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Predigt vom 2. September - Evangelische Michaelskirche

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<strong>Predigt</strong> am <strong>2.</strong>9.2012, 1 Mose 4,1-16 a<br />

Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes…<br />

Liebe Gemeinde,<br />

„Bitte hör nicht auf zu träumen von einer besseren Welt,<br />

fangen wir an aufzuräumen, bau sie auf, wie sie dir<br />

gefällt.“<br />

Mit kleinen Kindern bekommen wir einen neuen Blick<br />

für die Welt und auf die Welt. Wir werden durchlässiger<br />

für die Fülle, aber auch für die Verletzlichkeit des<br />

Lebens. Wir bekommen Lust, die Welt zu verändern, so<br />

dass es eine gute, eine bessere Welt wird. ‚Ihr sollt es gut<br />

haben’ ihr kleinen herrlichen Geschöpfe ! Das wünschen<br />

wir uns von Herzen. Und deswegen:<br />

„Bitte hör nicht auf zu träumen von einer besseren Welt,<br />

fangen wir an aufzuräumen, bau sie auf, wie sie dir<br />

gefällt.“<br />

Wenn wir den <strong>Predigt</strong>text für heute hören, hören wir<br />

diese Bitte noch mal stärker. Denn in dem Text geht es<br />

um Mord und Totschlag. Und zwar in der verschärften<br />

Variante. Es geht um Mord und Totschlag zwischen<br />

Geschwistern.<br />

<strong>Predigt</strong>texte und Geschwister haben eins gemeinsam:<br />

Man sucht sie sich nicht aus.<br />

Die <strong>Predigt</strong>texte für jeden Sonntag werden auf sechs<br />

Jahre hin deutschlandweit von der <strong>Evangelische</strong>n Kirche<br />

festgelegt. Und Geschwister – na ja, die sind ja auch<br />

festgelegt, lebenslang.<br />

1


Also gibt es jetzt einen <strong>Predigt</strong>text, den man sich zu einer<br />

Tauffeier nicht unbedingt ausgesucht hätte.<br />

Und in dem Text gibt es zwei Geschwister, die gleich am<br />

Anfang die Hoffnung auf ein gutes Miteinander zunichte<br />

machen.<br />

Die Geschichte ist der Spur nach bekannt. Es geht um<br />

Kain und Abel, die Söhne von Adam und Eva.<br />

Ich lese aus dem 1.Buch Mose im 4.Kapitel:<br />

Und Adam erkannte sein Weib Eva und sie ward<br />

schwanger und gebar den Kain und sprach: Ich habe<br />

einen Mann gewonnen mit Hilfe des HERRN.<br />

Danach gebar sie Abel, seinen Bruder. Und Abel wurde<br />

ein Schäfer, Kain aber wurde sein Ackermann.<br />

Es begab sich aber nach etlicher Zeit, dass Kain dem<br />

HERRN Opfer brachte von den Früchten des Feldes.<br />

Und auch Abel brachte von den Erstlingen seiner Herde<br />

und von ihrem Fett. Und der HERR sah gnädig an Abel<br />

und sein Opfer,<br />

aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Da<br />

ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick.<br />

Da sprach der HERR zu Kain: Warum ergrimmst du und<br />

warum senkst du deinen Blick <br />

Ist’s nicht also: wenn du fromm bist, so kannst du frei<br />

den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert<br />

die Sünde vor der Tür und nach dir hat sie verlangen. Du<br />

aber herrsche über sie.<br />

Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: lass uns aufs<br />

Feld gehen…<br />

2


Dass dieser Gang der Brüder aufs Feld kein Spaziergang<br />

wird, wissen wir. Kain erschlägt seinen Bruder. Und sagt<br />

dann noch auf die Nachfrage Gottes, wo denn sein<br />

Bruder sei, den zum Sprichwort gewordenen Satz: ‚Soll<br />

ich meines Bruders Hüter sein ’<br />

Eine Erzählung, in der eine Fülle von menschlichen<br />

Grundthemen angesprochen sind.<br />

Zwei Themen will ich mit Ihnen anschauen.<br />

1. Das Ringen um Anerkennung<br />

<strong>2.</strong> In aller Freiheit: fromm sein<br />

1. Das Ringen um Anerkennung<br />

Wer kennt das nicht Sobald ein Geschwisterchen<br />

kommt, wird gebuhlt. Es wird gebuhlt um die<br />

Anerkennung und Liebe der Eltern:<br />

Wenn die Mama stillt, wird in Sichtweite die Wand<br />

bemalt. Wenn der Besuch das neue Kindlein bestaunt<br />

wird mal kurz der Kuchen auf dem Teppich zerbröselt.<br />

Und wenn der Papa heimkommt wird er sofort an der Tür<br />

abgefangen und in Beschlag genommen.<br />

Sobald ein Geschwisterchen kommt wird gebuhlt. Kain<br />

buhlt um die Anerkennung Gottes mit Opfergaben. Und<br />

auch Abel bringt sein Opfer <strong>vom</strong> Feld.<br />

Und der HERR sah gnädig an Abel und sein Opfer,<br />

aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an.<br />

Unzählige Spekulationen gibt es in der<br />

Auslegungsgeschichte, warum Gott das Opfer Abels<br />

gnädig annimmt, das Opfer Kains aber verachtet:<br />

3


Ist das die reine Willkür Gottes Ist es ein bewusstes Auf<br />

die Probe-Stellen Kains – wie wird er reagieren Ist es<br />

die klare Botschaft Gottes: ich bin nicht käuflich Oder<br />

Liegt es am Opfer Kain bringt nur Früchte, Abel bringt<br />

Fleisch <br />

Mir leuchtet am meisten die Erklärung ein, dass Gott sich<br />

nicht kaufen lässt.<br />

Die These ist, dass Kain als Erstgeborener<br />

möglicherweise versucht, Gott mit seinem Opfer wieder<br />

gnädig zu stimmen - nachdem seine Eltern, Adam und<br />

Eva, ja gerade aus dem Garten Eden verbannt wurden.<br />

Kain versucht sozusagen eine Rückansiedlung ins<br />

Paradies. Das Opfer geschieht also nicht zweckfrei,<br />

sondern um Gott für sich zu gewinnen.<br />

Gut protestantisch gelesen, beginnt hier die<br />

Werkgerechtigkeit – d.h. der Gedanke: Wenn ich dies<br />

und jenes tue oder wenn ich so oder so viel opfere, dann<br />

stehe ich vor Gott besser da. Dann bin ich der Erste im<br />

Paradies, dann werde ich von Krankheit verschont, dann<br />

bin ich ein guter Mensch.<br />

Dieses Denken ist sicher sehr menschlich und<br />

verständlich, entspricht aber wohl nicht dem Wesen<br />

Gottes.<br />

Bei Abel ist es anders: er opfert einfach, weil’s sein<br />

Bruder auch macht. Er verfolgt keinen weiteren Zweck<br />

damit.<br />

Und der HERR sah gnädig an Abel und sein Opfer,<br />

aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an.<br />

4


Das will wohl sagen: Gottes Anerkennung, Gottes Liebe<br />

ist nicht käuflich und verdienbar. Gott liebt in aller<br />

Freiheit.<br />

Das ist ungewohnt. Und eigentlich unbegreiflich:<br />

Wir sind geliebt ohne jede Vorleistung. So wie Eltern<br />

ihre Kinder lieben, überschwänglich und ohne<br />

Hintersinn. So liebt Gott, so sagt er JA zu uns, gleich zu<br />

Beginn. DAS zu glauben und darauf zu vertrauen, dazu<br />

ermutigt die Taufe und wohl auch die Erzählung von dem<br />

verzweckten Opfer Kains, das die Liebe Gottes verdienen<br />

will – und damit scheitert.<br />

Womit wir beim zweiten Thema wären:In aller Freiheit<br />

fromm sein.<br />

Es wird sehr genau beschrieben, was mit Kain geschieht,<br />

als sein Opfer von Gott nicht angenommen wird.<br />

Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick.<br />

Da sprach der HERR zu Kain: Warum ergrimmst du und<br />

warum senkst du deinen Blick <br />

Ist’s nicht also: wenn du fromm bist, so kannst du frei<br />

den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert<br />

die Sünde vor der Tür und nach dir hat sie verlangen. Du<br />

aber herrsche über sie.<br />

Was meint Gott damit Ich verstehe es so: Fromm zu<br />

sein bedeutet zuallererst, den Blick heben, aufrecht<br />

gehen, und zu dem stehen können, was ich tue.<br />

In einem alten Kirchenlied heißt es – wie ich finde sehr<br />

treffend:<br />

5


‚Du durchdringest alles, lass dein schönstes Lichte, Herr<br />

berühren mein Gesichte. Wie die zarten Blumen willig<br />

sich entfalten und der Sonne stille halten –<br />

lass mich so, still und froh, DEINE Strahlen fassen und<br />

DICH wirken lassen.’(EG Nr.165,6)<br />

Darum geht es im Glauben: dass wir uns dem liebenden<br />

Angesicht Gottes zuwenden. Dass wir uns ansehen lassen<br />

von ihm. Und dass wir ihn – sein Licht, seine Liebe – in<br />

uns wirken lassen. Dann wird unser Blick gehoben, dann<br />

stehen wir aufrecht im Leben wie die Sonnenblumen.<br />

Und dann können wir das Licht Gottes auch durch uns<br />

hindurch wirken lassen.<br />

‚Du aber herrsche über die Sünde’ sagt Gott. Die Sünde<br />

will uns klein machen, sie will uns drücken und den<br />

Blick zu Gott verstellen.<br />

Dagegen gilt es, sich das Rückgrat stärken zu lassen. Z.B.<br />

von den Liebesgeschichten, die uns in der Bibel erzählt<br />

werden. Alle Liebesgeschichten im Neuen Testament<br />

handeln davon, wie Jesus die Menschen aufrichtet, wie er<br />

sie ansieht mit dem Blick der Liebe und sie dadurch zum<br />

eigenverantwortlichen Leben in der Gemeinschaft<br />

befähigt.<br />

So werden Menschen - in aller Freiheit - fromm.<br />

„Bitte hör nicht auf zu träumen von einer besseren Welt,<br />

fangen wir an aufzuräumen, bau sie auf, wie sie dir<br />

gefällt.“<br />

Ja, wir haben die Chance, mitzubauen an einer besseren<br />

Welt:<br />

• Wenn wir das Vertrauen wagen, dass Gott uns<br />

annimmt, ohne jede Vorleistung UND<br />

6


• Wenn wir uns in Gottes Licht hineinnehmen<br />

lassen wie die Blumen in die Sonnenstrahlen und<br />

so aufrecht im Leben stehen<br />

„Bitte hör nicht auf zu träumen von einer besseren Welt,<br />

fangen wir an aufzuräumen, bau sie auf, wie sie dir<br />

gefällt.“<br />

Mit den Kindern werden wir DAZU beflügelt. Sie locken<br />

uns zur Liebe. Zu dieser überschwänglichen und<br />

zweckfreien Liebe, die ihre Quelle in Gott hat.<br />

Wenn wir die Strahlen dieser Liebe in uns aufnehmen<br />

und wirken lassen, dann verwandelt sich das Ringen um<br />

Anerkennung in Liebes-Energie. Dann hören die Träume<br />

von der besseren Welt nicht auf. Und für Kain und Abel<br />

wird das Drehbuch neu geschrieben.<br />

AMEN.<br />

Lied: Du bist der Weg und die Wahrheit und das Leben,<br />

619, 1+2<br />

Pfarrerin Dorothee Niethammer-Schwegler<br />

7

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