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Gesamtes Dossier als PDF-Datei - D-A-S-H: Für Vernetzung ...

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Effektivität dieser Verpflichtungen aufkommen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil damit viele dieser Grundsätze und<br />

Prinzipien durch die jeweiligen nationalen Gesetze gewissen Einschränkungen unterworfen sind.<br />

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass gerade Titel III der Charta, der ausdrücklich der Gleichheit vorbehalten<br />

ist, den vordringlichsten Anlass zur Sorge bietet. So mangelt es den Garantien zum einen an direkter Anwendbarkeit.<br />

Zum anderen sind sie eher <strong>als</strong> vorbereitende denn <strong>als</strong> rechtsverbindliche Maßnahmen ausgerichtet; und schließlich<br />

bleiben sie häufig hinter den bereits im EG-Recht verankerten Vorgaben zur Gleichstellung der Geschlechter<br />

zurück. Die erste Bestimmung, deren nähere Betrachtung in dieser Hinsicht aufschlussreich ist, findet sich in Artikel<br />

II-21 Abs. 1 Verfassungsentwurf. Er enthält ein allgemeines Nichtdiskriminierungsprinzip und ein<br />

Diskriminierungsverbot u.a. aufgrund des Geschlechts. Im Gegensatz zu den anderen Gruppen jedoch, die in Art.<br />

II-21 Abs. 1 Erwähnung finden, handelt es sich bei Frauen nicht um eine Minderheitengruppe. Aus diesem Grund<br />

wäre es konsistenter gewesen, der Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts denselben Rang einzuräumen wie<br />

der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. II-21 Abs. 2), indem man ebenso für die<br />

Diskriminierung aufgrund des Geschlechts einen eigenständigen Absatz vorgesehen hätte. Bedauerlicherweise<br />

wiederholt sich diese Privilegierung des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit auch in<br />

Art. I-4 Abs. 2 der Verfassung für Europa, ohne dass ein entsprechendes Verbot der Diskriminierung aus Gründen<br />

des Geschlechts an dieser Stelle Erwähnung findet.<br />

Selbstverständlich verfügt die Charta auch über einen Art. II-23, der ihre wesentliche Bestimmung bezüglich der<br />

Gleichstellung von Frauen und Männern darstellt. Allerdings handelt es sich um einen relativ schwachen Artikel. So<br />

bleibt der Wortlaut des ersten Absatzes "Die Gleichheit von Männern und Frauen ist in allen Bereichen,<br />

einschließlich der Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitsentgelts, sicherzustellen" hinter dem acquis zurück. Denn<br />

Art. 141 EGV fordert die gleiche Bezahlung für gleiche oder gleichwertige Arbeit und findet in Artikel III-108 der<br />

Verfassung seine Entsprechung. Im Vergleich dazu begründet das Gleichstellungsgebot der Charta nicht das Recht<br />

des oder der Einzelnen, sich auf dieses zu berufen. Vielmehr handelt es sich um eine allgemein gefasste<br />

Absichtserklärung, welche eher auf die Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen <strong>als</strong> allgemeines Ziel<br />

abstellt. Zudem bietet die Bestimmung des Art. II-23 Abs. 2 der Charta, welche die Möglichkeit konstruktiven<br />

Handelns vorsieht (eine an sich zu begrüßende Initiative), lediglich eine verwässerte Version seines in Art. 141 Abs. 4<br />

EGV verankerten Gegenstücks. Indem der erste Artikel erklärt: "Der Grundsatz der Gleichheit steht der<br />

Beibehaltung oder der Einführung spezifischer Vergünstigungen für das unterrepräsentierte Geschlecht nicht<br />

entgegen", räumt er lediglich eine Beeinträchtigung des Gleichstellungsprinzips ein. Damit aber bleibt der Grundsatz<br />

hinter der in Art. 141 Abs. 4 EGV verankerten Anerkennung zurück, dass es sich bei konstruktiven Maßnahmen um<br />

Mittel zur Förderung der grundlegenden Gleichberechtigung der Geschlechter handelt und nicht etwa um deren<br />

Beeinträchtigung. Darüber hinaus beschränkt Artikel II-23 Abs. 2 der Charta die Möglichkeit konstruktiven<br />

Handelns auf diejenigen Situationen, in denen eines der Geschlechter unterrepräsentiert ist. Im Vergleich dazu<br />

gestattet der EG-Vertrag solches Handeln auch dann, wenn es darum geht, Nachteile in der beruflichen Laufbahn zu<br />

verhindern oder zu kompensieren, und somit <strong>als</strong>o implizit anerkennt, dass präventive Maßnahmen gerechtfertigt<br />

erscheinen können, selbst wenn keine Unterrepräsentanz eines der Geschlechter offenkundig ist. Die Tatsache, dass<br />

es in der Charta und im bestehenden EG-Recht zu einer Doppelung der Garantien zur Gleichstellung der<br />

Geschlechter kommt, erweist sich mitunter <strong>als</strong> ausgesprochen problematisch. Der Vorteil, welcher sich aus einer<br />

zusätzlichen Verankerung von Rechten in der Charta ergibt, entpuppt sich dann zum Nachteil, wenn deren<br />

Garantien hinter dem des acquis zurückbleiben. Die vorteilhaftere Formulierung der Rechte der Frauen im EG-Recht<br />

(d.h. im bestehenden EG-Vertrag oder im Fallrecht) läuft Gefahr, unsichtbar zu werden, was wiederum zu einem<br />

Rückschritt in der Frage des Menschenrechtsschutzes führen kann (Koukoulis-Spiliotopoulos 2002, 68).<br />

Schlussfolgerungen<br />

Insgesamt betrachtet ist es ein relativ spärlicher Gewinn, den Frauen aus dem europäischer Verfassungsprozess<br />

ziehen können. Diese Einschätzung betrifft nicht nur den Mangel an weiblicher Partizipation und Repräsentanz in<br />

den Institutionen. Sie resultiert auch aus einer geschlechterkritischen Analyse des derzeit aktuellen Verfassungstextes.<br />

Unbehagen stellt sich zudem angesichts des Befundes ein, dass die Problematik des (Un-)Gleichgewichts, der (Un-)<br />

Gleichheit und (Un-)Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern die Umsetzung zentraler Werte der Demokratie,<br />

Legitimität und Gleichheit, auf die sich die EU lautstark verpflichtet, unmittelbar einschränkt.<br />

Für die Zukunft sollten die nötigen Lektionen aus dem Entscheidungsfindungsverfahren des Konvents gelernt und<br />

schnellstens umgesetzt werden. Prinzipiell bedarf die EU-Politik zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter<br />

eines umfassenderen Ansatzes, der alle Bereiche auf eine substanzielle und nicht etwa nur formale Art und Weise mit<br />

einbezieht. So muss beispielsweise auf technischer Ebene der Gebrauch einer geschlechtsneutralen Sprache in<br />

sämtlichen Dokumenten des Konvents und der EU in allen ihren Übersetzungen zur Routine werden. Auf<br />

inhaltlicher Ebene muss der acquis communautaire im Bereich der Gleichberechtigung von Frauen und Männern<br />

(insbesondere Art. 141 Abs. 4 EGV) sichergestellt und weiter entwickelt werden, anstatt ihn durch die zwar stärker<br />

präsenten, doch weniger gehaltvollen Gleichheitsgarantien der Grundrechtecharta zu marginalisieren. Auf<br />

Verfahrensebene muss die Umsetzung der Verpflichtung zu einer Gleichstellung der Geschlechter sowohl in Form<br />

harter <strong>als</strong> auch weicher Rechtsmaßnahmen gewährleistet werden, die nach einem konsequenten Gender-<br />

Mainstreaming-Prozess initiiert worden sind. Schließlich bedarf es eines eindeutigen Mandats, das ein höheres Maß<br />

an Beteiligung und Repräsentation von Frauen in den Gremien der Entscheidungsfindung und Politikgestaltung auf<br />

D-A-S-H <strong>Dossier</strong> #12 – EU-Verfassung und europäische Identität 15

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