br />

Neutronen <strong>und</strong> Protonen ist etwa gleich<br />

groß, zusammen tragen sie je nach Flugroute<br />

etwa 65% bis 80% zur Gesamtdosis bei.<br />

Es ist allerdings von der ICRP vorgeschlagen<br />

worden, den Wichtungsfaktor für Protonen<br />

vom derzeit gesetzlich gültigen Wert 5 auf 2<br />

zu erniedrigen, was den Beitrag der Protonen<br />

zur effektiven Dosis entsprechend verringern<br />

würde.<br />

Zur Berechnung der effektiven Dosis, aber<br />

auch von Messanzeigen von Dosismessgeräten,<br />

muss man die Energieverteilung der<br />

<strong>Aktuelle</strong> <strong>Themen</strong><br />

GSF � 77


E · ΦE (cm2 · s) -1<br />

·<br />

78 � GSF<br />

0.025<br />

0.020<br />

0.015<br />

0.010<br />

0.005<br />

2660m, 4 GV<br />

5240m, 13 GV<br />

0.000<br />

10-9 10-8 10-7 10-6 10-5 10-4 10-3 10-2 10-1 100 101 102 103 104 jeweiligen Teilchenart der kosmischen Strahlung<br />

kennen. <strong>Wie</strong> bereits erwähnt, werden<br />

diese aus MC-Rechnungen gewonnen.<br />

Speziell für Neutronen wurden diese bereits<br />

Mitte der 70er Jahre in den USA berechnet,<br />

das Ergebnis wurde aber angezweifelt <strong>und</strong><br />

für Dosisberechnungen ignoriert. Zur experimentellen<br />

Überprüfung wurde von der<br />

GSF ein Neutronenspektrometer auf zwei<br />

Berge mit sehr unterschiedlicher Abschneidesteifigkeit<br />

gebracht (aus dieser Größe, die<br />

zwischen 0 GV an den Magnetpolen <strong>und</strong><br />

etwa 17 GV am geomagnetischen Äquator<br />

liegt, lässt sich die Energie bestimmen, die<br />

die primären kosmischen Teilchen besitzen<br />

müssen, um das Erdmagentfeld zu überwinden):<br />

Zugspitze mit etwa 4 GV <strong>und</strong><br />

Mt. Chacaltaya mit etwa 13 GV. Abbildung 5<br />

zeigt das Experimentalergebnis: Wegen der<br />

energieabhängigen Wichtung der Neutronen,<br />

trägt zur effektiven Dosis nur der Anteil<br />

oberhalb von etwa 0,1 MeV bei. Wichtig<br />

hingegen ist das Maximum des Spektrums<br />

bei etwa 100 MeV, dessen Existenz <strong>und</strong><br />

Höhe hiermit zum ersten Mal experimentell<br />

bestätigt werden konnte.<br />

Neutronen-Energie E (MeV)<br />

5240m, 13 GV<br />

Abb. 5: Verteilung der Energieflussdichte von Neutronen, die experimentell auf dem Schneefernerhaus<br />

(Zugspitze, 2660 m Höhe) <strong>und</strong> auf dem Mt. Chacaltaya (Bolivien, 5240 m Höhe) bestimmt<br />

wurden (gleiche Flächen stellen gleiche Flussdichten dar). Der Energiebereich liegt zwischen 1 meV<br />

<strong>und</strong> 10 GeV.<br />

Das Institut für Strahlenschutz hatte sich<br />

auch sehr frühzeitig mit der experimentellen<br />

Bestimmung der Strahlungsdosen in Flugzeugen<br />

befasst. So wurden in den Jahren<br />

1990 bis 1993 mit Unterstützung der Deutschen<br />

Lufthansa eine Reihe von Messflügen<br />

durchgeführt. <strong>Wie</strong> oben bereits erwähnt,<br />

reicht eine zeitlich <strong>und</strong> regional begrenzte<br />

Zahl von Flügen nicht zur vollständigen<br />

Beschreibung des Strahlungsfeldes in der<br />

Erdatmosphäre aus. Die damals gewonnenen<br />

Messdaten können aber heute in hervorragender<br />

Weise verwendet werden, um die<br />

globalen Berechnungen des Strahlungsfeldes<br />

experimentell zu verifizieren.<br />

In Abbildung 6 <strong>sind</strong> die Ergebnisse von<br />

19 Messflügen wiedergegeben, die in den<br />

Jahren 1991–1993 in einer Zeitspanne hoher<br />

Sonnenaktivität <strong>und</strong> damit relativ niedriger<br />

Dosisleistung durchgeführt wurden. Die<br />

Werte der effektiven Dosis entlang der<br />

Routen lagen zwischen 5 <strong>und</strong> 65 µSv. Die<br />

dazugehörigen Umgebungsäquivalent-<br />

Dosen liegen erwartungsgemäß 10 bis 20 %<br />

niedriger. Die berechneten Werte <strong>sind</strong> im<br />

Mittel etwa 11 % höher als die entsprechen-


H*(10) <strong>und</strong> E (µSv)<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

den Messwerte (Abb. 7). Dies hängt unter<br />

<strong>andere</strong>m damit zusammen, dass die Berechnungen<br />

für das Strahlungsfeld außerhalb<br />

des Flugzeuges durchgeführt <strong>und</strong> somit<br />

Absorptionseffekte der Flugzeugkonstruktion<br />

<strong>und</strong> des Treibstoffes nicht berücksichtigt<br />

werden. Hiermit ergibt sich eine leicht konservative<br />

Abschätzung der tatsächlichen<br />

Strahlenexposition. Der Effekt kann sogar<br />

noch etwas höher sein, da der Beitrag der<br />

Protonen zum experimentellen Ergebnis<br />

nicht vollständig berücksichtigt werden<br />

konnte. Diese Beobachtung ist in Überein-<br />

FRA-YVR<br />

YVR-FRA<br />

FRA-ANC<br />

ANC-NRT<br />

NRT-FRA<br />

SIN-MLB<br />

MLB-KUL<br />

KUL-FRA<br />

FRA-GIG<br />

GIG-EZE<br />

EZE-GIG<br />

GIG-FRA<br />

FRA-MEX<br />

MEX-FRA<br />

FRA-SFO<br />

SEA-HAM<br />

FRA-JNG<br />

JNB-GRU<br />

GIG-FRA<br />

E (EPCARD) H*(10) (EPCARD) E (EPCARD) / H* (EPCARD) H* exp<br />

1 Frankfurt Vancouver<br />

2 Vancouver Frankfurt<br />

3 Frankfurt Anchorage<br />

4 Anchorage Tokio<br />

5 Tokio Frankfurt<br />

6 Singapur Melbourne<br />

7 Melbourne Kuala Lumpur<br />

8 Kuala Lumpur Frankfurt<br />

9 Frankfurt Rio de Janeiro<br />

10 Rio de Janeiro Buenos Aires<br />

Abb. 6: Vergleich der mit EPCARD berechneten Routendosen mit Ergebnissen der GSF-Messflüge in<br />

den Jahren 1991-93. Die nicht-messbare effektive Dosis E, die Messgröße „Umgebungsäquivalentdosis<br />

H*(10)“ <strong>und</strong> der Messwert von H*(10) <strong>sind</strong> als Balken dargestellt (linke Skala), das Verhältnis<br />

von E/H* als Punkte (rechte Skala). Die Codenamen der Flughäfen <strong>sind</strong> in der Tabelle erklärt, <strong>und</strong><br />

zwar in der Reihenfolge auf der Abszisse von links nach rechts.<br />

1.5<br />

1.2<br />

0.5<br />

stimmung mit Untersuchungen des INFN,<br />

bei denen für verschiedene rechnerisch simulierte<br />

Flugzeugtypen die Dosis an verschiedenen<br />

Aufenthaltsorten innerhalb des Flugzeuges<br />

ermittelt wurde.<br />

Fluggesellschaften steht eine Vollversion<br />

von EPCARD zur Verfügung, um für jeden<br />

durchgeführten Flug die akkumulierte Strahlungsdosis<br />

zu berechnen, die sie entsprechend<br />

den gesetzlichen Vorschriften ihren<br />

<strong>Piloten</strong> zuordnen müssen. Das Luftfahrt-<br />

B<strong>und</strong>esamt (LBA) hat für diese Version die<br />

offizielle Zulassung erteilt <strong>und</strong> diese in ihren<br />

1<br />

0.8<br />

11 Buenos Aires Rio de Janeiro<br />

12 Rio de Janeiro Frankfurt<br />

13 Frankfurt Mexico<br />

14 Mexico Frankfurt<br />

15 Frankfurt San Francisco<br />

16 Seattle Hamburg<br />

17 Frankfurt Johannesburg<br />

18 Johannesburg Sao Paulo<br />

19 Rio de Janeiro Frankfurt<br />

0<br />

E (EPCARD) / H* (EPCARD)<br />

<strong>Aktuelle</strong> <strong>Themen</strong><br />

GSF � 79


H*(10) / H* exp<br />

1.5<br />

1.0<br />

0.5<br />

80 � GSF<br />

H* EPCARD / H* exp Mittelwert: 1.11 (1 ± 0.07)<br />

Nachrichten für Luftfahrer (NfL II-107/03<br />

vom 11.12.2003) veröffentlicht. Eine vereinfachte<br />

Version kann unter der Adresse http://<br />

www.gsf.de/epcard abgerufen werden. Hiermit<br />

verfügen insbesondere kleinere Flugunternehmungen<br />

über eine vom LBA anerkannte<br />

Möglichkeit, den Nachweis zu führen,<br />

dass für ihre <strong>Piloten</strong> der Dosiswert von<br />

1 mSv im Jahr nicht überschritten wird.<br />

Die amtlich zugelassene Version von<br />

EPCARD wird bereits von den wichtigsten<br />

deutschen Fluggesellschaften, wie beispielsweise<br />

Deutsche Lufthansa, LH-Cargo,<br />

LH-Cityline, Condor, Germania <strong>und</strong> LTU<br />

verwendet.<br />

Für alle französischen Fluggesellschaften<br />

ermittelt das Partnerinstitut IRSN des Instituts<br />

für Strahlenschutz die Flugdosen ebenfalls<br />

mit Hilfe von EPCARD. Mit weiteren<br />

europäischen Fluggesellschaften <strong>sind</strong> Verhandlungen<br />

im Gange.<br />

FRA-YVR<br />

YVR-FRA<br />

FRA-ANC<br />

ANC-NRT<br />

NRT-FRA<br />

SIN-MLB<br />

MLB-KUL<br />

KUL-FRA<br />

FRA-GIG<br />

GIG-EZE<br />

EZE-GIG<br />

GIG-FRA<br />

FRA-MEX<br />

MEX-FRA<br />

FRA-SFO<br />

SEA-HAM<br />

FRA-JNG<br />

JNB-GRU<br />

GIG-FRA<br />

Abb. 7: Verhältnis der berechneten zur experimentell bestimmten Routendosis, H*(10) / H* exp,<br />

für die Experimentalflüge von Abbildung 6. Das mittlere Verhältnis ist 1.11, mit einer statistischen<br />

Unsicherheit von 7% (1s).<br />

� Ausgewählte Veröffentlichungen<br />

Roesler, S., Heinrich, W. and Schraube, H.: Monte Carlo<br />

calculation of the radiation field at aircraft altitudes.<br />

Radiat. Prot. Dosim. 98, 4 (2002) 367-388<br />

Schraube, H., Leuthold, G., Heinrich, W., Roesler, S.,<br />

Mares, V. and Schraube, G.: EPCARD – European program<br />

package for the calculation of aviation route doses, User’s<br />

manual. GSF-National Research Center, Neuherberg,<br />

Germany (2002). ISSN 0721 - 1694. GSF-Report 08/02<br />

Mares, V., Roesler, S. and Schraube, H.: Averaged<br />

particle dose conversion factors in air crew dosimetry.<br />

In print in: Radiat. Prot. Dosim. (2004)

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