download - Jugendring Dortmund
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Botschafter_innen<br />
der Erinnerung<br />
in<br />
Israel<br />
Mai 2012
2<br />
Inhalt<br />
Vorwort Seite 3<br />
Bericht Seite 4<br />
Anita Haviv<br />
Die Ratio der Gefühle Seite 22<br />
Impressum<br />
Verantwortlich: <strong>Jugendring</strong> <strong>Dortmund</strong>, Verwaltungsausschuss<br />
e.V.<br />
Stefanie Schneider<br />
Friedhof 6 - 8<br />
44135 <strong>Dortmund</strong><br />
Satz: Thomas Oppermann<br />
Texte: Katrin Wickern, Lea Meyer, Anna Flocke, Lena Leppesjohann,<br />
Lara Schimmeregger, Hanna Riebe, Rebekka Bunuma,<br />
Rosalie Niehaus, Thomas Oppermann und Anita Haviv.<br />
Fotos: Stefan Mühlhofer, Thomas Oppermann<br />
Im Mai 2012 besuchten 13 Jugendliche aus <strong>Dortmund</strong> -<br />
Botschafter_innen der Erinnerung - Israel.<br />
Ihr Besuch blieb nicht ohne Wirkung. Jede und jeder hat<br />
durch diese Fahrt nicht nur viel erfahren, sondern auch<br />
das persönliche Bild von Israel vertiefen und um weitere<br />
Facetten erweitern können.<br />
Unsere Bundeskanzlerin hat die Sicherheit Israels zur<br />
Staatsräson erklärt. Ob dieser eher undemokratische,<br />
aus dem Zeitalter des Untertanentums stammende<br />
Begriff wirklich der besonderen Bedeutung von Israel<br />
für Deutschland entspricht, darf bezweifelt werden.<br />
Was nicht zu bezweifeln ist: Die Botschafter_innen der<br />
Erinnerung haben einen eigenen Blickwinkel auf Israel<br />
entwickelt.<br />
Wir haben daher in dieser Dokumentation den eher<br />
nüchtern gehaltenen Sachbericht (links) über diese<br />
Fahrt, den Notizen der Jugendlichen aus dem Reisetagebuch<br />
(rechts) gegenüber gestellt.<br />
Viel Spass beim Lesen.
12.05. Samstag<br />
Abflug von Köln/Bonn am 12.05. um 19:50 Uhr.<br />
Ankunft in Tel Aviv um 00:15 Uhr.<br />
13.05. Sonntag<br />
Stadtführung in Tel Aviv.<br />
Stadtführer Ori Strassberg<br />
1. Teil Old Yaffo – Antike, Kreuzfahrer, Gründung<br />
des Staates Israel, „Befreiungskrieg“<br />
2. Teil Neve Zedek – Einwanderung nach Palästina,<br />
Entstehung des modernen Israels, Kunst und Kultur,<br />
Sprache<br />
3. Teil Rothschild Boulevard – Israel und Tel Aviv<br />
heute. Soziale und politische Lage<br />
Dauer 9:00 – 16:00 Uhr<br />
Endpunkt Carmelmarkt in Tel Aviv. Gemeinsames<br />
Essen und Möglichkeit für Diskussionen mit dem<br />
Stadtführer.<br />
Ende 18:00 Uhr – Freizeit<br />
12.05.2012<br />
Eine Reise beginnt.<br />
Tagesplan:<br />
13:00 Uhr treffen am Fritz-Henßler-Haus in <strong>Dortmund</strong><br />
Busfahrt nach Köln Bonn<br />
19:10 Uhr Abflug<br />
00:20 Uhr (Ortszeit) Landung in Tel Aviv – Fahrt zur Jugendherberge<br />
Aus dem Flugzeug…<br />
Nun befinden wir uns hoch über den Wolken. Man kann in<br />
müde Gesichter blicken.<br />
Gesichter, die nur noch ein Ziel haben: ISRAEL.<br />
16 abenteuerliche Menschen haben sich auf den Weg ins<br />
heilige Land gemacht.<br />
Alles begann um 13:00 Uhr am Fritz-Henßler-Haus…<br />
… die Koffer sind gepackt. Die Liebsten werden noch einmal<br />
gedrückt. Reisepässe werden kontrolliert und es wird<br />
auf den Bus gewartet.<br />
Alle sind schon ganz gespannt. Gleich geht es los. Auf in<br />
ein fremdes Land – der Bus ist da.<br />
Die Koffer werden verstaut und die Reise beginnt.<br />
Auf der Busfahrt von <strong>Dortmund</strong> nach Köln-Bonn ist noch<br />
nicht viel von der Aufregung zu spüren. Wir reden über<br />
3
geschriebene Klausuren, unsere letzte Woche, die Inhalte<br />
unserer Koffer und das Wetter hier und in Israel.<br />
Doch dann am Flughafen angekommen, macht sich Aufregung<br />
breit. Wir checken ein und plötzlich wird allen klar, das<br />
es jetzt wirklich los geht Das dachten wir…<br />
WARTEN...<br />
... wird in den nächsten 3 Stunden zu unserem neuen Hobby.<br />
Leas und Annas Kommentar zum Warten: „Wenn wir so viel<br />
warten, dann essen wir die ganze Zeit nur.“<br />
Wir hangeln uns von einem Duty Free Shop zu einem Cafe<br />
hin zu einem Burger King bis zu einem Rewe…<br />
Maurice in seiner ihm so charmanten Art bemerkt spitz:<br />
„Thomas, da hätten wir doch mindestens 4 Stunden länger<br />
schlafen können“<br />
Vielleicht ist das mit den 4 Stunden übertrieben, aber wirklich<br />
jede und jeder versteht, was uns Maurice damit sagen<br />
möchte.<br />
Wir sitzen im Flugzeug und die Müdigkeit macht sich breit…<br />
Alle sind froh, dass es nun los geht. Alle? Na ja, für manche<br />
ist es nicht ganz so schön, dass wir FLIEGEN! Aber mit gutem<br />
Zureden und mit Händchenhalten wird auch diese Mauer<br />
überwunden.
Es gibt nur noch einen Wunsch:<br />
Ein Bett!<br />
5<br />
Im Hotel werden die Zimmer verteilt und alle verschwinden<br />
sofort, um sich auszuruhen!<br />
Was werden wir nicht noch alles sehen, erleben und lernen?<br />
Wir schlafen ein und beginnen zu träumen. In dem schönen<br />
Land Israel…<br />
13.05.<br />
7:30 Uhr der Wecker klingelt – viel zu früh. ABER! Wir sind in<br />
Israel!!!<br />
Nach unserer ersten Nacht und unserem ersten israelischen<br />
Frühstück, ging es endlich los Tel Aviv zu erkunden.<br />
Wir wurden von unserem Reiseleiter Ori, ein sehr netter<br />
Mensch aus Basel, der seit 14 Jahren in Israel lebt, im Hotel<br />
abgeholt.<br />
Alle schauten sich noch kurz die süße Katze an, die sich<br />
vorm Hotel die Zeit vertrieb und dann ging es auf zur Bushaltestelle.<br />
Vorher noch kurz Wasser für alle geholt, denn<br />
Trinken ist wichtig! Vor allem bei so wunderbar warmem,<br />
sonnigem Wetter. Die Folgen dessen konnte man übrigens<br />
an den roten Armen und Gesichtern einiger von uns bestaunen.
Mit dem Bus fuhren wir nach Jaffo. Dort bewunderten wir<br />
das Meer und hörte uns einiges über die Entstehungsgeschichte<br />
von Israel an. Zum Beispiel, dass Theodor Herzel<br />
zunächst einen jüdischen Statt in Uganda plante, dann jedoch<br />
sein Veto einlegte, um eine Spaltung der zionistischen<br />
Bewegung zu verhindern.<br />
Wir machten eine kleine Mittagspause auf dem Flohmarkt<br />
und viele von uns probierten ihre ersten israelischen Falafel.<br />
Alle wieder da? Also weiter nach Neve Zedek, auf dem Weg<br />
noch am alten Bahnhof vorbei, wo gerade eine Braut in<br />
einem sehr glitzerndem Kleid ein Fotoshooting zu haben<br />
scheint. Die Gleise im Bahnhof haben übrigens eine andere<br />
Breite als jene der osmanischen Bahn, da es Befürchtungen<br />
gab, beide Linien könnten sich verbinden. Zu Recht, wie sich<br />
13 Jahre später herausstellte.<br />
In Neve Zedek erfuhren wir, wie die Hebräische Sprache<br />
alltagstauglich wurde und konnten den Wandel sehen vom<br />
alten Jaffo zum modernen Tel Aviv.<br />
Die letzte Station unserer wirklich guten Stadtführung war<br />
das Gründerhaus Israels, bis wir am Karmelmarkt von Ori<br />
Abschied nahmen.<br />
Bis zum Abendessen hatten wir dann noch etwas Zeit, die<br />
die meisten von uns nutzten, um über den Markt zu schlendern<br />
und am Strand ihre erschöpften Füße zu entspannen.
Zurück im Hotel war die Erleichterung bei allen sehr groß,<br />
denn die ewige Suche nach WLAN war vorbei, denn im Hotel<br />
gibt es, Gott sein Dank, überall WiFi.<br />
7<br />
Nach einem üppigen Abendessen machten sich alle bis auf<br />
Anna und Julian, nochmal auf den Weg zum Meer. Auf dem<br />
Weg dorthin hatten wir etwas Angst überlaufen zu werden,<br />
von den ganzen Joggern, Fahrradfahrern, die auch am Fluss<br />
unterwegs waren.<br />
Doch wir kamen gut am Meer an und ließen den Abend<br />
mit gefrorenem Joghurt, mit freien WLAN am Wasser und<br />
spazieren gehen ausklingen. Und Marvin, war sogar noch<br />
im Meer schwimmen. :D
8<br />
14.05. Montag<br />
Ab 9:30 Uhr: Zeitzeugengespräch mit Margot Kidron.<br />
Margot Kidron (geb. Apfel) wurde als Kind 1939 nach England<br />
geschickt. Sie berichtete sehr eindrücklich über die<br />
Verfolgung und Erniedrigung in <strong>Dortmund</strong> im Alltag. So<br />
wurde ihr, wie vielen Juden, der Besuch in einer „deutschen<br />
Schule“ verboten. Außerdem berichtete sie davon, wie ihre<br />
Eltern, die ein kleines Geschäft betrieben, immer mehr aus<br />
der Gesellschaft verdrängt wurden. Ihre Familie wurde von<br />
<strong>Dortmund</strong> nach Riga deportiert und kam dort ums Leben.<br />
Da Margot Kidron sehr früh nach Israel auswanderte,<br />
konnte sie ebenfalls sehr eindrücklich von der Entstehung<br />
des Staates Israel sowie von seiner Bedeutung für die Überlebenden<br />
des Holocaust berichten.<br />
Das Gespräch mit Frau Kidron dauerte länger als geplant,<br />
so dass ein zweiter Termin für interessierte Jugendliche verabredet<br />
wurde.<br />
Um 13:30 Uhr ging der Bus nach Netanya.<br />
Seminar in Netanya ab 15:00 Uhr<br />
Bedeutung und Form der Erinnerung an den Holocaust in<br />
Israel.<br />
Anita Haviv (Friedrich Ebert Stiftung Tel Aviv)<br />
14.05.<br />
Das Handy klingelt um 8:30 Uhr, sehr früh wie ich finde,<br />
aber das Frühstück geht ja auch nur bis 9:00 Uhr. Wir sind<br />
noch in Tel Aviv und haben noch einen Termin mit einer<br />
Zeitzeugin und Überlebenden des Holocaust. Sie heißt<br />
Margot Kidron. Sie kam mit ihrem Mann in unser Hotel.<br />
Dort trafen wir uns in einem Seminarraum.<br />
Margot Kidron ist gebürtige <strong>Dortmund</strong>erin. Wir haben<br />
erfahren, dass sie mit 12 Jahren an einem Kindertransport<br />
nach England teilnahm und dort bis 1947 blieb. Ihre<br />
Eltern wurden 1944 ermordet. Margot hat noch einen<br />
Bruder, der jetzt in Amerika lebt. Diesen sah sie auch erst<br />
1947 wieder, als sie nach <strong>Dortmund</strong> zurückkehrte. Mit<br />
ihm ging sie für 1 Jahr und 10 Monate nach Amerika und<br />
lebt seit 59 Jahren in Israel (so lange ist sie auch schon mit<br />
ihrem Mann verheiratet).<br />
Um 13:30 checkten wir in Tel Aviv aus (schönste Stadt)<br />
und machten uns auf den Weg nach Netanya. Dort<br />
kamen wir auch unversehrt um 14:00 Uhr an. Die Sonne<br />
hatte sich bis jetzt nur am Morgen gezeigt und die Temperatur<br />
war gut.<br />
Um 15:30 Uhr ging das Programm weiter und wir hatten<br />
ein Seminar mit Anita Haviv. Anita Haviv ist in Wien
Frau Haviv ist Österreicherin und konnte so das Seminar<br />
auf Deutsch durchführen, was für das schwierige Thema<br />
sehr von Vorteil war. Im ersten Teil erklärte und erläuterte<br />
sie, wie das Gedenken an den Holocaust in Israel stattfindet.<br />
Sie stellte die einzelnen Gedenktage und Feierstunden<br />
dar und machte deren Bedeutung für die israelische<br />
Gesellschaft deutlich. Im zweiten Teil standen die Entwicklung<br />
dieser Erinnerungsarbeit und seine Bedeutung für<br />
die aktuelle Politik Israels im Fokus. Gerade der 2. Teil des<br />
Seminars löste eine große Diskussion aus. Es blieb leider zu<br />
wenig Zeit hier eingehend zu diskutieren, da um 18:00 Uhr<br />
der nächste Termin anstand.<br />
18:00 Uhr Anfahrt zum Jugendkulturzentrum.<br />
18:30 Uhr Treffen im Jugendkulturzentrum.<br />
Nach einer Aufführung eines von den israelischen Jugendlichen<br />
geschriebenen und gesungenen Musicals, gab es<br />
eine große gemeinsame Kennenlern- und Gesprächsrunde.<br />
Beim Abendessen wurden die Kontakte geknüpft, die in<br />
den folgenden Tagen zu kontinuierlichen Besuchen und<br />
gemeinsamen Treffen am Strand von Netanya führten.<br />
Themen der großen Gesprächsrunde waren überwiegend<br />
die bisherigen Kontakte und Erfahrungen mit Deutschland<br />
bzw. Israel sowie das aktuelle Leben in Israel und Deutschland.<br />
Abfahrt zum Hotel 21:00 Uhr.<br />
geboren und brachte uns bei, wie wichtig Erinnern und<br />
Gedenken für Juden ist. Sie erklärte uns die verschiedenen<br />
Gednektage und Rituale.<br />
Zum Schluss haben wir sehr offen und intensiv über<br />
Israels Probleme im In- und Ausland diskutiert.<br />
Dann fuhren wir mit dem Bus in das „Youth Art Center“<br />
Auf dem Weg dorthin hatten wir noch eine kleine Stadtrundfahrt,<br />
allerdings ohne nennnenswerte Informationen.<br />
Die richtige Stadtrundfahrt durch Netanya sollte ja<br />
noch folgen.<br />
Die Schülerinnen und Schüler im Art Center trugen uns<br />
etwas vor und sangen ein Liebeslied aus ihrer Revue auf<br />
hebräisch vor.<br />
Danach gab es ein gemeinsames Abendessen mit Sandwiches<br />
und wir unterhielten uns mit den Jugendlichen.<br />
Zu Anfang noch über Gott und die Welt, aber wir blieben<br />
dann beim Thema Holocaust hängen und wie die Israelis<br />
und wir Deutschen damit umgehen.<br />
Nach dem wir von ART Center zurück kamen, ging es<br />
für viele Abends an den Strand. Dann war ein weiterer<br />
schöner tag in Israel vorbei.<br />
9
10<br />
15.05. Dienstag<br />
Besuch in Jerusalem und der Gedenkstätte Yad Vashem mit<br />
dem Oberbürgermeister Ulrich Sierau.<br />
Abfahrt mit dem Bus um 8:15 Uhr in Netanya.<br />
Auf der gemeinsamen Anreise nach Jerusalem begrüßte<br />
der Oberbürgermeister die Jugendlichen und freute sich<br />
auf den gemeinsamen Tag.<br />
Der Besuch in Jerusalem begann mit einem Stadtrundgang.<br />
Dabei blieb leider nur sehr wenig Zeit für die einzelnen<br />
Stationen des Rundganges. Dennoch konnten die Jugendliche<br />
hier erste Eindrücke und Ideen sammeln, was sie sich<br />
beim Besuch am Freitag in Jerusalem gezielter ansehen<br />
wollten.<br />
Ankunft in Yad Vashem um 14:00 Uhr<br />
Der gemeinsame Besuch der Gedenkstätte dauerte bis<br />
18:00 Uhr. Die Führung durch die Ausstellung wurde<br />
immer wieder durch Nachfragen der Jugendlichen ergänzt<br />
und erweitert. Gerade hier zeigte sich das große Interesse<br />
der Jugendlichen. Leider wurde durch die begrenzte Zeit<br />
und dem Bemühen der Führerin die Fragen der Jugendlichen<br />
zu beantworten, die Führung zum Ende hin sehr<br />
hektisch. Die geplante Kranzniederlegung im „Tal der<br />
Gemeinden“ konnte dann leider nicht mehr wie geplant<br />
durchgeführt werden, was viele der Jugendlichen aufregte<br />
und auch den Oberbürgermeister irritierte.<br />
15.Mai 2012<br />
Der heutige Tag, begann für einige von uns damit, um<br />
7:00 Uhr im nahegelegenen Mittelmeer baden zu gehen.<br />
Denn wie oft hat man als <strong>Dortmund</strong>er ein echtes Meer<br />
vor der Tür? Geschweige denn einen echten See.<br />
Um 8:20 begann dann die fahrt nach Jerusalem. Auf der<br />
Fahrt konnten wir unsere Partnerstadt Netanya genauer<br />
unter die Lupe nehmen, denn wir standen im Stau.<br />
Nach einer etwas längeren Fahrt trafen wir unseren<br />
Guide Ralf. Die Eltern unseres Guides waren 1936 aus<br />
Nazi-Deutschland geflohen und zwar nach Namibia. Ralf<br />
bezeichnete sich deshalb als „afrikanischen Israeli“.<br />
Unsere erste Station in Jerusalem war der Ölberg, wo wir<br />
vor Taschendieben gewarnt wurden. Wir ließen unsere<br />
Taschen im Bus und machten Fotos von Jerusalem, denn<br />
die Aussicht von dort war einfach sehr gut. Als nächstes<br />
besuchten wir die Erlöserkirche, die überfüllt mit touristen<br />
war. Manchem ist dabei das Gefühl für die Sinnlichkeit<br />
verloren gegangen.<br />
Nach einem Mittagessen in einer Falafelbar fuhren wir<br />
nach Yad Vashem.<br />
Die Eindrücke dort waren für uns alle sehr bewegend und
Nach der Rückkehr nach Netanya fand nach dem Abendessen<br />
ein gemeinsamer Auswertungstermin statt. Im<br />
Gespräch mit dem Oberbürgermeister stellten die Jugendlichen<br />
ihre Eindrücke und Gefühle zum Besuch in Yad<br />
Vashem dar. Sie diskutierten auch leidenschaftlich, dass sie<br />
sich mehr Zeit gewünscht hätten und dass es sinnvoll wäre,<br />
wenn mehr Jugendgruppen nach Netanya und Israel reisen<br />
könnten.<br />
schockoerend. Wir wurden von einem Guide nur durch<br />
einen kleinen Teil der Ausstellung geführt. Wir hätten<br />
tage gebraucht, um alles zu sehen. Schade war nur, dass<br />
wir aus Zeitgründen uns beeilen mussten.<br />
Nach einer langen Rückfahrt, die so lang war, dass der<br />
hintere Bereich des Busses zum Schlafbereich wurde,<br />
erreichten wir unser Hotel in Netanya.<br />
Am Abend hatten wir die Gelegeheit mit Herrn Sierau<br />
und den mitgereisten Journalisten den Besuch in Yad<br />
Vashem zu reflektieren. Dabei begann eine Diskussion,<br />
wie man auch weiter an den Holocaust gedenken kann.<br />
Hoffentlich lässt sich auch einges davon umsetzen.<br />
11
12<br />
16.05. Mittwoch<br />
Besuch der ORT-Gutmann Schule.<br />
9:00 Uhr Abfahrt<br />
Bereits vor der Abfahrt zur ORT-Gutmann Schule stellte<br />
sich heraus, dass der gemeinsame Besuch bei Abraham Bar<br />
Menachem, aus gesundheitlichen Gründen nicht stattfinden<br />
konnte.<br />
Herr Bar Menachem ist der ehemalige Bürgermeister von<br />
Netanya. Er gilt zusammen mit dem verstorbenen Alt-<br />
Oberbürgermeister Günter Samtlebe und Bürgermeister<br />
Lorenz Ladage als Begründer der Partnerschaft mit<br />
Netanya. Sein 100ster Geburtstag war der Anlass für den<br />
Besuch von OB Sierau in Netanya.<br />
Der gemeinsame Besuch von Oberbürgermeister und<br />
Jugendlichen in der ORT-Gutmann Schule war erst einmal<br />
mal von einer gewissen Steifheit geprägt. Die israelischen<br />
Schülerinnen und Schüler stellten ihre Schule und den<br />
Austausch mit <strong>Dortmund</strong> vor. Die Botschafter_innen der<br />
Erinnerung wiederum stellten kurz ihre Projekte und Aktivitäten<br />
vor.<br />
Als dann der formelle Rahmen der Begegnung beendet<br />
war, löste sich auch die angespannte Stimmung. Die<br />
Jugendlichen kamen dann sehr schnell untereinander ins<br />
Gespräch und tauschten sich aus.<br />
Da der Besuch bei Bar Menachem nicht stattfinden konnte,<br />
16.05.2012<br />
Heute war ein sehr schöner Tag. Wir haben die ORT-<br />
Goodmann-School besucht, nur leider hatten wir zu<br />
wenig Zeit, um richtig ins Gespräch zu kommen. Aber das<br />
war nicht sooo schlimm, weil wir ziemlich früh Freizeit<br />
hatten. Also sind wir schwimmen gegangen, aber nicht<br />
alleine. Ein paar Schüler der Goodmann-School haben<br />
uns besucht. Wir waren schwimmen, haben sehr vile<br />
geredet und hatten einfach einen schönen Tag. Ich hatte<br />
das Gefühl, dass es keine Distanz zwischen uns gab. Wir<br />
redeten über religion und den Konflikt in Israel, über Israel<br />
an sich, über Deutschland und noch ganz viele andere<br />
Dinge.<br />
Abends sind wir kurz essen gegangen und danach haben<br />
wir uns mit zwei Leuten, Shani und Tal, getroffen. Den<br />
ganzen Abend saßen wir am Strand und haben geredet<br />
vollkommen freiu und ungezwungen. Und das war das<br />
schöne. Wie freunde, die sich schon ewig kennen. Ich<br />
könnte jetzt jedes kleinste Detail des Abends beschreiben,<br />
aber das möchte ich nicht. Weil dieses wunderschöne<br />
Gefühl, das ich mit dem Abend verbinde, sich durch diese<br />
Wörter nicht beschreiben lässt.<br />
Ich hoffe nur, wir bleiben in Kontakt. Aber ich bin sehr<br />
zuversichtlich.<br />
Für mich war das der schönste Tag in Israel.
verabredeten sich die Jugendlichen, die nicht mit nach Tel<br />
Aviv zum Gespräch mit Frau Margot Kidron fuhren, für<br />
den Nachmittag am Strand.<br />
Nach dem Schulbesuch fand eine Stadtrundfahrt durch<br />
Netanya statt, die gegen 15:00 Uhr beendet war.<br />
Bei dem Gespräch mit Frau Kidron in Tel Aviv waren auch<br />
Vertreter der <strong>Dortmund</strong>er Presse und des WDR anwesend,<br />
die über dieses Gespräch entsprechend in Presse und Fernsehen<br />
berichteten.<br />
13
14<br />
17.05. Donnerstag<br />
Besuch im Kibbutz Lohamei Haghetaot und Stadtrundgang<br />
in Haifa.<br />
8:30 Uhr Abfahrt in Netanya. Entgegen der ursprünglichen<br />
Planung wurde ein Hotel in Haifa gebucht, um mehr Zeit<br />
in Haifa verbringen zu können.<br />
9:30 Uhr Lohamei Haghetaot ist ein Kibnutz, der von<br />
ehemaligen Überlebenden des Holocaust insbesondere des<br />
Warschauer Gettos gegründet wurde. In Erinnerung an den<br />
Aufstand des Warschauer Gettos wurde in diesem Kibbutz<br />
ein Museum für die „Getto Fighter“ eingerichtet.<br />
Jakob Avid und Naomi Bessemer führten durch die Ausstellung.<br />
Schwerpunkt ihrer Führung war dabei die Frage<br />
nach dem Widerstand. Wann beginnt Widerstand? Wie<br />
kann man im Getto Widerstand leisten? Diese Ausstellung<br />
und das Museum unterscheiden sich sehr stark von der<br />
Ausstellung in Yad Vashem. Die starke Betonung des Widerstandes<br />
löste viele Diskussionen aus, da es sich offenbar<br />
um einen Aspekt handelt, den die Jugendlichen bisher eher<br />
weniger wahrgenommen haben.<br />
Das Mittagessen wurde in der Kibbutz Kantine eingenommen,<br />
wo Jakob Avid nochmals auf die Kibbutzbewegung<br />
in Israel und deren Bedeutung in der Vergangenheit und<br />
heute einging.<br />
17.05.2012<br />
Mir wird heute die Ehre zuteil, das Tagebuch zuschreiben,<br />
weil ich Geburtstag habe. Somit erklärt sich, warum um<br />
Punkt 0:00 Uhr (Ortszeit) fast die ganze „German Group“<br />
vor der Tür stand. Nach dem Ständchen, liebevollen Umarmungen<br />
und Glückwünschen sowie der Anprobe des<br />
neuen, farbenfrohen Schals, kehrte wieder Ruhe in unser<br />
Zimmer ein wir kuschelten uns zu Dritt in unser Doppelbett.<br />
Für andere war die nacht noch kürzer, da sie mit<br />
Shani und Tal noch ein wenig mehr Zeit verbrachten.<br />
Da wir ja noch ein weiteres Mal umziehen mussten, fuhren<br />
wir mit gepackten Koffern nach Haifa, bzw. zu erst ins<br />
Kibbutz Lohamei Haghetaot.<br />
Dort bekamen wir eine Führung durch das „Ghetto<br />
Fighter Museum Das von Überlebenden des Holocaust<br />
gegründete Kibbutz bietet einen passenden Ort für eine<br />
solche Ausstellung. Wir bekamen einen beeindruckenden<br />
Einblick in die Welt des Widerstandes während des<br />
Holocaust.<br />
Nach dem Essen in der Kibbutz-Kantine fuhren wir frisch<br />
gestärkt nach Haifa zu unserer neuen Unterkunft, natürlich<br />
mit Wifi. Nach kurzem „Zimmerbeziehen“ fuhren<br />
wir weiter, um unserer Guide für die Stadtrundfahrt<br />
abzuholen. Jedoch stellte sich schnell heraus, dass es sich<br />
um einen Stadtrundgang handelte. Diesen starteten wir
14:00 Uhr Ankunft in Haifa.<br />
Um 15:00 Uhr begann der Stadtrundgang in Haifa. Schwerpunkt<br />
der Führung war das Zusammenleben der israelisch-arabischen<br />
Minderheit mit der israelisch-jüdischen<br />
Mehrheit. In Haifa leben die meisten arabischen Israelis.<br />
Haifa ist zum einen Spiegelbild der alltäglichen Konflikte<br />
und Probleme dieses Zusammenlebens, gleichzeitig aber<br />
auch eine Stadt, in der dieses Zusammenleben am ehesten<br />
gelingt und am weitesten ausgeprägt ist. Der Stadtrundgang<br />
führte durch arabische und jüdische Viertel. Es ging dabei<br />
um Unterschiede und Gemeinsamkeiten, aber auch um<br />
zum Teil systematische Benachteiligungen und Ausgrenzungen.<br />
Der Stadtrundgang endete um 19:00 Uhr in der<br />
sog. „Deutschen Kolonie“ in Haifa, wo die Gruppe gemeinsam<br />
mit dem Stadtguide Essen ging.<br />
mit einem großartigen Ausblick über haifa. Unser Guide<br />
stellte die Probleme zwischen Juden und Arabern in<br />
Haifa da.<br />
Unser Rundgang endete in der „deutschen Kolonie“, wo<br />
wir bei Fatusch zu Abend gegessen haben.<br />
Nach der Besprechung des Ablaufes der kommenden<br />
Tage, traf freudiger Besuch am Hotel ein: Tal mit ein paar<br />
Freunden. Somit ging der Abend in die „Verlängerung“.<br />
15
16<br />
18.05. Freitag<br />
Willy-Brandt-Center und Jerusalemer Altstadt<br />
8:00 Uhr Abfahrt in Haifa.<br />
11:00 Ankunft im Willy-Brandt-Center in Jerusalem.<br />
Gespräch mit Cheb Kammerer, Programmkoordinator im<br />
Willy Brandt Center.<br />
Er stellte dar, dass das WBC von vielen anderen Organisationen<br />
die einzige Institution ist, die noch gemeinsame Projekte<br />
mit palästinensischen und israelischen Jugendlichen<br />
durchführen kann. Alle anderen Institutionen mussten<br />
durch fehlende Kooperation ihre Aktivitäten weitestgehend<br />
einstellen. Die Jugendlichen bekamen einen Einblick in die<br />
Schwierigkeiten dieser Arbeit, allein schon durch die unterschiedlichen<br />
Reisebedingungen und Möglichkeiten.<br />
Chab Kammerer stellte beispielhaft das Hip-Hop Projekt<br />
„Hip Hop Hudna“ vor, bei dem Israelis und Palästinenser<br />
gemeinsam eine Hip-Hop CD herausgebracht haben. Viele<br />
der Stücke sind in mehreren gemeinsamen Workshops<br />
entstanden, die in Israel und Deutschland stattfanden.<br />
15:00 Uhr Besichtigung der Jerusalemer Altstadt.<br />
19:00 Uhr Gemeinsames Shabat-Mahl in der Unterkunft.<br />
18.05.2012<br />
Fahrt nach Jerusalem<br />
Heute hieß es um 6:45 Uhr aufstehen, denn um 8:00 Uhr<br />
war die Abfahrt nach Jerusalem geplant. Es wurden die<br />
restlichen Sachen noch fleißig gepackt und ordentlich<br />
gefrühstückt. Alles lief soweit ganz super, doch wir hatten<br />
am Ende ein paar Nachzügler. Im Bus waren dann alle<br />
am Schlafen, denn es ging für alle gestern eher spät ins<br />
Bett.<br />
Als Erstes ging es für uns ins Willy-Brandt-Center-Jerusalem<br />
(WBC).<br />
Cheb M. Kammerer begrüßte uns herzlich und gab uns<br />
einen Einblick in die Arbeit des WBC. Er selber studiert<br />
Kunst und wohnt seit mehreren Jahren in Tel Aviv.<br />
Hauptsächlich ist er im WBC, aber hat auch noch andere<br />
Projekte in Tel Aviv.<br />
Das Willy-Brandt-Center Jerusalem ist dazu da, um im<br />
Konflikt zwischen jungen Israelis und Palästinensern Brücken<br />
zu bauen. Seit 16-17 Jahren gibt es diese Idee schon.<br />
Wirklich angefangen hat die Arbeit nach dem Abbruch<br />
der Friedensgespräche.<br />
Keiner wollte anfangs den Anderen treffen. Durch und<br />
in Workshops diskutierten er und seine Kollegen mit den<br />
Jugendlichen Israelis und Arabern Fragen wie: Warum ist
der Konflikt da?, Wer sieht den Konflikt wie? Wie stehen<br />
die Menschen zueinander?<br />
17<br />
Das WBC hat einen guten Ruf als Vermittlungscenter, es<br />
ist eines der wenigen, das den Sprung geschafft hat, eine<br />
Verbindung zwischen zwei Welten zu sein.<br />
„Besser Irgendetwas tun, als nichts zu tun“.<br />
Ein Motto eines neuen Projektes von Chab Kammerer. Er<br />
möchte Leute durch Kunst, Videos, Fotos, usw. motivieren,<br />
etwas aus ihrem Leben zu machen – etwas besonderes.<br />
Oft hilft es nur durch praktische Mittel sein Leben darzustellen,<br />
damit ein anderer es verstehen kann. Hip Hop,<br />
Grtaffiti, Break Dance alles ist dabei.<br />
„Die Leute wollen einfach leben“<br />
Nach einem ereignisreichen Vormittag, geht es in Kleingruppen<br />
durch die bunten, orientalischen Gassen der<br />
Jerusalemer Altstadt. Doch als erstes wird noch einmal<br />
zusammen auf das Dach des österreichischen Hospiz<br />
gegangen, wo man einen fantastischen Blick über die<br />
Altstadt Jerusalems hat.
Danach ging es für mich, Lena und Mike quer durch die<br />
Altstadt zurück. Unser Ziel war Schindlers Grab, was man<br />
nur mit bestimmten Leuten betreten darf.<br />
Es wurden Souvenirs gekauft, reichlich Fotos gemacht und<br />
schließlich trafen wir uns am Damaskustor, von wo aus es in<br />
unsere Unterkunft ging.<br />
Es wurde gepackt, WLAN benutzt und Lokalzeit geschaut –<br />
wir waren im Fernsehen :) !<br />
Nachts hatten wir dann noch 4-mal Feueralarm. Jippie,<br />
alle wach … und Mike war begeistert. Ein ereignisreicher,<br />
schöner Tag.
19.05. Samstag<br />
Bethlehem und Jericho<br />
8:00 Uhr Abfahrt nach Bethlehem. Die Fahrt führte durch<br />
die Grenzbefestigung (Die Mauer). Erläuterung der Grenzbefestigung<br />
und deren Ursache. Besuch der Geburtskirche.<br />
9:30 Uhr Weiterfahrt nach Jericho. Jericho ist, wie Bethlehem,<br />
Kategorie A Gebiet, steht also unter Selbstverwaltung<br />
der Palästinenser. Gespräch mit Anselm Schelcher vom<br />
Forum Ziviler Friedensdienst. Herr Schelcher stellte die<br />
Projekte, die im Rahmen der von der Bundesregierung<br />
geförderten Zivilen Friedensdienste in Jericho stattfinden,<br />
vor. Dabei gab er einen sehr guten Einblick in den aktuellen<br />
Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Die<br />
Nachfragen der Jugendlichen bezogen sich zum großen<br />
Teil auf den Alltag der Palästinenser. Gleichzeitig stellte<br />
Herr Schelcher sehr anschaulich und konkret dar, wie sich<br />
Siedlungsbau, Reisebeschränkungen aber auch wirtschaftliche<br />
Behinderungen auf das Leben in Jericho auswirken. Er<br />
beschrieb die Situation ohne eine Schuldzuschreibung zu<br />
machen und vermittelte somit, dass es um Ursachen und<br />
Wirkung geht. Bei den Jugendlichen bleibt nach diesem<br />
Gespräch der Eindruck haften, den „Nahost-Konflikt ein<br />
bisschen mehr zu verstehen, ohne diesen Konflikt jedoch<br />
zu verstehen.“<br />
19.05.<br />
Nach einer ziemlich anstrengenden Nacht, mit mehr<br />
als einem Feueralarm, brach auch schon der letzte Tag<br />
an. Das brachte ziemlich gemischte Gefühle mit sich.<br />
Klar war es schön, wieder auf dem Weg nach Hause zu<br />
sein, aber andererseits war es total schade, Israel wieder<br />
verlassen zu müssen.<br />
Die erste Station des Tages war Bethlehem. Dazu mussten<br />
wir zwar erst über die Grenze nach Palästina, was<br />
erstaunlich gut klappte. Innerhalb kürzester Zeit erreichten<br />
wir also Bethlehem, die Geburtsstadt von Jesus.<br />
Einige von uns schauten sich die geburtskirche an, aber<br />
was ich noch interessanter fand, war, dass man überall<br />
Weihnachts Krims-Krams angeboten bekommen hat.<br />
Und das mitten im Mai.<br />
Nachdem sich alle, die wollten, mit ausreichend Weihnachtsschmuck<br />
eingedeckt hatten, ging es weiter nach<br />
Jericho. Ich merkte, dass wir in der Wüste waren. Um uns<br />
herum war so ziemlich nichts. Der Unterschied zwischen<br />
dem vollen, bebauten und bepflanzten Jerusalem fiel<br />
sofort auf.<br />
In der Begegnungsstätte in Jericho erfuhren wir viel über<br />
den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Der<br />
19
20<br />
14:30 Uhr Essen in Qumran, ab 16:00 Uhr baden im Toten<br />
Meer. Anschließend ging es nach Tel Aviv zum Flughafen,<br />
wo um 01:20 (20.05.2012) der Rückflug nach Köln/Bonn<br />
stattfindet.<br />
Konflikt wurde dadurch irgendwie klarer und, wenn auch<br />
nicht viel, ein bisschen verständlicher.<br />
Am meisten hängen geblieben ist bei mir, dass ein vollständiges<br />
Krankenhaus, das nur noch aufgebaut hätten<br />
werden müssen, einfach von der Straße weg geklaut<br />
wurde, weil sich niemand darum gekümmert hat.<br />
Nachdem wir noch ein wenig von Jericho gesehen haben,<br />
ging es nach Qumran, wo wir unser letztes israelisches<br />
Mittagessen aßen.
22<br />
Die Ratio der Gefühle<br />
von<br />
Anita Haviv<br />
Ich bin 1960 in Wien zur Welt gekommen. Meine Eltern<br />
sind beide Überlebende der Shoah, die über ihr Trauma<br />
nicht reden wollten. So begleitete mich ihr Schweigen<br />
in meiner Kindheit wie ein dunkler Schatten. Im Gegensatz<br />
zu ihnen erzählte mir meine Großmutter unzählige<br />
Geschichten über ihren Leidensweg im Ghetto von<br />
Budapest. Diese Berichte sowie ihre Albträume von ihren<br />
ermordeten Eltern, dem Ehemann und den Geschwistern<br />
waren Gute-Nacht-Geschichten, mit denen ich als kleines<br />
Mädchen oft eingeschlafen bin. Die Leidensgeschichte<br />
meiner Familie stimmte mich traurig und machte mir<br />
auch Angst.<br />
Der Staat Israel hingegen war für mich damals gleichbedeutend<br />
mit Trost und Hoffnung und das besonders<br />
deshalb, weil er von meinem Vater so sehr geliebt wurde.<br />
So hatte der Bildband über den Sechs-Tage-Krieg einen<br />
Ehrenplatz in seiner Bibliothek. Mein Vater schwärmte<br />
von den mutigen israelischen Generälen, die den Feind<br />
besiegten. Sie verkörperten für ihn jüdisches Heldentum,<br />
das eine Art „Wiedergutmachung“, einen Trost für seine<br />
eigene Hilflosigkeit in Auschwitz darstellte. Er betonte das<br />
immer wieder und schärfte mir ein, nie zu vegessen, dass<br />
der Staat Israel dem jüdischen Volk in der ganzen Welt<br />
einen noch nie da gewesenen starken Schutzschild bietet.<br />
Mit diesem Israel-Bild wuchs ich auf. Das Land war die<br />
Verheißung: Ein Paradies am Meer, erschaffen von starken,<br />
jüdischen Pionieren.<br />
Im Jahre 1975 besuchte ich zum ersten Mal diese Verheißung,<br />
dieses mein gelobtes Land: Auch wenn das Israel<br />
der 70er Jahre ärmlicher wirkte, als ich es mir erträumt<br />
hatte, so war ich doch sehr beeindruckt von der jüdischen<br />
Renaissance, den lockeren Umgangsformen, dem Sonnenschein.<br />
Die gutaussehenden und durchtrainierten<br />
Israelis mit ihren dunklen Sonnenbrillen – und natürlich<br />
in Uniform - beeindruckten mich ganz besonders. Sie<br />
waren stark und lebenslustig, ein Kontrast zu meinem oft<br />
so traurigen Vater.<br />
Österreich wurde für mich immer mehr zum "Land<br />
dort", so wie David Grossmann's Momo Polen nannte,<br />
die Heimat seines Grossvaters. Die von meinem Vater<br />
erweckte zionistische Ader wurde in der Jugendbewegung<br />
Bnei Akiva, in der ich mehrere Jahre Mitglied war, noch<br />
verstärkt. Die israelischen Emissäre beeindruckten uns<br />
mit ihrem Hebräisch, den Volkstänzen, der Begeisterung
für die Armee. Sie vermittelten uns ein idealisiertes Israel<br />
mit einem angenehmen rosafarbenen Zuckerguss. So<br />
entstand in mir ein eindimensionales und naives Bild des<br />
jüdischen Staates, mit dem ich 1979 in das Land kam.<br />
Doch sehr bald schon wurde ich mit der israelischen Realität<br />
und den Wunden dieser Gesellschaft konfrontiert.<br />
Der Umgang mit dem Thema Holocaust und vor allem<br />
die Begegnung mit Überlebenden öffneten mir die Augen.<br />
Die ersten Menschen, die mich in der neuen Heimat mit<br />
viel Wärme und Hilfsbereitschaft aufnahmen, war das<br />
Ehepaar Kern. Rachel stammte aus Wien und Johnny aus<br />
Hamburg. Ihr Zuhause sah genauso aus wie die Wohnungen,<br />
die ich aus Wien kannte. Sie nannten sich gegenseitig<br />
zwar "Abale" und "Imale”, doch sehr viel mehr Hebräisch<br />
hörte ich bei ihnen nicht. Deutsch war die Familiensprache.<br />
Hätten vor der Tür nicht die Palmen gestanden, wäre<br />
ich im Zweifel darüber gewesen, ob ich meinen Wohnort<br />
wirklich gewechselt hatte. Beide hatten Europa rechtzeitig<br />
verlassen und sich in Israel ein neues Leben aufgebaut.<br />
Wenn mich in schwachen Momenten die Sehnsucht<br />
nach der alten Heimat packte und ich zaghaft mit meiner<br />
Entscheidung nach Israel zu kommen, haderte, sahen sie<br />
mich vorwurfsvoll an. "Wie kann man als Jüdin nur ernstlich<br />
erwägen, noch in Wien zu leben. Unter den Mördern?<br />
Hier ist die Zukunft." Solch einem Argument hätte ich<br />
damals nicht zu widersprechen gewagt.<br />
Meine erste Arbeitserfahrung sammelte ich im Museum<br />
der Jüdischen Diaspora als Guide für ausländische<br />
BesucherInnen. Das von dem Widerstandskämpfer Abba<br />
Kovner konzipierte Museum festigte mein damaliges<br />
Weltbild. Kovner war für alle Mitarbeiter/innen eine ideale<br />
Leitfigur, eine lebendige Verkörperung des neuen Hebräers.<br />
Er hatte im Ghetto von Wilna gekämpft und wollte<br />
sich nach dem Krieg an Deutschland rächen. In Israel war<br />
er Poet, Lehrer und lebte ganz bescheiden im Kibbutz.<br />
Kovner verkörperte die Antithese zum wehrlosen Juden.<br />
Er symbolisierte in meiner Wahrnehmung den starken,<br />
kampfbereiten und zugleich im liberalen und jüdischen<br />
Europa verankerten humanen jüdischen Staat.<br />
In dieser Zeit arbeitete ich parallel auch in Massua, dem<br />
Institut für Holocauststudien als Seminarmoderatorin für<br />
deutsche Gruppen. Dort hörte ich viele bewegende Zeitzeugenberichte<br />
von Überlebenden. Ihre Leidensgeschichten<br />
in den Ghettos und Konzentrationslagern wühlten<br />
mich auf. Am meisten bewegte mich jedoch ihre Einstellung<br />
zu Israel: Immer wieder versicherten diese Menschen<br />
den deutschen Besucher/innen, dass für sie der jüdische<br />
Staat die wirkliche und wahre Rache an Hitler sei. Weiters<br />
betonten sie, dass nur dieser Staat das Überleben<br />
des jüdischen Volkes garantieren könne. Sie verkörperten<br />
23
24<br />
zugleich Verletzlichkeit und Stärke.<br />
Aus ihren Aussagen waren Patriotismus sowie Kampfbereitschaft<br />
für die Existenz des Staates Israel herauszuhören<br />
und gleichzeitig hatten sie - trotz Allem – immer noch<br />
eine starke Bindung zu Europa.<br />
Ihre zionistische Botschaft wollten diese älteren Menschen<br />
den Nachfolgegenerationen mit auf den Weg geben.<br />
Ihre Haltung und ihre Berichte bestärkten mich im Nachhinein<br />
immer wieder in meiner Entscheidung, nach Israel<br />
eingewandert zu sein.<br />
Doch paradoxerweise waren es gerade ihre Erzählungen,<br />
die in mir Zweifel in Bezug auf Israel entstehen ließen.<br />
Denn viele erzählten - mit nach so langen Jahren immer<br />
noch spürbarem Schmerz und Verbitterung - mit wieviel<br />
Unverständnis ihr Umfeld sie bei ihrer Ankunft behandelt<br />
hatte.<br />
Diese Überlebende verhehlten nicht, wie schlecht sie<br />
unmittelbar nach dem Holocaust in der neuen Heimat<br />
aufgenommen und sogar verhöhnt worden waren.<br />
Immer wieder tauchte in ihren Geschichten der in Israel<br />
insbesondere in den Anfangsjahren des Staates oft verwendete<br />
Satz auf "Sie haben sich wie Schafe zur Schlachtbank<br />
führen lassen". Dieser Vergleich zeigte, dass sich<br />
viele Israelis in die Lebenssituation der Juden in Europa<br />
nicht einfühlen konnten oder wollten.<br />
Als ich diese Berichte hörte, war ich schockiert. Es war<br />
erschütternd zu erfahren, dass die Opfer als Reaktion auf<br />
diese Ablehnung über ihre Erfahrungen im Holocaust<br />
einfach nicht mehr redeten. Sogar Moshe Sanbar, der<br />
ehemaliger Gouverneur der Bank of Israel, bekennt, dass<br />
er in langen Jahren öffentlichen Wirkens seine Vergangenheit<br />
verschwieg.<br />
Die starken Israelis wollten sie ohnehin nicht hören. Tom<br />
Segev nannte dieses Phänomen "die Verschwörung des<br />
Schweigens". Meine Perzeption von Israel begann sich zu<br />
verändern. Das Land war in meinen Augen nicht nur der<br />
Schutzschild, die wahre Heimat für alle Juden, insbesondere<br />
für die schwachen. Ich sah die harte, "entmythologisierte<br />
" und damit letztendlich menschliche Seite dieser<br />
Gesellschaft.<br />
Meine erste Reise nach Deutschland machte ich im Jahr<br />
1990. Ich war Mitglied einer israelischen Delegation, die<br />
von Israel Szabo, dem Leiter des Rutenberg-Institutes,<br />
geleitet wurde. Szabo hatte im Zweiten Weltkrieg unter<br />
Lebensgefahr jüdische Kinder gerettet. Bis heute ist er<br />
mir ein moralisches Vorbild, sozusagen mein säkularer<br />
Rabbiner. Er war europäisch gebildet und in meinen<br />
Augen ein Vertreter des humanen, liberalen, weltoffenen<br />
Zionismus. Er war einer der ersten Israelis, der, trotz<br />
massiver Kritik, schon in den 60er Jahren den Dialog mit<br />
Deutschen suchte und aktiv förderte.
Sein Bekenntnis zum jüdischen Staat war unerschütterlich.<br />
emotional unerträglich. Daher habe ich - wie auch Szabo<br />
- einen Mechanismus der "Selbstzensur" entwickelt.<br />
25<br />
Was den Nahostkonflikt betraf, kritisierte er zwar nicht<br />
öffentlich, aber in persönlichen Gesprächen durchaus die<br />
israelische Politik. Doch nach außen verteidigte er sein<br />
Land immer wieder. So werde ich nie seine Antwort auf<br />
die Frage eines deutschen Lehrers zur israelischen Besatzung<br />
vergessen. Szabo sagte einfach: "Wissen Sie, junger<br />
Mann, nach all dem was ich gesehen und erlebt habe, bin<br />
ich zwar ein Peacenik, doch kein Pazifist". Damals identifizierte<br />
ich mich voll mit dieser Aussage, gerade weil sie<br />
von einem Mann wie Israel Szabo kam. Ich wollte nicht<br />
wahrhaben, dass die Realität des Nahostkonflikts wesentlich<br />
komplexer war. Heute habe ich eine sehr kritische<br />
Einstellung zu dieser Thematik. Dennoch habe ich bis<br />
heute Hemmungen, meine Verurteilung der israelischen<br />
Nahostpolitik - insbesonders Deutschen gegenüber - in<br />
aller Klarheit auszudrücken.<br />
Denn in meiner langjährigen Erfahrung im deutsch-israelischen<br />
Dialog, insbesonders im Bereich der politischen<br />
Bildung machte ich viele verletzende Erfahrungen. Ich<br />
hörte sogar deutsche Multiplikatoren/innen, die sich nicht<br />
scheuten, Israel mit Nazideutschland zu vergleichen. Solche<br />
Aussagen sind für mich nicht nur falsch sondern auch<br />
In der Retrospekive empfinde ich im Wesentlichen nach<br />
wie vor liebevolle Empathie für die Einstellung der meisten<br />
Überlebenden zu Israel. Das gilt insbesondere für<br />
diejenigen, denen ich begegnet bin. Bis heute vermitteln<br />
sie mir ein Gefühl der Zugehörigkeit zu den ursprünglichen<br />
Zielen des Zionismus. Immer noch bewundere<br />
ich ihre Kraft und Fähigkeit, wie Phönixe aus der Asche<br />
aufzuerstehen.<br />
Die meisten haben sich hier nicht nur persönlich ein<br />
neues Leben geschaffen, sondern waren auch aktiv am<br />
Aufbau Israels beteiligt. Diese Menschen haben in meiner<br />
Wahrnehmung einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung<br />
des jüdischen Staates geleistet, der ihnen nur zu oft wenig<br />
Gegenliebe und Respekt entgegenbrachte.<br />
Die Lehre, die viele israelische Überlebende aus der Shoah<br />
ziehen, ist ein entschiedenes „NIE WIEDER“, und nur ein<br />
starkes Israel kann dieses „NIE WIEDER“ gewährleisten.<br />
Durch die Geschichte meiner eigenen Familie und die<br />
langjährige Sozialisierung in Israel ist es mir bis heute<br />
auch nicht immer möglich, mich emotional dieser ihrer in<br />
sich geschlossenen und nachvollziehbaren Logik zu entziehen.<br />
Doch so berechtigt das Credo des „NIE WIEDER“
26<br />
aus der ganz subjektiven Perspektive zahlreicher Überlebender<br />
auch sein mag – auf eine Gesellschaft wie die<br />
israelische kann es auch gefährliche Auswirkungen haben.<br />
Es verhindert rationales politisches Denken und Handeln.<br />
Die Shoah ist immer der Ausgangspunkt für die<br />
Auseinandersetzung mit der Gegenwart, mit dem politischen<br />
Konflikt. Politiker nützen die realen Ängste vieler<br />
Israelis für ihre nicht immer hehren Ziele. Zum Beispiel<br />
ist der Vergleich zwischen den heutigen Gegnern und<br />
Hitler ein viel zu häufiger Reflex, der im öffentlichen Diskurs<br />
immer wieder aufkommt.<br />
1988 erschien in Ha’aretz der Artikel “Die Notwendigkeit<br />
zu vergessen“ von Professor Yehuda Elkana. Der<br />
Autor, selbst Überlebender der Shoah, schrieb: „Ich bin<br />
immer mehr davon überzeugt, dass der grundlegende<br />
politische und soziale Faktor, der einen grossen Teil der<br />
israelischen Gesellschaft motiviert, eine tiefe existentielle<br />
‚Angst‘ ist“. Seiner Ansicht nach entspringt diese Angst<br />
einer „bestimmten Interpretation des Holocaust und der<br />
Bereitschaft zu glauben, dass die ganze Welt gegen uns ist<br />
und wir das ewige Opfer sind.“ Dieses Zitat formuliert das<br />
Unbehagen, das auch ich so oft verspürte und dennoch<br />
nicht auszusprechen gewagt hatte.<br />
Es gibt auch Überlebende, die sich – gerade wegen ihrer<br />
leidvollen Biographie – von Patriotimus und kollektiver<br />
Einvernahmung distanzieren. Die Schriftstellerin Lizzie<br />
Doron erzählt in ihrem Roman Warum bist du nicht vor<br />
dem Krieg gekommen? eindrücklich, wie ihre Mutter den<br />
Kontakt zur Tochter fast abbrach, als diese ihren Wehrdienst<br />
auf den Golan-Höhen leistete und ihre Begeisterung<br />
für die Armee zum Ausdruck brachte.<br />
Meine eigene Mutter kann keine Uniformen sehen, selbst<br />
wenn ihre israelischen Enkelkinder diese tragen. In meiner<br />
Jugend konnte ich die Angst meiner Mutter vor militärischen<br />
Symbolen nicht nachvollziehen, heute empfinde<br />
ich sie selbst.<br />
2009 moderierte ich ein Panel bei einer Konferenz zum<br />
Thema „Holocaustüberlebende und die Medien in<br />
Israel“. Eine Journalistin kritisierte dabei mit viel Ironie<br />
die offiziellen Gedenkfeiern zur Shoah in Yad Vashem.<br />
Daraufhin entbrannte eine fast unerträglich emotionale<br />
Diskussion im Publikum, von denen sich beinahe alle als<br />
Überlebende zu erkennen gaben. Einige stimmten der<br />
Journalistin zu, dass der Staat ihre Geschichte vereinnahme<br />
und sie selbst auch vernachlässigt habe. Andere widersprachen<br />
nicht nur heftig, sondern gestanden unumwunden,<br />
dass die Gedenkzeremonie in Yad Vashem und<br />
die Präsenz der Armee dort für sie der schönste Moment<br />
jedes Jahres seien. Diese Kontroverse lähmte mich. Die<br />
Furcht, diese Menschen in ihren Gefühlen zu verletzen,
war stärker als alles andere, obwohl ich selbst massive Bedenken<br />
in Bezug auf die ritualisierte offizielle israelische<br />
Gedenkkultur empfinde.<br />
Je mehr ich mir meiner Beziehung zu den Überlebenden<br />
in Israel bewusst werde, desto mehr verstehe ich, wie stark<br />
sie meine Wahrnehmung von Israel geprägt haben. Sie<br />
haben mir ein Gefühl der emotionalen Zugehörigkeit zu<br />
den europäischen Wurzeln dieser Gesellschaft vermittelt.<br />
Damit haben sie mir hier ein Stück kulturelle Heimat<br />
gegeben. Selbst nach drei Jahrzehnten reagiere ich auf ihre<br />
Botschaften in Bezug auf Israel emotional. Immer wieder<br />
fallen mir die Worte der Journalistin Ruth Bondy ein. Sie<br />
formulierte in einer Rede in Yad Vashem ihr zionistisches<br />
Bekenntnis folgendermaßen: "Nach dem Krieg sind wir<br />
nach Israel eingewandert - nicht weil wir davon überzeugt<br />
waren hier sicher zu sein. Wir sind gekommen, um<br />
unter Juden zu leben, nie wieder eine tolerierte oder auch<br />
nicht tolerierte Minderheit zu sein. Das ist auch heute das<br />
Allerwichtigste." Dieser Satz bewegt und überzeugt mich<br />
bis heute.<br />
geführt hat, dass meine Kritikfähigkeit gegenüber Israel<br />
zeitweise gelähmt oder zurückgedrängt wurde. Erst nach<br />
über 30 Lebensjahren in Israel wage ich es, diese Gedanken<br />
in persönlichen Gesprächen auszudrücken und sie<br />
auch schriftlich festzuhalten. Es fällt mir nicht immer<br />
leicht, diesen Widerspruch, den ich wie eine Gratwanderung<br />
empfinde, auszuhalten. Ich bin mir sicher, dass ich<br />
immer wieder Momente erleben werde, in denen dieser<br />
innere Konflikt aufbricht. Vielleicht muss ich lernen, diese<br />
Gratwanderung zwischen Emotionen als einen Aspekt<br />
meiner israelischen Identität zu akzeptieren. Denn Gefühle<br />
haben - auch in diesem Kontext - ihre eigene Ratio.<br />
27<br />
Es brauchte lange Zeit, bis ich es wagte, patriotische<br />
Aussagen von Überlebenden selbst in Frage zu stellen.<br />
In solchen Momenten wurde mir bewusst, wie meine<br />
persönliche Verbundenheit mit diesen Menschen dazu