Predigt vom Karfreitag
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„Er ist zum Tode verurteilt? – Zieh ihm die Kleider aus!“,<br />
„Er ist wegen Gotteslästerung verurteilt, er hat behauptet<br />
der König der Juden zu sein? – Lasst uns noch eins<br />
draufsetzen und ihn krönen!“<br />
Brutalität ist eine häufige Antwort auf die Grausamkeit, die<br />
Menschen erleben. Es ist wie eine instinktive Abwehr:<br />
Bevor man mit dem Opfer identifiziert wird, tritt man selbst<br />
zu. Oder man schaut wenigstens weg, um nicht<br />
hineingezogen zu werden.<br />
Jesus macht dieses Spiel nicht mit. Er bleibt friedlich und<br />
gewaltlos. Er lässt seine Peiniger sich die Zähne an ihm<br />
ausbeißen. Ihr Spott erreicht ihn nicht, und das bricht dem<br />
Spott die Spitze ab.<br />
Gewaltfreier Widerstand heißt es heute, Mahatma Gandhi<br />
hat es als Aktionsform etabliert. Gelernt könnte er es bei<br />
Jesus haben: Den anderen mit seinen eigenen Waffen ins<br />
Unrecht setzen, ihn mit seinem schlechten Gewissen oder<br />
durch das Urteil einer schließlich umgestimmten<br />
Öffentlichkeit schlagen.<br />
Und doch ist Jesus in der Beschreibung des Matthäus<br />
keineswegs der souveräne Held. Er leidet zutiefst. Doch<br />
sein größtes Leiden fügen im nicht die Menschen zu. Ganz<br />
im Herzen ringt er um seine Beziehung zu Gott. Es ist ein<br />
seelischer Kampf.<br />
Darin ist Jesus ganz Mensch. Die tiefste Nacht erleiden wir<br />
Menschen nicht körperlich. Unser Körper mag geschunden<br />
werden – solange die Seele unversehrt ist, behält der<br />
Mensch in den grausamsten Situationen seine Würde.<br />
Doch wenn die Seele angegangen wird, wenn es darum<br />
geht, einen Menschen zu verstören, ihm Selbstvertrauen und<br />
Hoffnung zu nehmen, dann bricht die dunkelste Nacht<br />
herein.<br />
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